Book - Anatomy Of Human Embryos

From Embryology
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Wilhelm His

ANATOMIE MENSCHLICHER EMBRYONEN


VON

WILHELM HIS.


II. GESTALT- UND GRÖSSENENTWICKLÜNG BIS ZUM SCHLÜSS DES 2. MONATS.


MIT 67 FIGUREN IM TEXT.


LEIPZIG, VERLAG VON F. C.W.VOGEL.

1882.


Dieses U. Heft ist auch einzeln käuflich.

Heft ni. (Entwicklung der Organe) mit zugehörigen Ta£eln wird Ende des Jahres erscheinen.


MEDICINISCHER YERLAG VON F. C.W. YOGEL IN LEIPZIG.


Handbuch der Physiologie

der

ZEUGUNG


von

Prof. Dr. V. Hensen in Kiel.

Mit 48 Abbildungen, gr. 8. 1881. 8 Mark. (Hermann's Handbucli der Physiologie VI. Band. 2. Theil.)

Handbucli der Krankheiten

der

Weiblichen Geschlechtsorgane

von Dr. CARL SCHROEDER,

Professor der Gynäkologie in Berlin.

5. umgearbeitete Auflage.

Mit 174 Holzsclinitten. gr. 8. 1881; 10 Mark.

(v. Ziemssen's Spec. Pathologie und Therapie. X. Band.)

Das scoliotisch und kyphoscoliotisch Rachitische JBecken.

Nach eigenen TJntersucliungen an der Leibenden und an Präparaten

von

Dr. C. 6f. Leopold in Leipzig. Mit 15 pbotogr. Tafeln, gr. 4. 1879. 24 Mark.

Im August d. J. wird erscheinen:

PESTSCMIPT

zur

IT'eier des SOOjälirigeii Besteliens

der

Julius -Maximilians -Universität

zu WÜRZBURa.

Gewidmet von der

Medicinisclien Facultät daselbst.

Mit Tafeln, gr. 4. 2 Bände, ca. 70 Bogen.


W. HIS

MENSCHLICHE EMBRYONEN.

IL


ANATOMIE

MENSCHLICHER EMBRYONEN


VON


WILHELM HTS.


II.

GESTALT- UND GRÖSSENENTWICKLÜNG BIS ZUM SCHLUSS DES 2. MO^^ATS.


LEIPZIG,

VERLAG VON F. C.W.VOGEL.

1882.


GESTALT- UND GRÖSSENENTWICKLUNG

MENSCHLICHER EMBRYONEN

BIS ZUM SCHLUSS DES 2. MONATS


VON


WILHELM HIS.


MIT 67 FIGUREN IM TEXT.


LEIPZIG, VERLAG VON F. C.W. VOGEL.

1882.


I


au


Das Uebersetzungsrecht ist vorbehalteij.

Die Nachbildung der Figuren bedarf der Genekmigung des Verlegers.




DER MEDICINISCHEN FACULTÄT


DER


UNIVERSITÄT WÜRZBURG


ZUR FEIER


IHRES 300JÄHRIGEN SEGENSVOLLEN WIRKENS


IHR


DANKBAR ERGEBENER SCHÜLER.


Inhaltsverzeiclmiss.


Seite

Einleitung- / . . 1

Benutztes Material 4

Art der Messung, Nackenlinie 4

Tabelle normaler Fälle 7

lieber das Vorkommen missMldeter Formen 12

Tabelle der Missbildungen 13

lieber das Verhältniss der normalen zu den missbildeten Fällen. . . 14

Ursachen der Missbildung 14

lieber die bei der Kritik des beobachteten Materials in Betracht

kommenden Gesichtspunkte 18

Der Erhaltungszustand 19

Das Verhalten der Häute 21

Ueberein Stimmung der Embryonen unter sich 22

Aufstellung- von Entwickelung-snormen .23

Erster Monat 23

Embryonen von 7— 8 mm 23

Embryonen von 4 — 5 mm 27

Jüngere Formen vor Eintritt der Nackenkrümmung 31

lieber die Embryonen von Jon. Müller, von R. Wagner und von Coste 41

Zweiter Monat 44

Embryonen von 8—10 mm 4.5

Embryonen von 10 — 12 mm 47

Embryonen von 12 — 14 mm 51

Entwickelungsstufen von 14 — 16 mm 57

Entwickelungsstufen von 16 mm bis zum Ende des zweiten Monats 59


VIII Inhaltsverzeichniss.

Seite

Rückblick auf einige Grundvorgänge der äusseren Formentwickelung 63

Kopfgliederung und Längszonen 64

Axenkrümmung 65

Wachsthumsverhältnisse des Profils 67

Zur Frage der Alterslbestimmung; und des Befruchtung-stermins . . 72

Allgemeine Gesichtspunkte 72

' Schwierigkeiten der Zeitbestimmung 75

Discussion der verschiedenen Möglichkeiten 76

Endergebniss 85

Anhang 87

Notizen über die wichtigeren Präparate der Tabelle I (normale Fälle) 87

Notizen über die beobachteten Missbildungen 98


EINLEITUNG.


Dem früher gegebenen Versprechen gemäss lasse ich eine Fortsetzung des vor 2 Jahren begonnenen Embryonenwerkes erscheinen. Wollte ich genau da fortfahren, wo ich aufgehört habe, so hätte ich unmittelbar bei Beginn des zweiten Monats einzusetzen; allein bei Durchführung einer Aufgabe, welche, wie die vorliegende, den Arbeitenden vom Zufall des Materialzuflusses abhängig macht, ist es kaum möglich, den Anforderungen consequenter Stofifanordnung streng Genüge zu leisten. Seit Abschluss des ersten Theiles sind mir mehrere werthvoUe, den früheren Entwickelungsstufen angehörige Stücke übersandt worden und aus rein formellen Gründen durfte ich dieselben nicht zurücklegen. Die Gesichtspunkte aber, die sich bei Bearbeitung des neuen Materiales ergaben, mussten einestheils mit den früher gewonnenen Ergebnissen in Zusammenhang gebracht werden, anderntheils waren sie an das anzuschliessen, was die Betrachtung nachfolgender Stufen lehrte. Damit bin ich denn auch zu einer anderen Methode der Stoff behandlung geführt worden.

Im ersten Theil habe ich zunächst den Weg casuistischer Beschreibung eingeschlagen und damit den Boden für eine allgemeiner gehaltene Behandlungsweise des Gegenstandes vorzubereiten gesucht. Jetzt, wo das Material sich etwas reichlicher angehäuft hat, würde ein consequentes Festhalten an der casuistischen Beschreibung für den Leser und für den Autor ermüdend sein, und weit angemessener erschien es daher, sowohl die Entwickelung der äusseren Gestalt, als diejenige der Organe in mehr zusammenhängender Weise dar zustellen. Selbstverständlich bleiben auch so noch genaue DurcharBeitungen der einzelnen Fälle die eigentliche Unterlage des Ganzen.

Die Organentwickelmig auf ein späteres Heft versparend, habe ich im vorliegenden den Versuch gemacht, den vorhandenen Stoff durch kritische Yergleichung eigener und fremder Beobachtungen zunächst einmal äusserlich zu ordnen. Mein Streben ist darauf gerichtet gewesen, die Normen menschlicher Embryonalentwickelung festzustellen, derart, dass für eine jede Stufe die zugehörigen Formund Grössenverhältnisse bestimmt werden. Die Aufgabe hat sich im Allgemeinen nicht als unlösbar erwiesen; nur an wenigen Stellen bleiben Lücken oder Unsicherheiten übrig, deren Beseitigung späterer Forschung vorbehalten bleibt. Ein vortreffhches Hülfsmittel bei der Materialvergleichung gewähren Zeichnungen, die auf gleichen Maassstab gebracht sind. Ich habe für die verschiedenen Stufen, von den jüngsten an bis zu den ausgebildeteren vom Schluss des 2. Monats die fünffache VergTÖsserung angewandt, und ich denke, dass die beigegebenen Figuren dem Beschauer eine rasche und sichere Orientirung gewähren werden. Feineres Detail sollen diese Figuren nicht darstellen; dafür muss auf die grösseren Tafeln verwiesen werden, welche mit dem nächsten Hefte erscheinen werden.

Es würde mir sehr zur Befriedigung gereichen, wenn das vorliegende, in sich abgeschlossene Heft auch in ärztlichen Kreisen Beachtung zu finden vermöchte. Wie dies schon im ersten Theil dieser Arbeit ausgesprochen wurde, so hege ich nämlich die Ueberzeugung, dass die Fortschritte auf unserem Gebiete vor Allem von der werkthätigen Theilnahme abhängig sind, welche die Aerzte der Sache schenken. Wofern sie das ihnen eingehende Material sammeln, wird es nicht an Forschern fehlen, die dasselbe wissenschaftlich verwerthen. Wie viel da die Aufmerksamkeit und der gute Wille des Einzelnen ausrichten können, ergiebt sich aus folgendem numerischen Beispiele: Von jüngsten Formen von Embryonen vor Eintritt der Nackenkrümmung sind mit Hinzurechnung des CosTE'schen und des J. MüLLEE'schen 15 gute Fälle beobachtet. Davon hat A. Thomson drei publicirt, mir selbst sind zehn durch die Hände gegangen und von den zehn habe ich sechs aus Basel bekommen. Würden die Aerzte auch nur in einem Theil der grösseren Städte dieser Sache gleiche Aufmerksamkeit schenken, wie dies einige Collegen meiner Vaterstadt thun, so würden die Schwierigkeiten, die sich aus der Seltenheit des Materials ergeben, wohl hald überwunden sein.

Ich komme noch einmal auf das Detail der Aufhebung und Versendung von Embrj^onen zurück, weil die wissenschaftliche Brauchbarkeit des Materials wesentlich dadurch mit bestimmt wird. Aerzte, denen Embryonen oder junge Früchte vorkommen, thun im Allgemeinen am besten, dieselben in Alkohol von ca. 60 — 70 Proc. aufzuheben und zwar ohne sie vorher mit Wasser zusammengebracht zu haben. Im Uebrigen ist die Härtung mit Salpetersäure zu empfehlen, über die ich mich schon im ersten Theil ausgesprochen habe'), und deren Vorzüge, speciell für histologische Zwecke, Herr Dr. Altmann seitdem eingehend erörtert hat.'-) Von Chromsäure und Chromsäurepräparaten rathe ich im Allgemeinen ab. Die Versendung von Embryonen und von jungen Früchten geschieht in einem mit Alkohol bis zum Eand gefüllten Grlasgefäss zwischen zwei sehr locker eingesetzten Baumwollpfröpfen. In einem unvollkommen gefüllten Glas oder ohne Watte werden die Präparate beim Transport zerstossen. Werden anderntheils die Wattenkissen zu dicht gemacht, so quetschen sie bei ihrem nachträglichen Aufquellen das Präparat und bringen es aus seiner Form. Ohne Flüssigkeit, nur mit angefeuchteter Watte umhüllt, dürfen die Präparate nicht versandt werden, weil sie sonst durch Verdunstung leiden.


1) S.4.

2) Zur histol. Technik. Arch. f. Anat. u. PhysioL. anat. Abth. 1881. S. 219.


1*


Benutztes Material.


Seit Veröffentlichung der ersten Abtheilung dieser Schrift habe ich die Genugthuung gehabt, reichliche Unterstützung bei meiner Arbeit zu finden, denn, wie beistehende Tabelle zeigt, so haben mir in den Jahren 1880 — 1882 mehr denn 30 verschiedene Collegen Untersuchungsmaterial zukommen lassen. Einige meiner wissenschafthchen Freunde haben mir besonders ausgezeichnete Stücke, ja selbst ganze, zur eigenen Bearbeitung gesammelte Präparatenreihen zur Verfügung gestellt ; andere haben mit erfreulicher Regelmässigkeit mir AUes eingesandt, was ihnen an Material einging, verschiedene Sendungen erhielt ich von persönlich unbekannten Collegen und zmn Theil aus weiter Ferne. Ich fühle mich durch diese Vertrauensbeweise in hohem Grade verpflichtet und glaube allen den Herren, die mir so freundlich zu Hülfe gekommen sind, meinen Dank dadurch am besten abzustatten, dass ich das anvertraute Gut nach Kräften ausnütze.

Ich stelle zunächst tabellarisch die von mir benützten Stücke zusammen, wobei der Vollständigkeit halber auch die im ersten Theil beschriebenen Embryonen nochmals mit aufgeführt sind. Mein anfängliches Princip der Buchstabenbezeichnung hat sich bei Zunahme des Materials etwas unbequem erwiesen und ich habe daher Ordnungszifiern eingeführt, zugleich aber bei den wichtigeren Stücken noch die Buchstabenbezeichnung nebenher gehen lassen. Die Embryonen sind nach der Grösse geordnet. Nach einmal eingetretener Nackenbeuge ist die Länge vom Nackenhöcker zur unteren Körperrundung gemessen, ein Maass, das sich mir durcli die Praxis als das brauchbarste ergeben hat. Ich werde dies Maass als Nackenlinie bezeichnen. Es mag auf den ersten Blick irrationell erscheinen, den zusammengekrümmten Körper durch ein gestrecktes Längenmaass auszumessen, wie denn auch mehrere Autoren vorgeschlagen haben, die Länge des Embryo im Bogen zu bestimmen. Diese Messungsweise hat für bestimmte Zwecke ihre volle Berechtigung, allein sie ist schwer correct zu handhaben und jedenfalls nicht so rasch und einfach auszuführen, wie die gestreckte Messung. Die Berechtigung zur Anwendung der gestreckten Maasse liegt darin, dass jeder Entwickelungsstufe ein bestimmter typischer Grad der Zusammenbiegung zukommt, von dem die einzelnen Repräsentanten, falls sie überhaupt in gutem Zustande zur Beobachtung kommen, nicht sehr erhebhch abweichen. Wofern dies nicht zuträfe, so müsste es sich darin äussern, dass die nach dem Längenmaass aufgestellten Reihen zahlreiche Unregelmässigkeiten und Widersprüche bieten, was wenigstens im Ganzen und Grossen nicht der Fall ist. Bei erweichten Embryonen allerdings erweist sich auch die Rückenkrümmung als nicht constant und es führt dies zu Unsicherheiten in der Messung; der Umfang der möglichen Fehler ist indessen nicht allzugToss. Eine gute Controle gewähren die Kopfmaasse und besonders giebt die Vergleichung der auf dieselbe Vergrösserung gebrachten Zeichnung völlig zuverlässige Handhaben zur Einreihung der einzelnen Stücke. Vor Eintritt der Nackenkrümmung sind die absoluten Längenmaasse ein ungenügendes Bestimmungsmittel der Entwickelungsstufe, sie können nur annähernd die Stellung eines Embryo in der Reihe jüngerer Formen bezeichnen, weil in dieser Zeit die Axenbiegungen des Körpers einem ziemlichen Wechsel unterliegen.

Bei den jüngsten zusammengekrümmten Embryonen beträgt die Länge des Körpers 4 mm. Von da ab bis zu ca. 14 mm ist die Nackenhnie die längste durch den Körper legbare Gerade ; dann aber beginnt die Wiederaufrichtung des Kopfes und nunmehr trifft die längste Gerade einen Punkt des Hinterhauptes oder des Scheitels. Wollte man, anstatt der Nackenlinie, die Linie grösster Länge als Unterscheidungsmaass wählen, so würden sich keine scharf gesetzmässigen Reihen ergeben; denn geringe Unterschiede im Grade der Hebung des Kopfes bedingen ziemlich bedeutende Unterschiede der


6 Benutztes Material.

gTössten Länge. Auch würde man mit allen jenen Stücken sehr in Verlegenheit kommen, bei denen in Folge vorangegangener Erweichung der Kopf beweglich ist. Dasselbe Präparat würde bei verschiedener Kopfstellung Differenzen von mehreren Millimetern ergeben.

Ich habe in der Tabelle die Stufen klein gewählt, weil hinsichtlich der Organentwickelung eine getrennte Behandlung nahestehender Stufen sich häufig wünschbar erweist. Wo ich Maasse über die Nabelblase und das Chorion besitze, habe ich sie beigefügt. In der Columne für die Nabelblase bezeichnet die erste Zahl die Tiefe (vom Nabel oder, nach erfolgter Abschnürung, von der Insertion des Darmstieles aus zur gegenüberliegenden Wölbung gemessen), die zweite Zahl giebt den dazu senkrechten Durchmesser. Die Werthe für das Chorion sind nur als approximative zu betrachten, meistens sind ja die Früchte coUabirt oder schon eröffnet in meine Hände gelangt. Bei den übrigen Zahlen bedeutet eine Klammer, dass der Werth nicht genau zu messen war. Nach ihrem Erhaltungszustande sind die aufgezählten Stücke von ungleichem Werthe gewesen, worüber Columne 3 eine vorläufige Auskunft giebt, etwas eingehendere Notizen über die wichtigeren Stücke folgen im Anhang.


Benutztes Material.


TABELLE I. Normale menscliliche Embryonen.


No. und sonstige Bezeichnung


05

3« 


Erhaltungszustand


Durchmesser

der des Nabelblase Chorion mm cm


Herkunft des Präparates



Jüngere Stadien vor Bildung der Nackenbenge. i)


XLIV (Bffj



s. Anhang



0.9 : 0.7


Prf. J. J. Bischoff, Basel, 1881.


VII (E)


2.1


s. I. S. 145


1.6:2.3


0.85:0.55


Dr. EcKLiN, Basel, 1869.


VI (SR)


2.2


s. I. S. 140


1.5:1.9


0.9:0.8


Prf. Roth, Basel, 1879.


LXVIII (Lg)


2.1.5


s. Anhang


1.6:1.2


1.5:1.25


Prf. Langhans, Bern,

1881.


V(L1)


2.4


s. LS. 135



0.9:0.8


Prf. Lexjckart, Leipzig, 1879.


LXVI (Seh 1)


2.2


s. Anhang


1.7:2.1



Dr. Schütz, Hamburg, 1881.


IV (M)


2.6


s. LS. 116


2.6:1.7


0.8 : 0.75


Prf. MiESCHER Vater, Basel, 1863.


LXV (BB)


3.2


s. Anhang


2:3


1.4:1.1


Prf. J. J. Bischoff, Basel,

1881.


LXVII (Lr)


4.2


s. Anhang


2.8:2.3


(1.5)


Dr. LoMER, Leipzig, 1881.


LX (Kln)


4.3


Kopf innerhalb d. Chorion abgerissen




Prf. Kollmann, Basel,

1881.



Embryonen nach Eiatritt der Nackenbeuge.



Embryonen von 4—6 mm. .


, III («):


4


s.LS. 100


3:2.7


3.0 : 2.5


Leipz. Hebamme, 1879.


LVI (W)


(5)


Eingeweide herausgerissen



2.5 : 2.0


Dr. Wünsche, Obercunnersdorf, 1881.


XXVI (D 2)


5


weich und etwas plattgedrückt



2.0:1.5


Prf. DoHRN, Marburg,

1880.


LVII (R)


5


vorzüglich, s. Anhang



2.2


unbekannt, russ. College, 1881.


1) Nicht ai in Berlin erhalte dunklen Gerinnst und L 2, die im


ifgenoi ne Fru i\ und I. Th<


umen in die Tabe Lcht von 2.7 auf 2 scheint 2.4 mm h 3il S. 160 und 162


le ist der

cm; der E

mg gewesf

erwähnt


Fall XX" mbryo lag

n zu seil

sind.


K (eine von Dr. Witzel

in einem wandständigen

i); ebenso die Fälle Str


Benutztes Material.


No. und sonstige Bezeichnung



Erhaltungszustand


Durchmesser

XT ^,*,l'■, z.^.*^®? Herkunft des Präparates Nabelblase Chorion ^

mm cm




Embryonen von 7—8 mm.



I (B)


7


s. I. S. 14


4


2.5:2.2


Prf. J. J. BiscHOFF, Basel,

1878.


LXI (Eck 1)


(1)


theilw. präparirt




Prf. A. Ecker, Freiburg, 1881.


11 (A)


7.5


s. I. S. 14




Prf. Ahlfeld, Leipzig, 1879.


XL (Sit)


7.75


weich, aber gut gebildet



2.1:1.7


Dr. Schott, Frankfurt a. M., 1880.




Embryonen von 8—9 mm.



LXXIII (Hn)


8


etwas weich, aber in der Form gut




Prf. Hensen, Kiel, 1882.


XLII (D4)


8


weich und abgeplattet




Prf. DoHRN, Marburg, 1880.


LXII (Eck 2)


8.5


s. Anhang




Prf. A. Ecker, Freiburg, 1881.


LXIII (Eck 3)


8.5


s. Anhang




do.


XXXII (Jen 2)


8.5


weich und eingerissen




Prf. Schwalbe, Jena, 1880.


XVII {&)


8.5


etwas weich, sonst gut



2.0:1.2


Leipz. Hebamme, 1876.




Embryonen von 9—10 mm.



XXXIX (Bge)


9


weich und etwas verletzt




Dr. A. BuDGE, Greifswald,

1880.




Embryonen von 10 — 11 mm.



LIV iv)


10.3


weich und trüb




Leipz. Hebamme, 1881.


XCVIII


10.3


etwas w., sonst gut



3.5 : 2.5


do. 1882.


X (Mch)


10.5


s. Anhang




Dr. MüNCH, Basel, 1870.




Embryonen von 11 — 12 mm.



XXIX (Br 1)


11


vorzüglich


5.5:4.5


3.0:2.7


Dr. Brennecke, Sudenburg-Magdeburg, 1880.


XVIII (i)


11


etwas weich




Leipz. Hebamme, 1 880.


XXII (1)


11


weich, mit eingerissenem Halse




do. 1878.


XCVII (v^)


11


desgl.



3.0:2.5


do. 1878.


Benutztes Material.


No. und sonstige Bezeichnung


O) O

a B

c« H


Erhaltungszustand


Durchmesser

der des

Nat einläse Chorion

mm cm


Herkunft des Präparates




Fortsetzung.



XXVIII (G)


11


weich u. mit herausgeriss. Eingeweiden




Dr. Geyl, Dordrecht, 1880.


LXIV (Eck 4)


11.2


am Kopfe etwas verletzt




Prf. A. Ecker, Freiburg i. B., 1881.


LXXIV (Rg)


11.5


vorzüglich


5.5:4.5


3.0 : 2.7


Dr. C. Rüge, Berlin, 1832.




Embryonen von 12—13 mm.



LIII (TT)


12


Form gut ')




Leipz. Hebamme, 1881.


XXIII (JJB)


12


Zwill.,etw.einger. sonst gut, s. Anh.




Prf. Bischoff, Basel, 1880.


XXXV (S 1)


12.5


vorzüglich


6:5


3.0:2.7


Prf. F. Schmidt, Kopenhagen, 1880.


XXXVIII (Bge)


12.5


gut




Dr. A. BuDGE, Greifswald, 1880.


XIX (x)


12.8


weich


5:4.5


4.0 : 3.2


Leipz. Hebamme, 1881.


LXXII (M2)


13


Embryonen

weich und gequetscht


von 13—


14 mm.


Prf. MiESCHER Vater, Basel, 1881.


XIV (S)


13


weich und difform




Leipz. Hebamme, 1878.


XLIX (ff)


13


weich und trüb




do. 1881.


XXIII (o)


13.5


gut




do. 1879.


XLV (Br2)


13.6


vorzüglich


6:4.5


3.5:2.8


Dr. Brennecke, Sudenburg-Magdeb., 1880.


XLVI (Seh 2)


13.8


vorzüglich




Dr. Schütz, Hamburg, 1881.




Embryonen von 14 — 15 mm.



XII iß)


14


etwas weich




Leipz. Hebamme, 1876


XIII iy)


14


desgl.




do. 1876


XXIV (n)


14.2


gut




do. 1881


XXVII D 3)


14.4


weich, sonst gut




Prf. DoHRN, Marburg,

1880.


1) Hatte VC säure und in AI


)r der cohol 1


Einlieferung in y lachgehärtet.


T'asser gel


egen unc


wurde dann in Salpeter


10


Benutztes Material.


No.

und sonstige Bezeichnung


1^

a a 1— 1


Erhaltungszustand


Durchmesser

der des

Natelblase Chorion

mm cm


Herkunft des Präparates




Embryonen von 15—16 mm.



XXXVI (S 2)


15


Ectopia cordis, sonst gut


5.5:4.5


3.5 : 2.8


Prf. F. Schmidt, Kopenhagen, 1880.


XXXIV (Dr 1)


15


innerhalb des Uterus befindlich, sehr gut


6.0 : 5.5


4.5:4


anat. Samml. des Instit., stammt aus Dresden.


LI (St)


15


gut




Dr. Schmidt, Lindenau, 1881.


XXI (v)


15.4


weich




Leipz. Hebamme, 1878.


XLI (Fr)


1 5.5


in der Form gut, am Kopf verletzt




Dr . FRiEDLÄNDEB,Berlin,

1881.




Embryonen von 16 — 20 mm.



XXV (^)


16.5


ziemlich weich



. —


Leipz. Hebamme, 1878.


LVIII (Mr)


17


gut




Dr. Meyer, Hoyerswerda,

1881.


XX (^)


17


s. gut




Leipz. Hebamme, 1875.


XI (Gr)


17.5


gut




Dr. Greppin, Basel, 1870.




Embryonen von 20 — 25 mm.



XVI (z)


22


s. gut




Leipz. Hebamme, 1877.


LXXVII (Wt)


23


aus einer Extrauterin - Schwangerschaft, gut



5.5:5


Prf. Weigert, Leipzig,

1882.


LXXVIII (Lp)


25


gut



5.5:5


Dr. Leopold, Leipzig, 1881.


XCVI (Dr2)


25


gut



4.5:4


anat. Samml. des Instit., aus Dresden stammend.


Benutztes Material. 11

Laut dieser Zusammenstellung habe ich bis dahin zu beobachten Gelegenheit gehabt:

Embryonen früherer Stufen bis zum Eintritt der Nackenbeuge 10

Embryonen von 4 — 6 mm 4

^ 7—8 ^ . . . .' 4

^ 8—9 ^ 6

^ 9—10 =^ 1

^ 10—11 * 3

^ 11—12 =» 7

. «» ^ 12—13 ^^ 5

^ 13—14 ^ 6

- 14—15 ^ . 4

^ 15—16 ^ 5

^ 16—20 ^ 4

»^ 20—25 ^ . . 4

63


lieber das Vorkommen missbildeter Formen.


In die Tabelle des vorigen Abschnittes sind nur diejenigen Präparate mit aufgenommen, welche ich für normal gebildet halten musste, die missbildeten Formen stelle ich in einer besonderen Tabelle zusammen. Die Art der Missbildung ist in dieser letzteren nur summarisch angegeben, einige weitere Notizen nebst Zeichnungen findet man im Anhang. Uebrigens werde ich mich auch da kurz halten, es kommt mir zur Zeit nur darauf an, anzudeuten, auf was für Yerbildungen man zu stossen pflegt. Nach meiner Ueberzeugung wird es, nachdem einmal die normalen Entwicklungsverhältnisse menschlicher Embryonen festgestellt sind, eine besondere Aufgabe sein, die Missbildungen der früheren Lebensperioden eingehend zu bearbeiten, und ich werde meinerseits gern bereit sein, einem Forscher, der sich der Sache mit der nöthigen Hingabe widmen wird, das bei mir liegende Material zm' Verfügung zu stellen. In den beiden Tabellen ist nahezu alles Material mitgetheilt, worüber ich brauchbare Aufzeichnungen besitze, nur wenige, in der Vergrösserungsangabe unsichere ältere Zeichnungen habe ich unberücksichtigt gelassen und ebenso einige allzu defecte Präparate. In vielleicht zwei oder drei Fällen war bei überbrachten Fehlgeburten die Fruchthöhle von festen Blutgerinnseln erfüllt und dadurch die Auffindung eines Embryo unmöglich gemacht. Im Uebrigen aber sind mir leere Früchte niemals vorgekommen.


Ueber das Vorkommen missbildeter Formen.


13


Tabelle II. Mssbildungen.i)


No.


-J » 3.1 ^

CosTElIa ... 1.8 ^ 2.9 ^

Hensen .... 1.85 ^ 2.8 ^

Ecker2) .... 1.75 ^ 2.6 ^

Mittel 1.76 mm 2.9 mm

R 1.94 mm 3.4 mm

W 1.9 ^ 3.8 .

Mittel 1.92 mm 3.6 mm

Formen vor Eintritt der Nackenkrümmung.

Die Zahl der in der Literatur beschriebenen, auch hinsichtlich der Maassangaben brauchbaren Fälle von Embryonen vor Eintritt der Nackenkrümmung ist keine allzubedeutende. Ich rechne dahin die drei Beobachtungen von Allen Thomson aus dem Jahr 1839, die er selbst mit 1, 2, 3 nummerirt hat ; femer die im ersten Theil beschriebenen vier Fälle Y\l (E), VI (SRj, V (L 1) und IV (M). Als neue Beobachtungen kommen dazu die fünf Fälle LX (Kln) , LXVIE (Lr), LXV (BB), LXVni (Lg) und LXVI (Seh 1). Von diesen 12 Embryonen ist der letzte dem Uterus einer an einem Aneurysma plötzlich verstorbenen Frau entnommen und er nimmt somit unter den als normal zu beglaubigenden Fällen eine erste Stelle ein. Das Präparat LXIV (Bff), das in der Tabelle mit aufgeführt ist, betrifft eine Entwickelungsstufe vor der eigentlichen Embryobildung und ich werde bei späterem Anlass auf dasselbe zurückzukommen haben.

Auf S. 32 sind (mit Ausnahme von AT 1) die aufgezählten Fälle bei 5facher Vergrösserung zusammengestellt. Zu unterst das


1) In dem oben citirten Aufsatz „Zur Kritik" S. 411 ist die grösste Kopftiefe zu 2 mm angegeben, es wurde dort die Linie von der Stirn bis hinter das Hinterhirn gemessen.

2) Die beiden Protilfiguren 4 — 5 von Ecker differiren um 3 mm hinsichtlich der Kopftiefe. Obige Angabe bezieht sich auf die Figur 5.


32


Aufstellung von Entwickelungsnormen.



Fig. 14-25.

Auf dieser Tafel befiaden sich, ausser zwei auf 5fache Vergrösserungen gebrachte Copien nach Allen Thomson AT 3 und AT 2, die Prismenzeichnungen meiner eigenen zehn Beobachtungen, die Fälle durch die in der Tabelle S. 7 angegebenen römischen Ziffern bezeichnet sind.


Präparat XLIV (Bfif). Dasselbe zeigt, dem Chorion unmittelbar verbunden, einen ellipsoiden Körper, der nach der einen Seite von einer durchsichtigen Blase uhrgiasartig überragt wird. Ich halte den festeren Körper für die ISTabelblase, den durchsichtigen Theil für das Amnion und vermuthe demnach, dass die Embryonalanlage, soweit eine solche vorhanden ist, auf der Grenze zmschen beiden liegt. Dem entspricht auch die Art, wie das Gebilde am Chorion festhaftet. Die Stelle der Verbindung fällt nämlich in das Grenzgebiet der Blase und des undurchsichtigen Körpers. Mit Hülfe von Durchschnitten erwarte ich später mehr Klarheit über dies Präparat verbreiten zu können, hier, wo die Entwickelung der embryonalen Form als nächste Aufgabe vorliegt, kann es vorerst bei Seite gelassen werden.

Die zweite Zeile von unten umfasst die drei Embryonen VI(SE), Vn (E) und AT 2. Letzterer ist nicht nach der bekannten und so vielfach copirten Figur aus dem Edinburgh med. and surg. Journal von 1839 genommen,


Erster Monat. Formen vor Eintritt der Nackenkrümmung. 33

sondern nach einer bis jetzt unpublicirten Originalzeichnung, welche der hochverehrte Forscher mir mitzutheilen die Güte gehabt hat. Diese Figur habe ich wegen der reinen Profilansicht der bereits publicirten vorgezogen.

Wie dies schon im ersten Theil dieser Schrift betont worden ist, so stehen sich die drei Präparate hinsichtlich ihrer absoluten Maasse sehr nahe, am grössten ist die Xabelblase bei E (VII). Auch darin stimmen dieselben überein, dass bei allen der Embryo mit dem grösseren Theil seiner Länge auf der Nabelblase aufruht. Die Linie, die den Embryo von der Nabelblase scheidet, bez. die Grenze des Leibesnabels verläuft schräg, der Kopftheil erhebt sich höher, als das untere Ende, wogegen der sagittale Durchmesser der Nabelblase in der unteren Hälfte grösser ist, als in der oberen. Bei zwei Präparaten, bei AT 2 und bei SR, schneidet eine vom unteren Rande ausgehende Kerbe in die Blase ein und trennt in unvollkommener Weise einen dem Embryo zugewandten Keil vom kugligen Theil der Blase ; bei beiden Präparaten hebt sich die Herzanlage als ansehnlicher Wulst vom übrigen Kopftheil des Embryo ab und ist zwischen diesen und die Nabelblase eingeschoben. Beim Präparat E, das etwas jünger ist, denn die beiden anderen, steht das freie Kopfende weniger weit von der Nabelblase ab und die Herzanlage liegt noch vorwiegend lateralwärts vom übrigen Hinterkopfe. Der Fall AT 2 ist auch von der Dorsalseite her beobachtet worden und zeigt in der betreffenden Ansicht eine tief gehöhlte Medullarrinne , deren Ränder sich stellenweise schon bis beinahe zur Berührung entgegengerückt sind. An meinen beiden Präparaten kann ich nur aus etwas schrägen Profilansichten über das Verhalten der Medullarrinne schhessen; bei SR war sie noch klaffend, bei E scheint überhaupt erst ^eine Primitivrinne vorhanden gewesen zu sein.

In den beiden von mir gezeichneten Fällen ist der Embryo durch einen dicken Bauchstiel mit dem Chorion verbunden. Das Amnion umhüllt den Embryo und die dorsale Seite des Stieles , sein vorderer Endpunkt schliesst sich über der Herzanlage an das Kopfende des Körpers an ; von da läuft sein Rand schräg zur Abgangsstelle des Bauchstieles und folgt diesem' letzteren bis in die unmittelbare Nähe der Chorioninsertion. Allen Thomson hat das

His, Menschl. Embryonen. II. 3


34 Aufstellung von Entwickelungsnormen.

Amnion in seinen Fall 2 nicht unverletzt beobachtet, dagegen zeichnet er die vom Embryo abgehobene Membran als einen längeren Fetzen, welcher an einer Stelle oberhalb der Herzanlage noch mit dem Körper des Embryo zusammenhängt.

Bei SR läuft der Körper an seinem Steissende in einen stumpfen Zapfen aus, welcher hinter dem Bauchstiel selbstständig hervortritt; auch AT 2 zeigt einen die Nabelblase nach abwärts überragenden kurzen Körperstumpf. Ob bei Embryo E ein solcher vorhanden gewesen sei, vermag ich aus meinen alten Zeichnungen nicht zu entscheiden.

Für die gesammte Auffassung der Bauchstiel- und der Allantoisentwickelung erscheint es äusserst wichtig, sich darüber klar zu werden, ob der Embryo 2 von Allen Thomson wirklich frei in der Fruchthöhle gelegen hat oder ob er durch einen Stiel befestigt war. Ich habe schon im ersten Theil die Vermuthung ausgesprochen, dass auch in diesem Fall ein Stiel vorhanden gewesen und bei der Herausnahme des Embryo zerstört worden sei. Meine Gründe für diese Annahme waren folgende: einmal giebt A. Thomson selbst an, dass der Rücken des Embryo und das hintere Ende der Nabelblase der Innenfläche des Chorion durch dichtes Gewebe verbunden gewesen seien. Auch ist die vorhandene Verletzung des Amnion mit derjenigen des Bauchstieles in unmittelbaren Zusammenhang zu bringen, da sie bei Durchschneidung des letzteren nothwendig eintreten musste. Sodann ist ja nicht nur mein Embryo SR, der mit AT 2 gleichaltrig gesetzt werden kann, sondern auch der entschieden jüngere E (VII) mit einem Stiel versehen gewesen, und endlich zeigt auch die Beobachtung 1 von A. Thomson einen unmittelbaren Zusammenhang des Embryo mit dem Chorion.

Bei Anlass des vorjährigen internationalen Congresses in London habe ich die Freude gehabt, mit Herrn Allen Thomson persönlich die Frage besprechen zu können, und dabei ist er so freundlich gewesen, mir seine alten Originalzeichnungen vorzulegen, die er mir seitdem auch hierher nach Leipzig anvertraut hat. Diese mit bewundernswerther Treue und Sorgfalt ausgeführten Zeichnungen, unter denen zwei bis dahin unpublicirte Ansichten des Embryo 2 sich befinden , geben nun über den uns beschäftigenden Punkt neue und höchst befriedigende Auskunft. Zunächst die vielcopirte


Erster Monat. Formen vor Eintritt der Nackenkrümmung.


35


Dorsalansicht : in der ßeproduction des Edinb. med. and surg. Journal von 1839 schliesst die Medullarfurclie nach rückwärts, ähnlich wiej nach vorn damit ab, dass die beiden Seitenwände abgerundet in einander übergehen und somit eine Art von Bhndsack umschliessen. Die Originalzeichnung, die ich mit der Erlaubniss des Herren Allen Thomson in Copie wiedergebe, zeigt die beiden Seitenwände der Medullarrinne getrennt, in zwei Spitzen auslaufend, und die beigefügte Note sagt ausdrücklich: „the spinal canal seen open, parti€ularly at the posterior end". Dazu kommt nun ferner eine unpublicirte Ansicht vom Caudalende her. Dieselbe zeigt, dass in der That das Präparat an dieser Stelle defect gewesen ist, da ein Loch



AT.l


Fig. 26—28.

Copirt naeh den Originalzeicliaungen von Herrn Allen Thomson. AT 2 (a) Ansieht vom Rücken

her, zeigt den Einsehnitt am unteren Körperende, (b) Ansicht vom unteren Ende her, zeigt das

vorhandene, in den Hinterdarm und den Dottersaek führende Loch.

AT 1 Verbindung des Embryo 1 mit dem Chorion.


in die Nabelblase und in den Hinterdarmraum hereinführt. Die zugehörige Originalbemerkung lautet: „View of the posterior extremity of the foetus looking into the cavity of the intestine, which being tom at the end, is seen to communicate with the sac of the yolk". Und so erlauben diese so vorzüglichen alten Zeichnungen, über eine Frage Aufklärung zu gewinnen, die zur Zeit ihrer Anfertigung gar nicht in Betracht kam und die beim damaligen Stande der Wissenschaft überhaupt nicht in Betracht kommen konnte.

Auch in Betreff des Embryo AT l ergiebt die Originalfigur bestimmtere Auskunft als die Copie. In letzterer ist gerade die Verbindung des Embryo mit dem Chorion etwas im Schatten , ich


36 Aufstellung von Entwickelungsnormen.

copire daher das betreffende Stück noch einmal als Linearfigur. Nach meiner Auffassung ist hier der Embryo noch vom Amnion umgeben, welch letzteres auch den vorhandenen Bauchstiel umhüllt. Ich halte nämlich das rechte Ende der Eigur für das Kopfende und nehme an, dass das linke Ende den stark im Winkel gebogenen Bauchstiel enthalten hat. In der ursprünglichen Beschi'eibung des Präparates ist von einem Amnion nicht die Eede, es heisst dagegen, der Bücken des Embryo sei zusammengerunzelt, auch seien Eücken^vülste nicht zu sehen gewesen. Bedenkt man, dass die Beobachtung am dritten Orte, bei schlechtem Licht und ohne Berührung des Embryo durch Instrumente hatte geschehen müssen, dass femer das Präparat zuvor mit Essigsäm-e behandelt worden war, so wird es wohl verständhch, dass die Umhüllung des Embryo durch ein knapp anliegendes Amnion dem Beobachter bei aller aufgewendeten Sorgfalt hat entgehen können.


Die acht übrigen Embrj^onen der Zusammenstellung von S. 32 habe ich in vier Gruppen bez. in vier Zeilen angeordnet, welche zwar hinsichtlich der Grösse, nicht aber hinsichthch der allgemeinen Form einen stätigen Eortschritt zeigen. Nach ihrer Form repräsentiren sie nämlich zwei absolut entgegengesetzte T3"pen. Der eine Typus zeigt, conform der späteren Gestaltung, eine convexe Eückenlinie und ein nach vorn emporsteigendes Beckenende des Körpers. Beim anderen Typus dagegen ist der Kücken tief eingeschnitten und das Beckenende gestreckt nach abwärts gerichtet. Den ersten Typus vertreten die Embryonen LX (Kln), LX"\TI (Lr) und IV (M), den zweiten die Embryonen LXVIH (Lg), LXVI (Seh) und LXV (BB).i) Die Krümmungsverhältnisse des zweiten Typus ent


1) AT 3 schliesst sich theilweise dem ersten, L 1 dem zweiten Typus an, indessen zeigen beide Stücke die typische Krümmung nicht vollkommen ausgebildet, und beide sind defect zur Beobachtung gelangt. AT 3 war in einem relativ zu grossen Chorion enthalten, also wohl erweicht zur Beobachtung gelangt; das Amnion fehlt an der Figur und das Herz hängt frei aus dem Körper hervor. L 1 dagegen besass , als ich das Stück erhielt , weder Herz und Nabelblase, noch Amnion und Bauchstiel.


Erster Monat. Formen -vor Eintritt der Nackenkrümmung. 37

sprechen denen der jüngsten Stufen insofern, als auch diese (besonders auffällig SR) einen eingezogenen Rücken und ein den Bauchstiel frei überragendes Beckenende zeigen, allein dem Grade nach sind die dorsalen Einziehungen von Lg und Seh weit erheblicher, als die von SR. Die Möglichkeit scheint mir nicht ganz abzuweisen, dass bei den Embryonen Lg und Seh 1 in Eolge der Präparation die dorsale Einziehung über das Maass gesteigert worden ist, aber selbst wenn dies der Eall wäre, so kann doch nicht bezweifelt werden, dass bei diesen beiden Embryonen die primäre Rumpfkrümmung dorsalwärts concav und das Steissende nach abwärts gerichtet gewesen ist. Für einen allmählichen Uebergang dieser Biegung in die spätere convexe fehlen die Zwischenglieder. Die leichte Einziehung des Rückens bei L 1 und AT 3 als TJebergänge zu betrachten, scheint kaum erlaubt, weil die beiden Stücke ihres defecten Zustandes Jialber in dieser Sache nicht beweiskräftig sind. Soweit ich die Verhältnisse beurtheilen kann, so muss sich der Uebergang der einen Form in die andere ziemlich rasch vollziehen, und ich- bin geneigt, als deren Grundbedingung Spannungswirkungen des Amnion anzusehen. Es bedarf dies einer etwas genaueren Erläuterung: Das Amnion ist in diesen früheren Entwickelungsperioden an folgenden Theilen befestigt :

1. am unteren Rande des Unterkiefers und von da ausgehend an der Seitenfläche der Praecardialplatte ; i)

2. unterhalb des Herzens verläuft sein Saum dem Leibesnabel entlang und hängt somit mit dem noch offenen Seitenrande der Rumpfwand zusammen;

3. am unteren Ende des Leibesnabels geht das Amnion auf den Bauchstiel über und es haftet diesem letzteren an bis zu dessen Insertionsstelle an das Chorion.

Es ergiebt sich hieraus, dass einerseits das Kopfende des Körpers, andererseits dessen Beckenende als mehr oder weniger freie Vorsprünge in den Raum der Amnionhöhle hineinragen, während der Mittelrumpf vermöge seiner Verbindungsweise in einer directeren Abhängigkeit vom Amnion steht. Wenn nämlich die Dehnung des


1) Hierüber vergleiche man meine Mitth. zur Embryologie der Säugethiere und des Menschen. Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abth. 1881. S. 305 ff.


38 Aufstellung von Entwickelungsnormen.

Amnionsaumes im Bereich der Nabelstrecke (im obigen Bezirke 2) mit dem Längenwaclisthum der Axengebilde nicht Schritt hält, so sind zwei entgegengesetzt gekrümmte Stellungen des Eumpfes denkbar, aber keine gestreckte Zwischenstellimg ; eine relative Streckung (wie bei Li) kann unter den Verhältnissen erst nach Ablösung des Amnion zu Stande kommen. Wenn dem so ist, so ergiebt sich die weitere Folgerung, dass der Uebergang aus der concaven Primärstellung in die convexe Secundärstellung als eine Art von Federwirkung zu verstehen ist: Nachdem die Endpunkte der wirksamen Zuglinie eine gewisse Verschiebung erfahren haben, federt der gebogene Eumpf aus der einen in die andere Stellung über.

Jedenfalls ergiebt schon die einfache Betrachtung der Querschnittsbilder, dass der Körperabschnitt, der dem Bereiche des Leibesnabels angehört, am biegsamsten sein muss ; weiter vorn und weiter hinten bildet der Körper zu der Zeit einen geschlossenen Cylinder, in der Mitte aber eine offene Platte. Es scheint denkbar, dass gewisse Missbildungen ihren Grund in einem Ausbleiben der richtigen Krümmung haben, und dass letzteres mit einer abnormen Entwickelung des Amnion zusammenhängt. Anderntheils aber ist unzweifelhaft, dass während einer gewissen Zeitdauer durch unzweckmässige Präparation, etwa durch Zug an der Nabelblase, die secundäre Krümmung wieder in die primäre übergeführt werden kann. So glaube ich speciell den Fall LXV (BBj verstehen zu müssen: Der Embryo LXV (BB) ist hinsichtlich seiner Grössenentwickelung dem Embryo IV (M) etwas voraus, er scheint also etwas älter zu sein, als dieser, und doch hat er die primäre, dieser aber die secundäre Rumpf krümmung. Nun ist meine Präparation von LXV nicht ganz untadelhaft gewesen. Beim Eröffnen der Frucht und zwar beim ersten Schnitte bin ich nämlich direct auf den Embryo gestossen, habe das Amnion verletzt und auch die Nabelblase an einer Stelle eingeschnitten. Demnach vermag ich nicht bestimmt zu sagen, dass der Embryo schon vor Eröffnung der Frucht so gebogen war, wie er sich später fand. An eine künstliche Erzeugung der starken Rückenknickung muss ich um so mehr denken, als sich nach Mikrotomirung des Präparates herausgestellt hat, dass im eingebogenen Theil das Rückenmark aus seinem Räume herausgetrieben war. Wie leicht durch mechanische Beeinflussung in einer verhältnissmässig


Erster Monat. Formen vor Eintritt der Nackenkrümmung.


39


späten Zeit die primäre Krümmung des Eückens wieder auftreten kann, das ergiebt der Embryo LVI (W.) von S. 29. An demselben sind die Eingeweide herausgerissen und hat sich die dorsale Einziehung der früheren Entwickelungsstufen wieder eingestellt.

Bei dem raschen Wechsel der Biegungsverhältnisse des Rumpfes ergiebt sich, dass während dieser frühen Entwickelungsperioden die Bestimmung der grössten Länge einen unsicheren Maassstab für die Stufenscheidung gewährt. Etwas brauchbarer scheint mir die Kopflänge zu sein, vom Scheitel bis hinter das Herz bez. bis zur Wurzel der Nabelblase gemessen, obwohl auch dieses Maass nicht sehr scharf bestimmbar ist.

Die sagittalen, von der Stirn aus gemessenen Kopftiefen und die eben bezeichneten Kopflängen der acht Embrj^onen von S. 32 stelle ich in nachfolgender Tabelle zusammen:


LXVni (Lg)

y (L) . . .

LXYI (Seh 1)


Grösste sagittale Kopf tiefe

0.6 mm 0.5 ^ 0.7 ^


Mittel


Kopflänge, vom Scheitel bis hinter das Herz gemessen

1.0 mm

1.1 ^ 1.3 ^


Mittel. . . .


0.6 mm


1.13 mm


IV (M) . .


0.8 mm


1.3 mm


AT3 . . .


1.05 -^


1.6 ^


LXV (BB) .


. 0.95 ^


1.4 ^


Mittel. . .


0.93 mm


1.43 mm


LX (Kln) . .


1 .25 mm


(2.3) mm


LXVII (Lr)


1.05 ^


2.2 ^


1.15 mm


2.25 mm


In der Gestaltung des Kopfes zeigen die acht Embryonen gewisse gemeinsame Züge. Bei allen ist das Vorderhim schon so weit vornüber gebogen, dass das Mittelhirn die höchste Stelle des Scheitels einnimmt. Stirntheil und Gesichtstheil des Kopfes, sowie der Hinterkopf gliedern sich in charakteristischer Weise von einander ab, und der Stirntheil überragt als kuglig gerundeter Wulst den Eingang zur Mundbucht. Letztere wird zu beiden Seiten von den ziemlich hohen Oberkieferfortsätzen wie von zwei Säulen eingefasst, während der


40 Aufstellung von Entwickelungsnormen.

mächtige, in der Mittellinie durch eine Furche ahgetheilte Unterkieferfortsatz schräg unter demselben herabsteigt. Es ist der Eingang zur Mundbucht weit klaffender als später, weil in der Folge der vordere Abschnitt des Unterkiefers emporgedrängt wird und dem mittleren Stimfortsatz entgegentritt.

Nach abwärts gränzt sich der Unterkiefer durch die lange erste Schlundfurche ab, eine zweite Eurche lässt sich schon bei V (L) und bei LXVni (Lg) erkennen ; von LXV (BB) ab ist auch mit Sicherheit die dritte Furche zu sehen. Bei LXVII bildet diese den oberen Rand einer schräg dreieckigen Grube, deren unterer Theil den Ort für die Bildung der vierten Furche enthält.

Die Augenblasen sind, wie die Durchschnitte lehren, schon bei V (L) und bei LXVIII (Lg) vom Gehirn durch tiefe Furchen abgesetzt, indess treten sie noch bei keinem der acht Embryonen stark genug über die Oberfläche hervor, um sich äusserlich kennthch zu machen.. Bei den beiden genannten jüngsten Embryonen ist die Gehörgrube noch offen, bei IV (M) und bei LXY (BB) ist sie bereits zur Blase geschlossen.

Das Herz ist schon bei LXVIII (Lg) nicht mehr gestreckt, sondern es bildet eine stark hervortretende Schleife, deren Convexität nach vom gerichtet ist. Noch während einiger Zeit ist der quere Durchmesser des Herzens der grössere, wenn auch bald der eine, linke Winkel der Schleife sich etwas nach abwärts zu wenden beginnt. So lange die Nackenkrümmung des Embryo nicht eingetreten, das Herz somit nicht in den Winkel zwischen Kopf und Rumpf herabgeschoben ist, besitzt der Hinterkopf wegen des mächtigen, seiner Vorderseite angefügten Organs eine auffällig plumpe Gestalt. Bei allen diesen jüngeren Stufen bis zu Lr hin ist das Herz vom Amnion noch nicht völlig umschlossen und seine vordere Fläche ist nur von der Präcardialplatte gedeckt. Das Amnion verlässt diese Platte schon in ihrem Seitentheil, ohne bis zur vorderen Mittellinie vorzudringen.

Die Urwirbelgliederung des Rumpfes hat schon bei V und bei LXVIII begonnen, scheint sich indessen zu der Zeit noch nicht bis zum hinteren Ende zu erstrecken. Auch zeigen die Durchschnitte, dass bei diesen jüngeren Embryonen das Rückenmark in der unteren Körperhälfte noch eine offene Rinne bildet. Dagegen ist von


Erster Monat. Formen vor Eintritt der Nackenkrümmung. 41

IV (M) und LXV (BB) ab das Rückenmark bis unten hin geschlossen und die Urwirbelgliederung erstreckt sich bis in den Beckentheil herein.

Die ersten ohne Weiteres erkennbaren Anlagen der Extremitäten finden sich bei den beiden Embryonen der oberen Zeile LX (Ein) und LXVn (Lr). Durch genaue Vergleichung der Durchschnitte habe ich mich übrigens überzeugt, dass schon bei LXV (BBj und IV (M) Andeutungen von Extremitätenanlagen da sind ; es sind nämlich die zu der Zeit schon deutüch ausgeprägten Wolffschen Leisten im Bereich der Extremitätenbildung breiter als ausserhalb desselben. Hervorzuheben bleibt endlich, dass bei den beiden Embryonen der obersten Zeile die Nackenkrümmung sich einzuleiten beginnt.


Ueber die Embryonen von Joh. Miille?^, von R. Wagner und von Coste.

Ich habe in der obigen Darstellung die drei dm'ch die Literatur so bekannten Fälle unberücksichtigt gelassen und ich muss dies noch näher motiviren. Dies geschieht am besten, indem ich dieselben auf fünffache Vergrösserung umgezeichnet hier wiedergebe. Für zwei derselben, den von Joh. Müller und den von R. Wagner, liegen directe Maassangaben vor. Dies gilt leider nicht vom CosTE'schen, in Betreff dessen nur mitgetheilt wird, dass der„selbe „ungefähr 15 fach vergrössert" sei. Kölliker giebt seine Länge zu 4.4 mm an'), ob er ihn selbst gemessen hat, weiss ich nicht, jedenfalls hat er noch das Präparat bei Coste gesehen. Die Vergleichung der Kopfgrösse sowie der sonstigen Dimensionen würde^ falls die Grössen- und Vergrösserungsangaben richtig sind, diesen Embryo wenigstens an die Seite von LXVn (Lr), wo nicht noch höher stellen, und doch weist die übrige Entwickelung , der lange Leibesnabel, das noch schwach gekrümmte Herz, die geringe Ausbildung der Schlundspalten auf eine erheblich frühere Stufe, ungefähr auf die von Li , der doch nur halb so gross ist. An eine pathologische Abweichung zu denken, scheint mir bei der vorzüg


1) Entwickelungsgeschichte S. 307.


42


Aufstellung von Entwickelungsnormen.


liehen Erhaltung des Stückes in keiner Weise zulässig, und ebenso wenig glaube ich, dass man innerhalb gesetzmässiger Entwickelung eine so bedeutende Breite individueller Maassdifferenzen annehmen darf. So komme ich zum Schluss, dass ein Fehler in den Vergrösserungs- bez. in den Grössenangaben bestehen muss. Die Zeichnung reiht sich sehr naturgemäss ein, wenn man annimmt, dass die Vergrösserung nicht 15-, sondern 25 — 30 fach gewesen ist. Bei der Wichtigkeit des Objects habe ich mich mit der Bitte um Eevision der Maasse nach Paris gewandt und auch bei den Herren Eanviek und Balbiani äusserst freundliches Entgegenkommen ge


CK*


Fig. 29—32.

Copien der Embryonen von Jon. Müller un(i R. Wagner ( JM und Wr) auf 5 fache Vergrösserung gebracht. Der Embryo (C II) ist auf ein Dritttheil der Originalfigur redncirt. Letztere soll ungefähr 15 fach vergrdssert sein. Die Reduction C II* nur i/g der Originalflgur, passt in ihr Verhältniss weit besser in die Reihen von S. 32 als die doppelt so grosse Figur C II.


funden. Es war die Bereitschaft da, mir das Präparat zur Einsicht zu überlassen, aber es stellten sich bei genauerer Nachforschung heraus, dass dasselbe zur Zeit verloren ist. Die CosTE'sche Sammlung war Privateigenthum gewesen und hatte einige Male ihren Standort gewechselt, ehe sie in den Besitz des College de Erance überging.

Von den Embryonen von Jon. Müller und von R Wagner habe ich schon im ersten Theil gesprochen. Beide zeigen noch die tiefe Einknickung des ßückens, trotzdem, dass die Entwickelimgsstufe sie den Embryonen von Hensen und von Ecker nähert. Ob die Einknickung durch Präparation erzeugt war, oder ob sie pathologisch zurückgeblieben ist, das erlaube ich mir vorerst nicht end


Erster Monat. Ueber die Embryonen von Müller, Wagner und Costa. 43

gültig zu entscheiden. Der WAGNER'sclie Fall mit seinem weiten Amnionsack, seiner sonderbaren Gesichtsbildung und seinen knolligen Extremitätenanlagen macht mir doch sehr den Eindruck pathologischer Yerbildung, während der MüLLER'sche, im Vergleich z. B. mit mit LXV (BB) oder mit LXYIII (Lg) nur durch seine bedeutende Grösse auffällt.


Zweiter Monat.

Ohne bereits in detaillirte Altersbestimmungen einzutreten, setze ich (in XJebereinstimmung mit den meisten Beobachtern) Embryonen von 7 — 71/2 mm auf das Ende des ersten Monats und lasse den zweiten Monat mit solchen von 8 — 9 mm beginnen. Ueber die Länge des Fötus am Schluss des zweiten Monats erlauben mir meine eigenen Erfahrungen kein entscheidendes Urtheil. Toldt giebt in seinem Aufsatze über die Altersbestimmung menschhcher Embryonen die Länge vom Scheitel zum Steiss, im Bogen gemessen, am Schluss der achten Woche zu 3.5 cm an^), was einer gestreckten Länge (vom Nackenhöcker zum Steiss) von ca. 2.2 cm entspricht. Die Eötus von 2.5 cm gestreckter Länge, mit denen ich diese Arbeit abschliesse, fallen demnach schon an den äussersten Schluss des zweiten Monats.

Mit Absicht nenne ich das junge Geschöpf am Schluss des zweiten Monats bereits Fötus und nicht mehr Embryo. Wenn diese beiden Ausdrücke überhaupt einen getrennten Sinn haben sollen, so kann es doch offenbar nur der sein, dass wir den werdenden Organismus Embryo nennen, so lang derselbe noch eine provisorische nur zur Einleitung der definitiven dienende Gliederung besitzt. So sind z. B. Urwirbel, Schlundbogen, Wolff'sche Leiste u. s. w. embryonale Organe, welche später in unveränderter Form nicht persistiren. Von einem Fötus reden wir dagegen da, wo die Gliederung bereits den Charakter der bleibenden angenommen hat. Vollzieht sich auch die Umwandlung des Embryo in den Fötus nicht mit einem Male, so können wir doch constatiren, dass von einem gewissen Zeitpunkte ab der sich entwickelnde Körper eine Form angenommen hat, die über seine Natur keinen Zweifel mehr lässt. Noch bei einer Länge von 12 — 13 mm sieht ein menschhcher Embryo so aus, dass nur der erfahrene Forscher ihn unbedingt als solchen erkennen Avird. Bei einer Länge von 16 mm dagegen wird die Form auch dem unerfahrensten Auge als die eines werdenden Menschen kenntlich sein.


1) Prager med. Wochenschrift. 1879. Sep.-Abdr. S. 8.


Zweiter Monat. Embryonen von 8—10 mm. 45

Der TJebergang vom Embryo zum Fötus fällt demnach beim Mensclien ungefähr in die Entwickelungsstufe von 13 — 16 mm. ISTacb TJeberschreitung dieser Stufe sind die Gestalt des Kopfes, und die Gliederung der Extremitäten definitiv menschlich geworden.


Embryonen von 8 — 10 mm.

Zwischen 8 — 10 mm ist mein Beobachtungsmaterial verhältnissmässig gering. Yon den in der Tabelle verzeichneten Stücken sind die besten die Nummern XVn {d), LXXffl (Hn) und XXXIX, die ich beistehend in Abbildung wiedergebe. Untadelhaft ist auch von diesen 3 Stücken keines. LXXTTT ist etwas weich gewesen und hat an seinem unteren Ende entschieden gelitten, man sieht durch die Haut hindurch, dass, eine kleine Strecke weit, das Rückenmark zerfallen ist. Auch Xyn war etwas weich, sonst aber gut in seinen Formen, nur war der Kopf etwas beweglich. XXXIX kam verletzt in meine Hände. Durch Yergieichung der Stücke unter einander und mit denen der angrenzenden Stufen lässt sich, trotz der IJnvollkommenheit des Materiales, doch folgendes über diese Stufe fest stellen.

Die Zusammenkrümmung des Leibes hat bereits etwas abgenommen und zwar nicht sowohl im Bereich der Nacken- als in dem der Kreuzbeuge. Der Ort der letzteren hat sich nach abwärts verschoben. Die Abgangsstelle der unteren Extremität befand sich während der vorangegangenen Entwickelungsstufe noch im aufsteigenden Schenkel der Rumpfspange, die Extremitäten waren mit ihrem freien Rande nach oben oder selbst etwas nach rückwärts gerichtet. Dies hat sich geändert : die Abgangsstelle der unteren Extremitäten fällt jetzt in den hinteren Schenkel der Rumpfspange und ihr freier Rand sieht nach vom bez. nach vorn und nach oben.

Am Kopf ist die Grundform dieselbe geblieben wie früher, allein es hat sich die zuvor offen dahegende Nasengrube zu einer Spalte mit schmalem Zugang verengt. Femer deckt nun der zweite Schlundbogen den dritten grösstentheils zu. Zwischen Mundspalte und Halswinkel sind zwei breite Streifen, der IJnterkieferfortsatz und der zweite Schlundbogen sichtbar, zwischen denen eine winklig gebrochene Spalte vorhanden ist, der dritte Bogen ist höchstens noch an seiner "Wurzel unbedeckt; ob in der Zeit noch ein Theil von der dritten


46


Aufstellung von Entwickelungsnormen.


Spalte sichtl)ar ist, das vermag wohl nur an absolut gut erhaltenen Stücken ermittelt zu werden, an meinen Präparaten konnte ich eine solche nicht deutlich wahrnehmen.



Fig. 33-35.

Embryonen LXXIII, XVII und XXXIX.

An den Extremitäten, der oberen sowohl, als an der unteren hat sich eine scheibenförmige Endplatte als Anlage von Hand und Euss vom Wurzelstücke abgegliedert. Die Abgiiederung ist durch zwei schräg gegen einander gerichtete Einschnitte erfolgt. ^SToch fehlt ein scharf abgegränztes Mittelstück und die Extremitäten wurzeln an ihrer Absranffsstelle mit breiter Basis in der Wolff sehen Leiste.


Zweiter Monat. Embryonen von 10—12 mm.


47


Die Segmentirung des Rückens zeichnet sich deutlich. An der Seitenwand des Eumpfes ist die Rinne zwischen Herz und Leber hemerkhar, wogegen die Grenzen zwischen den einzelnen Abtheilungen des Herzens äusserlich nicht mehr deutlich hervortreten. Für den Kopf bestimme ich nach oben angegebener Weise folgende

Maasse :

Gr. sagittale Kopftiefe Kopflänge

LXXni 3.3 mm 5.2 mm

XVII 3.4 ^ 5.2 ^

XXXIX 3.35 ^ 5.5 =^


Mittel 3,35 mm


5.3 mm


Embryonen von 10 — 12 mm.

Von dieser Stufe habe ich eine Anzahl guter Präparate in Händen gehabt. Vorzüglich erhalten waren insbesondere der schon in meinen Briefen über die Körperform abgebildete Embryo ') X (Mch) sowie die beiden Embryonen XXIX (Br 1) und LXXIV (Rg 1). Auch XCVin war nicht übel. Die übrigen 7 Stücke, welche mehr oder weniger weich, zum Theil auch verletzt waren, konnten wenigstens als ControUstücke mit verwendet werden.

Die Oeffnung der Körperspange hat noch etwas mehr Fortschritte gemacht, immerhin hängt der Kopf noch stark vornüber, mit dem Vorderrande des zweiten Schlundbogens die Aussenwand berührend. Das Vomüberhängen des Kopfes wird jetzt um so auffallender, da letztere an Umfang unverhältnissmässig viel rascher zunimmt, als der Rumpf. Wir haben jetzt folgende Maasse:

Gr. sagittale Kopftiefe Kopflänge

XCVin 5.4 mm 6.7 mm

X 5.5 ^ 7.8 ^

LXXIV 4.9 ^ 8.1 .

XXIX 5.5 ^ 8.2 ^


Mittel


5.3 mm


Li mm


1) Die nach der Originalzeichnung copirte Figur in den Briefen über die Körperform S. 194 zeigt hinter dem Unterkiefer noch zwei durch eine Spalte getrennte schmale Schlundbogen; es beruht dies unzweifelhaft auf einem Miss


48


Aufstellung von. Entwickelungsnormen.


Während bei jüngeren Embryonen das Schlundbogengebiet des Kopfes noch ein starkes Uebergewicht über den Vorderkopf behauptet, gleicht sich dies allmählich durch relativ stärkeres Wachsthum des Gehirns aus und schliesslich kehrt sich das Yerhältniss vollständig



Fig. 36-38.

Embryonen S, LXSIV und XXIX.


um. Folgende Betrachtung kann dies anschaulich machen: Wir legen durch das Auge eine Gerade, annähernd parallel mit der un


verständniss. Beide Streifen müssen Bestandtheile desselben zweiten Bogens sein, der zu dieser Zeit den dritten Bogen bereits zudeckt. Was dort als zweite Spalte erscheint, kann nur eine untergeordnete Furche gewesen sein.


Hintere


Verh. in Proc. der


Strecke


Gesammtlinie


1.5 mm


32:68


2.1 -^


36 : 64


2.2 =»


39:61


2.9 ^


46:54


2.9 ^


57:43


Zweiter Monat. Embryonen von 10 — 12 mm. 49

teren Eandlinie der Schlundbogen ; ihr vorderer Endpmikt fällt an die Kreuzungsstelle mit dem Kopfrande, ihr hinterer in die Höhe des Halswinkels, bez. in den hinteren Eand des letzten sichtbaren Schlundbogens. Das Auge bez. dessen Mittelpunkt, trennt an dieser G-eraden eine vordere und eine hintere Strecke, deren Verhältniss zu einander in eben dem Maasse sich ändert, als das Gehirn mächtiger sich entwickelt. Für einige von den typischen Repräsentanten der verschiedenen Entwickelungsstufen ergeben sich folgende Zahlen:

Vordere

Strecke

HI (4.0 mm) 0.7 mm

n (7.5 O 1.2 ^

XVn (8.5 ^ ) 1.4 ^

XXIX (11.0 ^ ) 2.5 ^

XLVI (13.8 O 3.8 lieber die letzte von obigen Stufen hinaus lässt sich die Messung, wenigstens nach derselben Methode, nicht mehr wohl fortführen; allein es bedarf nm' eines oberflächlichen Blickes auf die im nachfolgenden mitgetheilten Profilfiguren, um zu erkennen, dass noch auf geraume Zeit hin das Gehirn sein Ilebergewicht im relativen Wachsthum behauptet.

Von sonstigen physiognomischen Veränderungen während der Stufe von 10 — 12 mm ist die selbstständigere Abhebung einer äusseren Nase namhaft zu machen. Die Umgebung der Nasenöffnung wulstet sich etwas empor und erscheint nun durch eine seichte Furche von den anstossenden Theilen getrennt.

An den Extremitäten tritt allmählich die Dreigliederung hervor ; zwischen Endplatte und Wurzel hebt sich ein eingeschnürtes Zwischenstück ab als Anlage von Vorderarm und von Unterschenkel. Zugleich wird das Wurzelstück schmaler und trennt sich als Oberarm und als Oberschenkel bestimmter von der immer noch deuthch markirten Wolff'schen Leiste. Ellbogen und Knie erscheinen als nach auswärts gerichtete Vorsprünge. Die Gliederung der oberen Extremität geht der der unteren etwas voraus und besonders gilt dies von der Gliederung der Hand gegenüber derjenigen des Fusses.

Beide Endplatten, obere und untere, bestehen aus einem dickeren Wulst, der von einem verdünnten Saum umfasst wird. Die

His, Menschl. Embryonen. II. 4


50 Aufstellung von Entwickelungsnormen.

anfängliche Umgrenziingslinie ist weder bei Hand- noch bei Fussanlage gieichmässig gerundet, sondern sie besitzt drei hervortretende Ecken, die dem Bereich des Finger- und Zehengebietes angehören. Die obere Ecke entspricht der Stelle, wo sich der Daumen, bez. die grosse Zehe bilden wird, die untere Ecke bezeichnet den Ort für den kleinen Finger oder die kleine Zehe, und die mittlere Ecke wird zu Mittelfinger oder Mittelzehe.

Die Fingergiiederung leitet sich zunächst damit ein, dass innerhalb des äusseren Saumes und ausserhalb des als Handwurzel zu bezeichnenden Centralwulstes, vier kleine Grübchen entstehen, dabei bleibt anfangs noch ein ungegliederter äusserster Saum übrig, der erst auf einer nächstfolgenden Stufe, in Folge des zunehmenden Längenwachsthums der Finger, gekerbt wird und nun erst seinen selbstständigen Charakter verliert. Aus Durchschnitten ergiebt sich, dass in dieser Zeit der Saum der Hand und der Fussanlage je von einem Gefässe durchzogen ist; an frischen Kaninchenembryonen der entsprechenden Stufe ist dies Bogengefäss sehr schön in seiner Totalität zu sehen. Von einer Gliederung der Zehen ist zur Zeit noch keine Spur vorhanden. Die Anlage des Fusses ist etwas schmächtiger, als die der Hand und die Entwickelung der vorderen Ecke bei ihr noch ausgeprägter.

Am vorderen Rumpf ab schnitte tritt in Folge der bedeutenden Leberentwickelung eine zunehmende Eundung hervor. Ein Theil des Leberwulstes wird von den noch vorwiegend nach abwärts gerichteten Händchen bedeckt. Der Nabelstrang setzt sich von dem Leberwulst durch eine tiefe Einkerbung ab.

Unter dem Nabelstrang, und meistens an ihn unmittelbar anstossend, liegt das Steissende des Körpers. Auf jüngeren Stufen war dasselbe mit stumpfer Rundung ausgelaufen, nunmehr endet es mit einer zugespitzten, das eigentliche Wirbelgebiet überragenden Verlängerung, dem sog. Schwanzfaden. Unter dem Einflüsse des Nabelstranges ist letzterer häufig zur Seite oder nach vorn umgebogen.

Die drei Repräsentanten der eben behandelten Entwickelungsstufe, welche .auf S. 48 abgebildet sind, decken sich, wie man bemerken wird, nicht in allen Punkten, es fällt besonders auf, dass bei X der Kopf relativ grösser ist als bei XXIX und besonders als bei LXXIV. Wie ich vermuthe, rührt dies davon her, dass die


Zweiter Monat. Embryonen von 12—14 mm. 51

ibeiden im Jahre 1870 angefertigten Zeiclinungen, die ich von jenem Präparat besitze, nach dem frischen Object gezeichnet worden sind, während die anderen Präparate in Alkohol aufbewahrt waren, als sie copirt wurden.


Embryo7ieji von 12 — Jf4 mm.

Auch aus dieser Zeit habe ich eine Anzahl von ausgezeichneten Stücken, von denen ich wenigstens einige in Abbildung wiedergebe. Wie man aus den Figuren ersieht, so bestehen die ferneren Veränderungen der allgemeinen Körperform in einer zunehmenden Streckung des Piückens bei gleichzeitiger Hebung des Kopfes und Senkung des Beckens. Dabei tritt nun unterhalb des ISTackenhöckers in dem, übrigens convexen Kückenprofil eine concave Einziehung auf, die ungefähr in der Höhe der äusseren Ohröflhung und oberhalb der Abgangsstelle der oberen Extremität liegt; ich werde sie als Nackengrube bezeichnen. Hinterkopf grübe kann man alsdann die Einsenkung nennen, welche sich über dem Eautengrubengebiet des Gehirns, wenigstens an Alkoholpräparaten, stets vorfindet. Durch die Existenz der beiden Einsenkungen tritt der dazwischenliegende Nackenhöcker ausserordentlich scharf hervor, weit schärfer denn vor- und denn nachher. Eine über den Hinterkopf weggehende und eine der oberen Rückenhälfte folgende Linie begegnen sich am Nackenhöcker unter einem Winkel von nicht viel mehr denn 90". Die Beachtung dieser Gestaltungverhältnisse ist für das Verständniss der späteren Halsbildung wichtig, denn wie ich dies schon an anderem Orte betont habe^), so wird erst durch diese Emportreibung der Axengebilde der obere Theil der Wirbelsäule und des Rückenmarks über dasjenige Rumpfgebiet hinausgehoben, innerhalb dessen die Höhlen liegen. Erst dadurch wird also die Möglichkeit geschaffen, dass ein wirklicher Hals, d. h. ein höhlenfreier Körperabschnitt entsteht.

Die Betrachtung des Kopfes der auf S. 52 und 53 mitgetheilten Figuren besonders der Figuren 39, 40 und 41, zeigt noch eine Anzahl


1) Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abth. 1881. S. 319.

4*


52


Aufstellung von Entwickelungsnormen.



3XXT.



XLT.


Fig. 39-40.


bemerkenswerther Fortschritte. In erster Linie fällt die schon äiisserlich erkennbare Zunahme der Brückenkrümmiing ins Auge. Immer tiefer schneidet die den Eautengrubenrand bezeichnende winklige Linie in den Hinterkopf ein, so dass z. B. bei XLYI die Yereinigungsstelle ihres vorderen und hinteren Saumes etwa 3 mm unterhalb der Hinterkopfgrube liegen. Offenbar steht diese Steigerung der Brückenkrümmung mit der zunehmenden Emportreibung des Nackenhöckers in nahem causalem Zusammenhange. Es beschreibt ja die Gehimaxe beim Eintritt in den Hinterkopf und innerhalb des letzteren eine Wellenhuie mit zwei Wellenbergen und dazwischen liegendem Wellenthale. Die zwei Wellenberge sind der ISTackenhöcker und das Gebiet vom Cerebellum bis zum Mittelhim; das Wellenthal ist die Einsenkung der Eautengrube bez. das Gebiet der Brückenkrüni


Zweiter Monat. Embryonen von 12—14 mm.


53


mung. Wenn mm die Wellenlinie zusammengeschoben wird, so müssen sowohl die Berge höher, als auch das Thal tiefer werden.

Die vermehrte Brückenkrümmung muss, wie sich aus dieser Ausführung ergieht, einhergehen mit einer relativen Verkürzung des Hinterkopfes und einem Tieferwerden desselben, es muss mit anderen Worten der Kopf eine gedrungenere Gestalt annehmen. Dies trifft auch zu, wie sich am besten

an der veränderten Stellung der Ohröffnung zeigen lässt. Bei

jüngeren Embryonen von 4 — 8 mm schneidet die erste Schlundspalte bis auf etwa zwei Fünftheile der Hinterkopftiefe ein, ein Verhältniss, das nachher bedeutend sich ändert. Bei Messung vom

vorderen Rande des Unterkiefers aus erhalte ich folgende Abstände :



Fig. 41-42.

Embryonea XL VI und XXIV.


Hinterkopftiefe


Differenz


2.2 mm


1.35 mm


2.7 =^


1.65 ^


4.0 ^


2.60 ^


5.4 ^


3.80 ^


54 Aufstellung von Entwickelungsnormen.

Spaltengrund I mid II (Mittel) 0.85 mm XL . . . 1.05 ^ XXIX . . . 1.40 ^ LXYI . , . 1.60 . Im letzten Ealle dieser Taloelle, mit dem auch die Fälle XLV und XXXIV ziemlich genau übereinstimmen, beträgt der Abstand des Spaltengrundes vom Unterkiefer nur noch ca. 30 Proc. von der gesammten Hinterkopftiefe, im ersten gegen 40. Noch auffälliger wird die Sache, wenn man den Abstand des ersten Schlundspaltengrundes vom IJnterkieferrand mit demjenigen von der Hinterkopf grübe vergleicht. Beim Embryo von 7 mm ist letzterer etwa doppelt, bei dem von ca. 14 mm nahezu dreimal so gross als jener. Auch erkennt man leicht aus der sprungweisen Zunahme der Zahlen der dritten Eubrik obiger Zusammenstellung, wie die starke Tiefenzunahme des Hinterkopfes erst mit der rascheren Steigerung der Brückenkrümmung sich eingestellt hat.

Auch über die relative Verkürzung des Hinterkopfes giebt die Lage der Gehöröffiiung den besten Aufschluss. Letztere ist bei dem 13.8 mm langen Embryo XL VI nicht weiter vom Gebiet der Nackengrube entfernt, als bei dem 11 mm langen Embryo XXIX, obwohl die Gesammtkopf länge von 8.4 auf 10.6 mm, d. h, um 21 Proc. gestiegen ist. Auch steht bei allen jüngeren Embryonen die Gehörspalte noch weit vor der Abgangsstelle der oberen Extremität, bei den Embr3'onen von 13 — 14 mm ist sie ziemlich nahe an diese herangerückt.

Ich stelle noch die Maasse der grössten Kopftiefe und der Kopflänge, so wie sie schon bei den früheren Stufen gegeben -wurden, zusammen : Gr. sagittale Kopftiefe Kopflänge

XXXV 6.2 mm 9.2 mm

XLV 7.5 ^ 10.3 ^

XLVI 7.5 ^ 10.1 ^

XXW 7.6 ^ 9.7 ^

Mittel 7.2 mm 9.8 mm

Die grösste Kopftiefe beträgt, jetzt 73 Proc. der Kopflänge, bei den Embrj^onen von 8 — 10 mm war die Verhältnisszahl noch 63 Proc. gewesen, bei denen von 7 — 8 mm nur 57.7 Proc.


Zweiter Monat. Embryonen von 12 — 14 mm. 55

Indem das Yerhältniss der Kopflänge zur Kopftiefe mehr und mehr zu Gunsten der letzteren sich geändert hat, hat der Kopf seine gestreckte embryonale gegen die gerundete fötale Form umgetauscht. Gleichzeitig sind noch eine Anzahl anderweitiger Veränderungen eingetreten, die gemeinsam dazu beitragen, die Charaktere der rein embryonalen Form allmählich zu verwischen. Dahin gehören das stärkere Hervortreten der Grosshirnhemisphären, die Vorgänge in der Umgebung des Auges und die bestimmtere Ausbildung des äusseren Ohres.

Indem die Hemisphären stärker sich entwickeln, wird zunächst die Stirn mehr und mehr hen^orgewölbt , wobei der Einschnitt an der Nasenwurzel eine entsprechende Vertiefung erfährt ; femer wird, wohl unter demselben Einfluss, die Umgebung des Auges etwas eingekerbt und die obere Grenze des Conjunctivalgebietes als wulstige Bogenlinie abgegrenzt. Die untere Grenze desselben Gebietes wird durch den Eand des Oberkieferfortsatzes bestimmt, der schon von früh ab das Auge in einem ausgedehnten Bogen umgriffen hatte. Noch ist bei Embryonen von 14 mm der Oberkieferfortsatz mit dem seitlichen Nasenfortsatz nicht verwachsen, eine schmale Einne verläuft zwischen beiden Bildungen, und eine vor dem Auge befindliche dreieckige, trichterförmig vertiefte Grube bildet den oberen Zugang derselben.

Im Beginn unserer Periode ist der zweite Schlundbogen noch deutlich ausgeprägt, die zweite Furche dagegen nicht mehr sichtbar. Der Bogen zerfällt in drei durch Einkerbungen getrennte Höcker, am Unterkiefer sind deren zwei, die CoUicuh branchiales ant. und post. I von MoLDENHAUER vorhandon. Ein intermediärer Höcker liegt über dem oberen quergeschützten Ende der einzig noch vorhandenen ersten Spalte. Letztere ist somit von 6 rundlich vorspringenden Höckern umgeben und läuft dem entsprechend in fünf zugespitzte Buchten aus. Einige Schwierigkeit ergiebt sich hinsichtlich der zweckmässigsten Bezeichnungsweise der einzelnen Höcker. MolDENHAUEßi), der diese Verhältnisse am Hühnchen verfolgte, und der hier am ersten wie am zweiten Schlundbogen zwei Höcker unterschieden hat, legt seiner Bezeichnungsweise die horizontale Stellung der


1) Morphol. Jahrb. III. S. 118.


56 Aufstellung von Entwickelungsnormen.

Schlundbogen zu Grunde ; er unterscheidet also an jedem der beiden Bogen je einen vorderen und einen hinteren Höcker. Das hat zunächst die Unbequemlichkeit, dass es mit der zur Zeit vorhandenen Stellung der Spalten und Bogen nicht stimmt. Man müsste bei unseren Embryonen von 12 — 14 mm den Kopf um 90** drehen, um die Bezeichnungsweise passend zu machen, denn die Spalte verläuft zur Zeit von oben nach abwärts und zugleich etwas von vorn nach hinten, so dass Moldenhauer's hinterer Höcker sogar vor seinem vorderen liegt. Es entspricht dies der von Anfang ab schräg zur Längsaxe des Kopfes verlaufenden Richtung der oberen Bogen und Spalten. Wenn nun aber der Kopf auch völlig aufgerichtet ist, so steht immer noch die Ohröffnung so, dass das eine Ende nach oben, das andere nach unten sieht, nur ist jetzt eine Schrägstellung von hinten nach vom vorhanden. Unter diesen Umständen scheint es , wenigstens für die Besprechung des Ohres, zweckmässiger, die Bezeichnungsweisen so zu wählen, dass man den Grund der Spalte oben, das freie Ende unten, den ersten Schlundbogen vorn, den zweiten hinten nennt. Alsdann sind zu unterscheiden zwei vordere, ein oberer und drei hintere Höcker bez. eine vordere, zwei obere und zwei hintere Buchten. Der untere Abschnitt des Unterkieferfortsatzes, der von Anfang ab viel breiter gewesen war als das Wurzelstück, trennt sich durch eine Rinne in einen vorderen und hinteren Streifen, jenen können wir als Lippen-, diesen als Kinnwulst bezeichnen. Letzterer bildet anfangs die vordere Grenze des unteren Spaltenrandes, dann aber breitet sich sein hinteres Ende lappenartig nach aufwärts und rückwärts aus und deckt die Spalte und den untersten Höcker des zweiten Schlundbogens zu. Zu Ende der hier behandelten Periode ist von der Spalte nur noch das obere Ende äusserlich sichtbar, und an dessen Umgrenzung nehmen nun fünf Höcker Theil, ein oberer (der intermediäre), ein vorderer (der erste obere), ein unterer (der Decklappen des ersteh unteren) und zwei hintere (der mittlere und der obere zweite). Der unterste Höcker des zweiten Bogens ist jetzt versteckt, gleich dem vor ihm liegenden Spaltenabschnitt. Zur völligen Verwachsung kommt es erst während der nächstfolgenden Entwickelungsstufe.

Die Umbildung des Rumpfes, soweit sie sich auf die veränderte Krümmung bezieht, ist oben bereits besprochen worden, noch ist


Zweiter Monat. Entwickelungsstufen von 14 — 16 mm. 57

die Urwirbelgiiederung äiisserlich erkennbar und auch die Wolffsche Leiste hebt sich durchweg deuthch ab. An den Extremitäten sind die drei Abtheilungen bestimmt aus einander getreten, und im Winkel von einander abgebogen. Ellbogen und Knie sind lateralwärts gekehrt. An der Hand beginnen die Einger als kurze dicke Stümpfe über den Randsaum hervorzuwachsen. Die Gliederung der Zehen, Anfangs noch nicht angedeutet, beginnt erst gegen das Ende der Stufe sich einzuleiten. Die Fussanlage gliedert sich nicht allein später als die Hand, sie ist auch kleiner als diese.

Die Auftreibung des Bauches durch die Leber hat noch mehr zugenommen. Unterhalb des Nabelstranges und oberhalb des frei nach vom ragenden Steissendes breiten sich als ein dreieckig umgrenztes Faltensystem die Anlagen der äusseren Geschlechtsorgane aus, über die bei späterem Anlasse berichtet werden soll. Der Schwanzfaden ist auf dem Höhepunkt seiner Entwickelung, in der Regel nach vom oder zur Seite umgebogen.


Entwickelungsstiifen von 14 — 16 mm.

Wie schon am Eingang des Abschnittes erwähnt wurde, so vollzieht sich während der nun zu behandelnden Entwickelungsstufe der definitive Uebergang des Embryo zum Eötus. Ziemlich rasch erhebt sich der Kopf, so dass der Nackenhöcker mehr und mehr vom Mittelhirn überragt wird. Allein noch weit über unsere Stufe hinaus bleibt der Nackenhöcker leicht erkennbar, als convexer, zwischen zwei concaven Einziehungen, der Nackengrube und der Hinterkopf grübe hervortretender Vorsprung. Eine der Nackengrabe entsprechende, obwohl weit schwächere Einziehung zeigt das Rückenprofil in seiner unteren Hälfte, ungefähr in der Höhe des Abganges des Nabelstranges. Diese Einziehung war schon bei Embryonen der vorangegangenen Stufe sichtbar gewesen und wir können sie als Lenden grübe bezeichnen, Ihr Vorkommen scheint nicht constant zu sein.

Am Kopf sowohl, als am Rumpf verwischen sich in zunehmendem Maasse jene zahlreichen Modellirungen , welche bei jüngeren Embryonen das Detail der unterliegenden Organe hatten durch


58


Aufstellung von Entwickelungsnormen.


schimmem lassen. Statt dessen werden die äusseren Formen mehr gleichmässig gerundet, eine Veränderung, an deren Zustandekommen einestheils die Ausbildung eines selbstständigen Skelettes, anderentheils die reichlichere Entwickelung subcutanen Bindegewebes Antheil nimmt.

Die Verwachsung des Oberkieferfortsatzes mit dem Seitenabschnitt der Nase, sowie diejenige der beiden colliculi branchiales inferiores 1 und 2 vollziehen sich definitiv, und damit schwinden die letzten vorübergehenden Rinnen und Spalten der Kopfoberfläche. Das Conjunctivalgebiet des Auges ist jetzt von zwei sich schneidenden Bogenlinien eingefasst, um welche herum, als erste Andeutung von Augenlidern die Haut sich

etwas emporwulstet. An der Mundspalte treten die Lippen, an der Ohröffnung die Ohrmuschel selbstständiger hervor, letztere Anfangs noch etwas plump in ihrer Form. Die Extremitäten nehmen in ihren verschiedenen Abschnitten an Länge zu, am raschesten Ober- und Vorderarm sowie Ober- und Unterschenkel, letzterer setzt sich vom Fussrücken durch eine einspringende Furche ab und am Fuss beginnt die deutliche Ausprägung der Zehen.



Fig. 43.

Embryo SXXV (partielle Herzectopie).


Zweiter Monat. Entwickelungsstufen von 16 mm ab bis Ende des Monats. 59


Entwickelungsstufen von 16 mm ab bis zum Ende des zweiten Monats.

Die Streckimg des Rückens vollzieht sich soweit, dass ein vom Scheitel gefällte längste Gerade schliesslich den Körper ganz nahe hinter dem Steisshöcker trifft. Letzterer tritt immer noch in scharfer Abgrenzung, wenn auch nicht mehr in scharfer Zuspitzung unterhalb

des äusseren Geschlechts - und Aftergebietes nach vorn hervor. Nachdem Gehirn und Leber einen längeren Wettstreit hinsichtlich der bedeutenderen Grössenzunahmen geführt hatten, bleibt schliesslich das Gehirn definitiv Meister, und am Schluss der Periode ist wie Figur 46 zeigt der Kopf grösser denn der Rumpf. Von einem eigenthchen Hals, wenigstens von einer vorderen Halswand, kann man selbst jetzt, da der Kopf beinah vertikal in die Höhe steht,

kaum reden. Noch bleibt zwischen Kinn und Brust ein nur schmaler Substanzstreifen übrig, der nach seiner genetischen Bedeutung noch mit zum Kopf zu rechnen ist, da er dem Gebiete des zweiten Schlundbogens angehört.

Um die Augen herum entwickeln sich die ersten Anlagen der



Fig. 44.

Embryo XCIX.


60


Aufstellung von Entwickelungsnormen.


Lider als noch niedrige Falten. Die Ohrmuschel bekommt eine präcisere Gestalt, indem ihr hinterer Rand vom Kopf schärfer sich abhebt und indem ferner die Hauptgebilde ihre definitiven Beziehungen zu einander annehmen. Bei LXXVII sind bereits Helix und Anthelix, sowie Tragus und Antitragus bestimmt gezeichnet,



Fig. 45.

Nr. XLI.


und zwar ist aus dem Colli culus anterior, dem früheren Wurzelstück des ersten Bogens die Spina helicis, aus dem CoUiculus inferior oder dem Decklappen des früher (S. 56) unterschiedenen Kinnwulstes der TraQ'us hervor. Die Incisura intertra


Zweiter Monat. Entwickelungsstufen von 16 nun ab bis Ende des Monats. 61



Fig. 46.

Nr. LXXVn.


gica erscheint als der letzte Rest der früiieren unteren Spaltenstrecke; aus dem mittleren CoUiculus des zweiten Bogens wird der


62 Aufstellung von Entwickelungsnormen.

Antitragiis 1), aus dem CoUiculus intermeclms das Bogenstück des Helix. Der Wurzelhöcker des zweiten Bogens bildet, indem er sich unter dem CoUiculus intermedius vorschiebt und so einen Theil der Gehörspalte abschliesst, den Anthelix. Diese Umbildung der ersten Schlundspalte wird vielleicht noch übersichtlicher, wenn wir die einzelnen Höcker anstatt mit Namen mit Ziffern versehen. Die beiden römischen Ziffern bedeuten die Ordnungsnummern der Schlundbogen, 1 und 2 die beiden Abtheilungen des ersten, 4 — 6 die drei des zweiten Bogens und 3 den CoUiculus intermedius. Das Anfangsverhältniss ist nachstehendes:

3 I 5 n


ll ^1


6

Indem alsdann 6 durch 1 zugedeckt wird, ergiebt sich das Lage rungsverhältniss :

3 4

2 5 1

1 wird zum Tragus, 5 zum Antitragus, 2 zur Spina helicis, 3 zum Rest des Hehx und 4 zum Anthelix.

Die Extremitäten treten beide nach vorn hervor und überragen zu Ende unsere Periode den Rumpf um ein gutes Stück. Die Knickung des Ellbogens ist nach abwärts, die des Knies nach aufwärts gerichtet. Im Uebrigen ist auch die feinere Grliederung der Extremitäten erheblich fortgeschritten. Am Oberarm gränzt sich das Deltoidesgebiet deutlich durch seine grössere Mächtigkeit vom unteren Humerusgebiet ab. Der Vorderarm ist etwas spindelförmig aufgetrieben, durch eine tiefe Einschnürung von der Hand abgesetzt. Letztere hat in ihrem hinteren Abschnitte die Gestalt eines rund


1) MoLDENHAUEK, obwohl er seine Untersuchungen über die Bildung des äusseren Ohres nicht bis auf Säugethierembryonen ausgedehnt hat, hat doch schon die Vermuthung formulirt, dass bei diesen der Tragus aus dem ersten, der Antitragus aus dem zweiten Schlundbogen sich entwickele.


Eück blick auf einige Grundvorgänge der äusseren Formentwickelung. 63

liehen Kissens, aus dessen Rand die Fingerchen als kurze Cylinder hervortreten. Der Daumen, nach aufwärts gekehrt, ist durch einen hreiten Abstand von dem bereits nach vorn stehenden Zeigefinger getrennt.

Die beiden unteren Extremitäten sind so gestellt, dass die Füsschen sich ihrer Sohlenfläche zukehren. Auf der Grenze von Unterschenkel und Fuss markiren sich die beiden Knöchel, besonders der äussere als leichte Vorsprünge, auch die Ferse zeichnet sich scharf. Der Fächer, in welchem die Zehen sich ausbreiten, umfasst einen weit geringeren Bogen, als derjenige der Finger. Die grosse Zehe, wie der Daumen zu oberst stehend, kehrt ihr freies Ende nach vom und ihre Wurzel, obwohl etwas weiter hinten ansitzend, als die der zweiten Zehe, berührt letztere doch noch unmittelbar.

Zum Schluss mag noch darauf hingewiesen werden, dass die Oberschenkel noch nicht hinreichend mächtig sind, um die Dammgegend völlig zu verdecken ; auch wenn sie völlig gestreckt werden, bleibt der untere Theil d.er Sexualfalten nebst dem Steisshöcker von ihnen unbedeckt. Infolge der Biegung des Knies lässt die Profilansicht von Fig. 46 nicht nur die letzteren, sondern auch das ziemlich entwickelte und an seiner Spitze ziu* Eichel angeschwollene Sexualglied frei.


Rückblick auf einige Orundvorgänge der äusseren Formentwickelung.

Der Entwickelungsgang des Embryo von den ersten Anfängen ab bis zu jener Ausbildung, da das Gepräge der Art leicht erkennbar ist, setzt sich aus einer Reihe von Vorgängen zusammen, von welchen die einen mehr genereller, andere mehr spezifischer Natur sind und es scheint angemessen, die wichtigsten derselben noch einmal im Zusammenhange durchzugehen.

Zu den fundamentalsten Vorgängen gehört die Ausbildung jener Quer- und Längsfalten des Keimes, welche in ihrer weiteren Ausbildung die Abgrenzung von Kopf und von Rumpf, von Stamm


64: Aufstellung von Entwickelungsnormen.

und von Parietalzone bedingen. Mit der Umlegung der vordersten dem Embryonalgebiet angebörigen Querfalte (der vordem Keimfalte, nacb meiner älteren Terminologie)') leitet sieb die Gliederung des Kopfes in Vorder- und Hinterkopf ein. Von diesen beiden Abtbeilungen tritt die erstere frei bervor und ist als eine Art ausgestülpten Blindsackes aucb an ibrer faciale-n Fläcbe von Anfang ab geschlossen. Der Hinterkopf dagegen liegt zuerst als flacb ausgebreitete Platte dem Dotter auf und participirt später, nacb Erbebung der seitlicben Keimfalten, gleich der Rumpfanlage an der Umgrenzung des Leibesnabels ; wie der Kumpf bedarf er daber zum ventralen Scbluss einer successiven Verwachsung seiner beiden Seitenbälften. Die jüngstbekannten menschlichen Embryonen, wie sie auf der zweituntersten Zeile von Seite 32 zusammengestellt sind, zeigen bereits den frei hervortretenden Vorderkopf, und von der dritten Zeile ab macht sich an letzterem auch die scharfe Trennung von Stirntheil und von Gesichtstbeil geltend. Die dem Hinterkopf angehörige Herzanlage ist schon bei den jüngstbekannten menschlichen Embryonen sichtbar, während die in seiner Seitenwand auftretenden Schlundfurchen erst von der nächstfolgenden Stufe (Lg und L 1) ab, erkennbar sind.

Von nicht minder genereller Bedeutung als die Gliederung des Kopfes, erscheint das Auftreten longitudinaler Körperzonen, der Stamm- und der Parietalzone, von denen erstere das Gebiet des Medullarrobres und der Urwirbel umfasst. Auch diese Scheidung ist auf der Stufe der Embryonen L 1 und Lg bereits eine sehr prägnante und sie erhält sich, äusserlich erkennbar, bis in die Periode hinein, da durch die zunehmende Entwickelung des Skelettes und des subcutanen Gewebes das Oberflächrehef des Körpers sich vereinfacht und einer mehr gleichmässigen Rundung der Formen Platz macht.

Im Parietaltheile des Rumpfes sowohl, als in demjenigen des Hinterkopfes macht sich von früh ab eine weitere Gliederung geltend, in einen an den Stammtheil grenzenden und einen dem Amnion bez. dem ISTabelgebiet zugewendeten Streifen. Ersterer tritt von Anfang an als convexe Leiste über die Oberfläche empor und ich habe ihn


1) Briefe über die Körperform S. 20.


Rückblick auf einige Grundvorgänge der äusseren Formentwickelung. 65

seiner Zeit als AVolff sehe Leiste bezeichnet, man kann ihn nach seiner Hauptleistung allenfalls auch Extremitätenleiste nennen. Der zweite, Anfangs lateralwärts, späterhin aber medialwärts und vor der "WolfiTschen Leiste liegende dünnere Streifen, entspricht grösstentheils Eathke's Membrana reuniens inferior, und ich habe daher vorgeschlagen, ihn den Eathke' sehen Streifen zu nennen. i) Die WolfTsche Leiste deckt am Rumpfe nur den hintersten Abschnitt der umschlossenen Höhle bez. das Gebiet der Umieren, wogegen der Eathke' sehe Streifen die dünne Wand liefert, welche das Herz und die Leber nebst einem Theil der Darmanlage umhüllt. Die obere Tortsetzung der Wolffschen Leiste bildet am Hinterkopf den Streifen seiner Seitenwand, der durchfurcht und in die einzelnen Schlundbogen gegliedert ist; am Vorderkopf gehören ihm noch die Oberkieferfortsätze an, und vielleicht darf man ihm selbst die Stimfortsätze noch zutheilen. Der Eathke'sche Streifen reicht nur bis zum Eande des Vorderkopfes, d. h. bis zum Unterkieferfortsatze, welch letzterer vom Anfang ,ab die obere Grenzlinie des Leibesnabels bildete. Später aber löst sich der dem Hinterkopf angehörige Theil des Eathke'schen Streifens von den Schlundbogen ab und verbleibt mitsammt dem Herzen bei der vorderen Brustwand. Li schräger Eichtung verläuft nach erfolgter Zusammenkrümmung des Körpers die WolflTsche Leiste von der oberen Extremität zum untersten Schlundbogen und bezeichnet nunmehr als Clavicularlinie die Demarkationsgrenze der beiden morphologisch ungleichwerthigen Gebiete.

Von sehr allgemeiner Bedeutung sind ferner die Verhältnisse der Axenkrümmung. Wie alle Embryonen cranioter Wirbelthiere, so zeigt auch der menschliche schon im Zeitpunkt frühester Bildung eine mehrfache Krümmung der Längsaxe, Hebung des Kopfes, Einsenkung der oberen und Hebung der unteren Rumpfstrecke. Auf diese primäre Krümmung folgt beim Menschen, wie bei allen höheren Wirbelthieren jene secundäre, infolge deren sich der Eücken des Embryo nach Art einer Spange zusammenkrümmt, der Kopf sich senkt und der Beckentheil sich hebt; damit combinirt sich eine Torsion des Körpers, welche, obwohl niemals ganz fehlend, doch in


1) Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abth. 1S81. S. 317.

His, Menselil. Embryonen. II.


66 Aufstellung von Entwickelungsnormen.

sehr verschiedenen Gradationen aufzutreten pflegt. Beim menschlichen Embryo äussert sich diese Torsion darin, dass nach erfolgter Zusammenkrümmung des Körpers der Kopf nach rechts, das Steissende nach links abweicht.

Es erreicht beim menschüchen Embryo die Zusammenkrümmung des Körpers sehr rasch ihr Maximum und zwar beginnt dieselbe mit Hebung des Beckentheiles, auf welche dann erst die Senkung des Kopfes folgt. Bei der später eintretenden Wiederöffnung der Körperspange rückt der Ort der unteren Umbiegungsstelle mehr und mehr vom mittleren zum unteren Wirbelgebiet herab. Bei Embryo « ist der tiefste Punkt (bez. der Punkt durch den sich die Nackenhnie legen lässt) noch im Bereich der mittleren Dorsalsegmente, bei A und bei B fällt er bereits in den unteren Bauchtheil und bei den nachfolgenden Stufen rückt er in den Sakraltheil, schhesslich fällt der Eusspunkt der Nackenlinie bei Figur 46 so tief, dass wohl überhaupt nur noch das Steissbein von ihm getroffen wird. Auf diese Weise rücken das, untere Darmende (bez. die Cloake) und die schon sehr fi'ühzeitig angelegten Sexualfalten aus ihrer ursprünglichen Stellung in die definitive ein. Bei den Embryonen or, E, A und B liegt noch eine nicht unbeträchthche Strecke des Darmes im aufsteigenden Beckenschenkel; die äussere Cloakenbucht ist dabei dorsalwärts gekehrt. Dann erfährt letztere zugleich mit ihrer Umgebung eine allmähliche Drehung von nahezu 180 und wird schliesslich von dem unmittelbar an den Nabelstrang anstossenden Sexualghed überragt.

Noch viel tiefergreifend sind die bleibenden Eolgen der Stellungsänderungen des Kopfes. Nach Wiederaufrichtung des letzteren äussern sie sich, wie ich dies schon im ersten Theil ausgeführt habe, darin, dass das Herz, das ursprünglich als ein Organ des Hinterkopfes angelegt worden war, von diesem, mitsammt der Wand der umschliessenden Höhle (der Parietalhöhle i an die Brust abgegeben worden ist. Wie auch die Bildung eines selbstständigen Halses mit diesem Vorgang der Vornüberkrümmung und Wiederaufrichtung des Kopfes zusammenhängt, habe ich gleichfalls schon an anderer Stelle ausgeführt, und ich werde im nächsten Theil wieder Gelegenheit haben, darauf zurückzukommen.

Als einer der allgemeinsten Vorgänge bei jeglicher Körperent


Kückblick auf einige Grundvorgänge der äusseren Formentwickelung. 67

Wickelung ergiebt sich das Wachsthiim und wir sind längst gewöhnt in letzterem das bestimmende Motiv der Entwickelung überhaupt zu suchen. Das Beispiel der Embryobildung bei Knochenfischen ^) zeigt, dass die ersten Gestaltungsvorgänge nicht absolut an ein wirkliches Massenwachsthum geknüpft sind, sondern dass bei jenen ein von der Massenzunahme unabhängiges Flächenwachsthum d. h. eine gesetzmässig vor sich gehende Aenderung in der Substanzvertheilung in erster Linie maassgebend ist. Bei höheren Wirbelthieren compliciren sich von Anfang ab Substanzverschiebung und Substanzzunahme, und soviel ergiebt sich jedenfalls mit Sicherheit, dass die besondere Vertheilung der Massen- und Flächenwachsthümer nach Ort und nach Zeit einem jeden einzelnen Entwickelungsprocess das specifische und weiterhin sogar das individuelle Gepräge giebt, da durch sie nicht allein die erste Gliederung, sondern auch alle nachfolgende Gestaltung bestimmt wird.

Es kann hier nicht die Aufgabe sein, in eine subtilere Untersuchung über die besonderen Wachsthumsverhältnisse des menschr liehen Embryo einzutreten. Büerzu müssen erst die bezüglichen Untersuchungsmethoden geschaffen werden und jedenfalls sind zuvor noch andere, dringendere und zur Behandlung reifere Aufgaben zu erfüllen. Immerhin scheint es mir angemessen, der messenden Betrachtung einige jener Verhältnisse zu unterwerfen, welche einfachen Hülfsmitteln zugänglich sind und welche dabei doch die Physiognomie des menschlichen Embryo wesentlich mit bestimmen. Dahin gehört vor allem die Vertheilung der Flächen im Profilbilde. Ob der Kopf oder der Unterleib gross ist, das giebt dem Profil natürlich ein völlig anderes Gepräge und leicht lässt sich ja quantitativ bestimmen, welches der Antheil des einen und des anderen Elementes ist.

Ich habe für einige meiner Embryonen mit Hülfe des Amslerschen Polarplanimeters Ausmessungen der Profilflächen vorgenommen und stelle sie in nachfolgender Tabelle m zusammen. Die Ausmessung geschah meistens an den 10 oder 20 fach, bei den grösseren Embryonen auch an 5 fach, bei den kleinsten an 40 fach vergrösserten Zeichnungen; die Zahlenwerthe , in qmm, beziehen


1) Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abth. 1878. S. 209.


G8


Aufstellung von Entwickelungsnormen.


Tabelle III. lieber die Grösse der Profilflächen.


Gesammtprofil


In qmm

Kopf


Rumpf


In Proc. Kopf Rumpf


I.XVIII

IV

LXV

LXVII


III

LVII

I

II

LXXIII

XVII

X

LXXIV

XXIX

XXXV

XLV

XXXIV

XL VI

XXI

XXXVI

XCIX

XLI

LXXVII


Lg) • • M) . . BB). . Lr) . .

«). . .

R) . .

B) . .

A) . .

Hn). .

9-) . .

Mch) .

Kg 1) Br 1).

S 1) . Br 2). Dr 1) Seh 2) 7t}. . . S 2) .

Fr) . .

Wt) .


(1.62) 2.4 2.4.5

4.9

12.2

15.2

27.4

29.4

29.8

37.3

62.0

69.7

71.5

79.8 103.3 105.0 105.7 113.5 118.0 144.8 178.0 258.0


(0.6) 0.95 1.0

2.1

4.0

4.7 9.4 9.0 10.8 14.2 30.4 29.2 30.0 40.0 53.5 51.0 54.7 57.5 55.5 62.8 80.0 146.0


(1.02) 1.45 1.45

2.8

8.2 10.5 18.0 20.4 19.0 23.1 31.6 40.5 41.5 39.8 49.8 54.0 51.0 56.0 62.5 82.0 98.0 112.0


(38.2) 42.1 44.1 42.9

32.3 30.7 34,3 30.6 36.2 38.1 49.0 41.9 42.0 50.1 51.8 48.6 51.8 50.7 47.0 43.4 44.9 56.6


(61.8) 57.9 55.9 57.1

67.7 69.3 65.7 69.4 63.8 61.9 51.0 58.1 58.0 49.9 48.2 51.4 48.2 49.3 53.0 56.6 55.1 43.4


Kückblick auf einige Grundvorgänge der äusseren Formentwickelung. 69

sich auf das unvergrösserte Profil. Es wurden zunächst Kopf und Eumpf ausgemessen, wobei die Grenze zwischen beiden durch eine vom Halswinkel aus zur Mitte des ISTackenhöckers geführte Linie gezogen worden ist. Die den Rumpf überragenden Abschnitte der Extremitäten sind in Tabelle in nicht mitgemessen und ebensowenig der ISTabelstrang, dessen Anfang sich ja ziemüch scharf abzugrenzen pflegt. Bei den vier jüngsten Embryonen ist der Gleichmässigkeit halber das Herz anstatt zum Kopf gleichfalls zum Rumpf gerechnet und ausserdem dem letzteren das durch eine Abschnürung markirte Wurzelstück der Nabelblase zugetheilt worden. An und für sich sind diese Messungen bei sehr jungen Formen wegen der unscharfen Grenzen nicht sehr genau ausführbar.

Sehen wir zunächst ab von den vier obersten, durch einen Strich abgegrenzten Zahlenreihen, so zeigen die absoluten Werthe des Gesammtprofils von dem nur 4 mm langen Embryo a zu dem 22 mm langen Wt eine Zunahme von 12.2 auf 258 d. h. ungefähr um das 21 fache, dabei hat der Kopf von 4 auf 146 d. h. um das 36V2fache, der Rumpf aber von 8.2 auf 112, um nur das 13"-/3fache zugenommen. Kopf- und Rumpfvergrösserung sind also in der angegebenen Periode in sehr ungleicher Weise fortgeschritten. Während der Kopf bei a nicht einmal ein Drittheil des Profils ausmacht, bei R sogar nur 30.7 Proc, ist er bei Wt dahin gelangt den Rumpf um mehr denn 7 Proc. des Gesammtprofils zu überholen. Wie er aber diesen Vorrang nicht durch die ganze nachfolgende Entwickelungszeit hindurch zu behaupten vermag, so ist er auch nicht unbestritten auf jenen Gipfelpunkt hingelangt. Die Colonne der procentischen Ziffern zeigt, dass zwischen der Grössenentwickelung von Kopf und von Rumpf eine Art von Wettlauf statt findet, indem abwechselnd der eine Theil den anderen überholt. Schon auf dem Wege von den jungen Stufen (M, BB, Lr) an, bis zu den Stufen a und R hin, hatte der Rumpf einen bedeutenden Vorsprung gewonnen; denn, trotz der Hinzurechnung des Herzens und eines Stücks der Nabelblase zum Rumpf, behauptet der Kopf bei den Embryonen M, BB und Lr immer noch einen Antheil von 42 — 44 Proc. *), von dem er


1) Kechnet man das Herz anstatt zum Rumpf zum Kopf, dem es ja in der That während dieser früheren Periode ausschliesslich angehört, so be


70


Aufstellung von Entwickelungsnormen.


beim UeTbergang zu « und zu R um 10 — 12 Proc. herunter fällt. Er befindet sich nun auf dem Minimum seiner relativen Entwickelung, von dem er sich erst langsam und dann rascher wieder erhebt; bei den 8 und 8V2 mm langen Embryonen Hn und ^ beträgt sein Antheil wieder 36 und 38 Proc, bei den 11 und 11.5 mm langen schon 42 Proc. und bei dem 12.5 mm langen Si ist das (ärleichge wicht zwischen Kopf und Rumpf eingetreten, i) Eine Zeitlang balanciren sich beide Werthe, wobei das Uebergewicht eher noch auf Seiten des Kopfes fällt, dann aber tritt nochmals ein nicht unbeträchtliches Steigen des Rumpfwerthes ein, so dass der Kopf wieder auf 43.4 und 44.9 Proc. heruntergedrückt wird und nun erst folgt für letzteren nach neuer Wachsthumssteigerung die Erreichung des Maximum, mit welchem unsere Tabelle abschliesst.

Prüft man die Eormverhältnisse des Profils, während der verschiedenen Etappen des obigen Entwickelungsganges etwas genauer, so überzeugt man sich, dass die Zunahme der Stammgebilde des Rumpfes in ziemlich gleichmässiger Weise vor sich geht; dasselbe gilt auch füi- das Schlundbogengebiet, sowie für das Herz. Dagegen schreiten, einestheils das Gehirn, anderentheils die Leber ungleichmassig vor und an ihrem wechselnden Gang liegt es, dass bald der Kopf, bald der Rumpf mehr das Uebergewicht erlangt. Die Periode, da der Kopf sein Minimum zeigt, fällt mit der Zeit der ersten Leberentwickelung zusammen, dann folgt mit der Entwickelung der


kommt letzterer das quantitative Uebergewicht, wie untenstehende kleine Tabelle zeigt.



qmm


Proc.



Kopf


Rumpf


Kopf


Eumpf


(Lg)


(0.91)


(0.71)


(56.6)


(43.4)


(M)


1.30


1.10


54.2


45.8


(BB)


1.35


1.10


52.9


47.1


(Lr)


2.70


2.20


55.1


44.9

1


1) Auf die dazwischen liegenden, etwas abweichenden Verhältnisse des Embryo Mch ist schon oben hingewiesen worden. Es handelt sich um eine meiner ältesten Zeichnungen, aber ich habe keinen Grund, an ihrer Genauigkeit zu zweifeln.


Kückblick auf einige Grundvorgänge der äusseren Formentwickelung. 71

Himhemisphären die stetige Steigung des Kopfprofils bis zur Erreichung des Gleichgewichts ; nun aber kommt eine Periode, wo die Leber wieder mächtig sich ausdehnt, wie die runden Bäuche der Figuren 44 und 45 deutlich genug zeigen, allein zum zweitenmal gewinnt das Gehirn die Oberhand und führt nun zu einer mächtigen Auftreibung des Kopfes.

Die Extremitäten sind bei obiger Tabelle nicht mit hereingezogen worden; es verlohnt sich indessen, ihr Verhalten noch kurz zu betrachten und ich theile zu dem Zwecke ein paar Profilmessungen mit. Es bedarf keines besonderen Hinweises darauf, dass bei der unvermeidlichen Verkürzung, in welcher jeweilen bestimmte Abschnitte sich darstellen, die Zahlen auch hier nur zur Beurtheilung der physiognomischen Verhältnisse, nicht des wirkhchen Extremitätenwachsthums dienen können. Der Flächeninhalt an den Profilbildern beträgt in D mm bei :


Obere Extremität


Untere Extremität


Zusammen

in Proc. des

Gesammtprofils


n (A) 1.0


1.2


7.5


LXXB^ (Rg) 4.2


4.1


11.9


XXXV (S 1) 5.8


5.0


13.5

XL VI (Seh 2) 7.0


6.8


13.2


xcn: 11.2


10.4


15.0


LXXVn (Wt) 25.2


20.8


17.7


Die paar Zahlen illustriren die im Vergleich zum übrigen Körper rasche Vergrösserung der Extremitäten überhaupt, sowie das unzweifelhafte Uebergewicht der oberen über die untere Extremität.


Zur Frage der Altersbestimmung und des Befruchtungstermins.


Bei Beurtlieilung der hier in BetracM kommenden Fragen ist es nöthig, von bestimmten leitenden Gesichtspunkten auszugehen, falls man sich nicht völlig ins Unbestimmte verlieren mW. Meine, schon im ersten Theil dieser Schrift (S. 166) auseinander gesetzten leitenden Gesichtspunkte sind nun folgende:

1. Den Beginn der Entwickelmig setzen wir in den Zeitjninkt der Imprägnation, d. h. in den Moment, da Samenelemente in das Ei eindringen und es befruchten.

2. Der Aiistintt der Eier aus dem Ovarium ist durch die menstruale Periode bestimmt, indess fällt das Platzen des Follikels nicht nothwendig mit dem Beginn der Blutung zusammen, es kann letzterem um 2 — 3 Tage vorausgehen, oder auch erst im Verlaufe der Blutung geschehen.

3. Das Ei ist nicht in jeder beliebigen Strecke seiner Bahn vom Eierstocke zum Utemis hin befruchtungsfähig, sondern nur in deren Beginn, kurz nach seinem Eintritte in den Eileiter.

4. Der in die weibliche?! Sexualorgaiie eingeführte Samen muss das Ei im oberen Theil des Eileiters erwarten und er kann hier, ehe dasselbe eintrifft, einige Tage, vielleicht selbst Wochen lang lebenskräftig ve7'weile7i; der Zeitpunkt der Cohabitation steht daher in keiner directen Beziehung zum Alter der Frucht.

In fasse diese Sätze nicht etwa als unangreifbare Dogmen auf, wohl aber als solche, die mit unseren Erfahrungen vom Wesen der


Zur Frage der Altersbestimmung und des Befruchtungstermins. 73

Zeugung am besten in Uebereinstimmung zu bringen sind.') Nach meinem Dafürhalten muss man zunächst versuchen, ob es gelingt, unter Beiseitelassung der Cohabitationsvariabeln das Alter der Embryonen und die Menstruationszeit in gesetzmässigen Zusammenhang zu bringen. Geht dies nicht, dann mag es wieder an der Zeit sein, den Zeitpunkt der Cohabitation mit in Rechnung zu ziehen. Im ersten Theil dieser Schrift habe ich mich im Sinne von Eeicheet dafür ausgesprochen, dass als Ausgangspunkt der embryonalen Altersberechnung der Termin der ersten ausgebüebenen Periode zu nehmen sei, wobei ich indessen schon darauf hinwies, dass nicht alle Beobachtungen dieser Regel sich fügen. Nun können wir während der ersten zwei Monate das Alter eines Embryo zwar nicht auf Tage, aber doch auf Wochen genau schätzen, jedenfalls werden wir nicht in Gefahr kommen, einen siebenwöchentlichen Embryo für dreiwöchentlich oder einen sechswöchentlichen Embryo für vierzehntägig zu erklären. Wir können also unter Zugrundelegung der Altersschätzung der Embryonen zu bestimmen suchen, welchem Menstruationstermin das befruchtete Ei muss angehört haben. In nachfolgender kleiner Tabelle habe ich die Fälle, für welche mir brauchbare Notizen zu Gebote gestellt worden sind, zusammengeordnet und auch einige in der Literatur vorhandene Angaben beigefügt. Die Colonnen 2 und 3 geben den Eintritt der letzten stattgehabten und den Zeitpunkt der ersten ausgebliebenen Periode, die Colonnen 5 und 6 den Zeitabstand zwischen diesen Terminen und dem Tage des Abortus. In der 7. Colonne habe ich von den beiden in Betracht kommenden Zeiträumen denjenigen als muthmasshches Alter des Embryo eingetragen, welcher der Entwickelungsstufe entspricht. Am Fuss der Tabelle folgen dann noch einige Notizen über die Cohabitationsverhältnisse.


1) In etwas abweichender Weise fasst Hensen in seiner Physiologie der Zeugung die Dinge auf, da er den Einfluss der Copulation auch beim Menschen nicht unbedingt ausschliesst, man vergleiche S. 67—75 d. a. W.


74 Zur Frage der Altersbestimmung und des Befruchtungstermins.

Tabelle III.



1


2 1 3


4


5 6


7


Fülle von


Länge

des Embryo

mm


Eintritt

der letzten

Periode


Zeitpunkt

der ersten

ausgeblieb.

Periode


Tag des Abortus


Zeitraum zwischen Abortus und

letzter statt- erster ausgegehabter P. Miebener P.


Muth massliches

Alter der

Frucht


Reichert •) .



10. Oct.


7. Nov.


21. Nov.


42 T.


14 T.


14 T.


Breuss. . . .



X


X+28T.


X+38T.


38 T.


10 T.


10 T.


AT 1


2.1


X


X+28T.


X+42T.


42 T.


14 T.


14 T.


AT 2


2.5


24. Mai



1. Juni


8 T.



8 (?) T.


VI (SR)«) . . LXVIII (Lg)


2.2 2.15


Mitte Aug. 10. Sept.


lt.6w.Typ.

Ende Sept.

8. Oct.


14./15.0ct. 20. Oct.


ca. 60 T. 40 T.


ca. 14 T. 12 T.


ca. 14 T. 12 T.


LXV (BB). .


3.2


26. März


23. April


13./16.Mai


48 T.


20 T.


20 T.


R. Wagner .


4.5


^



X+20T.


20 T.



20 T.


III («)3). . .


4


4. Oct.


l.Nov.


-24. Nov.


51 T.


23 T.


23 T.


LVI (W). . .


(5)


5. März



26. März


21 T.



21 T.


Hensen . . .


4.5


X



X+21T.


21 T.



21 T.


XL (Stt) .. . Ecker) . . .


7.75 10


5./8. Juli 4. April


2./5. Aug. 2. Mai


31. Aug.

bis 3. Sept.

3. Juni


57 T. 60 T.


29 T. 32 T.


29 T. 32 T.


XXIX (Br 1)


11


24. April


22. Mai


24. Juni


61 T.


33 T.


33 T.


XLV (Br 2) .


13.6


20. Oct.


17. Nov.


22. Dec.


63 T.


35 T.


35 T.


LXXII (M 2)


13


7. Aug.


4. Sept.


10. Oct.


64 T.


36 T.


36 T.


In Betreff der C


ohabitation liegen bestimmte Angaben vor für die


FäUe:


Reichert


letzte Möglichkeit der Cohabitation Anfang Nove


mber.


LXV (BB)


Hochzeit und erste Cohabitation 4. April.



XL (Stt)


Cohabitation frühestens 17./20. Juli, laut streng tetem jüdischem Ritus.


beobach

Ecker


letzte Cohabitation den 15. April.



XLV (Br 1


) Ehemann nach Imonatl. Abwesenheit erst Ende October |



zurückgekehrt.


l\.HLFELD,

rau fest

1) Die Literaturc

2) L S. 140.

3) I. S. 100. Die welcher sich die Mühe zustellen.

4) Jcon. physich !5


täte finden

Notizen ül genommen

[XVIII, 11


sich im er

er den Fal hat, die E


sten Theil

. a verdank nzelnheiten


dieser Sehr

e ich Herrn durch Bef


ift.

Prof. Dr. . ragen der ]


Zur Frage der Altersbestimmung und des BefrucMungstermins. 75

Selbstverständlich habe ich in obige Tabelle nur solche Fälle aufgenommen, in denen Grund vorlag, den Embr^^o für völlig normal anzusehen. Vor Discussion der Ergebnisse ist es nöthig, sich Mar zu machen, welche Unsicherheiten in Betracht kommen. Da haben wir denn:

1. Die Ungenanigkeit der Angaben. Wo die Angaben nur auf Anfang des Monats, Mitte des Monats u. dgl. lauten, da sind Fehler von einer Woche kaum ausgeschlossen. Ich habe einige derartige Fälle, auf die ich nachher noch zurückkommen werde, von obiger Tabelle ausgeschlossen und nur den Fall SE stehen lassen. Allzugrosses Gewicht darf man diesem Fall übrigens auch deshalb nicht beimessen, weil hier die Menstruation nicht nach dem vierwöchentlichen Tjqjus verlief. Für den Fall Stt ist der Menstruationstermin in einen Zeitraum von 3 Tagen eingeschlossen. Ich verdanke Herrn Dr. Schott in Frankfurt a. M. sehr genaue Erhebungen über diesen Fall, die deshalb besonders werthvoU sind, weil sie, wie Herr Dr. Schott betont, von einer unbedingt zuverlässigen Frau stammen. Da die Dauer der Abortuserscheinungen sich auch auf 3 Tage erstreckt, habe ich in den Colonnen 5 bis 7 die Mittelwerthe der bez. Daten gewählt, wobei der mögliche Fehler + 3 beträgt.

2. Die Unsicherheit des Zeitpunkt.es, in welchem das Ei aus dem Ovarium austritt. Es ist durch die Beobachtungen von Th. V. Bischoff, J. Williams, Dälton, Leopold u. A. festgestellt, dass der Austritt um 2 — 3 Tage dem Beginn der Blutung vorausgehen, dass er aber auch im Verlaufe der Blutung eintreten kann; der mögliche Termin des Eiaustrittes umfasst somit einen Zeitraum von nahezu einer Woche.

3. Die Unsicherheit im Absterben des Embryo. In den meisten Fällen leitet sich der Abortus durch vorausgehende Blutungen ein, und es ist in allgemeiner AVeise nicht auszusprechen, ob man den Beginn der Erscheinungen oder ob man den Moment der Ausstossung als Ende des embrj^onalen Lebens auffassen darf. In einzelnen Fällen giebt der Erhaltungszustand der Frucht entschei 1) I. S. 140.


76 Zur Frage der Altersbestimmung und des Befruchtungstermins.

dende Anhaltspunkte, so sind z, B. in Fall Br 2 schon am 10. Dec. die ersten Blutungen aufgetreten, die am 20. Dec. mit mehr Intensität wiedergekehrt sind. Der am 22. ausgestossene Embryo war aber so intact erhalten, dass man ihn völlig ohne Bedenken für zu allerletzt abgestorben ansehen durfte. In anderen Fällen macht es der Zustand des Embryo wahrscheinlicher, dass das Absterben schon ein oder zwei Tage vor der Ausstossung erfolgt ist.

Auch bei voller Berücksichtigung der eben erörterten Verhältnisse lässt sich aus der obigen Tabelle doch folgendes entnehmen:

In der Mehrzahl der Fälle (12 von obigen 16) weist der Entwickelungsgrad des Embryo darauf hin, dass der Befruchtungstermin der Phase der zuerst ausgebliebenen Periode zuzuweisen ist.

In vier von den 12 Fällen liegen zuverlässige Angaben über die Cohabitationsverhältnisse vor, in den Fällen BB, Stt, Ecker und Br 2. Bei BB fällt die erste Cohabitation der neu vermählten Frau auf den 4. April. Sollte durch diese die Befruchtung des zurückgebliebenen Eies der vorangegangenen Periode erfolgt sein, so ergäbe dies ein effectives Alter der Frucht von S'/a Wochen, was mit der Entwickelung der letzteren in keiner Weise vereinbar erscheint.

Der Fall Stt ist der seit Bischoff's Arbeiten öfters besprochene einer streng dem Kitus folgenden Jüdin ; hier müsste das befruchtete Ei, falls es auch erst zu Schluss der 5 Tage andauernden Blutung den Eierstock verlassen hätte, doch 7 — 8 Tage in den Leitungswegen verweilt haben, ehe es befruchtet werden konnte, eine Annahme, die Allem widerspricht, was wir von den Entwickelungsverhältnissen der Eier bei höheren Wirbelthieren (Säugethieren und Vögeln) wissen. Nimmt man aber an, dass das bei der letzten stattgehabten Periode ausgetretene Ei sei durch in den Eileitern vorhandenen Samen sofort nach seinem Austritte befruchtet worden, so ergiebt sich das für seinen Entwickelungszustand unannehmbare Alter von 8 Wochen.

In Fall Br 2 ist es zwar unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich, dass das bei der letzten Periode abgegangene Ei bereits Samen in den Eileitern vorgefunden hat, denn es wird hier mitgetheilt, dass der Ehemann von Ende September bis Ende October abwesend war.


Zur Frage der Altersbestimmung und des Befruchtungstermins. 77

Allfällig' Yorliandener Samen müsste sonach von 3 Wochen her zurückgeblieben gewesen sein. In Hinsicht der Lebensdauer der Spermatozoen bietet übrigens der EcKER'sche Fall besonderes Interesse. Hier hegt die Angabe vor, dass die letzte Cohabitation auf den 15. April gefallen ist, also 14—17 Tage vor dem muthmasslichen Abgang des befruchteten Eies aus dem Eierstocke. Durch die HAUsSMANisr'schen Untersuchungen ist bis jetzt constatirt, dass innerhalb des Cervix uteri beim menschlichen Weibe die Samenfäden bis zum 8. Tage lebend sich erhalten können^) (nach Percy sogar bis zum 9.), womit natürlich über die Lebensdauer innerhalb der Eileiter Mchts entschieden wird. Beim Hunde hat Bischoff 6 — 8 Tage nach der Begattung bewegliche Spermatozoen im Uterus gesehen. Beim Huhn sind die Spermatozoen noch 11 — 17 Tage nach ihrer Einführung fähig, die Eier zu befruchten. 2) Bei Fledermäusen verbleibt nach den Entdeckungen von Benecke ^) der Samen den ganzen Winter hindurch im weiblichen Uterus und entfaltet seine befruchtende Kraft erst gegen das Frühjahr. Dabei werden die Spermatozoen dm'ch die ganze Periode des Winterschlafs hindurch beweglich vorgefunden. Diesen eflfectiven Erfahrungen gegenüber, denen noch die dreijährige Lebensdauer des Bienensamens beigefügt werden kann, erscheinen mir die theoretischen Bedenken, die W. Ejiause^) ausgesprochen hat, nicht haltbar. Es ist klar, dass die


1) Haussmann, üeber das Verhalten der Samenfäden etc. Berlin 1879. S. 25 u. 26.

2) CosTE, Histoire du developpement I. p. 91. Nach Harvey sollen sogar noch bis zu 20 befruchtete Eier nach Trennung vom Hahn gelegt werden können (Exercit. de Gen. cap. 39), was nach Coste's sorgfältiger Prüfung eine Uebertreibung zu sein scheint.

3) Benecke, Zool. Anzeiger 1879. S. 304.

4) Keause, Nachträge zur allg. und mikrosk. Anatomie. Hannover ISSl. S. 95. In dem betreffenden Passus wird als Folge meiner Auffassung von Zeitpunkt und Ort der Befruchtung angegeben, dass damit die Conceptionsfähigkeit des Weibes auf wenige Tage eingeengt werde. Dies beruht auf der Verwechselung von Begattung und Befruchtung. Der Samen kann zu jeder Zeit der intermenstruellen Epoche eingeführt werden, die Befruchtung geschieht aber erst in dem Zeitpunkte kurz nach Platzen eines Follikels. Als C o n c e p tion des Weibes pflegen wir aber die Aufnahme des befruchtenden Samens zu bezeichnen. Das Weib concipirt den befruchtenden Samen, das Ei wird


78 Zur Frage der Altersbestimmung und des Befruchtungstermins.

Bewegungen der Sperniatozoen einen Stoifverbraiich bedingen, aber a priori lässt sich kaum aussagen, wie weit der vorhandene Stoffvorrath überhaupt ausreicht. Auch ist ja die Möghchkeit nicht ausgeschlossen, dass auf Kosten der Flüssigkeiten oder selbst der Epithelbestandtheile des Eileiters ein partieller Wiederersatz stattfinden kann.

In vier Fällen der obigen Tabelle muss das befruchtete Ei schon mit der zuletzt aufgetretenen Periode abgegangen sein. Bei den formellen Angaben ist man nicht berechtigt, anzunehmen, dass es in diesen Fällen um accidentelle Blutungen sich gehandelt habe, vielmehr scheint man es als Thatsache acceptiren zu müssen, dass beide Möglichkeiten bestehen, die Möglichkeit der Eibefruchtung während einer effectiv stattfindenden und die vor einer zum Ausbleiben gebrachten Periode. Instructiv sind besonders die Parallelfälle: so sind z. B. mein Fall BB und der Fall a zur Seite zu stellen dem WAGNER'schen und dem Hensen'schen Fall, sowie dem Falle AV. Kein Zweifel, dass man es da mit Embryonen nahe zusammengehöriger Entwickelungsstufen zu thun hat, und doch ergiebt sich bei den einen zwischen Abortus und letzter Periode ein Zeitraum von nur 3, bei den anderen ein solcher von 7 Wochen. Aus etwas späteren Stufen sind die auf S. 53 u. 58 abgebildeten Embryonen S 2 und Seh 2 als solche zu bezeichnen, deren Entwickelung auf die zuletzt stattgehabte Periode als Anfangstermin zurückweist. Die Angaben sind hier nur approximative, weshalb ich sie nicht in die Tabelle eingereiht habe. Bei Embryo Seh soll die Periode 6 Wochen vor dem Abortus da gewesen sein; das Alter des Embryo weist aber auf 5 — 6 Wochen hin. Bei S 2 fiel der Abortus auf den 24. April, die letzte Periode auf Anfang März. Der Embrj-o mag seiner Entwickelung nach wohl an die 6 Wochen alt sein.

Wir haben keinen Grund, von der Voraussetzung abzugehen, dass der Anfangstheil der Eileiter der einzige Ort der Eibefruchtuno- ist. An dieser Stelle muss


durch letzteren befruchtet oder imprägnirt. Selbst im allergilnstigsten Fall müssen Coneeption und Imprägnation um einen bestimmten Zeitraum auseinander liegen.


Zur Frage der Altersbestimmung und des Befruchtungstermins. 79

das Ei, falls die Befruchtung eintreten soll, den Samen bereits vorfinden. Zeitpunkt des Eiaustrittes und Zeitpunkt der Blutung stehen zu einander in einem losen Verbände. Geht der Eiaustritt der zu erwartenden Blutung um mehrere Tage voraus, so kann der Eintritt der Befruchtung die letztere sistiren, das Alter der Frucht bemisst sich alsdann nicht nach der letzten stattgehabten, sondern nach der ersten ausgebhebenen Periode. Eällt der Eiaustritt erst in die Zeit nach bereits begonnener Blutung, so kann die Befruchtung durch noch vorhandenen Samen eintreten und nun bezieht sich das Alter des Embryo auf die seit Eintritt der Periode verflossene Zeit. Bezeichnen wir den Tag des zu erwartenden oder des wirklich eintretenden ersten Blutaustrittes mit B, so gruppiren sich die Tage des möglichen Eiaustrittes und damit der möglichen Befruchtung theils vor, theils nach B. Zur Unterscheidung sollen die ersten eingeklammert sein, wir haben demnach als Tage möglicher Befruchtung des Eies:

(3), (2), (1) B 2, 3, 4,

wobei vorläufig noch der ferneren Erfahrung vorbehalten bleiben mag, ob die beiden Grenzwerthe (3) und 4 richtig gewählt sind. Noch übersichtlicher lassen sich die Dinge vielleicht darstellen, wenn wir mit B den ersten Tag der letzten stattgehabten, mit Bo den Anfangstermin der ersten ausbleibenden Blutung bezeichnen, wir bekommen dann folgende Reihe, in der die ausgeschriebenen Tage die Tage möglicher Eibefruchtung sind:

B, 2, 3, 4, 5 26, 27, 28, Bo.

Besondere Tage möglicher Conception, d. h. möglicher Aufnahme befruchtenden Samens scheint es überhaupt nicht zu geben, d. h. alle Tage des Monats, ausgenommen vielleicht diejenigen des Blutabganges können Conceptionstage sein. Diese Zusammenstellung ergiebt auch auf den ersten Blick, dass, wenn wir unsere Altersrechnung nach B bez. Bo ausführen, eine Eehlerquelle stets unvermeidlich bleibt, weil wir in dem einen Eall nicht wissen, wie lange vor der ausgebliebenen Blutung, im anderen nicht, wie lange nach eingetretener Blutung das befruchtete Ei abgegangen ist. Der Fehler kann bei Richtigkeit obiger Zahlen bis zu 3 bez. 4 Tage betragen. Allein derselbe wird für die beiden Fälle in entgeorengesetztem Sinne


80 Zur Frage der Altersbestimmung und des Befruchtungstermins.

sich geltend machen, d. h. bei Bestimmung nach B wird das Alter des Embryo im Allgemeinen etwas zu hoch, bei Zurückführung auf Bü etwas zu niedrig geschätzt werden.

Wenn wir obigen Schlüssen zustimmen, so bleiben immer noch einige nicht zu unterschätzende Schwierigkeiten übrig:

Es ist, wie dies Hensen hervorhebt i), schwer, sich vorzustellen, dass ein so kleiner Körper, wie das Ei auf die TJterusschleimhaut bez. die Blutung inhibirend wirken soll. Hierbei wird offenbar zunächst an eine refiectorisch von den Tuben und zwar am ehesten vom unteren engen Tubenabschnitte aus angeregte Wirkung zu denken sein. Leider wissen wir über die Veränderung des befruchteten menschlichen Eies in den Tuben Nichts und sind daher auch nicht im Stande etwas präcisere Ausgangspunkte einer auf die Art der Eeizung bezüglichen Auffassung zu gewinnen. Für die Beurtheilung dieser Dinge erscheinen jene Fälle wichtig, in denen die Periode nach erfolgter Conception nur in abgekürzter Form auftritt, d. h. bei denen die Hemmung sich geltend macht, ohne ganz durchzugreifen. Nach meiner Auffassung wäre in diesen Fällen die Imprägnation nur sehr kurz vor Beginn der Blutung oder vielleicht gleichzeitig mit dieser erfolgt.^)

Eine fernere Schwierigkeit liegt in dem Umstände, dass die theoretische Aufstellung zwei Altersanfänge mit der empirischen Berechnung der Schwangerschaftsdauer in Conflikt kommt. Die beiden EndpunlvtiC obiger, für die Befruchtungstage aufgestellten Keihe stehen zwar nicht um volle 4, sondern im Minimum nur um 3 Wochen auseinander, immerhin ist dies noch eine bedeutende Differenz und man sollte erwarten, in den Tabellen der Gebm'tshelfer zwei getrennte, um 3 bis 4 Wochen auseinanderstehende Maxima zu bekommen, was bis jetzt nicht zuzutreffen scheint. Nur auf eine Erfahrung von Leuckart kann ich hier hinweisen, obwohl ja dieselbe zu unserer Frage nur indirecte Beziehungen hat. Bei seiner bekannten, auf den Hochzeitstag von Neuvermählten berechneten Ge


1) Physiologie der Zeugung. S. 72.

2) Hierher gehört z. B. der von Waldeyer citirte. Heidenhain, Studien des physiol. Instituts IV. S. 55 ; ferner yergl. man die Bemerkungen von Leuckart, a. a. 0. S. 887.


Zur Frage der Altersbestimmung und des Befruchtungstermins. 81

"burtstabelle ^) hat er zwei Maxima erhalten, die um 1 8 — 20 Tage aiiseinanderstehen. Nach dem damaligen Stand der Frage fasste Leuckaet die Sache dahin auf, dass das erste Maximum der Befruchtung des Eies der der Hochzeit vorangegangenen Periode entspricht, das zweite der nachfolgenden. So wie die Sache jetzt steht, glaube ich nicht an die Befruchtung eines schon mehrere Tage vor der Hochzeit abgegangenen Eies, das befruchtete Ei muss einem der Hochzeit nachfolgenden Menstruationstermine angehören. Die LEucKAET'sche Tabelle wird für unseren Zweck unverwendbar, weil sie zwar den Zeitpunkt der ersten Cohabitation, nicht aber den der letzten Menstruation angiebt. In der Hinsicht erweisen sich die Angaben von Hasler -) als vollständiger. In der sehr sorgfältigen Abhandlung dieses Verfassers über die Schwangerschaftsdauer findet sich u. a. eine Tabelle von 28 Fällen, für welche neben der letzten Periode und dem Geburtstermine auch der Tag der Conception notirt ist. Ich entnehme dieser Tabelle diejenigen Fälle, die mir entscheidend zu sein scheinen, d. h. diejenigen, in denen der bestimmt lautenden Angabe zufolge nur eine einzige bez. nur eine einzige, auf den Fall zu beziehende Cohabitation stattgefunden hat. Natürlich setze ich dabei völlig richtige Angaben der Frauen voraus, in welcher Hinsicht Hasler's Mittheilungen den Eindruck guter Kritik machen. Die Versuchung für unehelich geschwängerte Mädchen, das Unglück auf einen einzigen Fehltritt zu beziehen, mag nahe liegen, indessen sind in den meisten von Hasler mitgetheilten Fällen die begleitenden Notizen derart, dass der Verdacht einer relativen Reinwaschung hinwegfällt. Ich ordne die Fälle nach ihrer Beziehung zu den beiden Terminen B (Beginn der letzten Periode) und Bo (Termin der ersten ausbleibenden).

Die Zahlen der beiden letzten Colonnen habe ich nach Hasler genommen, der sie nach dem Typus der Perioden berechnet hat. Letztere ist zwar in den meisten, aber nicht in aUen Fällen eine vierwöchentliche gewesen. Gerade die 3 ersten Fälle haben Termine von 30 Tagen bez. von 4 — 5 Wochen.


1) Leuckart, Artikel Zeugung in R. Wagner's Handwörterbuch. Bd. IV. S. 885.

2) Hasler, Die Dauer der Schwangerschaft. Inaug.-Diss. Zürich 1876.

His, Menschl. Embryonen. II. 6


82 Zur Frage der Altersbestimmung und des Befruchtungstermins.



Der Tag der Conception


Dauer der Schwanger


Laufende Nr.


fällt


schaft berechnet



von Hasler


nach Beginn

der letzten

Periode


vor den Termin des

ersten Ausbleibens


nach B


nach C



I


25-26


2—3(5?)


297


270



II


25


3(6?)


299


271



III


25


3 (5 ?)


293


265



XI


13


15


284


271



XXII


12


16


296


284



IV


10


18


268


258



XVIII


9


19


286


277



XIX


ca. 8


20


ca. 286


278



XV


7


21


278


274



XXIII


7


21


257


250


(unreif)


XXI


6


22


288


282



XXIV


6


22


261


255


(unreif)


XXV


6


22


261


255


(unreif)


XIV


4


24


276


272



XIII


3


25


276


273



V


V2


27 72


268


267 72



Hasler sieht, wie die meisten Gynäcologen, wohl als selbstverständlich an, dass der Erfolg einer Cohahitation die Menstruation nicht überdauern kann. Meinerseits anerkenne ich keinen Grund zu dieser Voraussetzung ; die Speimatozoen, die allenfalls im Uterus verweilen, werden unzweifelhaft durch die Blutung beseitigt werden, welchen Einfluss aber die Periode auf lebende Spennatozoen in den Ampullen der Eileiter ausüben soll, das ist mir nicht ersichthch. Mit Eücksicht auf diese abweichende Auffassung habe ich aus Hasler's Tabelle die Fälle weggelassen, in denen Zweifel über allfällige, der letzten Periode vorausgegangene Cohabitationen übrig gebheben sind.

Die Ergebnisse dieser Tabelle sind auffallend, und es tritt dies besonders dann hervor, wenn man dieselben unter Weglassung der


Zur Frage der Altersbestimmung und des Befruchtungstermins. 83

3 Fälle mit unreifer Frucht zu kleinen Gruppen zusammenfasst und für diese die Mittel, sowie die Maxima und Minima aufstellt.


Termin der Conce


ption nach B


CS N


Mittlere Schwangerschaftsdauer

nach B


s

S 'S

CS


B "a


Differenz

von Maximum

und Minimum


Während u. unmittelbar nach d. Blutung


V2-4 T.


3


273.3 T.


276 T.


268 T.


8T.


Einige Tage nachAufhören der Blutung


6-10 T.


5


281.2 T.


288 T.


268 T.


20 T.


Mittlere Zeit


12-13 T.


2


290.0 T.


296 T.


284 T.


12 T.


WenigeTage vor Ende des Termins


25-26T.


3


296.3 T.


299 T.


296 T.


6T.


Sowohl die Mittelzahlen als die Maxima und die Minima zeigen ein stätiges Ansteigen der auf den Termin B berechneten Schwangerschaftsdauer, je nachdem die Conception in den Beginn oder auf die Mitte oder auf das Ende der Zeit fällt. Die Differenzen der beiden Endmittel betragen 23 Tage, die der Maxima 23, der Minima sogar 28 Tage. Die Zahl von 13 guten Fällen ist noch eine sehr geringe und es ist vor Allem wünschbar, dass die von Hasler begonnenen Untersuchungen in einer grösseren Ausdehnung weiter geführt werden. Bei Vervielfältigung der sicheren und brauchbaren Fälle muss es sich ja bald herausstellen, ob die in obiger Tabelle hervortretende Zahlenfolge auf Zufall beruht, oder ob sie der Ausdruck eines gesetzmässigen Verhältnisses ist. Dabei werden auch die Cohabitationen der prämenstrualen Epoche mit in Rechnung zu ziehen sein, deren befruchtender Einfluss einer directen Prüfung bedarf. So lange gerade diese Seite der Frage nicht durch wissenschaftlich verwerthbare Fälle zum Abschluss gebracht ist, scheint es mir auch noch nicht an der Zeit, die oben discutirten embryologischen Gesichtspunkte gegen die gynäcologischen abzuw^ägen. Eines nur scheint mir zu betonen:

entweder ist die Lebensdauer der menschlichen Spermatozoen noch weit grösser anzuschlagen, als man sie bis dahin geschätzt hat.


84 Zur Frage der Altersbestimmung und des Befruchtungstermins.

oder das mens ohliche Ei bewahrt, Allem, was wir sonst über die Eiveränderungen bei Thieren wissen, zum Trotz, seine Befruchtungsfähigkeit selbst in den tiefen Leitungswegen bez. selbst im Uterus,

oder endlich unsere Vorstellungen von der Ovulation bedürfen einer eingreifenden Correction.

Unter diesen drei Möglichkeiten scheint mir die erste immer noch die weitaus wahrscheinlichste.

Endlich ergiebt sich laut der von mir formulirten Auffassung der Befruchtung eine gewisse Schwierigkeit für die Beurtheilung der Verhältnisse im Uterus. Bei Befruchtung von Eiern, die vor der Bhitung das Ovarium verlassen haben, finden diese, wie dies Reicheet in anscheinend so überzeugender Weise dargethan hat, das zu ihrer Entwickelung vorbereitete Lager im Uterus vor. Im anderen Falle aber wird dm'ch die Blutung nebst Epithelabstossung die Schleimhaut ulcerirt und erscheint, wenigstens während der Zeit des Blutabganges kaum befähigt dem Ei die geeignete Brutstätte zu bieten. Vielleicht gehen auch manche befruchtete Eier zu Grunde, welche in dieser Zeit den Uterus erreichen und die Mögüchkeit der Entwickelung kehrt für das in den Uterus befruchtet eintretende Ei erst dann zurück, wenn ein gewisser Grad von Eestitution erfolgt ist. Nach Leopold's ^) Untersuchungen geschieht übrigens letztere ziemlich rasch, sie schliesst sich dem Aufhören der Blutung unmittelbar an und kann vielleicht schon einen Tag später vollendet sein. Am 8. bis 9. Tag nach Beginn der Blutung d. h. also am 3. bis 4. nach dem Aufhören fand Leopold die Schleimhautregeneration bereits vollendet. Bedenkt man ausserdem, dass das Ei zum Durchlaufen des Eileiters einen Zeitraum nöthig hat, der wohl der Dauer der Blutung mindestens gleich kommt 2), so scheinen die Gefahren, dass


1) Leopold, Studien über die Uterusscbleimhaut. Berlin 1878. S. 29, und Arch. f. Gynäcol. Bd. XI.

2) Bei Kaninchen beträgt die Dauer des Aufenthalts im Eileiter 3 Tage, bei Hunden 8—10 Tage. Bischopf supponirt für den Menschen sogar eine von 8—12 Tagen (Beweis der Reifung etc. S. 44). In der von Htrtl gemachten Beobachtung eines Eies im unteren Abschnitt des weiblichen Eileiters waren seit Beginn der Blutung 5 Tage verflossen (Zeitschr. f. ration. Med. 2. Folge, Bd. IV. S. 155).


Zur Frage der Altersbestimmung und des Befruchtungstermins. 85

das in den Uterus eintretende Ei eine ulcerirte Schleimhaut antrifft, erhehhch vermindert. Allerdings kann die nothdürftig wiederhergestellte IJterusschleimhaut unmittelbar nach Beendigimg der Periode dem eintretenden Ei kaum dieselben Yortheile bieten, wie die geschwellte Membran kurz vor Beginn des Menstruationstermines. Im Grunde wissen wir aber auch nicht, in welchem Zustande die Schleimhaut sich befindet, wenn ein vor Eintritt des Menstruationstermines befruchtetes Ei dieselbe erreicht. Nehmen wir z. B. an, das Ei sei schon 3 Tage vor diesem Termine befruchtet worden und habe zum Durchmessen des Eileiters 5 Tage gebraucht, so ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass die Schleimhaut in der Zwischenzeit bereits begonnen habe, wieder abzuschwellen.

Diese verschiedenen Erwägungen zeigen vor Allem, wie nothwendig es ist, fernerhin und in planmässiger Weise neues Beobachtungsmaterial zu sammeln. Dringlich erscheinen vor Allem Untersuchungen über das Vorhandensein und die Lebensdauer vou'Spermatozoen innerhalb der Eileiter des menschlichen Weibes. Consequente Untersuchungen sind anzustellen bei Frauen, die plötzlich oder die nach rasch verlaufenden Krankheiten verstorben sind, eventuell auch bei Ovariotomirten. Dabei, wird speziell auch zu beachten sein, ob innerhalb der Tuben lebende Spermatozoen die Menstruationszeit zu überdauern vermögen.


Wir kehren jetzt zm* obigen Alterstabelle menschhcher Embryonen zurück: deren Ergebnisse sind im Grunde nicht unbefriedigend, denn im Ganzen zeigte sich in ihr ein angemessener Parallehsmus der bestimmten Alter mit den Entwickelungsstufen. Nur für die Früchte unter 14 Tagen ist dieser Parallelismus gestört, was indessen bei Berücksichtigung der früher besprochenen Unsicherheiten kaum befremden kann. Am störendsten unter den 6 jüngsten Fällen ist der zweite von Allen Thomson mit seinem auf nur 8 Tage berechneten Alter. Die beiden Fnichte von Reichert und von Breuss stellen sich auf 14 bez. 10 Tage und die drei Embryonen Allen Thomson 1, SR und Lg auf 12—14 Tage. Am weitesten entwickelt unter diesen 6 Früchten ist Lg, deren Embryo ungefähr auf der Stufe eines Hühnchens vom Anfang des


86 Zur Frage der Altersbestimmung und des Befruchtungstermins.

3. Tages oder auf der eines Kaninchens von 9 Tagen steht. Schätzt man die Entwickelungsgeschwindigkeit der menschhchen Frucht nach der von Kaninchen ab, so wird SR etwa 2 Tage jünger sein ais Lg und die REiCHERT'sche Stufe etwa 4 Tage, Mit einem Fehler von + 3 Tagen möchten dann wohl folgende Entwickelungsreihen aufzustellen sein:

11 Tage Stufe Eeicheet,

13 =» =» Allen Thomson, oder Stufe SR,

15 . . Lg. Für die nachfolgenden Stufen ergiebt sich ein sehr gleichmässiges Fortschreiten des berechneten Alters mit der Entwickelungsphase und wir können darnach folgende kleine Skala entwerfen:

2 — 2V2 Wochen Embryonen von 2.2—3 mm

2 1/2— 3 == ^ ^ 3—41/2 ^

(31/2 ^ ^ ^ 5—6 mm)

4 ^ ^^ =» 7—8 ^ 4V2 ^ ' ^ 10—11 ^

5 . ^ ^ 13 »=

in welcher Tabelle der eingeklammerte Werth durch Interpolation erhalten ist.

Es stimmen diese Daten ziemlich mit den üblichen Schätzungen von Allen Thomson, Coste, Joh. Müller, Ecker u. A., von denen mir allerdings nicht recht ersichtlich geworden ist, auf welcher Basis sie sich aufbauen, da die älteren Forscher doch meist nach den Conceptionstagen zu berechnen gesucht haben. Zur Altersbestimmung der Embryonen über 1 3 mm gewähren mir meine eigenen Notizen keinen brauchbaren Anhaltspunkt und es geschieht nur im vorläufigen Anschluss an Andere, wenn ich zu Ende des 2. Monats den Embryonen eine Länge von 2.2 — 2.5 m zuerkenne.


ANHANG.


Notizen über die wichtigeren Präparate der Tabelle I.

Es sind zwar in den Colonnen 3 und 6 der Tabelle I einige kurze Angaben über Erhaltungszustand und über Herkunft der von mir benutzten Präparate mitgetbeilt , indess ist doch für manche der Stücke eine noch etwas weiter reichende Erläuterung wünschbar, und ich gehe daher die wichtigeren Nummern nochmals nach der Eeihenfolge der Tabelle durch.

Nr. XLIV. Im October 1880 sendet mir Herr Prof. J. J. Bischoff in Basel eine uneröffnete Frucht, die im grössern Durchmesser 8 mm, in einem darauf senkrechten 7 mm misst. Dieselbe ist etwas abgeflacht, an einer Stelle etwas ärmer an Zotten. Bei der Eröflfiiung findet sich, an der einen Wand anhaftend, ein kleines, im längsten Durchmesser 1.4 mm messendes Gebilde, das aus einem ellipsoiden undm'chsichtigen Körper und einer demselben angefügten durchsichtigen Blase besteht. Der undurchsichtige Körper, der durch stellenweise Einfaltung der Oberfläche sich gleichfalls als hohl documentirt, misst im grösseren Durchmesser 0.85 mm, senkrecht darauf 0,6. Die durchsichtige Blase umfasst mit ihrem Rande das eine Ende des Elhpsoides. Die Verbindung mit dem Chorion wird durch einen sehr kurzen Stiel vermittelt, der sowohl mit dem Ellipsoid als mit der Blase in Verbindung steht. Wie schon oben S. 32 angegeben worden ist, so halte ich die Blase für das Amnion, das Ellipsoid für die Nabelblase nebst Embryonalanlage und zwar muss die letztere an dem vom Amnion überwölbten Theil des EUipsoids, d. h.


88 Anhang.

also quer zu dessen Längsaxe liegen. Am entgegengesetzten Pole haften dem Ellipsoid noch Fäden von jenem lockeren Gewebe an, das den Raum der Fruchthöhle durchsetzt , einer dieser Fäden zeichnet sich durch derbe Beschaffenheit und durch seine Undurchsichtigkeit besonders aus. Ein endgültiges Urtheil über das Gebilde wird sich übrigens erst geben lassen, nachdem dasselbe mikrotomirt sein wird, was bis jetzt noch nicht geschehen ist.



wt^ "^3 xLir.

Fig. 47.

Embryonalgebilde der Frucht SLIV 20 fach vergrössert.



Nr. LXVIII. Den 11. November erhalte ich von Herrn Prof. Th. Langhans in Bern eine eröffnete Frucht mit dem sehr kleinen, S. 32 abgebildeten Embryo. Dieselbe stammt aus der Praxis des Herrn Dr. Conrad, Privatdocent in Bern, der auch folgende gynäcologische Daten darüber aufgenommen hat: 22 jähr, völlig gesunde Frau, Ipara, letzte Periode den 10. September, Abortus den 20. October. Legt man den Termin der ersten ausbleibenden Periode auf den 8. October, so berechnet sich das Alter der Frucht auf 12 Tage. Die Frucht ist von Herrn Dr. Conrad unverletzt und völlig frisch in 2proc. Borsäure gelegt worden, die Dimensionen waren zu der Zeit 17 auf 11 mm. Nach zwei Tagen kam sie an Herrn Prof. Langhans, der nun die Durchmesser der uneröffneten Frucht zu 15 und 1 2 '/2 mm bestimmt hat. An zwei einander gegenüberliegenden Stellen war das Chorion zottenfrei, die eine Stelle mass 5 auf 2V2, die andere 2 mm. Nach Eröffnung der Fruchthöhle wurde das Präparat


Notizen über die wichtigeren Präparate der Tabelle I. 89

in Chromsäure 0.1 Proc. verbracht, später kam es in Alkohol. Der Embryo zeigte sich dicht vom Amnion umhüllt, durch einen kurzen dicken Stiel dem Chorion verbunden, die Dotterblase war bei Eröffnung der Frucht eingerissen, ihr Durchmesser hatte etwa 2 mm betragen. Herzschlauch, zwei Schlundbögen und Gehörbläschen hat schon Herr Prof. Langhans an dem Embryo sehr deutlich wahrgenommen. Ich habe das Präparat seitdem mikrotomirt ; es ist die jüngste meiner guten Schnittreihen und ich werde im nächsten Heft darüber Bericht erstatten. Hier erwähne ich nur, dass die Mundbucht gegen den Vorderdarm hin noch durch die Eachenhaut abgeschlossen war.

LXVI. Den 25. Januar 1881 sendet mir HeiT Dr. Schütz in Hamburg eine uneröffnete Frucht. Dieselbe ist dem Uterus einer Frau entnommen worden, welche am Abend vor der Section durch Berstung eines Aneurysma Aortae gestorben war. Die Notizen, die Herr Dr. Schütz mir mitzutheilen die Güte gehabt hat, lauten: Frau M., 40 Jahr alt, hat mehrmals geboren, Kinder gesund und noch am Leben. Vor 12 Jahren luetisch inficirt, die Section ergiebt indessen keine wesentlichen, auf diese Krankheit bezüglichen Erscheinungen. Der Mann, Angestellter auf einem amerikanischen Postdampfer, war zwischen Weihnachten und Neujahr zuletzt in Hamburg gewesen. Die Zeit, während der die Periode ausgeblieben war, konnte nicht genau ermittelt werden. Am 1 3. Januar trat die Frau ins Krankenhaus , am 24. erfolgte der plötzliche Tod.

Das Präparat war nach Isolation der Frucht frisch in Brunnenwasser gelegt und auch in letzterer Flüssigkeit versandt worden. Als ich dasselbe erhielt, war es durch den zweitägigen Aufenthalt im Wasser stark aufgequollen und durchscheinend, 3 bez. 4 cm im Durchmesser fassend. Das Innere der Frucht war schleimig und klebte an den Instrumenten, weshalb ich das Ganze erst auf kurze Zeit in Salpetersäure und dann in Alkohol brachte. Ich hatte das Präparat verschätzt und beinahe vergessen, und meine Freude war daher nicht gering, als ich bei nochmaliger Eevision nach bald IV2 Jahren in der, auf ca. 17 mm zusammengeschrumpften Frucht einen zierlichen Embryo von 2.2 mm mit Bauchstiel, Amnion und Nabelblase vorfand. Da die jüngste unter den bis jetzt dem Uterus entnommenen Früchten, die von Keicheet noch keinen Embryo


90 Anhang.

enthalten hat, so ist dieser Embryo Schi überhaupt der jüngste unter allen denen, die bei einer Section am Ort ihrer Bildung vorgefunden worden sind.

LXV. Herr Professor J. J. Bischoff i) in Basel, dem ich so zahlreiche Sendungen verdanke, schickt mir den 20. Mai 1881 eine uneröffnete Frucht, 14 mm auf 11 mm messend. An einer Stelle, im Umfang von 4 mm, fehlen die Zotten. Ich schneide an der Stelle ein, allein, wie sich herausstellt, ist die Wahl des Ortes ungünstig gewesen, denn der erste Schnitt, obwohl vorsichtig geführt, trifft Amnion und Nabelblase, welche beide verletzt werden, wogegen der Embryo und sein Stiel intact bleiben. Der Embryo zeigt jene starke dorsale Einknickung, die schon oben S. 38 discutirt worden ist, ferner sind an ihm 3 Schlundspalten sichtbar. Das Präparat habe ich mikrotomirt und über einige Ergebnisse schon a. a. 0. berichtet '), im nächsten Heft werde ich darauf zurückkommen und auch Zeichnungen der Durchschnitte mittheilen.

Das Präparat stammt aus der Praxis des Herrn Dr. A. Baadee in Basel, der folgende Notiz mitgegeben hat: Frau H., 26 Jahr alt, vollkommen gesund und regelmässig alle 4 AVochen menstruirt, wurde zum letzten Mal am 26. März menstruirt, Dauer der Menses 4 Tage ; am 4. April war Hochzeit und erste Cohabitation. Die auf den 23. April erwartete Periode blieb aus. Am 13. Mai Beginn der Blutung, die nach 2tägiger Pause am 16. wiederkekrte, an letzterem Tag hat Herr Dr. Baader die Frucht direct dem Muttermunde entnommen.

LXVII. Herr Dr. Lomer übergab während meiner Abwesenheit im September 1881 der anatomischen Anstalt eine Frucht von ca. 1 V2 cm. Durchmesser, die von Herrn Dr. Altmann eröffnet und in Alkohol aufgehoben worden ist. Als ' ich das Präparat erhielt, waren Embryo, Nabelblase und Bauchstiel intact, das Amnion in seiner oberen Hälfte vom Embryo abgehoben. Auffallend erschienen vor allem die mächtig klaffende Mundbucht und die scharf hervortretenden drei oberen Schlundspalten. Die Frau wurde auf die Anamnese hin von Herrn Dr. Lomer sowohl, als von mir ausgefragt, die Angaben, die sie uns beiden gemacht hat, differiren aber um 8


1) Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abth. 1881. S. 303 f.


Notizen über die wichtigeren Präparate der Tabelle I. 91

bis 10 Tage 'und sind daher ziemlich werthlos. Die Frau hatte am 9. September 1880 zuletzt geboren, das Kind bis Ende Juli 1881 gestillt. An diesem Termine, oder nach der anders lautenden Angabe am 9. August zeigte sich die Menstruation, weshalb die Frau ihr Kind entwöhnte. Der Abortus ist am 6. September Nachts eingetreten, und die Frucht am folgenden Nachmittag dem Arzt übergeben worden. Obwohl letztere nicht mehr absolut frisch zur Aufbewahrung kam, so zeigte sich doch der Embryo sehr brauchbar und ich habe ihn mit ziemlich befriedigendem Erfolge mikrotomirt.

LX. Bei einem Besuch in Basel den 15. März 1881 übergab mir Herr Prof. Kollmann den kleineren bereits isolirten Embryo ; wie mir der verehrte College mitgetheilt hat, so ist der Kopf schon innerhalb des Chorion abgerissen gewesen. Der G-rösse nach schliesst sich dieser Embryo dem LoMEß'schen ziemlich nahe an.

LVI. Herr Dr. Wünsche in Obercunnersdorf bei Löbau sendet mir eine eröffnete Frucht von 2V2 cm auf 1.8. Die Frau sonst regelmässig menstruirt, hatte vor 3 Wochen zum letzten Male ihre Periode, daher sie von einer Schwangerschaft nichts wusste. Das Präparat war in Thymolwasser gelegt und so hierher gesandt worden. Ich fand das Amnion dem Embryo nahe anliegend, sehr trüb und mit dichten gelb gefärbten Gerinnseln erfüllt. Bei dem Versuche der Embryo von den anhaftenden Fetzen zu reinigen, wurde er vom Chorion losgerissen und es trat jene Einbiegung des Eückens ein, welche oben S. 39 besprochen worden ist.

LVn. Den 10. April 1881 erhalte ich dm'ch die Post aus Kussland eine Frucht mit einem der besterhaltenen Embryonen, die mir überhaupt durch die Hände gegangen sind. Leider kenne ich den Namen des unbekannten Spenders nicht ; die Begleitadresse, auf der der Name gestanden hat, blieb in den Händen der Post und das Packet enthielt keinen weiteren Nachweis. Die Frucht war, offenbar von kundiger Hand eröffnet, der Embro fand sich dem Chorion dicht anliegend, durch einen kurzen Stiel mit ihm verbunden. Die kurzgestielte Nabelblase war schon abgetrennt, das Amnion in seiner oberen Hälfte eröffnet. Die Durchschnitte des Embryo und die anatomischen Reconstructionen werde ich auf einer der nächsten Tafeln mittheilen. Ausgezeichnet schön zeigten sich die ersten Anfänge der weissen Eückenmarkssubstanz als ein System feiner, aus den Zellen


92 Anhang.

hervortretender Eaclienfäserchen ; auch der Zusammenhang der noch sparsamen und feinen vorderen Wurzelfasem mit den Zellen der vorderen Rückenmarkshälfte, sowie die ersten Fasern der Formatio arcuata sind an diesen Schnitten vortrefflich zu verfolgen.

LXI, LXII, LXIII und LXIV. Als ich im Beginn des verflossenen Jahres meinem verehrten Freunde Prof. A. Ecker in Freiburg klagte, dass in meinem Material die Stufen zwischen 8 bis 11 mm eine bedauerliche Lücke bildeten, war derselbe so freundlich, mir niehrere von seinen Embryonen zur Verfügung zu stellen. Der jüngste derselben entspricht ziemhch genau meinen Embryonen A und B und ich habe ihn mit besonderer Berücksichtigung der Schlundbogenentwickelung mikrotomirt. Auch die drei übrigen sind diesem Zwecke bestimmt worden. Für das Studium der äusseren Formen sind sie weniger geeignet gewesen, weil sie bereits mit Carmin gefärbt waren, als sie mir überlassen wurden. Ich werde später Anlass haben, wieder über diese Stücke zu berichten.

XL. Den 26. October 1880 erhalte ich von Herrn Dr. Schott in Frankfurt a./M. einen bereits eröffneten und in Alkohol aufbewahrten Abortus mit kleinem Embryo. Die Deciduen, von Blut durchsetzt, bilden eine derbe Kapsel. Die Höhle des Chorion misst im Lichten 21 auf 17 mm. Der Embryo, vom Amnion dicht umhüllt, liegt der Wand der Fruchthöhle unmittelbar an und zwar mit seiner rechten Seite. Derselbe ist sehr weich und beim Abziehen des Amnion mit der Pincette wird die obere Extremität mit losgerissen. Im Uebrigen ist die äussere Form noch sehr brauchbar und der Embryo ist daher S. 24 mit abgebildet worden. Von Interesse sind die gynäcologischen Daten, die Herr Dr. Schott sehr sorgfältig aufgenommen hat.

Es handelt sich um eine orthodoxe und in ihren Aussagen sehr zuverlässige Jüdin : Zwischen 5. bis 8. Juli war der Beginn der letztstattgehabten Periode gefallen. Acht Tage nach Aufhören der letzten Blutspuren nahm die Frau das rituelle ßeinigungsbad und erst von da ab fand Wiederaufnahme des ehelichen Verkehrs statt. Die zwischen 2. bis 5. August erwartete Periode blieb aus, dafür traten am 31. August die ersten Erscheinungen des Abortus ein, die am 3. September mit Ausstossung der Frucht ihr Ende erreichten.

XXVI, XLII, XXVII, XLIII u. a. Herr College Dohrn in Mar


Notizen über die wichtigeren Präparate der Tabelle I. 93

bürg hat die Güte gehabt, mir während der vei-flossenen zwei Jahre mehrfach wiederholte Sendungen zukommen zu lassen. Die erste Sendung vom 14. Mai 1880 bestand aus zwei jungen Früchten von 15 und von ca. 22 mm Durchmesser. Beide waren Herrn Prof. DoHRN von Hebammen eingeliefert worden und hatten, wie ich vermuthe, eine Zeit lang ohne Flüssigkeit an der Luft gestanden, da sie beide stark abgeplattet waren. In der einen war ein etwas plattgedrückter Embryo von ca. 5 mm Länge (XXVI), die andere enthielt in einer wandständigen durchsichtigen Blase einen zarten gestielten Streifen, unzweifelhaft einen jungen Embryo, dessen anatomisches Detail aber nicht mehr genau erkennbar war. Der Embryo XLII, in einer Frucht von 20 auf 12 mm enthalten, war vom Amnion noch knapp umhüllt und hing durch einen kurzen Stiel dem Chorion dicht an, diesem seine rechte Seite zukehrend. Das Präparat war etwas weich und das Gehirn, wie sich durch die Hautdecke hindurch erkennen liess , bereits etwas zerbröckelt. Von den spätem Sendungen des Herrn CoUegen Dohen sind mir besonders der hübsch erhaltene Embryo XXVH und die Missbildung XLIEI von Werth und von Interesse gewesen.

LXXLH verdanke ich der Freundlichkeit von Herrn Prof. Hensen, der mir den Embryo bei meinem diesjährigen Besuche in Kiel aus seiner Sammlung abgegeben hat. Derselbe lag in einem Chorion, das im eröffneten Zustande 3.5 auf 2.5 cm mass, der Nabelstrang war auffallend lang und dünn, das Amnion umhüUte als schlaffer Sack den Embryo. Die äussere Form war im Ganzen gut, obwohl nicht allzu scharf erhalten; auch war der Embryo ziemlich weich und das untere Leibesende, das mir an und für sich durch seine relativ geringen Dimensionen auffiel, hatte offenbar, infolge der Erweichung gelitten, denn man konnte durch die Haut hindurch erkennen, dass das Rückenmark am Uebergang zum Beckentheile zerbröckelt war. Ich vermuthete wegen der Schlaffheit des Amnion und der gestreckten Beschaffenheit des Nabelstranges, dass der Embryo einige Tage vor der Ausstossung der Frucht intra uterum abgestorben war.

XXXTT. Im Mai 1880 überlässt mir Herr Prof. Schwalbe, damals in Jena, aus seiner Sammlung eine uner öffnete Frucht von ca. 25 mm Dm. Beim Eröffnen zeigt der Embryo, dessen Nackenhnie sich auf 8,5 mm bestimmen lässt, einen aufgeklappten Kopf und eingerissenen


94 Anhang.

Hals, auch ist durch den Zug des Nabelstranges die Bauch- und Brustwand eingerissen und es liegt das Herz und die Leber unmittelbar vor.

XXXVni und XXXIX. Herrn Dr. A. Budge in Greifswalde verdanke ich die Zusendung zweier Embryonen, von denen der eine 9, der andere 12.5 mm lang gewesen ist. Beide waren nicht ganz frisch in die Hände des Herrn Dr. Budge gelangt, auch hatten die Extremitäten des kleineren beim Transport gelitten. Gleichwohl ist mir dieser Embryo von grossem Werth gewesen, weil er in seiner Gesammtform genügend brauchbar und dabei der einzige Kepräsentant der Stufe zwischen 8.5 und 1 mm gewesen ist.

X. Diesen schönen, bereits in den Briefen über die Körperform abgebildeten Embryo hat mir im Jahre 1870 der seitdem verstorbene Herr Dr. Münch in Basel überbracht, derselbe war sehr frisch und ich habe damals mehrere Zeichnungen danach entworfen. Auffallend war mir besonders der Umstand, dass die so deutlich hervortretenden Urwirbel von ungleicher Höhe waren; diejenigen der unteren Cervikalregion und die des unteren Lenden- und oberen Kreuzgebietes waren erheblich voluminöser, als z. B. diejenigen des zwischenliegenden Rückens. Ueber manche Einzelnheiten, besonders auch des Schlundbogengebietes hätte ich gerne das alte Originalpräparat wieder verglichen, allein wie mir Herr College Kollmann mitgetheilt hat, so ist es in der Baseler Sammlung nicht mehr aufzufinden.

XXIX und XLV. Von Herrn Dr. Brennecke in SudenburgMagdeburg habe ich den 25. Juni 1880 und den 24. Dez. desselben Jahres zwei Embryonen von vorzüglicher Erhaltung zugesandt erhalten. No. XXIX fand sich in der bereits eröffneten Frucht, umschlossen von einem prallgefüllten Amnion von 16 auf 13 mm Dm. Der Embryo selbst war 11 mm lang. Der Nabelstrang war vom Amnion in einer Ausdehnung von ca. 3 mm scheidenartig umhüllt, die Nabelblase lang gestielt; die zu dieser hintretenden Gefässe waren stark gewunden und bildeten zum Theil selbstständig über den Stiel hervortretende Schlingen. Durch die Haut hindurch waren nicht nur die Gehirncontouren und die Urwirbel zu erkennen, sondern in


1) Briefe über die Körperform. S. 194.


Notizen über die wichtigeren Präparate der Tabelle I. 95

vorzüglicher Weise auch die Venenstämme des Kopfes. Den unter dem Nabelstrang hakenförmig zur Seite gebogenen Schwanzfaden dieses Embryo habe ich bereits bei früherem Anlasse besprochen und abgebildet. •)

Der zweite von obigen Embryonen (XIjV) lag in einem Chorion von 35 auf 28 mm und war gleichfalls vortrefflich erhalten. lieber beide Eälle hat Herr Dr. Brenneckg die Güte gehabt, mir die gynäcol. Daten zu besorgen. Ad XXIX: die letzten Menses traten am 24. April auf, im Mai blieb die Periode aus, am 20. Juni begann ein Abgang blutig seröser Elüssigkeit, am 23. folgten Coagula, am 24. Juni heftigere Wehen und Abgang der Frucht. Letztere kann unmöglich bei Beginn der Abortuserscheinungen abgestorben sein, dagegen spricht ihr vorzüglicher Erhaltungszustand. Ad XLV: der Fall stammt aus der Praxis des Herrn Dr. Gtähde, der an Herrn Dr. Beennecke folgendes gemeldet hat: Letzte Periode am 20. October; schon am 1. Dezember Frost und Kolikschmerzen (wahrscheinlich vom Darm ausgehend); am 10. Dezember leichte Wehenschmerzen, die sich nach zwei Tagen wieder beruhigten. Erst am 22. Dezember trat ohne äussere Veranlassung eine heftige Wehe mit Ausstossung der Frucht ein. Auch hier haben die dem Abortus lang vorausgehenden krankhaften Erscheinungen das Gedeihen des Embryo offenbar in keiner Weise zu beeinträchtigen vermocht.

XXVni. Herr Dr. Geyl in Dordrecht sendet mir den 22. Juni 1880 eine äusserlich unverletzte Frucht von elhpsoider Gestalt, 4 cm auf 3 cm lang, sie zeigt den sehr ausgesprochenen Gegensatz von Chorion laeve und frondosum. Die letzte Periode war am 29. März eingetreten, der Abortus am 15. Juni, d. h. 7 Wochen nach der ersten ausbleibenden Periode. Als Ursache des Abortus sieht Herr G. eine hochgradige Eetroflexion an, complicirt mit Endometritis und Endocervitis. Der Embryo war völlig erweicht und innerhalb des uneröffineten Chorions derart zerrissen, dass die Eingeweide, Leber und Herz bis zum Kehlkopf herauf am Nabelstrang festhingen, während Kopf und Eumpfstamm davon getrennt waren.

LXXrV. Dies sehr schöne Präparat nebst dem zweiten eines ca. 3 cm langen Fötus hat mir Herr Dr. C. Buge in Berlin ge


1) Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abth. 1880. S. 436.


96 Anhang.

schenkt, dessen reichhaltige Sammlung eine Eeihe von interessanten und gut conservirten Stücken enthält. Als ich das Präj^arat erhielt war das Chorion hereits eröffnet, 2.8 auf 2.3 cm messend. Das Amnion umschloss den Embryo so, dass dieser höchstens um 1 mm von ihm abstand, die Nabelblase war durch einen ca. 8 V2 mm langen Stiel vom Körper getrennt.

XXin. Im September 1879 übergiebt mir Herr Professor J. J. Bischoff in Basel eine eröffnete Frucht, mit zwei in demselben Chorion liegenden Embryonen, beide sind wohl gebildet und von gleicher Grösse; sie sind auch vom gemeinsamen Amnion umhüllt gewesen. Gleichzeitig mit diesen beiden ist noch ein dritter Embryo ausgestossen worden, der nicht nur von einem besonderen Chorion, sondern auch von einer besonderen Decidua reflexa umschlossen war.

XXXV, XXXVI und XXXVIL Als ich im Jahre 1875 Herrn Prof. Er. Schmidt in Copenhagen besuchte, zeigte mir derselbe neben manchen anderen wissenschaftlichen Schätzen einen prachtvollen, noch innerhalb seiner Häute liegenden Embryo von 12 bis 13 mm. Prof. Schmidt hatte damals die Absicht, dies Präparat eingehend zu bearbeiten, ein Unternehmen, dessen Ausführung durch Ueberlastung mit amtlichen Geschäften verzögert worden ist. Nach dem Erscheinen der ersten Lieferung meiner Schrift hat mir mein, leider bald nachher verstorbener Freund dies Präparat nebst zwei anderen sehr schönen Stücken durch seinen damaligen Prosector Dr. Chievitz zugesandt und zur freien Bearbeitung überlassen. Ich habe dasselbe mikrotromirt und sorgfältig durcharbeitet und so werde ich später noch mehrmals Anlass haben, auf dasselbe zurückzukommen. Wie von manchen anderen meiner guten Präparate, so hat übrigens auch von diesem der verstorbene Anstaltsphotograph Herr Th. Honikel vorzüghche Stereoscopbilder aufgenommen. Gynäcologische Notizen liegen in Betreff dieses Stückes keine vor, wohl aber in Betreff des mit partieller Ectopia cordis behafteten Embryo S 2 XXXVI. Die stets regelmässig menstruirte Frau hatte die letzte Periode Anfangs März, der Abortus erfolgte am 24. April 1874. Der Embryo war noch beinahe dm'chsichtig, als er abgegeben wm-de und wurde von Prof. Schmidt sofort in starken Alkohol gebracht.


Notizen über die wichtigeren Präparate der Tabelle I. 97

XL VI. Herr Dr. Schütz in Hamburg, dem ich schon das interessante Stück LXVI verdanke, sendet mir den 29. Mai 1881 einen eröjBFneten Abortus mit sehr schön erhaltenem Embryo von 13 '/2 mm. Die Mutter, Ilpara, 21 Jahr alt, eine kräftige Frau, an Vaginitis behandelt, hatte vor 6 Wochen zum letzenmal die Regel gehabt. — ■ Das Amnion bildet einen Sack von 18 auf 15 mm und steht vom Embryo bereits um mehrere Millimeter ab. Die Hautdecken sind noch durchscheinend und lassen besonders das Detail der Hirngiiederung sehr schön erkennen.

XLI. Diesen Fig. 45 abgebildeten schönen Embryo hat mir im August 1880 Herr Dr. Feiedländer Prosector am städt. Krankenhaus in Berlin zu übersenden die Güte gehabt; er war bereits aus den Häuten herausgenommen als ich ihn erhielt und am Kopf, wohl in Folge des Transports, ein wenig verletzt.

Gleichfalls ohne Häute, aber in gut erhaltenem Zustand sind mir die beiden Embryonen LI und LVIII von den Herren Dr. Schmidt in Lindenau und Dr. Meyer in Hoyerswerda eingesandt worden. Vorzüglich ist auch der aus einer Extrauterinschwangerschaft stammende kleine Fötus LXXVII, den mir Herr Prof. Weigert übergeben hat, sowie der noch mit seinen Häuten versehene Fötus LXXVni, den ich Herrn Dr. Leopold verdanke.

Von dem Embryo XI besitze ich nur noch eine ältere Profilzeichnung, er war mir seiner Zeit durch Herrn Dr. Greppin in Basel überbracht worden.

Aus der Sammlung der aufgehobenen chirurgischen Akademie in Dresden stammen endlich zwei eröfihete Uteri gravidi, von denen der eine einen Embryo von 15, der andere einen solchen von 25 mm enthält; besonders der erstere (XXXIV) ist ein vorzügliches, noch mit Amnion und ISCabelblase versehenes Stück, dessen Natur als Sammlungspräparat ich gelaubt habe auch für die Zukunft respectiren zu müssen.


His, Henschl. Embryonen. IL


98 Anhang.


Notizen über die beolbacliteteii Missbildungen.

Wie ich dies schon S. 12 hervorgehoben habe, so sehe ich es nicht als meine Aufgabe an, die Missbildungen, denen ich begegnet bin, eingehender zu bearbeiten, ich würde durch ein solches Unternehmen meine verfügbare Arbeitskraft ungehörig zersplittern und ich gebe daher hier nur eine kurze, von einigen orientirenden Abbildungen begleitete Aufzählung der Stücke.



xci.

Fig. 48-50.

XCn und XLni. Zwei dem Chorion unmittelbar aufsitzende Knötchen. lieber das eine ältere Präparat habe ich keine andere Aufzeichnung, als dass die Frucht von einer Leipziger Hebamme eingeliefert worden ist. Das zweite Präparat ist mir (26. November 1880) von Herrn Prof. Hohen aus Marburg eingesandt worden. Das Chorion das noch im Lichten 28 auf 14 mm mass, zeigte innerhalb eines geschlossenen Amnion das kleine Fig. 49 abgebildete Knötchen, das mit einem kleinen Endknopf versehen erscheint.

XCL Diese Form, etwas complicirter als die beiden vorigen, zeigt einen beträchtlich voluminöseren, eingeschnürten Körper; von der zwischen beiden Hälften befindlichen Kinne geht ein kurzer Stiel zum Chorion ; ihr sitzen auch einige kleinere Knötchen an, eine Art von Kranz bildend.


Notizen über die beobachteten Missbildungen.


99


Unter dem Nammen atrophischer Formen hahe ich einige Bildmigen zusammengestellt, die bei allen sonstigen Verschiedenheiten doch darin mit einander übereinstimmen, dass zwar der Em



JJÜÜLVUIL.



XCHL;



Fig. 51-59.


bryo seiner allgemeinen Gestalt nach deutlich angelegt, aber abnorm verbildet und jedenfalls weit unter der dem Choriondurchmesser entsprechenden Gresammtgrösse ist.


7*


100


Anhang.


XCV. Ist ein kleines ziemlicli weiches Gebilde von nur 2.3 mm Länge, das die verschiedenen Aljschnitte Kopf, Beckenende und selbst Andeutung von Extremitäten eben noch erkennen lässt und das durch einen kurzen Stiel dem Chorion verbunden ist.

Die nun folgenden Nummern LXXI, LXIX, LXXXVIII, XCHI und LXXVI verdanke ich zum Theil der Güte auswärtiger Collegen, der HeiTcn Dr. Landsberger in Posen, Dr. Schott in Frankfurt, Dr. Rissmann in Sudenburg- Magdeburg und Prof. Flemming in Kiel. Eine gemeinsame Eigenthümlichkeit der Embryonen liegt in dem Zurückbleiben der Kopfentwickelung und in der auffallenden Krümmung des Oberkörpers. Letzterer ist bei den meisten dieser Stücke in beinahe rechtem AVinkel vom Eücken nach vom abge



ISXXVE.a


oT[ii. i.


Flg. 60—61.

Embryo XXXVH im Profil und von vorn.


bogen, wobei der Kopf, anstatt seine Gesichtsfläche der Brust zuzuwenden , frei nach vorn hervortritt. ^ Bei allen diesen Formen findet sich ferner jene auffallende Oefifnung des Mundes, die wir früher (S. 40) als einen Charakter jüngerer Entwickelungsstufe vor Eintritt der Nackenbeuge kennen gelernt hatten. Im IJebrigen zeigen die Stücke unter sich mancherlei Abweichungen in Beziehung auf die relative Grösse der einzelnen Körperabschnitte, in Beziehung auf das Hervortreten gesonderter Schlundbogen und in Beziehung


1) Solche winklig gebogenen Embryonen sind auch anderen Beobachtern, schon begegnet ; so finde ich eine hierher gehörige Form in dem Aufsatz von DoHRN in der Monatsschr. f. Geburtskunde. 1863. Bd. 21. Taf. II, 20 und 21 ; ebenso bei Panum, Nordisk med. Arch. I. Taf. I, 2.


Notizen über die beobachteten Missbildungen.


101


auf sonstige Einzelnheiten. Besonders auffällig ist Nr, XCIII wegen der eigenthümlichen, der Stirn anhaftenden Quasten.



Fig. 63-65.


Nr. L gehört, obwohl der Grösse nach über der vorigen Form stehend, auch in deren Nähe. Besonders auffallend ist hier der tiefe


102


Anhang.


Einsclinitt der Rautengrube und die im Verhältniss zur Entwickelungsstufe auffallende Aufrichtung des Kopfes und weite Oeffnung des Mundes.

Auch Embryo XXXI, den mir Herr Prof. Ahlfeld gegeben hat, ist zwar in der Entwickelung nicht hinter den Häuten zurückgeblieben, zeigt aber die abnorme Aufrichtung des Kopfes mit gleichzeitig weiter Oeffnung der Mundspalte; es war bei diesem Embryo der vordere Theil des Gehirns zu einer sehr dünnwandigen, vom dahinterliegenden Abschnitte scharf sich absetzenden Blase aufgetrieben.



Des Embryo XXXVH habe ich schon früher Seite 14 gedacht, weil derselbe trotz abnormer Bildung doch vorzügliche Beschaffenheit der histologischen Elemente gezeigt hat und dabei in der Körpergrösse der Eihäuten entspricht. Auch hier fehlt die gehörige, der Entwickelungsstufe entsprechende Zusammenkrümmung des Oberkörpers; die Stirn ist abnorm kurz, das Herz völlig quer gelagert und die beiden TJnterkieferfortsätze in der Mitte unvereinigt, ein unpaares Zwischenstück erscheint zwischen dieselben eingeschoben.


Notizen über die beobachteten Missbildunsen.


10?


Eine höchst sonderbare Gruppe bilden die vier Embryonen, die ich in der Tabelle als Cy lind er formen zusammengestellt habe^ (XC, XLYJIl, LXXXIX und LXXXY). Alle vier haben das gemein, dass sie verhältnissmässig gross (11.3 — 13.7 mm) und dabei doch in ihrer Gliederung völlig zurückgeblieben sind. Drei derselben sind beinahe völlig gestreckt, nur einer etwas mit dem Kopf vomübergebogen. Dabei ist der Kopf kaum mit Andeutung eines Auges, einer Mundbucht oder einer Nasengrube versehen. Schlundbosren fehlen



Tis. 67.


ganz und gar und die Extremitäten erscheinen nur als knollige runde Vorsprünge des im übrigen walzenförmigen Kumpfes. Auffallend ist femer die Wiederkehr von Stirnquasten bei XI.

Von den Fällen der letzten, gemischten Kubrik meiner Tabelle habe ich nur XCIV als vorzüglichen Eall einer Spina bifida und den Eall LIX abgebildet. Dies letzte Präparat verdanke ich Herrn Dr. Leopold. Nach den vorhandenen Angaben musste der Embryo volle 4 Monate alt sein, womit die Grösse selbstverständlich


104 Anhang. Notizen über die beobacliteten Missbildungen.

nicht stimmt. Die letzten Menses der Frau, einer Vpara, waren nämlich den 23. — 30. Nov. 1880 erfolgt, die Ausstossung am 19. April 1881. Das Chorion mass 5 auf 4'/2 cm, war zottenarm und an seiner Innenfläche vom Amnion unmittelbar bekleidet. Auffallend ist an diesem Embryo die aufgerichtete Stellung des Kopfes, die weite Oeffnung des Mundes, die tiefe Einsenkung der Kauten- und der Nackengrube , die gespreizte Stellung der Extremitäten. Das Präparat wurde zur genaueren Untersuchung an Herrn Prof. E. Klebs in Zürich abgegeben.

Den an und für sich sehr interessanten Fall einer Ectopia hepatis LXXXVII habe ich nicht abgebildet, da derselbe schon der Grösse nach aus dem Bereich der in dieses Heft behandelten Formen herausfällt. Die Leber, nebst der grösseren Menge der Gedärme befindet sich bei diesem Präparate innerhalb des entsprechend aufgetriebenen Nabelstrangs.


Druck von J. B. Hirschfeld in Leipzig.


ANATOMIE

MENSCHLICHER EMBRYONEN


VON


WILHELM HIS.


ni.

ZUR GESCHICHTE DER ORGANE.


MIT 156 ABBILDUNGEN IM TEXT UND ATLAS (TAFEL IX — XIV u. I*.)


LEIPZIG, VERLAG VON F. C.W.VOGEL.

1885.


A


i


Das Uebersetzungsrecht ist vorbehalten.

Die Nachbildung der Figuren bedarf der Genehmigung des Verlegers.


Inlialtsverzeichniss.


Seite

Einleitung: 1

Benutztes Material 7

Allg'emeine Gliederung- des Eing-eweiderohres 12

Mundbucht, Vorderdarm, Mitteldarm und Hinterdarm 12

Profilconstruction des Eingeweiderohres 13

Frontalconstruction des Eingeweiderohres 22

Der Mundrachenraum und seine Zugänge 26

ÄUgeineine Gestaltung 26

Der primitive Mund 30

Der primitive Gaumen, die Bildung der äusseren Nase, der Oberlippe,

des Zwischenkiefers und der Vorgebilde des deßnitiven Gaumens 33

Das Nasenfeld und die Bildung der Nasenliöhle 45

Septum narium, seitlicher und mittlerer Stirnfortsatz 49

Die äusserliclie Entwickelung des Unterlciefers und der Inframaxil largegend 56

Die Vorderhand des Mundrachenraumes und deren Umbildung . . 60

Verhalten der Änfangsstufen 60

Mesobranchiales Feld, Tuberculum impar und Furcula .... 60

Fundus branchialis und Sulcus arcuatus 62

Crista terminalis 64

Bildung der Zungenanlage, der mitlleren Schilddrüsenanlage und des

Kehlkopfeingan ges 64

lieber die Herkunft der Zungenmusculatur 72

Sublingualplatte und Sublingualhöhle 75

Die Innervation des Mundrachenraumes 77

Deutung der Theile im ausgebildeten Mundrachenraum 79

Plica triangularis und Fossa supratonsülaris 82

Die Kopfnerven und ihre Beziehungen zu den Gliedern des Kopfes 86

Heber die Herkunft der Kopfmusculatnr 91

Heber die Entstehung der Speicheldrüsen und der ersten Zahuaulage 94


IV Inhaltsverzeicliniss.

Seite

Bildung der Scliilddrüseuaulag-e 97

Ductus thyreoglossus 97

Ductus lingualis und Ductus thyreoideus 100

Die primäre Anlage der Tliymus 103

Sinus praecervicalis 106

Halskiemenfisteln 108

Literarische Auseinandersetzung zu den vorangegangenen Abschnitten 111

Die BildongsgescMclite des Halses 115

Das Herz 129

Die Grundform des embryonalen Herzens 129

Trennung der einzelnen Äbtheilungen 135

Das Endothelrohr des Herzens 141

Die zum Herzen hinführenden Gefässstämme, der Si7ius U7id Saccus

reuniens und die Porta vestibuli 143

Die Area interposita, die Eustachi' sehe Klappe und die Spina vestibuli 149

Der Ohrkanal und die Bildung der Ostia venosa 152

Das Sepium aorticum 160

Die Verbindung der Scheidewände des Herzens 162

Die Scheidung der beiden Vorhöfe 167

Die Einmündung des Sinus coronarius und die Lungenvenen . . . 169 Muskel- und Bindegewebsantheil der Herzwand, Epicardium imd

Faserringe 171

Die Beziehungen des ausgebildeten Herzens zum embryonalen . . 173

Historische Notizen betreffend die Lehre vofi der Herzent/vickelung 178

Die Aortenbogen 185

Carotis externa und interna 186

Aa. vertebrales und A. basilaris 193

Rückbildung der Aorta descendens dextra 194

Aortenenge und Aortenspindel 196

Die Bildung der Aorten wand 198

Ton der Umlbildang der zum Herzen führenden grossen Venenstämme 200

Venae omphalomesentericae und Lebervenen 202

Venae umbilicales 204

Vena ascendens oder V. Aeanzii 206

Vena Portae 206

Die Formentwiclreluug des äusseren Ohres . . . 211

Bauchstiel und Nahelstraug 222

Nachtrag zu Seite 80 227

Erklärung der Tafeln 229


EINLEITUNG.


Mit diesem dritten Heft hatte ich das seit mehreren Jahren in Veröffentlichung hefindliche Werk zu einem vorläufigen Ahschluss zu bringen gehofft. Indessen ist mir dies nicht möglich gewesen, und ich muss mich diesmal damit begnügen, statt einer vollen Organgeschichte nur Theile einer solchen zu geben. Die Fülle des zu verarbeitenden Stoffes ist eben eine ungemein grosse, und ein jeder Theil verlangt, wenn seine Geschichte vom Anbeginn aufgenommen und befriedigend durchgeführt werden soll, eine besondere monographische, von vielen Abbildungen unterstützte Darstellung. Die Menge der Zeichnungen, die sich allmählich in meinen Mappen angehäuft haben, ist denn auch eine verzweifelt grosse geworden und sie bereitet mir nachgerade mehr Sorgen, denn Freude, da es mir immer schwieriger erscheint, derselben publicistisch Herr zu werden und auch nur die wichtigeren der Figuren zur Eeproduction zu bringen. So habe ich mich zur Herausgabe des Heftes in seiner gegenwärtigen Form entschlossen, weil ich erwarten durfte, durch Ordnung von einem Theil des Stoffes wieder Luft zur Bearbeitung des noch übrigen zu gewinnen. Manche von den fehlenden Abschnitten hoffe ich, falls mir die Kraft bleibt, in einem Schlussheft, im Laufe der nächsten Jahre nachliefern zu können. Anderes mag jüngeren Forschern vorbehalten bleiben.

Für die einzelnen System- und Organgeschichten bin ich in erster Linie bestrebt gewesen, die grundlegenden Vorgänge der Formentwickelung klar zu stellen; an diese können spätere, auf das Detail gehende Untersuchungen leicht wieder anknüpfen.

His, Menschl. Emloryonen. III. 1


2 Einleitung.

Daneben aber habe ich dem Ineinandergreifen der verschiedenen Entwickehmgsvorgänge besondere Aufmerksamkeit gewidmet und ich habe die räumlichen, die zeitlichen und, soweit als möglich, auch die causalen Beziehungen der einzelnen Organentwickelungen zu einander nach Kräften zu verfolgen gesucht. Schon die Thatsache, dass innerhalb der jeweiligen Körpergrenzen der Raum von den vorhandenen Theilen stets ausgefüllt bleibt, ergiebt mit Nothwendigkeit, dass die Formentwickelung der Theile durch deren wechselnde Nachbarbeziehungen wesentlich beeinflusst werden muss. Noch bedeutsamer aber für das Ineinandergreifen ganzer Reihen von Entwickelungsvorgängen erweisen sich jene Einflüsse, welche über grössere Körperstrecken zugleich sich ausdehnen, die Zusammendrängung oder die Streckung bestimmter Bezirke und vor allem jene Veränderungen der Gesammtform, welche aus der Zusammenbiegung und der Wiederaufrichtung der Körperaxe hervorgehen.

Wenn man die Ueberschriften der Capitel durchgeht, die in diesem Heft vereinigt sind, so machen sie vielleicht den Eindruck einer etwas bunten Reihe; auch bin ich in Verlegenheit gerathen, als ich den mitgetheilten Stoff in grössere Capitel zusammenfassen wollte. Man wird indessen gewahr werden, dass die behandelten Fragen meistentheils untereinander verflochten sind. AVenn z. B. mitten in die übrigen Abschnitte ein Capitel von den Kopfnerven und dann wieder eins über die Bildung des Halses eingeschaltet erscheinen, so sind diese eingeschobenen Capitel doch an ihrem Platze, weil sie die zum Verständniss anderer Dinge nothwendigen Gesichtspunkte eröffnen. Eine streng nach Systemen durchgeführte Behandlung der Körperentwickelung wird stets nur ein sehr lückenhaftes Bild von dem Ineinandergreifen der Entwickelungsvorgänge gewähren und daher nicht im Stande sein, zu einem eingehenden Verständniss der letzteren hinzuführen. Die meisten Abschnitte des Heftes behandeln die Geschichte des Kopfes und Halses, indessen ist weder diese Geschichte erschöpfend durchgeführt, noch sind andere Abschnitte ausgelassen, und so wäre es vielleicht am richtigsten gewesen, ich hätte das Heft mit der Aufschrift: „Aufsätze zur Geschichte der Körperorgane" betitelt.

Einen selbständigen Abschnitt des Werkes bildet übrigens die Erklärung der Tafeln, ich habe daselbst die Entwickelung der


Einleitung. 3

äusseren Körperform recapitiüirt und das im zweiten Heft hierüber Gesagte nach verschiedenen Sichtungen hin ergänzt.

An einigen Stellen bin ich genöthigt gewesen, Meine anatomische Excurse einzuschieben, so bei der Zunge, bei der Tonsillengrube, beim Herzen und beim Aortenbogen. Es stellt sich nämlich heraus, dass anatomische Eigenthümlichkeiten der Theile auch von den allerausführlichsten Beschreibungen oftmals unbeachtet bleiben, falls diese nicht von genetischen Gesichtspunkten aus entworfen sind.

Es bedarf wohl kaum der besonderen Erwähnung, dass nummemreiche Schnittreihen auch diesmal die Basis meiner Arbeit bilden. Laut der unten mitgetheilten Tabelle sind es zwischen 4 — 5000 Schnitte, die mehr oder minder sorgfältig durchgearbeitet werden mussten. In den Tafeln XI und XII, die schon vor mehreren Jahren lithographirt worden sind, habe ich für einige der jüngeren Embryonen (Lg, BB, Lr und R) zusammenhängende Schnittreihen reproducirt. Im TJebrigen bin ich aus naheliegenden Gründen vom System einer Massendarstellung von Schnittbildem zurückgekommen und ich habe mich für die späteren Stufen auf die Wiedergabe einzelner Schnitte oder Schnittstücke beschränkt. Dafür aber habe ich mich um so mehr bemüht, möglichst durchgearbeitete Reconstructionsbilder der verschiedenen Stufen herzustellen.

Die von mir angewandte constructive Methode ist, wie ich ja nicht verhehlen will , eine recht mühsame und umständliche. Schon auf den jüngsten Stufen verlangt ein einziger Embryo zu seiner Bewältigung eine Wochen, selbst Monate dauernde, unausgesetzte Arbeit, und die zur Durcharbeitung der Schnitte eines Embryo von 5 bis 6 Wochen nöthige Zeit lässt sich nur nach Jahren bemessen. Dabei schliesst die Methode das Vorkommen von Zweifeln oder Fehlern im Einzelnen nicht unbedingt aus, denn es spitzt sich zuweilen eine Entscheidung auf einen oder auf wenige Schnitte zusammen, welche durch irgend einen Zufall ein unklares Ergebniss liefern. Indem aber ein jedes Ergebniss durch alle übrigen controllirt wird, ist die wachsende Garantie geboten, für die schliessliche Eliminirung aller Zweifel und Fehler. Vor allem giebt die Methode jene Klarheit und Sicherheit räumlicher Anschauung, ohne welche eine Anatomie des Embryo ebensowenig, als eine solche des Erwachsenen denkbar ist. Es ist meines Erachtens dringend an der Zeit, dass

1*


4 Einleitung.

die embryologisclie Literatur von dem geistlosen System ausschliesslicher Schnittbeschreibungen sich endgültig frei macht und wieder zur Betrachtung der Gesammtform zurückkehrt. So bequem jenes System für den Autor sein mag, so unerträglich ist es für den Leser, so wenig ausreichend für eine Wissenschaft der Torrn. Auf welch traurigem Standpunkte müsste z. B. noch heute die Anatomie des Menschen stehen und wie mühsam wäre deren Studium und Vortrag, wären wir darauf angewiesen, anstatt der Formbeschreibungen des Körpers und seiner Organe nur Beschreibungen von Durchschnittsbildern zu geben. Mag die Kenntniss der Durchschnittsbilder allenfalls genügen zur Beurtheilung von Fomen allereinfachster Art, wie etwa einer Kugel oder eines Cylinders, so kann sie doch schon bei sehr massiger Abweichung von rein geometrischer Gestaltung nicht mehr ausreichen. So würden wir uns schon von der Gesammtform einer Extremität aus der blossen Schnittbetrachtung nur grob annähernde Vorstellungen zu bilden vermögen. Allen verwickelten Formen gegenüber erweist sich jene als höchst unzureichend, wo nicht geradezu als irreführend. Noch heute, nach vieljähriger Beschäftigung mit embryonalen Schnitten und mit deren Wiederaufbau, wage ich es nicht, mir aus der Schnittbetrachtung allein eine Gesammtvorstellung von der wirklichen Form zu machen und bei jeder neuen Construction erfahre ich wieder die eine oder die andere unerwartete Ueberraschung. Die Formableitungen, die man sich beim Durchmustern von Schnittreihen im Kopf zurechtzulegen pflegt, erweisen sich eben bei sorgfältiger Nachprüfung nur allzu oft als unzureichend oder als hinfällig.

Nach meinem Dafürhalten sind sonach solche Arbeiten als methodisch unvollkommen und damit als wissenschaftlich nicht beweiskräftig anzusehen, welche bei Feststellung complicirter anatomischer Formen auf die blosse Schnittbetrachtung sich beschränken, ohne auf deren Grund die exacte Keproduction der Form zu unternehmen. Es gilt dies nicht nur für das embryologische Gebiet, sondern unter Anderem auch für das der nervösen Centralorgane. Auch hier wird die Forschung erstreben müssen, gute Integrationsmethoden einzuführen, soll sie anders dahin gelangen, wirklich anschauliche Bilder vom Verhalten der einzelnen Massencomplexe und Faserbahnen zu schaffen. Uebrigens freue ich mich anzuerkennen,


Einleitung. 5

dass unter den jüngeren Forschern wenigstens Einzelne die Nothwendigkeit von Integrationsmethoden einselien, und ich begrüsse in der Hinsicht insbesondere die Arbeiten von Born. Mit seiner vervollkommneten Methode der Plattenmodellirung hat dieser Autor ein sicherlich vielseitig brauchbares Forschungsmittel in Gang gebracht, und hoifentlich wird sein Beispiel gute Nachfolger finden.')

Es ist wohl noch kaum an der Zeit zu untersuchen, ob überhaupt und inwieweit Born's Plattenmodellirung vor der Constructionsmethode den Vorzug verdient. Letztere wird, wie auch Born anerkennt, durch jene nicht überflüssig, und es scheint mir vorläufig, dass für Eruirung feinerer Details und insbesondere auch für die gleichzeitige Darstellung verschiedener, räumlich sich durchsetzender Gebilde die Construction das ergiebigere Hülfsmittel ist. Da übrigens eine Methode die andere nicht ausschliesst, so werden die beiden voraussichtlich für manche Verhältnisse sich controllirend ergänzen.


1) Bei meinen Arbeiten über die Entwickelung des Hühnchens habe ich vor Jahren die Herstellung der Formen durch Zusammenfügung ausgeschnittener Wachsplatten auch versucht und damals verschiedentlichen Nutzen aus der Methode gezogen. Indessen bin ich doch bald zu der durch den Tasterzirkel controllirten freien Modellirung übergegangen, bei welcher übrigens in jedem Falle gewisse Hauptprofile als Ausgangspunkt des Modellaufbaues genommen worden sind. Durch die jetzige vollkommenere Schnitttechnik und durch Born's Einführung von Wachstafeln gegebener Dicke hat die synthetische Modellirmethode an Vorzügen jedenfalls sehr gewonnen. Ich habe nach Born's Angaben einige Modelle herzustellen gesucht, möchte aber nach meinen Erfahrungen doch hervorheben, dass Born zu weit geht, wenn er glaubt, seine Methode müsse auch in den Händen Ungeübter sichere Resultate geben. Born unterschätzt, wie dies gewandten Künstlern oft geschieht, die eigene Geschicklichkeit und Erfahrung. Die Schwierigkeit liegt bei der BoRN'schen Methode darin, dass ein Nachmodelliren der aufeinandergeschichteten Wachstafeln nicht zu vermeiden ist. Sowie man aber an dem weichen Materiale modellirt, verlieren die ausgeschnittenen Scheiben ihre Bedeutung als maassgebende Originalien, und man muss eben wieder auf Zirkelmessungen und auf die übrigen Hülfsmittel der freien Modellirung zurückgreifen. Ein zuverlässigeres Material liefert in der Hinsicht die Holzpappe, die man im Handel in jeder gewünschten Dicke beziehen und mittels der Laubsäge beliebig fein ausschneiden kann. Aus diesem Material bestehen z. B. die schönen geologischen Modelle, welche auf Prof. Heim's Anregung von verschiedenen seiner Schüler hergestellt und durch die Firma J. Wurster & Cie. in Zürich in den Handel gebracht sind. Solche Pappmodelle von embryonalen Organen habe ich mir auch herzustellen versucht, und ich habe ihnen keinen anderen Vorwurf zu machen, als dass das Aussägen der Scheiben sehr zeitraubend ist. Dem kann allenfalls durch Zuhülfenahme eines Technikers abgeholfen werden.


C Einleitung.

In Betreff der Abbildungen habe ich mich zwei völlig verschiedenartigen Anforderungen gegenübergestellt gesehen : einestheils verlangen die zarten Formen des embryonalen Leibes eine Wiedergabe von möglichst vollendeter künstlerischer Ausführung, anderntheils aber besteht das Bedürfniss nach recht zahlreichen und wissenschaftlich übersichtlichen Figuren. Absolut genommen schliessen sich die beiden Forderungen nicht aus, aber in der Praxis stösst ihre Vereinigung auf viele Schwierigkeiten. Ich habe mir dadurch zu helfen gesucht, dass ich den Doppelweg von Tafeln und von Textfiguren eingeschlagen habe. Für die Tafeln IX, X, XIII, XIV habe ich meine älteren Zeichnungen unzerlegter Embryonen durch einen sehr sorgfältigen Künstler Herrn PaUkSch umzeichnen lassen, und indem dabei die Präparate, oder wofern diese nicht mehr vorhanden waren, deren Photographien auf das gewissenhafteste und unter eingehender Discussion jeder Einzelheit benutzt worden sind, dürfen die Umzeichnungen den Werth selbständiger und dabei sehr verbesserter Originalien beanspruchen. Herr Pausch hat dann unter meinen Augen die Zeichnungen auf den Stein übertragen und ich hoffe, dass die Tafeln nunmehr auch strengen Anforderungen genügen werden. Je mehr man sich übrigens in diese Dinge hineinarbeitet, um so strenger werden die Anforderungen, und so habe ich von den schon im Jahre 1881 lithographirten Tafeln die eine (die nunmehrige Tafel XII) zur Hälfte, eine andere ganz wegschleifen lassen, ebenso haben mich die Unvollkommenheiten meiner älteren Tafel I veranlasst, diese frisch lithographiren zu lassen.

Was die Textfiguren betrifft, so machen die wenigsten derselben künstlerische Ansprüche, und man wird unschwer erkennen, dass ich mancherlei Versuche gemacht habe, die geeignetsten Wege der Reproduction ausfindig zu machen, indem sich im vorliegenden Hefte mit einigen Holzschnitten Zinkographien von verschiedenster Form und Ausführungsweise vereinigt finden.

Der königlich sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften habe ich an dieser Stelle besonderen Dank dafür auszusprechen, dass sie mir die Anstellung des Herrn Pausch während einer längeren Frist bewilligt hat.


Benutztes Material.


Meine ersten systematisch durchgeführten mikrotomischen Zerlegungen ganzer menschlicher Embryonen datiren ungefähr bis zum Jahre 1876 zurück. Die Kunst, ganze Embryonen zu mikrotomiren, war nun aber zu jener Zeit noch nicht entfernt auf der Stufe, die sie in den letzteren Jahren erreicht hat. Meine älteren Eeihen sind zum Theil auf 0.25 oder ü.2, zum Theil auf 0.1 mm Schnittdicke angelegt. Letzteres Maass hatte ich insbesondere als Norm für die im ersten Hefte behandelten Embryonen angenommen. Seitdem bin ich zu den ALTMANN'schen Mikrotomirmethoden und mit deren Hülfe zu Schnittdicken von 0.025 und 0.02 mm übergegangen. Noch weiter herunter zu gehen ist für anatomische Zwecke vorläufig kaum von Nutzen. Der durch die feineren Schnitte gewonnene Vortheil liegt nicht allein auf Seiten des viel ergiebigeren histologischen Studiums der Schnitte, sondern auch darin, dass dabei eine viel präcisere topographische Reconstruction möglich wird. Dabei muss allerdings für den Vortheil ein sehr schwerer Nachtheil in den Kauf genommen werden. Bei der jetzigen Methode der Paraffinimprägnation schrumpfen nämlich die Embryonen um wenigstens 10 — 15Proc. ihrer verschiedenen Durchmesser ein und man kann daher nicht mehr, wie bei den älteren Methoden, die absoluten Maasse der Keconstructionsbilder mit denen des intacten Embryo in Uebereinstimmung bringen. Glücklicherweise scheint die Zasammenziehung der mit Paraffin dm-chtränkten Präparate eine ziemlich gleichmässige zu sein, denn die Schnitte pflegen keinerlei Verschiebungen zu zeigen, welche man auf Rechnung einer ungleichmassigen Schrumpfung setzen könnte. Auch habe ich gefunden.


8 Benutztes Material.

dass Constructionsbilder, welche auf das Maass der directen Zeichnungen zurückvergrössert worden sind, mit diesen sich meistens in erfreulicher Uebereinstimmung befunden haben.

In Betreff der günstigsten Schnittrichtung ist es kaum möglich, beim gleichen Embryo allen Wünschen gerecht zu werden. Bei manchen meiner Präparate habe ich Kopf und Rumpf nach verschiedenen Eichtungen zerlegt, es hat dies unter Umständen gewisse Vortheile besonders bei Embryonen, deren Kopf in Wiederaufrichtung begriffen ist. Am zweckmässigsten wird in solchen Fällen der Eumpf von unten herauf senkrecht zu seiner Längsaxe geschnitten ; ist man an der Kopfgrenze angelangt, wird das Object im Mikrotom in die für den Kopf gewünschte Schnittrichtung gedreht. Dabei giebt die Trennungsfläche eine sehr präcise Reconstructionsbasis für den Kopf, die oft um so erwünschter ist, als die äussere Gehirncontour nicht immer einen für die Messung brauchbaren Ausgangspunkt liefert.

Ich gebe unten eine tabellarische Aufzählung der von mir mikrotomirten Embryonen und verweise in Betreff ihrer äusseren Gestaltung auf das zweite Heft und auf die Erklärung der Tafeln IX, X, XIII und XI Y. Die fett gedruckten Nummern habe ich constructiv durchgearbeitet. Von den Censuren vorzüglich und gut in


Tabelle der mikrotomirten normalen Embryonen.


Bezeichnung


•=• Länge des 1 Embryo


Schnittrichturg


Schnittdicke in mm


u

am <


II


Sonstige Bemerkungen



Jün(


jere Stad


lien vor Eintritt der Nackenbeuge.


LXVIII (Lg)


2.15


quer


0.02


150


vorzüglich



C (Rf)



s


0.02


80


=



V (L)


2.4


=


0.066


34


gut


incl. Stiel


IV iM)


2.6


=


0.1 u. 0.066


24


=



LYI (BB)


3.2


'


0.02


190


=



LYII (Lr)


4.2


=


0.025


200



incl. Stiel


Benutztes Material.


Bezeichnung


in mm


Schnittrichtung


Schnittdicke in mm


<


CO

-3 =*


Sonstige Bemerkungen



Embryonen nach Eintritt der Nackenbeuge.




Embryonen von 4—6 mm. |


• . (BI)


4.25


quer


0.02


245


vorzüglich



ni (ec)


4


Ä


0.1


27


=



LVII (R)


5


=


0.05 u. 0.025


192


=


Kopf getrennt


(^Y)


5


frontal


0.02


75



Kopf allein




Embryonen von 7—8 mm.


LXI (Eck 1)

I(B)


7

7


quer


0.025 0.1


146 59


gut vorzüglich


unt. Ende nicht geschnitten


II (A)


7.5


'


0.1


116


"


Kopf getrennt




Embryonen von 8—11 mm.


LXII (Eck 2)


8.5


quer


0.025


272




XVII {&)


8.5


=


0.1


74


gut



XXXIX (Bge)


9


sagittal


0.3


28




(Pr)


10


quer


0.02


370


gut





Embryonen von 11 — 13 mm.


XXIX (BrI)


11


quer


0.1


58


hat im Einguss durch zu starke Schrumpf, gelitten


LXXIV (Rg)


11.5


'


0.025


360


gut



XXXV (S 1)


12.5



0.1


126


^



XIX ix)


12.8


frontal


0.2


50


s:



(A)



quere


0.2


80


Kopf fehlt



m



sagittal


0.25


12


weich



(i)



=


0.25


36


'





Embryonen von 13—15 mm.


XLV (Br2)


13.6


quer


0.2


39


vorzüglich



XLVI(gch2)


13.8


'


0.02


762


"


Kopf separat




Embryonen von 15—22 mm.


XXXVI (S 2)


15


quer


0.2


50


gut



XX (ß)


17


=


0.2


60


=



(Lhs)


17


frontal


0.025


386


vorzüglich


Kopf allein


XXV iQ)


16.5


sagittal


0.3


7


weich



. . (Zw)



quer


0.02


730


vorzüglich



XVI (g)


22


SS


0.2


155


s:



10 Benutztes Material.

der 6. Colonne besagt die erstere, dass die Schnitte für histologisches Detail sehr günstig waren, während die mit gut bezeichneten Präparate den Bedingungen einer anatomischen Verwerthung genügt haben. Zuerst leidet bei ungenügender Conservirung jeweilen das Centralnervensystem ; das Gehirn und das Rückenmark werden faltig und mehr oder weniger unregelmässig verzerrt. Solche Präparate können für die übrigen Organe noch völlig brauchbar sein. Unter Umständen ist es sogar möglich, die allgemeine Form des Gehirns trotz faltiger Beschaffenheit seiner Wandungen mit genügender Sicherheit zu reconstruiren.

Ich habe gesucht, jedem einzelnen Stück möglichst viel anatomisches Detail abzugewinnen, allein es ist klar, dass nicht an jedem Stück Alles erreichbar sein kann, und dass sich die auf gleicher Stufe stehenden theilweise ergänzen müssen. Besonders günstig hat es sich gefügt, dass mir seit Erscheinen des ersten Heftes mehrere sehr junge Embryonen übergeben worden sind (Lg, Rf, BB, Lr, R, Bl und Pr). Sie haben mir erlaubt, die früher gewonnenen Grundlagen erheblich zu erweitern und theilweise auch zu verbessern. Auf einige in den älteren Tafeln enthaltene (insbesondere den Embryo M betreffende) Fehler werde ich an geeigneten Stellen des Textes zurückkommen.

Einige etwas weiche Stücke (d, i und q) habe ich behufs der Skelettbearbeitung sagittal geschnitten, im Uebrigen aber fast ausschliesslich auf Querschnitte mich beschränkt. Die Reihen mikrotomirter pathologischer Formen, sowie einige unvollkommene Schnittreihen sind von der umstehenden Tabelle ausgeschlossen worden.

Obige Tabelle enthält von neuen, in Heft II S. 7—10 noch nicht aufgeführten Embryonen nur die Nummern Rf, Bl, Pr, Lhs und Zw. Hiervon ist Rf auf Taf. IX Fig. 4 abgebildet. Das Präparat war verletzt, als es in meine Hände kam; ich verdanke dasselbe der Gefälligkeit von Herrn Dr. Rolf, damals Assistenzarzt an der hiesigen gynäkologischen Klinik. Der Embryo Bl ist mir durch Herrn Dr. V. SuRY aus Basel zugesandt worden; er war stark zusammengekrümmt, ähnlich Embryo «, aber etwas grösser als dieser. Embryo Pr, Taf. XIII Fig. 4 abgebildet, stammt aus dem Uterus einer Suicidirten; den Embryo Lhs hat mir Herr Dr. Lohse dahier (siehe Tafelerklärung) übergeben und Embryo Zw gehört einem Paar sehr


Benutztes Material. 11

wohlconservirter Zwillinge an, über deren Grösse und Gestaltverhältnisse Fig. 24 von Taf. X Aufschluss giebt.i)


1) Seitdem ich Obiges geschrieben habe, hat H. Fol die constructive Bearbeitung eines menschlichen Embryo von 5.6 mm Nackenlänge veröffentlicht (Revue mMicale de la Suisse Romande 15. April 1884 und Recueil zool. Suisse Bd. I. p. 357). Fol's Embryo entspricht in Grösse und Form meinem Embryo R, in Betreff dessen ich auf Tafel XII und XIII verweise. Fol hält mir vyiederholte Standreden über die Unzweckmässigkeit meiner dicken Schnitte, indessen hätte er aus meinen im Jahre 1881 erschienenen Mittheilungen zur Embryologie (Archiv f. Anat. u. Physiol., anat. Abth. 1881. S. 421) entnehmen können, dass ich seit dem Erscheinen meines ersten Heftes gleichfalls mit der Technik fortgeschritten und zur Führung feinerer Schnitte gelangt war und mit Hülfe solcher Constructionen vorgenommen hatte. Uebrigens sind dicke Schnitte nicht unbedingt zu verwerfen, denn sie ergeben oft Gesammtanschauungen von Organbeziehungen, welche die aus dünnen Schnitten gewonnenen Constructionsbilder in erwünschter Weise ergänzen.


Allgemeine Gliederung des Eingeweiderohres.


Den Zugang zum Eingeweiderohr bildet die als ectodermaler Blindsack angelegte Mundbucht. Durch das frülizeitige Schwinden der dünnen Eachenhaut öflFnet sich die Mundbucht in das eigentliche, vom Endoderm ausgekleidete Eingeweiderohr, und für die spätere Betrachtung erscheint eine Trennung um so weniger durchführbar, als weder eine anatomische noch eine histologische Spur die durchgreifenden Grenzhnien beider Bildungen bezeichnet.')

Seit Remak pflegt man das Eingeweiderohr in Vorder d arm, M i 1 1 e 1 d a r m und H i n t e r d a r m zu gliedern. -) Die Unterscheidung


1) Die Arcus palatoglossi, welche man als Grenze der Mundbucht herbeizuziehen versucht hat, stehen, wie dies später noch ausgeführt werden soll, in keinerlei Beziehung zu den Grenzen des primitiven Mundbuchtgebietes.

2) Die oben genannten Ausdrücke sind nicht immer in gleichem Sinn gebraucht worden. Die Bezeichnung „Vord erdarm" hatte Remak etwas enger gefasst, als jetzt üblich ist, da er seine „Kopfdarmhöhle" in „Schlundhöhle und Vorderdarm" trennte. Jene umfasst das Gebiet der Schlundbogen bez. das spätere Pharynxgebiet, dieser erstreckt sich über Oesophagus und Magen bis ins Duodenum (Unters, über Entwickl. d. Wirbelth. S. 19 u. 49).

KöLLiKER gliedert in „Munddarm, Mitteldarm und Afterdarm", den Mitteldarm wiederum in „Vorderdarm, Mitteldarm im engeren Sinne und in Enddarm". Zum „Vorderdarm" rechnet Kölliker nur Pharynx und Oesophagus, zum „Mitteldarm" Magen, Dünn- und Dickdarm, zum „Enddarm" das Rectum. Mund- und Afterdarm sollen ectodermale Auskleidung besitzen und ersterer bis zu den Arcus palatoglossi reichen (Entwickelungsgesch. 2. Aufl. S. SlO und Grundriss. 2. Aufl. S. 341).

Für Remak war bei der Unterscheidung der drei Hauptabschnitte deren ursprüngliches Verhältniss zu den beiden Darrapforten maassgebend gewesen, wogegen Kölliker Rücksicht auf das Vorhandensein eines Gekröses und einer besonderen umgebenden Höhle genommen hat. Den RsMAK'schen Gesichtspunkt halte ich, erabryologisch betrachtet, für durchgreifender.


Allgemeine Gliederung des Eingeweiderohres.


13


basirt auf dem Gegensatz der bereits gescblossenen Köhrenstücke zu dem noch offenen Theil, und sie ist für die jüngeren Stufen völlig zweckmässig. Bei der fortschreitenden Verschiebung der beiden Darmpforten ändert sich indessen das Verhältniss der drei Abschnitte zu einander, für das fortgeschrittenere Kohr sind die Bezeichnungen

von unerheblichem Werth und sie werden besser durch die bleibenden Namen ersetzt. Will man indessen auch da noch den Vorderdarm vom Mitteldarm trennen, so halte ich Eemak's Auffassung für die berechtigte, wonach Pankreas und Leberanlage dem Vorderdarm zugetheilt werden. Eine bestimmte Grenze des ^' Hinterdarms ist schwer zu bezeichnen. ^„

Um die fortschreitende Gliederung des Eingeweiderohres übersichtlich darzustellen, gebe ich zunächst einige Profilbilder, bei welchen die Röhrenwand vernachlässigt und nur die Röhrenlichtung dargestellt ist. Eig. 1 ist dem jüngsten von mir mikrotomirten menschlichen Embryo Lg entnommen.') Es tritt hier der Gegensatz der drei primitiven Abtheilungen noch in voller Schärfe hervor, indem



Fig. 1.

Eingeweiderohr des Embryo Lg, 40 fach vergrössert. Die

punktirten Stricbe bezeichnen die mediane Nahtlinie.

Mb Mandbucht, F Fornix, Dpf vordere Darmpforte,

Lb Leberanlage , Nb Nabelblase , Md Mitteldarm,

Bs Bursa, All Allantoisgang.


1) Man vergleiehe auch Taf. IX Fig. 6 u. 7.


14 Allgemeine Gliederung des Eingeweiderohres.

der Vorder- und der Hinterdarm als ventralvvärts geschlossene Röhren sich darstellen, während der Mitteldarm in seiner ganzen Länge mit den Nabelblase communicirt. Dieser erscheint demnach nach Wegnahme der Nabelblase als eine offene Rinne; Vorder- und Hinterdarm erstrecken sich als blind endigende Gänge in das Kopfund in das Beckenende des Körpers hinein.

Der weitaus grössere Theil des endodermalen Eingeweiderohres beginnt bekanntlich mit rinnenförmiger Anlage und schliesst sich weiterhin durch eine mediane Naht vom allgemeinen Endodermsack, bez. von der Nabelblase ab. Hiervon abweichend ist die Bildungsweise von dem obersten Ende des Kopfdarmes und vom Beckendarm. Diese beiden blind auslaufenden Stücke des Rohres sind bei der Umlegung der vorderen und der hinteren Keimfalte als taschenförmige Ausbauchungen des Endodermraumes entstanden und besitzen an ihrer ventralen Wand keine Nahtlinie. Der Vorderdarm besteht demnach aus zwei genetisch verschiedenen Abschnitten, einem kurzen oberen und einem langen unteren. Der obere, den wir als Eornix bezeichnen können, entbehrt der Sutur und er liegt innerhalb des frei überragenden Vorderkopfes, bez. in dessen Gesichtstheil. Der untere, median verlöthete Abschnitt dagegen zieht sich hinter dem Herzen herab, durch den Bereich des Hinterkopfes bis in den Halstheil des Rumpfes hinein, i)

Der dem Beckenende angehörige Blindsack, die Cloake oder Bursa pelvis ist nicht unerheblich länger als der Fornix. Während aber der letztere ein geschlossener Endabschnitt des von der Nabelblase sich abtrennenden Endodermrohres ist, gilt von der Bursa nicht dasselbe. Aus dem ventralen Ende derselben entwickelt sich eine enge Fortsetzung des Rohres und geht als Allantoisgang in den Bauchstiel über, innerhalb dessen sie sich auf eine längere Strecke über das eigentliche Körperende hinaus fortsetzt.

Auch der Allantoisgang ist durch Abschnürung aus dem allgemeinen Endodermsack entstanden und hat sich an seiner ventralen Seite durch eine mediane Naht geschlossen. Seiner Bildung nach muss er als die Fortsetzung des S-förmig gebogenen Eingeweiderohres aufgefasst werden, und das wirkliche Ende des letzteren liegt


1) Man vergleiche „Unsere Körperform" S. 20ff., sowie die Fig. 16 u. 23.


Allgemeine Gliederung des Eingeweider obres. 15

demnach niclit im Körper, sondern ausserhalb desselben im Bauchstiel. Allerdings werden wir später constatiren, dass der Bauchstiel seiner morphologischen Bedeutung nach gleichfalls als eine Fortsetzung des Körpers sich erweist und dass er, nach ähnlichen Principien wie der Eumpf, zu einem compacten Gebilde sich schliesst. •)

Die Rachenhaut ist bei Embryo Lg noch vorhanden und erstreckt sich von der Wölbung des TJnterkieferfortsatzes aus zur Decke des Mundrachenraumes. Von den beiden spitz auslaufenden Buchten, zwischen welche sie sich hier eindrängt, wird die vordere zur RATHKE'schen Tasche , die hintere zur SEESSEL'schen Nebentasche.

Im unteren, der Darmpforte zugewendeten Theil des Vorderdarmes markirt eine aus der Seitenwand hervortretende Leiste die erste und unvollkommene Scheidung vom Respirations- und vom Digestionstractus. Weit selbständiger prägt sich schon jetzt die Leberanlage aus; sie besteht aus einem hohlen Gang und aus einer diesem aufgesetzten compacten Zellenanhäufung. Der Gang zweigt sich vor der vorderen Darmpforte und unterhalb des Herzens ab und steigt von da aus steil zur compacten Anlage empor. Die unmittelbar über der Darmpforte liegende Strecke des Vorderdarmes entspricht der späteren Magenanlage.

Die Gliederung des Vorderdarmes zeigt sich schon bei Embryo BB (Fig. 2) erheblich weiter fortgeschritten. Die Mundbucht öffnet sich nunmehr frei in das endodermale Eingeweiderohr. Als Rest der früheren Rachenhaut findet sich nur noch ein zwischen die Rathkesche Tasche und die SEESSEL'sche Nebentasche eingeschobener Vorsprung. In der Seitenwand des Rohres bilden die Schlundbögen eine Reihenfolge von selbständig hervortretenden Wülsten. Die Leiste, welche den vorderen respiratorischen vom hinteren digestiven Röhrenabschnitt scheidet, nimmt ihren Anfang unterhalb der dritten Schlundfurche. In diese Gegend haben wir somit die Stelle des späteren Kehlkopfeinganges zu verlegen. Das untere Ende der respiratorischen Furche bildet als Lungenanlage einen kurzen nach vorn gerichteten Blindsack, und liegt dicht hinter dem unteren Ende des Vorhofes, in dessen Gekröse theilweise sich hineindrängend. Die nun folgende Strecke des Eingeweiderohres bleibt in sagittaler Rich


1) Zu vergleichen das Capitel „Bauchstiel und Nabelstrang"


16


Allgemeine Gliederung des Eingeweiderohres.


timg imgetbeilt und ist daher relativ weit, sie wird zur Magenaulage. Im Uebrigeu hat sich die geschlossene Strecke des Vorderdarmes verlängert, und die Ahgangsstelle des Leberganges ist theilweise schon in das Rohr mit einbezogen. Auch am Hinterdarm hat

die geschlossene Strecke an Ausdehnung zugenommen: die Bursa ist von bemerkenswerther Länge, ihr blindes Ende ist steil nach unten, die Abgangsstelle des Allantoisganges gerade





Fig. 2.

Darm vom Embryo BB. Vergrösserung 40.

liT BATHKE'ache Tasche , ST SEESSEL'sche Tasche, t//i Unterkiefer, A' Kehlkopfeingang, Lg l.unge, Mg Magen, JV6 Nabelblase, B liursa pelv., W WoLFr'scher Gang, AH AUantoisgang.


Fig. 3.

Eing^weiderohr von Lr. Vergrösserung 30.

Ch Chorda dorsalis, ük Unterkiefer, St Steiss spitze des Körpers. Uebrige Bezeichnungen

wie oben.


nach vorn gerichtet. Etwa in der halben Höhe der Bursa münden jederseits die WoLFF'schen Gänge in den ventralen Theil ihrer Seitenwand ein.

Aehnliche Verhältnisse wie für BB ergiebt die Construction auch


Allgemeine Gliederung des Eingeweiderohres.


17


für Lr, nur ist hier der Schluss des RohrSs noch weiter fortgeschritten und der Beckentheil hat bereits begonnen, sich aufzurichten. Die nun folgenden Stufen von «, Bl und E, zeigen den Embryo stark zusammengekrümmt und demnach auch sein Eingeweiderohr so gebogen, dass der Fornix nach abwärts, die Bursa nach oben gekehrt erscheint. Der Mitteldarm geht rasch seinem Schluss entgegen und es erhält sich als offene Strecke nur noch die dünne Abgangsstelle des Darmstieles (Duct. omphalo-entericus).



Fig. 4.

Eingeweiderohr von R. Vergröss.20. Äd Schilddrüse, Zg Zunge, Ep Epiglottis, P Pankreas, Ds Darmstiel, übrige Bezeichnungen wie oben.


Fig. 5.

Eingeweiderohr von B. Vergrösserung 15.

(Das Pankreas an dieser Figur ist aus der

Nachbarfigur interpolirt.)


In dieser Periode der Entwickelung legt sich auch die Zunge an und mit deren Bildung erfährt der Mundrachentheil des Vorderdarmes eine erhebliche Verengerung. Unter der Zungenanlage liegt die mittlere Schilddrüsenanlage, als eine anfangs noch offene G-rube, die sich dann weiterhin (Fig. 5) vom Mundraüm abschliesst.

Hinter der Zungenanlage folgt diejenige der Epiglottis und auf diese der Kehlkopfeingang sowie Trachea und Lungenanlage. Die Trennung des Respirationsrohres schreitet von unten

His, Menschl. Embryonen. III. 2


18


Allgemeine Gliederung des Eingeweiderohres.


nacli oben hin fort. %uf der Grenze von Hals und von Kopftheil macht der Trennungsvorgang Halt und es bleibt hier eine Communicationslücke als Kehlkopfeingang übrig.

Während der Oesophagus von der Lungenanlage und Trachea sich trennt, tritt auch die obere Magengrenze schärfer hervor, die untere dagegen hebt sich infolge der allmählichen Verjüngung des Kohres weniger deutlich ab. Das Duodenum charakterisirt sich vor allem durch die Abgangsstelle des Leberganges und des Pankreas. Auch macht dasselbe eine dorsalwärts gerichtete Ausbiegung, welche durch alle späteren Stadien hindurch constant wiederkehrt. Ohne scharfe Grenze geht das Duodenum in die lange, ventralwärts ausgebogene Strecke des Mesenterialdarmes über, von deren Scheitel der Darmdottergang abgeht.

Die Bursa erstreckt sich durch das ganze emporgehobene Beckenstück des Körpers und sie erscheint von beträchtlicher Länge. Der Allantoisgang verlässt dieselbe fast senkrecht über der Darmeinmündung und verläuft dann eine Strecke weit parallel mit dem Darm in die Höhe, bevor er sich abbiegt und in den Bauchstiel eintritt. Die beiden Urnierengänge erreichen die Seitenwand der Bursa etwa im ersten Drittel ihrer Länge; vor denselben ist jederseits ein kurzer Blindsack erkennbar, die erste Anlage der Nieren.

Die Abgliederung neuer Organe vom Eingeweiderohr findet von nun ab einen vorläufigen Abschluss und die Veränderungen der nächstfolgenden Stufen beziehen sich auf ein stärkeres Hervortreten einzelner



Fig. 6.

Eingeweiderohr vom Embryo Pr.


Vergrösserung 15.


Allgemeine Gliederung des Eingeweiderohres.


19


Abtheilungen und auf theilweise TJmlagerungen derselben. Das Mundrachen- und das Kelilkopfgebiet auf später versparend, bemerken wir zunächst die zunehmende Entwickelung der Lungenanlage. Schon von früh ab biegt sich das untere gespaltene Ende des Eespirationsrohres dorsalwärts um und es umgreift weiterhin die Speiseröhre von beiden Seiten her. Bald wächst dies Ende in getrennte Sprossen aus, die dann weiterhin neue, secundäre Seitensprossen treiben. Dabei kann man feststellen, dass der Verzweigungsunterschied, welcher zwischen den Bronchien der rechten und der linken Lunge besteht,


RH



Fig. 7.

Eingeweiderohr Tom Embryo Sl. Vergröss. 12, Cc Coecum, Sg Sexualglied.


Fig. 8. Eingeweiderohr vom Embryo Seh. Vergröss. 10.


schon in einer sehr frühen Anlage vorgebildet erscheint. Im Laufe der fünften Entwickelungswoche schreitet die Grliederung des Eohres rasch voran, wie die Eiguren 7 und 8 zeigen.

Bemerkenswerth erscheint bei Vergleichung der Figuren 4 — 8 die zunehmende Längenentwickelung von Trachea und von Oesophagus.

2*


20 Allgemeine Gliederung des Eingeweiderohres.

Bei Fig. 4 ist die Länge des letzteren ungefähr gleich der Magenlänge, bei Fig. 7 und 8 beträgt sie etwa das Dreifache der letzteren. Mit der relativ so bedeutenden Verlängerung des Oesophagus combinirt sich ein Herabsteigen des Magens. Bei Fig. 4 und 5 steht sein unteres Ende noch hoch über der Abgangsstelle des Darmstieles, bei Fig. 7 hat es sich letzterem bereits genähert und bei Fig. 8 ist es fast bis zu dessen Niveau herabgetreten. Der Fundus senkt sich dabei verhältnissmässig mehr als der Pylorustheil , wodurch die ursprünglich steile Magenstellung immer mehr zu einer schrägen sich umgestaltet. Immerhin tritt auch die Pylorushälfte des Magens so weit herab, dass sie theilweise unter den Anfang des Duodenum zu stehen kommt, und so zeigen die Figuren 7 und 8, dass das untere Magenende mit einem aufwärts gekrümmten Bogen in das Duodenum übergeht und das Pankreas jetzt hinter dem Magen sich befindet.

Gleich unterhalb der Einmündungssteile von Lebergang und Pankreas beginnt die Schleife des Mesenterialdarmes. Die Basis dieser Schleife wird mit Herabrücken des Magens immer kürzer, ihre Längenausdehnung immer grösser. Schon von Pr (Fig. 6) ab beginnt der Schleifenscheitel den eigentlichen Bauchraum zu verlassen, um in die Höhle des Nabelstranges hervorzutreten, und während der nachfolgenden Perioden nimmt das den Körper verlassende Darmstück an Länge immer mehr zu. Dabei zeigt die Darmschleife von der Zeit des Heraustretens an eine Torsion, ihr unterer Schenkel kreuzt den oberen und legt sich auf dessen linke Seite.

Das ursprüngliche Motiv für das Hervortreten des Mesenterialdarmes ist unzweifelhaft in dessen Verbindung mit der Nabelblase zu suchen. Schon ehe der Mitteldarm geschlossen ist, macht sich die Zugwirkung in einer ventralwärts gerichteten Ausbiegung seiner Axe bemerkbar, und nach erfolgtem Schluss spricht für die Andauer des Zuges der Umstand, dass der Darmstiel, so lange er überhaupt vorhanden ist, vom Ende der durch den Nabel hervortretenden Schleife abgeht. Uebrigens bildet sich der Darmstiel als eigentlicher Ductus frühzeitig zurück. Bei Embryo Seh und, so weit ich aus den etwas ungünstigen Schnitten erschliessen kann, schon bei S 1 besteht kein vom Darm abgehendes Epithelrohr mehr, nur im Nabelstrang finden sich noch Beste eines solchen. Die Con


Allgemeine Gliederung des Eingeweiderohres. 21

tinuität der Nabelblase mit dem Darm wird nun blos noch durch die Yasa omphalo-mesenterica erhalten und diese bilden den Faden, der bei makroskopischer Präparation als Ductus omphalo-entericus gedeutet zu werden pflegt. — Je mehr der Darm aus der Nabelöffnung hervortritt, um so schmaler wird die Basis der Schleife und um so länger natürlich sein Gekröse.

Das Gebiet des Mesenterialdarmes ist auf den frühen Fötalstufen der Entwickelung ein weit ausgiebigeres als später. Gleich unterhalb des Pankreas beginnend,, erstreckt sich dasselbe bis weit in den Dickdarm herab. Das Coecum, das ich von der Stufe von S 1 ab aufzufinden vermag, liegt in einem weit vorgeschobenen Theil der Darmschlinge und ausserhalb der eigentlichen Leibeshöhle im Nabelstrang. Zu der Zeit reicht der Mesenterialdarm vom unteren Ende der Pars descendens duodeni ab bis zur späteren Flex. coli sinistra, er umfasst also ausser Jejunum und Ileum einerseits noch die Pars inferior duodeni, andererseits das Colon ascendens und transversum. •)


1) Das Hervortreten des Colons in den Nabelstrang ist eine, seit den Arbeiten J. Fr. Meckel's wohl bekannte Thatsache. Die Vorgänge secundärer Verlöthung, welche unter Anderem auch zur definitiven Festheftung des Colon ascendens führen, sind neuerdings besonders sorgfältig von Toldt studirt worden in seiner Arbeit über Bau und Wachsthumsveränderungen der Gekröse des menschlichen Darmkanals (Wien 1879). In einem einzelnen Punkte befinde ich mich mit letzterem Autor in Differenz, insofern als Toldt (1. c. S. 9) den Anfang der Mesenterialdarmschleife in die spätere Flexura duodenojejunalis verlegt, ich aber an die Grenze der Pars descendens duodeni. Zu meiner Auffassung bestimmt mich einestheils die directe Beobachtung des embryonalen Darmes, denn diese ergiebt, dass bei den Embryonen der fünften bis sechsten Woche die Schleife in der rechten Körperhälfte fast senkrecht unterhalb der Einmündungssteile des Pankreas ihren Anfang nimmt (Fig. 13 und 14). Anderntheils aber stütze ich mich auf den Befund an einer Leiche, bei welcher schon die Pars inferior duodeni mit einem Gekröse ausgestatte gewesen ist. Die von einem circa 12 jährigen Knaben stammende Leiche, an welcher die primären Gekrösverhältnisse grossentheils sich erhalten haben, hat nämlich folgenden Befund gezeigt: die Pars descendens duodeni ist in gewöhnlicher Weise der hinteren Bauchwand angeheftet, dann aber geht sie rechts vom dritten Lendenwirbel und medialwärts vom unteren Ende der rechten Niere in ein freies mit Gekröse versehenes Darmstück über, das ohne weitere Grenzen in das Jejunum sich fortsetzt. Die Strecke der Wirbelsäule (bez. der grossen Gefässstämme), die sonst von der Pars inferior duodeni überschritten wird, ist vom Bauchfell glatt überzogen und ebenso bildet dieses einen ununterbrochenen Ueberzug vor der gesammten unterhalb der rechten


22 Allgemeine Gliederung des Eingeweiderohres.

Am Beckenende des Eingeweiderohres scheidet sich die anfangs so mächtig angelegte Bursa mit zunehmender Entwickelung immer mehr in ein hinteres und ein vorderes Eohr, bez. in das Rectum und in den Urogenitalschlauch. Bei Fig. 7 ist das Gebiet der Bursa schon sehr kurz geworden, bei Eig. 8 ist es kaum noch andeutungsweise vorhanden. Die WoLFF'schen Gänge und die Merenanlage bleiben nach vollzogener Trennung der Bursa mit deren vorderem Schenkel in Verbindung. Frühzeitig zeigt der Allantoisgang in seinem Anfangstheil eine Ausweitung als erste Anlage einer Harnblase. Die Merenanlage wächst hinter dem WoLPF'schen Gang ziemlich rasch in die Höhe und zeigt bald eine Spaltung zunächst in zwei und weiterhin in mehrere Endsprossen. Bemerkenswerth ist noch der Umstand, dass zwischen dem Ende der Bursa und der Steissspitze des Körpers ein Einschnitt entsteht, der anfangs nicht vorhanden gewesen war. Im Grunde dieses Einschnittes bildet sich die Afteröffnung aus (An. Fig. 8),

Zur Ergänzung der eben gegebenen Uebersicht lasse ich noch einige Frontalprojectionen folgen. Bei deren Beurtheilung ist zu beachten, dass einzelne Strecken des Rohres wegen der Krümmung des Körpers verkürzt sein werden. Je nach der Schnittrichtung aber und der Lage der Theile vertheilt sich bei den verschiedenen Constructionen die Verkürzung verschieden und für die Abschätzung der relativen Längen der einzelnen Abschnitte dürfen die gegebenen Ansichten nur sehr behutsam und unter Zuhülfenahme der Profilprojectionen benützt werden.

Die Betrachtung des Kopfdarmes für später versparend, halte


Niere liegenden Bauchwand. Es ist nämlich das Colon ascendens völlig frei und es besitzt ein Gekröse, das eine Länge bis zu 16cm erreicht. Die Wurzel des Mesocolon ascendens liegt in der Mittellinie vor dem unteren Rande des zweiten Lendenwirbels. In eben dieser Gegend läuft auch das Mesenterium des Dünndarms aus, dessen Wurzelgebiet somit, gegenüber dem normalen Yerhältniss, sehr zusammengedrängt erscheint. Das Colon descendens ist, wie gewöhnlich, der hinteren Bauchwand angeheftet und das Ende des Mesocolon liegt vor der Flexura coli sinistra. Das S romanum, anstatt frei in den Beckenraum herabzuhängen, ist über dem linken Darmbein dadurch festgehalten, dass es eine Strecke weit mit dem Colon descendens verlöthet ist. Yon Bauchfelltaschen findet sich die Bursa ileocoecalis wohl entwickelt und ausserdem eine kleine, rechts von der Wirbelsäule liegende Bursa duodenalis.


Allgemeine Gliederung des Eingeweiderolires.


23


ich mich zunächst nur an den Eumpftheil des Eingeweiderohres. Schon in einer sehr frühen Zeit, noch ehe das Eohr von der Nabelblase sich abgeschnürt hat, biegt


sich dessen Axe abwechselnd nach links und nach rechts von der Medianfläche des Körpers.

50 zeigt der unterhalb der Lungenanlage hervortretende Magen schon bei Embryo BB, noch deutlicher aber bei dem Fig. 9 dargestellten Embryo Lr, eine Axenwendung nach links, während der Mitteldarm eine merkliche Ausweichung nach rechts beschreibt. Letztere ist bedingt durch die rechtsseitige Stellung der Nabelblase, und in gleicher Weise tritt der Allantoisgang in den rechts vom Körper austretenden Bauchstiel.

Dieselbe Ausbiegung der Magenanlage nach links und der Mitteldarmanlage nach rechts kehrt auch auf nachfolgenden Stufen vrieder; ziemlich rein äussert sie sich noch bei Embryo Bl (Fig. 10), allein es ist unschwer, dieselbe auch bei Pr (Fig. 11), bei Eg (Fig. 12), bei

51 (Fig. 13) und selbst bei Seh (Fig. 14) wiederzufinden, denn noch bei letzterer Figur fällt weitaus der grössere Theil des Magens auf die linke, der grössere Theil aber des Darmes auf die rechte Seite von der Mittellinie. Während nun ab er bei jüngeren Embryonen, wie z. B. noch bei Bl,

1) Man vergleiche Briefe über unsere Körperform. S. 78.



Fig. 9.

Frontalprojection vom Embryo Lr. Vergröss. 36. Ok Oberkiefer, OE.v obere, UEx untere Extromität, Bs Bauchstiel. Uebrige Bezeicbnangen ■wie oben. •


24


Allgemeine Gliederung des Eingeweiderohres.



Z&$r.


Fig. 10.

Eingeweiderohr Tom Embryo Bl. Vergr. 30.


JJA


Fig. 11.

Desgl. vom Embryo Pr. Vergr. 15.



Fig. 12.

Desgl. vom Embryo Rg. Vergr. 12.



Fig. 13.

Eingeweiderohr vom Embryo S 1. Yergr. 10.


Fig. 14.

Desgl. vom Embryo Seh 2. Vergr. 10. Cl Colon, Gb Gallenblase. Uebrige Bezeichnungen wie oben.


Allgemeine Gliederung des Eingeweiderohres. 25

der gesammte Magen in die linke Körperhälfte fällt, ändert sich dies mit fortschreitender Entwickelung. An der oben schon berührten Senkung des Magens nimmt das Pylorusende geringeren Antheil als der Fundus, mit Bezug auf letzteren erfährt es daher eine relative Hebung und dabei verschiebt es sich gleichzeitig nach rechts herüber (Fig. 12, 13u. 14). Zwei Einknickungen, die hierbei das Eohr erfährt, sind die Bedingungen zur Bildung der Antra pylorica (mediale und laterale).

Nachdem der Magen in seine Schrägstellung eingerückt ist, kommt das Duodenum nach hinten und rechts von dessen Pylorusende zu liegen. Es setzt sich mit seinem absteigenden Theil direct in die Nabelschleife des Mesenterialdarms fort, deren anfangs einfacher Bogen bis in den dritten Monat hinein an Verwickelung immer mehr zunimmt.


Der Mundrachenraum und seine Zugänge.


Allgemeine Crestaltung,

Das Eingeweiderolir des Kopfes umfasst das Gesammtgebiet der späteren Mund- und Pharjnxliöhle nebst dem oberen Kehlkopfabschnitt bis in die Höhe des Ringknorpels. Es ist von Anfang ab eine breit angelegte Spalte, sein Querdurcbmesser verjüngt sieb von oben nach abwärts, erst nur massig, dann aber beim Anschluss an den Eumpfdarm sehr rasch. Der letztere ist absolut enger als der Kopfdarm, und während bei diesem der grösste Durchmesser quer gerichtet ist, verläuft er bei jenem sagittal. (Man vgl. Taf. Xu Lg, Schnitt 40—98 für den Kopfdarm, 106 u. f. für den Eumpfdarm und Taf. XI BB, Schnitt 4.3-6.8 für den Kopfdarm, 6.1 u. f. für den Eumpfdarm.) Die flache Grundform des Mundrachenraumes und dessen trichterförmige Verjüngung beim Uebergang in Speiserohr und Trachea sind somit schon in der frühesten Anlage vorgebildet.

Die Eückwand des Mundrachenraumes liegt vor der ventralen Gehirnfläche und vor den beiden Aortae descendentes. Yor den letzteren erhebt sie sich zu zwei niedrigen Längsleisten, die wir als die hinteren Aorten leisten bezeichnen können. Dazwischen findet sich anfangs (bei Lg) eine einfache Furche, späterhin (bei BB u. f.) eine mediane Längsleiste. Die Vorderwand des Mundrachenraumes ist der Parietalhöhle zugekehrt, an ihr inseriren sich der Aortenbulbus und das Gekröse des Herzvorhofes. Die niedrige Seitenwand dagegen sieht frei nach aussen und sie zeigt die Gliederung in schräggestellte, durch Furchen von einander getrennte Wülste, die Schlundbogen. Bei Lg sind deren zwei, bez. drei, von der Stufe von BB ab aber vier unterscheidbar.


Der Mundraclienraum und seine Zugänge; allgemeine Gestaltung. 21



Fig. 15.

Frontalconstruction des Mundraclienraumes von Rf. Vergr, 50. Man sieht im Durclisclinitt den Unterkiefer, nebst dem 2. und 3. ScMundbogen, sowie die Aortenbogen l und 2.


Fig. 16.

Frontalconstruction der Mundraclienhöhle vom Embryo E. Vergr. 30. Dieselbe zeigt unterhalb des frontal getroffenen Oberkiefers die Schlundbogen 2—4, sowie die Durchschnitte der Aortenbogen 3 — 5.



Fig. 17.

Frontalconstruction des Mundrachenraum.es Ton Bl, Vergr. 30. Das Bild zeigt die Aortenbogen 2 — 5, und es lässt die Medialwärtsschiebung der unteren Schlundbogenwülste erkennen.


Fig. IS.

Desgleichen vom Embryo Eg. Vergr. 12. Der Oberkiefer ist perspectivisch , der Unterkiefer im Durchschnitt zu sehen.


28 Der Mundrachenraum und seine Zugänge; allgemeine Gestaltung.

In ihrer reinsten Entvvickelung zeigen sich die Schlundbogen bei Embryonen vom 3— 4 mm NL., kurz vor und unmittelbar nach Entwickelung der Nackenkrümmung. Die die Wülste trennenden Furchen sind, innen, wie aussen, tief eingesetzt und von ungleicher Länge, am längsten die erste, am kürzesten die vierte. Zwischen der Seitenwand und der Eückwand des Mundrachenraumes verläuft eine Längsfurche, in welcher die inneren Schlundspalten schräg auslaufen ; die Schlundwülste jedoch besitzen einen mehr oder minder ausgesprochenen Anschluss an die hintere Aortenleiste, indem die Grenzfurche da abgestumpft ist, wo die Aortenbogen in das absteigende Sammelgefäss übergehen.

Wenn einmal vier Bogenpaare unterscheidbar sind, so bilden diese, im Frontalschnitt gesehen, zwei nach abwärts convergirende Eeihen. Die vierten Bogen stehen sich näher als die dritten und diese näher als die zweiten, wogegen der zweite Bogen unter dem ersten kaum zurücksteht. Dies Verhältniss, schon bei Embryo BB erkennbar, wird in der Folge immer ausgeprägter. Dazu kommt, dass die Bogen später auch hinsichtlich ihrer Mächtigkeit differiren, indem der vierte schwächer ist als der dritte, dieser schwächer als der zweite.

Die Verbindung zwischen je zwei Bogen wird durch eine Verschlussplatte gebildet, welche an ihren dünnsten Stellen nur aus zwei Epithellagen besteht. An dieser Platte begegnen sich im Allgemeinen die äussere und die innere Furche. Unterhalb des vierten Bogens aber besteht nur eine unvollkommene Correspondenz zwischen äusserer und innerer Furche, jene bildet einen nur niedrigen Einschnitt, diese dagegen eine relativ grosse blind auslaufende Bucht, welche jederseits neben dem Kehlkopfeingang liegt.

Schon von der vierten Entwickelungswoche ab beginnen die Schlundbogen sich gegen einander zu verschieben. Aehnlich den Zügen eines Fernrohres rücken sie in der Weise über einander, dass, von aussen gesehen, der vierte Bogen zuerst vom dritten und dieser weiterhin vom zweiten umgriffen und zugedeckt wird, wogegen an der inneren, dem Bachen zugewendeten Fläche der vierte Bogen sich über den dritten, der dritte über den zweiten lagert. Demgemäss ist die relative Länge des Mundrachenraumes bei den vorgerückteren Embryonen geringer, als bei den jüngeren; bei Rg


Der Mundrachenraum und seine Zugänge; allgemeine Gestaltung. 29

z. B. sehr viel geringer als bei R oder bei BB. Vom zweiten Bogen ab bis zum Keblkopfeingang erfährt die Höhle eine treppenförmig abgesetzte Verjüngung. Auf den Stufen von BB und selbst noch bei E sind die einzelnen Absätze gleich der Höhe eines ganzen Schlundbogens nebst der zugehörigen Verschlussplatte, bei den nachfolgenden Stufen wird die Höhe der Treppenabsätze immer geringer. Das Gebiet der Schlundbogen und Schlundfurchen gehört der Parietalzone des Hinterkopfes an und zwar dessen medialer Strecke, welche die Fortsetzung der WoLFP'schen Leiste bildet. Die beiden Blätter der Mesodermschicht , welche weiterhin die Parietalhöhle zwischen sich fassen, sind hier noch ungeschieden, und es legt sich der betreffende Substanzstreif, „das Wurzelstück der Parietalplatte" i), wie ich ihn an anderem Orte genannt habe, um den Seitenrand der Schlundhöhle herum und erfährt da die Segmentirung in einzelne Streifen (man vergl. z. B. Taf. XII Lg, Fig. 56—72). Sowie das Eingeweiderohr den Hinterkopf verlässt, wird es von der seitlichen Körperoberfläche durch einen breiten Abstand getrennt und bald schiebt sich zwischen beide die trennende Spalte der Leibeshöhle ein.


1) Vergl. ArcMv f. Anat. u. Physiol., anat. Abth. 1881. S. 305.


Der primitire Mund.


Bei jüngeren Embryonen ist der Mundeingang ein weites fünfeckiges Loch, nach oben vom Stirnwulst, seitlich von den Oberkieferfortsätzen, nach unten von den vereinigten Unterkieferbogen begrenzt. (Taf. IX Eig. 4, 12 und 13.) Alle die genannten Bildungen springen convex gegen die Lichtung vor, und diese läuft demnach in fünf Binnen aus, von denen vier paarig sind, die fünfte unpaar. Es

schneidet nämlich das oberste Binnenpaar jederseits zwischen Oberkiefer und Stirnwulst ein, als sogenannte Augennasenrinne; das zweite Paar dagegen, zwischen Ober- und Unterkiefer, bezeichnet den Ort der späteren Mundwinkel, die fünfte, unpaare Einne trennt die beiden Unterkieferhälften von einander.

Das Gebiet der definitiven Mundspalte ist weit niedriger, als das der primitiven Oefihung. Es entspricht annähernd einer Bogenlinie, die von dem einen Mundwinkel quer zum anderen herüber geführt wird. Ueber dieser Linie liegt am primitiven Mundloch ein viereckiger, darunter ein dreieckiger Baum, welche beide in der Der obere Baum, zwischen den Oberkiefern liegend, füllt sich durch den in ihn hereinwachsenden mittleren Stirnfortsatz aus, der untere Baum aber dadurch, dass (von der fünften Woche ab) die Eurche zwischen den beiden Unterkieferhälften sich ausgleicht.

Die Mundöffinung führt zunächst in einen Baum, welcher unter der Vorderhirnbasis und über der oberen Fläche des Unterkiefer


Fig. 19.

Vorderansicht Tom Embryo Lg. Const. Vergr. 40.


Folge ausgefüllt werden.


Der primitive Mund. 31

bogens gelegen ist, daran schliesst sich in nahezu rechtem "Winkel der Theil der Mundrachenhöhle an, welcher vor dem Hinterhirn und hinter dem Aortenbulbus des Herzens liegt und welcher beiderseits von den Schlundbogen eingefasst ist. (Taf. IX, Fig. 6 — 10). Bei Embryo Lg schiebt sich zwischen beide Abtheilungen des Mundrachenraumes die sogenannte Rachenhaut ein, welche, von der Wölbung des Unterkieferbogens ausgehend, schräg nach hinten und oben sich erstreckt und im Winkel zwischen der RATHKE'schen und der SEESSEL'schen Tasche sich inserirt. Nachdem die Rachenhaut geschwunden ist, bezeichnet ein die beiden genannten Taschen trennender Yorsprung die frühere Insertionslinie (Fig. 8, 9, 10 und 13 von Taf. IX und Fig. 1—3 S. 13 und 16).

Man pflegt nun den vor der Rachenhaut liegenden, ectodermal ausgekleideten Raum, die sogenannte Mundbucht, als die Anlage der späteren Mundhöhle zu betrachten, den dahinter hegenden endodermal angelegten Yorderdarm dagegen als Anlage des Pharynx. Diese Darstellung kann, wie ich dies schon im ersten Hefte') auseinandergesetzt habe, unmöglich richtig sein, denn die Zunge bildet sich hinter dem durch die Rachenhaut begrenzten Gebiete. Die Arcus palatoglossi aber, von denen man angenommen hat, dass sie der Gegend der früheren Rachenhaut entsprechen, gehen, wie wir nachher zeigen werden, aus dem zweiten Schlundbogenpaar hervor. An der Bildung des späteren Mundhöhlenbodens betheiligt sich nicht nur der der Mundbucht zugewendete Theil des Unterkiefers, sondern auch dessen nach dem Yorderdarm zugekehrte Rückseite, sowie das Zwischengebiet der zweiten Schlundbogen. Andrerseits aber rückt die der primitiven Mundbucht entstammende RATHKE'sche Tasche in das Pharynxgebiet und es ergiebt sich hieraus, dass die Abgrenzung von Mund- und Rachenhöhle mit der Rachenhaut nicht in Beziehung gesetzt werden darf. Die Gaumenbildung tritt, wije dies später gezeigt werden soll, als secundärer Yorgang auf, zu einer Zeit, wo die primäre Mundbuchtscheidung längst verwischt ist.

Behufs klarer Uebersicht der bezüglichen Yerhältnisse verweise ich auf das S. 32 folgende Mundraumprofil vom Embryo Seh. Hier ist der Eingang zur RATHKE'schen Tasche noch offen. Denkt man sich von da aus zur IJnterkieferwölbung eine Linie gezogen, so entspricht

1) S. 52.


32


Der primitive Mund.


der vor und über dieser Linie liegende Eaum dem Gebiete der früberen Mundbucbt. Die Zunge aber fällt hinter und unter diese Linie. Die Trennungslinie des Mundraumes vom Bachen ist durch die Gaumenleiste bezeichnet, welche an der Eigur zwischen Unterkiefer und Zunge frei sichtbar und durch eine ausgezogene Linie bezeichnet ist; weiter nach abwärts ist die Linie punktirt, da hier die Leiste von der Zunge verdeckt ist. Es kreuzt sich die Gaumenhnie mit der Rachenhautlinie unter einem spitzen Winkel und es ergiebt sich, dass von der Mundhöhle nur der Vorraum und die Decke in das frühere Mundbuchtgebiet fallen und dass aus letzterem auch noch der Nasenrachengang und ein Theil der Pharynxdecke mit entstehen. Die Nasenhöhle hat mit dem Mundraum ursprünglich keine Gemeinschaft, da sie aus den nach aussen hin offenen Nasengruben sich entwickelt.

Es ist zu beachten, dass selbst in dieser verhältnissmässig weit vorgerückten Entwickelimgsperiode die Spitze der Zunge nach oben, der Eücken schräg nach rückwärts gekehrt ist. Flg. 20. Dabei reicht die Zunge noch eine gute

Medianer Constructionssclmitt der Mund- -, r-,

raciieniioMe vom Embryo Seh. Vergr. 18. Strecke Über dcu Gaumenbcreich herauf,

Uk Unterkiefer, Zg Zunge, ÄrRATHiiE' sche Tasche, ö Gaumenieiste, iVA Nasen- ia sio ragt Ms beinahe iu die Höhe

bohle, Z Zwischenkiefer. "^ °

des Augapfels. Beim Zusammenschieben der beiden Gaumenfortsätze muss die Zunge aus ihrer hohen Stelle herabgedrängt werden, wobei auch der Unterkiefer sich senken wird. Die dem Schädel des Neugeborenen zukommenden Eigenthümlichkeiten, die Niedrigkeit des Gesichtes und das Hervortreten der Stirn,, sind beim sehr jungen Fötus dadurch gesteigert, dass zu der Zeit der Gaumen noch offen ist und die Zunge bis zur nächstfolgenden Grenzwand, d. h. bis zur Schädelbasis heraufreicht.



Der primitire Graumen, die Bildung der äusseren Nase, der Oberlippe, des Zwisclienkiefers und der Vorgebilde des definitiven

Oaumens.

Der zwischen beiden Oberkiefern liegende obere Theil der primitiven Mundöffnung wird bei weiter fortschreitender Entwickelung von den drei Stirnfortsätzen ausgefüllt, welche ihrerseits die beiden Nasenhöhlen zwischen sich fassen. Letztere treten in Verbindung mit dem Mundrachenraum, während die Stirnfortsätze mit dem Oberkiefer verwachsen. Die Nasenhöhlen entstehen, in später zu beschreibender Weise, aus den flachen Nasengruben und sie nehmen dabei die Form zweier Spalten an, die mit einem schrägen Schlitz nach vorn und nach unten hin sich öffnen. Unter einer jeden dieser Spalten bildet sich, vermöge einer directen Verbindung des mittleren Stirnfortsatzes mit dem Oberkieferfortsatz, eine Querbrücke und es haben nun dieselben je zwei getrennte Oeffnungen, das nach vorn gekehrte äussere Nasenloch und die nach abwärts sehende primitive Choane. Die Brücke, welche sich durch Verbindung des mittleren Stirnfortsatzes mit den beiden Oberkiefern gebildet hat, und welche die Mundspalte von oben her begrenzt, bezeichnen wir nach Duks y als primitiven Graumen. i) Dieser umf asst die Anlage der Oberlippe und der unmittelbar dahinter liegenden Theile. Zum definitiven Gaumen ergänzt er sich in der Folge durch das Auftreten und die Vereinigung der Processus palatini der Oberkiefer.

Der die beiden Nasengruben von einander trennende mittlere Stirnfortsatz hat, von vorn her gesehen, die Gestalt eines breiten Substanzstreifens mit gewulsteten Seitenrändern und eingesunkenem Mittelstück (Tafel XIV Figur 6.). Jeder von den beiden Seitenwülsten erscheint als die Fortsetzung eines gewölbten Bogens


1) DüBSY, Entwickelung des Kopfes S. 146.

Eis, Menschl. Embryonen. III.


34 Der primitive Gaumen.

welcher am seitlichen Stirnfortsatz (als späterer Nasenflügel) beginnt, und die Nasenöffnung von oben her umgreift. Der Bogen läuft in einen kugeligen Vorsprung aus, den ich als Processus globularis bezeichnen will. ') Die beiden Processus globulares biegen sich etwas zur Seite und verengen von unten her den Zugang zur Nasenspalte.

Das eingesunkene Mittelstück des Stirnfortsatzes, die Area infranasalis, ist erheblich niedriger, als die beiden Fortsätze, sein unterer Saum bildet darnach einen von diesen überragten concaven Ausschnitt. Ueber der Area infranasahs und höher noch als die beiden Nasenöffnungen liegt ein breites dreieckiges Peld, das nach oben hin bis zu den Hemisphären heraufreicht, nach abwärts durch einen, die beiden Nasenbogen verbindenden Querwulst begrenzt wird. Es mag die Area tri angularis heissen.

Auf der in Pig. 6 dargestellten Stufe ist der primitive Gaumen noch nicht geschlossen, eine breite, zur Nasenöffnung emporsteigende Purche trennt den Processus globularis von dem am meisten vorgetriebenen Ende des Oberkieferfortsatzes. Der seitliche Stirnfortsatz ruht mit seinem unteren Ende auf dem Oberkiefer, von dem er noch durch eine quere Spalte getrennt erscheint. Pig. 7 zeigt die Dinge schon um einen Schritt weiter: die Nasenöffnung ist wesentlich verengt, der Oberkieferfortsatz jederseits an den Processus globularis herangeschoben. Der Querwulst der Nase treibt sich als vorspringende Kante, Nasenkante, unter der Area triangularis hervor und charakterisirt sich bereits deutlich als Gebiet der zukünftigen Nasenspitze, während die Area triangularis selbst den Nasenrücken zu bilden bestimmt ist. Unterhalb der Nasenkante tritt die Area infranasalis schräg zurück und läuft, über der Mundöffnung mit einer Querlinie aus, von welcher die Processus globulares in fast rechtem Winkel sich absetzen (man vergl. auch Pig. 23, S. 38).


1) Es ist dies der „innere Nasenfortsatz" von Köllikek. Da der Fortsatz mit der Nasenbildung Nichts zu thun hat, ist letztere Bezeichnung irreführend, eher dürfte man von einem „Lippen- oder Zwischenkieferfortsatz" reden ; ich habe dem im Text gebrauchten Namen als einem unverfänglichen den Vorzug gegeben.


Der primitive Gaumen.


35



Fig. 21.


Die Nase, in ihrer Umgrenzung deutlich erkennbar, ist noch einmal so breit als hoch, und die Nasenlöcher stehen weit auseinander. Nachdem der primitive Gaumen sich geschlossen hat, ändert sich dies Verhältniss, die Nase wird schmäler und, indem der mittlere Stirnfortsatz seitlich comprimirt wird, geht der absolute Abstand beider Nasenlöcher binnen 1 V2 bis 2 Wochen bis auf zwei Drittel, ja bis auf die Hälfte seines früheren Maasses herab. Die Darstellung dieses Verhaltens findet sich in den Eig. 7, 8, 9 von Taf. XIV, die alle bei derselben Vergrösserung gezeichnet sind. Laut den Messungen beträgt der Abstand beider Nasenlöcher von einander: bei dem. ca. 5 Wochen alten Embryo Fig. 22.

CT-r /-TT a\ i n V> ■ Durclischnitte durch den primitiven Gaumen vom Embryo Scli.

li i-Clg. DJ ]./ mm; Oei Der mittlere Stirnfortsatz ist punktirt, der Oberkieferf. lie 1 jf TiT 1 ij. -n gend schraffirt. Bei dem etwas liöher liegenden Schnitt 21

dem 7 W OChen alten Jljm- erkennt man hinter dem Oberkiefer den vom Schnitt ge_ , -_,. , troffenen Thränengang. Vergr. 18.

bryo Lhs (Fig. 7) 1.2 mm;

bei dem noch etwas weiter entvdckelten Embryo ti (Eig. 8) 0.8 mm.

Durchschnitte durch den eben gebildeten primitiven Gaumen zeigen den mittleren Stirnfortsatz als eine im Zickzack gebrochene Platte, wie dies die obenstehenden Eiguren 21 und 22 zu erläutern vermögen.

In meinen Briefen über die Körperform i) habe ich seiner Zeit



1) S. 204 u. f.


36 Der primitive Gaumen.

gezeigt, dass der mittlere Stirnfortsatz auch beim Vogelembrjo erheblich zusammengeschoben und verschmälert wird und dass seine Umbildung schliesslich zur Hervortreibung der Schnabelspitze führt. Derselbe Grundvorgang bedingt beim menschlichen Embryo die Hervortreibung der Nase, zugleich aber leitet sich dadurch der mediane Schluss der Oberlippe und der Schluss des Zwischenkiefers ein.i)

Das Mittelstück der Lippen und der Zwischenkiefer entstehen durch Vereinigung der be iden Processus gl obulares. Diese treten unterhalb der Area infranasalis zusammen und verwachsen mit einander in der Mittellinie. Die Area wird, sowohl von der Lippenbegrenzung als von der Gaumenfläche abgedrängt und nimmt an deren Bildung keinen Antheil. Ihr unterster Abschnitt wird vollständig überdeckt und in die Tiefe geschoben, was von ihrem oberen Theil frei bleibt, erhält sich als untere Fläche des Septum narium und als Philtrum. An dem in Fig. 9 Taf. XIV abgebildeten Kopf sind die beiden Proc. globulares in der Mittellinie eben zusammengetroffen; ihre Grenze wird durch eine Furche bezeichnet, die nach oben hin gegen das Philtrum, nach abwärts gegen die Mundöffnung sich ausweitet.

Der an der Oberlippe zwischen beiden Proc. globulares vorhandene Einschnitt persistirt bei manchen Säugethieren (besonders auffällig bei den Nagern); beim Menschen bleibt er nicht bestehen. Hier zeigt die Oberlippe bekanntlich einen medianen zäpfchenartigen Vorsprung, der sich beim Spitzen des Mundes besonders scharf hervorwölbt. Diese Bildung, die man als Uvula labialis bezeichnen könnte, tritt schon ziemlich früh auf und zwar in Verbindung mit


1) Die Bedingungen für die Zusammendrängung der mittleren Gesichtstheile sind beim Vogel- und beim Säugethierkopf nicht ganz dieselben. Bei jenem bilden die mäcbtigen Augäpfel, bei diesem die hervorwachsenden Oberkieferfortsätze das Hauptmotiv der Gesichtsumbildung. Der von den Augäpfeln ausgehende Druck wirkt am Vogelkopf in transversalem, bez. in schräg von hinten her gerichtetem Sinn; der mittlere Stirnfortsatz weicht nach vorn und abwärts aus, sein unterer Saum wird als ^ Schnabelspitze am weitesten vorgeschoben und die Nasenlöcher werden schliesslich nach oben gerichtet. — Die Einwirkung der Oberkieferfortsätze dagegen beim Säugethierembryo macht sich schräg von unten her geltend. Der am meisten vorgedrängte Theil des mittleren Stirnfortsatzes ist nicht dessen unterer Saum, sondern eine hochliegende Strecke desselben, die Nasenkante, und indem diese steil emporgestülpt wird, behalten die Nasenlöcher ihre Richtung nach vorn.


Der primitive Gaumen. 37

dem rothen Lippenrande. Beim Fötus aus der Mitte des dritten Monats (41/2 — 5 cm S. S. 1.) steigt, von der Innenfläche der Lippen ausgehend, ein wulstiger Saum hinter dem früheren Lippenrand herab. Dieser Saum, der rothe Lippensaum, bleibt durch eine ausgeprägte Grenzfurche vom primären Rande getrennt und, indem er den Einschnitt des letzteren ausfüllt, zeigt er in der Mitte seine grösste Höhe und schärft sich nach beiden Seiten hin zu, mit sanftem Schwung in die Innenfläche der Lippe zurückbiegend.

Der Schluss des primären Gaumens geht demjenigen der Oberlippe voraus. Fig. 7 Taf. XIY zeigt den Oberkieferfortsatz mit dem mittleren und seitlichen Stirnfortsatz bereits verbunden, dagegen sind die beiden Processus globulares noch durch einen ziemlich breiten Zwischenraum getrennt. In besonders deutlicher Weise zeigt diese Figur die schüsseiförmige Vertiefung der Area infranasalis.

Eine nothwendige Ergänzung zu den äusseren Ansichten des Lippen- und Kiefergebietes bilden die vom Mundraum her gewonnenen. Um solche zu erhalten, habe ich bei einer Anzahl von Embryonen den Kopf, von den Mundwinkeln aus nach rückwärts, mit scharfem Skalpell gespalten und die obere Hälfte von der unteren abgehoben.

Die dem Mundraum zugekehrte Oberfläche des mittleren Stimfortsatzes zeigt vor Schluss des primitiven Gaumens eine Dreigliederung ähnlich wie die Vorderfläche. Vom Rand der Area infranasalis aus erstreckt sich eine mediane, anfangs ziemlich breite Furche nach rückwärts, die an der Rachendecke flach ausläuft. Der vordere Eingang zur Furche wird von den beiden Processus globulares begrenzt und diese setzen sich weiterhin in zwei rundliche Leisten fort, die ich als Laminae nasales bezeichnen will. Sie bilden die mediale Wand für das hintere Ende der Nasenfurche. Leicht divergirend treten sie zur Rachendecke und endigen unter rascher Höhenabnahme vor dem vorderen Ende des Oberkieferfortsatzes (Fig. 23).

Schräg von hinten und aussen her treten an den mittleren Stirnfortsatz die beiden Oberkieferfortsätze heran. Die Grundgestalt derselben ist die eines stumpfen Keiles und an jedem der beiden Fortsätze besteht eine ziemlich ausgesprochene Scheidung zwischen dem Wangen- und dem Mundhöhlentheil. Jener überragt diesen mit einem


■38


Der primitive Gaumen.


gerundeten Wulst, dem Lippenwulst und umgreift ihn in einer winkelig gebroclienen Linie. Das vordere Ende des Wangentheiles kommt als kugeliger Vorsprung neben den Processus globularis zu liegen und bildet so die laterale Wand der Nasenfurcbe. Der Mundhöhlentheil des Oberkiefers endet neben der Lamina nasalis mit einer gleichfalls gerundeten Ecke und er begrenzt das hintere Ende der Nasenfurche. Eine schräge Kante an seiner nach innen sehenden Oberfläche trennt eine medialwärts und eine dem Mundboden zugewendete Facette von einander.

Nachdem der primitive Gaumen geschlossen ist, rücken die beiden Processus und zugleich die vorderen Enden der Laminae na



Fig. 23. Decke des primitiven Mundraumes vom Embryo CIL Vergr. 12.


Fig. 24.

Decke der Mundhöhle nach ScWuss des primitiven Gaumens. Vergr. lü.


sales zusammen bis zur schliesslichen Begegnung. Die trennende Spalte wird immer enger und tiefer, bis sie sich dann endlich ausfüllt und nur noch eine seichte Oberflächenfurche hinterlässt. Die divergirenden Enden der beiden Laminae bilden jederseits einen das .hintere Nasenloch umgreifenden Bogen. Der verschmelzende Theil derselben wird in der Folge zum hinteren Rand des Septum narium. An der Bildung des Zwischenkiefers ist derselbe nicht betheiligt, dieser bildet sich ausschliesslich aus den Processus globulares. An der unteren Fläche der letzteren entsteht eine frontale Furche, die erst nur schwach angedeutet ist, dann aber an Tiefe zunimmt und die nun den Lippentheil des Wulstes vom Kiefertheil trennt. Etwas später (Fig. 26) tritt noch eine weitere Parallelfurche auf, welche den Beginn der Zahnbildung einleitet.


Der primitive Gaumen.


39


Der MundhöMentheil des Oberkiefers oder der innere Kieferwulst, wie wir ihn kürzer nennen können, rückt seinerseits gleichfalls gegen den Processus globularis heran und verschmilzt mit dessen Zwischenkiefertheil. Dabei wird das hintere Nasenloch von dieser Verwachsungsstelle mit überbrückt. Mittlerweile entwickelt sich die früher erwähnte schräge Kante des inneren Kieferwulstes in immer ausgeprägterer Weise. Sie gestaltet sich allmählich zu einer selbständig hervortretenden Leiste, dem Processus palatinus des Oberkiefers. Eine von hinten nach vorn sich zuspitzende dreieckige



Fig. -25.

Ansicht der Mundhöhlendecke nach Verschmelzung der Laminae nasales. Vergr. 10.


Fig. 26.

Mundhöhlendecke mit Anlage der Gaumenfortsätze, Vergr. 10.


Grube scheidet diesen Fortsatz vom Alveolartheil des Kiefers. Je mehr der Fortsatz sich ausbildet, um so mehr rückt die mediale Facette des Kieferwulstes zurück und wird von unten her unsichtbar. Der Kand der beiden Processus palatini verläuft im Allgemeinen schräg nach vorn, indess besteht eine starke Convergenz der Verlaufsrichtung nur für den hinteren Theil ihrer Länge, im vorderen Theil sind die Kanten schwach convergent oder selbst parallel gerichtet. Diese vorderen Strecken sind es, die im Beginn des dritten Monates mit einander und mit den Zwischenkiefern zusammentreffen und so das Graumengewölbe schliessen. Im Kreuz der vier Verbindungsnähte erhält sich als offene Stelle das Foramen incisivum. Aus den unverbunden bleibenden hinteren Strecken der beiderseitigen Gaumenfortsätze gehen die Arcus palatopharyngei hervor.


40 Der primitive Gaumen.

Ich darf diesen Abschnitt kaum schliessen, ohne mit einigen Worten der lebhaften Discussion zu gedenken, die vor Kurzem zwischen P. Albrecht und Th. Kölliker über die Bildung des Zwischenkiefers und über die morphologische Bedeutung der Hasenscharten und verwandten Bildungen entbrannt ist. In seiner sorgfältigen Arbeit über das Os. intermaxillare *) hat Th. Kölliker gezeigt, dass mittelst geeigneter Methoden bei menschlichen Embryonen vom Ende des zweiten Monats der knöcherne Zwischenkiefer isolirt werden kann. Der herkömmlichen Vorstellung entsprechend, erweist sich dieser als eine jederseits einfache Anlage, die dann nach kurzer selbständiger Existenz mit dem knöchernen Oberkiefer verschmilzt. Diese Angaben haben zu einem Conflict mit Albrecht geführt, welcher seinerseits mit grosser Bestimmtheit 2) dafür eingetreten war, dass jederseits zwei Zwischenkiefer sich bilden, ein medialer und ein lateraler, von welchen jeder der Träger von je einem Schneidezahn sein soll. Albrecht ist zunächst durch pathologische Beobachtungen zu seiner Auffassung hingeleitet worden, und es sind für ihn eine Anzahl von Präparaten maassgebend gewesen, in denen, bei vorhandener Kieferspalte, der laterale Band der Spalte innerhalb eines gesonderten Knochenstückes einen Schneidezahn enthalten hat. Die Kieferspalte, so deutet Albrecht seine Beobachtungen, liegt nicht zwischen Zwischenkiefer und Oberkiefer, sondern zwischen dem inneren und dem äusseren Zwischenkiefer. Wofern aber das innere Stück zwei Schneidezähne enthält, ist dies als ein atavistisches Yorkommniss zu deuten , als ein Anklang an hexaprotodonte Vorfahren des Menschen. Zur Bekräftigung seiner Auffassung hat Albrecht seinen pathologischen Beobachtungen noch solche über die Gaumenbildung des Ornitorynchus beigefügt. Auch ist ihm neuerdings durch H. V. Meyer eine bedeutsame Unterstützung zu Theil geworden, indem dieser Forscher, gleich Albrecht, Spuren einer interincisiven Sutur an zahlreichen Kinderschädeln nachzuweisen vermocht hat. 3)


1) Ueber das Os intermaxillare des Menschen und die Anatomie der Hasenscharte und des Wolfsrachens. Halle 1882.

2) Die Hauptschrift Albkecht's ist: Sur les 4 Os maxillaires, le bec de lievre etc. Bruxelles 1883. Zahlreiche frühere und spätere Publicationen Albrecht's finden sich in Jedermanns Händen und bedürfen hier keiner besonderen Aufführung.

3) Der Zwischenkieferknochen und seine Beziehung zur Hasenscharte.


Der primitive Gaumen. 41

Soweit sich nun die eben erwähnte Discussion nur auf die Knochenanlagen bezieht, steht sie meiner Arbeit ziemlich fern, indem diese da aufhört, wo die Knochen anfangen. Allein es ist bei der Discussion auch auf die embryologischen Anlagen zurückgegriffen worden, und Albeecht hat die Behauptung aufgestellt, dass nur der mediale Zwischenkiefer aus dem mittleren, der laterale aber aus dem seitlichen Stimfortsatz entstehe. In Betreff der Oberlippe erklärt Albrecht rundweg, dass sie jederseits aus drei besonderen Lippen hervorgeht, einer inneren Zwischenkieferlippe, einer äusseren Zwischenkieferlippe und einer Oberkieferlippe. Die innere Zwischenkieferlippe bildet sich aus dem inneren, die äussere aus dem äusseren Nasenfortsatz. Beide Fortsätze vereinigen sich unterhalb des Nasenloches direct mit einander, und durch den seitlichen Stimfortsatz bleibt der Oberkieferfortsatz vom mittleren völlig getrennt.') Ueber diese Behauptungen ist natürlicherweise nicht zu discutiren, dieselben stehen mit dem, was man jederzeit gesehen hat und was man noch jederzeit sehen kann, in directem Widerspruch, und sie sind wohl blos erklärbar aus einer absoluten Unkenntniss Albrecht's in embryologischen Dingen. 2) Im TJebrigen möchte ich aber besonders betonen, dass die Reconstruction embryologischer Vorgänge aus osteologischen Beobachtungen ein im Princip unzulässiges Verfahren ist. Die Bildung der Knochenkerne ist ein völlig secundärer Process und es ist zur Zeit sehr discutirbar, ob überhaupt und inwieweit zwischen ihm und der Gliederung der primitiven Anlagen gesetzHche Beziehungen bestehen. —

Was nun die Lippen- und Kieferspalten betrifft, so ist bei der Discussion ihrer Entstehung die embryologische Unterlage bis dahin


Zeitschrift für Chirurgie. H. v. Meter zeigt sich geneigt, auch die embryologischen Folgerungen von Albeecht anzunehmen, immerhin spricht er sich mit der nöthigen Zurückhaltung hierüber aus.

1) Centralblatt für Chirurgie 1884. Nr. 23 Beilage.

2) Albrecht hat noch verschiedene ähnliche Ausflüge aus dem osteologischen in das embryologische Gebiet unternoromen, so hat er in einer seiner Mittheilungen die RATHXE'sche Tasche geleugnet, in einer anderen die Chorda dorsalis bis in die Nasenscheidewand vordringen lassen. Es verfügt Albrecht bei seiner ungewöhnlichen dialectischen Begabung über eine sehr scharfe wissenschaftliche Waffe, aber er wird sich schliesslich überzeugen müssen, dass ihm dieselbe, am falschen Orte angewendet, ins eigene Fleisch hineinschneidet.


42 Der primitive Gaumen.

eine ungenügende gewesen, weil Niemand eine ausreichende Kenntniss von der normalen Bildungsweise der Lippen und der Kiefer besessen hat. Die Thatsache, dass diese Theile eine mediane Verwachsung erfahren, bildet bei der Beurtheilung der vorkommenden Abnormitäten ein neues Moment, dessen Verwerthung zukünftigen Bearbeitern wohl empfohlen sein mag. Offen gestanden erwarte ich indessen auch von der Anwendung des verbesserten Entwickelungsschemas keine endgültige Lösung der obschwebenden Fragen, denn ich glaube, dass eine solche nur aus der Untersuchung embryonaler Missbildungsfälle geschöpft werden kann. Es ist zwar ein weit verbreitetes Bestreben teratologischer Forscher, die -einzelnen, am ausgebildeten Individuum vorkommenden Missbildungen mit Hülfe bestimmter, meistens der thierischen Entwickelungsgeschichte entnommener Schemata erklären zu wollen. Allein dieses Bestreben wird in sehr zahlreichen Fällen nothwendig scheitern müssen, denn, wo einmal in der Natur Abweichungen von der Norm sich finden, da wird der Beginn dieser Abweichungen und das compensatorische Ineinandergreifen derselben aus dem blossen Endergebniss meistens schwer zu entwirren sein.

Bis jetzt sind mir zwei jüngere Fötus mit Wolfsrachenbildung durch die Hände gegangen. Den einen habe ich schon vor 7 oder 8 Jahren mikrotomirt und an ihm ein einseitiges Zurückbleiben der Gaumenplatte des Oberkiefers zu constatiren vermocht (Fig. 27); bei dem zweiten Fall (Fig. 28),. der noch unzerschnitten daliegt, ist der mittlere Stirnfortsatz erheblich verkümmert. Derselbe läuft in einen ungetheilten rundlichen Yorsprung aus, welcher vom Oberkieferfortsatz jederseits durch einen breiten Abstand getrennt erscheint. Dem entsprechend ist auch die Nasenspalte sehr kurz und auf der linken Seite ist sie durch eine zwischen seitlichem und mittlerem Stirnfortsatz entstandene Verwachsungsbrücke zu einem eigentlichen Nasenloch geschlossen. Ohne in eine fernere Analyse des noch näher zu untersuchenden Falles einzutreten, hebe ich zwei Punkte als von allgemeinem Interesse heraus. Erstens die Verkümmerung und die mangelnde Gliederung des mittleren Stirnfortsatzes. Infolge der Kürze des Stirnfortsatzes hat die Mundöffinung noch einen früh embryonalen Charakter beibehalten : über der eigenthchen, die Winkel verbindenden Mundspalte liegt ein viereckiges, von den bei


Der primitive Gaumen.


43



Fig. 27.

Querschnitt durch die Mundhöhlendecke eines ca. 21/2 m

Fötus mit ungleicher Entwickelung der Gaumenfortsätze

des Oberkiefers. Vergr. 7.5.


den Oberkieferfortsätzen begrenztes Loch, gleicb demjenigen, wie wir es etwa bei Lg (S. 23) oder bei BB (Taf. IX Fig. 12) vorgefunden hatten. Dabei zeigt der mittlere Stirnfortsatz keine Processus globulares und keine Area infranasalis, und demnach werden auch alle Speculationen, welche an diese Theile an knüpfen, im vollsten Sinne des Wortes, in der Luft stehen. Zweitens besteht an dem vorliegenden Kopf, als

Ausnahme, jener Schluss des Nasenloches, welchen Albrecht als allgemeine Regel hatte aufstellen wollen, der Schluss durch Verwachsung des seitlichen mit dem mittleren Stimfortsatz. Es zeigt dies, dass bei partiellen Verkümmerungen und Vorbildungen der Anlagen Theile unter sich verwachsen können, die sonst getrennt bleiben und umgekehrt. Wir müssen eben, meines Erachtens, bei derartigen Anlässen darauf

gefasst sein, oftmals völhg unerwarteten Combinationen der Theile zu begegnen und haben uns jedenfalls sehr mit jenen Erklärungen in Acht zu nehmen, die auf blosser Anwendung einer gegebenen Schablone beruhen.

Für ganz besonders bedenklich aber halte ich bei Deutung der Kiefermissbildungen die Hereinziehung atavistischer, an die Zahl der




Fig. 28. Defecte Lippen- und Gaumenhildung bei einem ca. 3 m Fötus. Vergr. 7.5.


44 Der primitive Gaumen.

Zähne anknüpfender Betrachtungen. Die Verwachsung der weichen Primäranlagen geht, bei normaler Entwickelung, der Bildung der Zahn- wie der Knochenanlagen um einige Zeit voraus. Nun entstehen die ersten Zahnanlagen als Wucherungen bez. als Faltungen des Mundhöhlenepithels und es ist der normale Verlauf ihrer Bildung unzweifelhaft an den normalen Ablauf der vorangegangenen Entwickelungsphasen geknüpft. Sind aber die Primäranlagen verkümmert und in ihrer Verwachsung gestört, so sind offenbar auch die Bedingungen für die Entstehung der epithelialen Zahnkeime andere geworden, und wir dürfen uns nicht wundem, wenn in einem solchen Fall die entstehenden Zähne nach Zahl, Anordnung und Grösse von der Norm abweichen.


Das Nasenfeld und die Bildung der Nasenhöhle.


Schon bei sehr jungen Embryonen zeigt der Vorderkopf jederseits vom Stirnwulst eine das spätere Nasenhöhlengebiet umfassende schräge Facette, das Nasenfeld. Wo die äussere Besichtigung über das Vorhandensein und über die Ausdehnungen des Feldes anfangs noch Unklarheiten lässt, da geben die Durchschnitte durchaus deutliche Anschauungen. Es liegt dasselbe vor der Uebergangsstelle des Hemisphärenhirns in die Augenblase und es ist hier die Ectodermplatte frühzeitig verdickt (Lg Taf. Xu, 30 ; BB Taf. XI, 2 und 3 ; «  Taf. Vni, 5—8).

Bei weiterschreitender Entwickelung sinkt der Boden des Nasenfeldes muldenartig ein, während die Eänder sich wulstig emporwölben. Hierdurch tritt das Ganze selbständig aus der Umgebung hervor und zugleich erfährt auch der zwischen beiden Nasenfeldem liegende mittlere Stimfortsatz eine schärfere Umgrenzung. Das deutlichere Hervortreten einer Nase fällt in die Zeit bald nach Eintritt der Nackenkrümmung. Bei Embryo R (Taf. XTTT Fig. 1) besitzt das Nasenfeld eine birnförmige Gestalt und es scheidet sich nunmehr in die jAKOBSON'sche ') und in die eigentliche Nasengrube.

Die JAKOBSON'sche Grube liegt an der Wurzel des Nasengebietes, sie ist ziemlich tief und von einem ringförmigen Wall umgeben; letzterer hängt mit dem Wall der eigentlichen Nasengrube zusammen, und diese liegt als flache Vertiefung neben der Stirnfläche des Kopfes.


1) Das frühe Auftreten der jAKOBSon'schen Grube bei Säugethierembryonen hat DüBSY erkannt. Entwickel. d. Kopfes S. 130.


46


Das Nasenfeld und die Bildung der Nasenhöhle.


Demnächst tritt nun das ganze Nasenfeld durch zunehmende Erhebung der Ränder rüsselartig aus der übrigen Kopfwölbung empor, wobei Boden und Ränder der Riechgrube in eigenthümlicher Weise sich verbiegen. Die dabei entstehende Fläche ist wohl, was die Weichheit ihrer Formen betrifft, am ehesten mit der Innenfläche einer Auster zu vergleichen und es ist schwer, dieselbe in Bild und Wort wiederzugeben. Beifolgende, nach einer Originalphotographie

gemachte Skizze mag die Hauptverhältnisse veranschaulichen, ') Am unteren Ende des Nasengebietes liegt die von einem dicken, fast kreisrunden Wall eingefasste JaKOBSON'sche Grube. Mit der Nasengrube ist dieselbe durch eine sehr seichte Furche verbunden, auch hängt ihr Wall unmittelbar zusammen mit dem Randwulst, welcher um die Nasengrube herumläuft.

Denkt man sich den Randwulst der Nasengrube vom Jakobson'schen Organ getrennt, so bildet derselbe eine Schleife mit einem medialen und einem lateralen Schenkel. Der laterale Schenkel zeigt eine leichte S-Form, d. h. er besitzt eine der Grube zugekehrte untere Einbiegung, auf die weiter oben eine convexe Ausbiegung folgt. Die nachfolgende Entwickelung ergiebt, dass diese Biegungen die Bildung



Fig. 29.

Nase des Embryo A. Vergr. 30. Nach einer

Photographie gezeichnet. JO jAKOBSON'sche

Grube, P. g. Processus globularis.


1) Dasselbe Object habe ich auch schon auf Taf. VII Fig. A4 darzustellen versucht, indessen ist jene Figur noch etwas zu schematisch. Das, was dort mit R (Riechgrube) bezeichnet ist, ist die JAKOBSos'sche Grube. Dieselbe Verwechselung haben vor mir auch andere Beobachter begangen, und es kommt mir in der Hinsicht besonders die Figur 463 von Kölliker's Entwickelungsgeschichte (2. Aufl. S. 768) verdächtig vor, die die Riechgrube als tiefes, von einem ringförmigen WaU umgebenes Löchelchen darstellt. Laut Duesy's Nachweis (1. c. 133) ist auch die von Rathke bei der Natter als Riechgrube beschriebene Grube nur das JAKOBsoN'schen Organ.


Das Nasenfeld und die Bildung der Nasenhöhle. 47

des seitlichen Stirnfortsatzes einleiten. Dieser entsteht nämlich aus dem Substanzstreifen, der vom jAKOBSON'schen Organ aus bis zur oberen Ecke sich erstreckt, und dessen gegen die Grube vorragende Ausbiegung bezeichnet den Ort der späteren Spitze.

Der die Kiechgrube medialwärts umgreifende Schenkel des Eandwulstes zeigt in seiner vorderen Hälfte einen convexen Vorsprung, das Profil des Processus globularis. AVeiter unten folgt eine vor dem JAKOBSON'schen Organe befindliche Einkerbung. Der Boden der Nasengrube ist von einigen Ealtenzügen durchsetzt, in deren Beschreibung ich mich indessen, ohne ein etwas breiteres Beobachtungsmaterial, nicht gern einlassen mag. Am bedeutsamsten scheint mir eine Falte zu sein, welche von der Einkerbung aus schräg nach oben sich erstreckt.

Die lateralwärts offene Nasengrube wandelt sich ziemlich rasch um in die lateralwärts geschlossene Nasenhöhle. Diese Umwandlung hängt mit einer Eeihe sonstiger Vorgänge zusammen, und wir müssen zu deren Verständniss suchen, uns eine etwas allgemeinere Uebersicht zu verschaffen: Bei jüngeren Embryonen liegt das Nasenfeld zum weit überwiegenden Theil im Bereich des Vorderhirns, und dies gilt, wie die Figuren 11 — 14 der Tafel IV zeigen, noch vom Embryo A. Verbindungslinien, durch den hinteren Eand beider Nasenfelder gezogen, schneiden tief ins Gehirn ein, und die durch den vorderen Eand gelegten Linien überragen nur um Weniges das Gehirn (Fig. 28).

Indem nun die Kopfentwickelung fortschreitet, rückt das Nasenfeld mitsammt dem dazwischen liegenden Substanzstreifen mehr und mehr nach vorn und nach abwärts und es verlässt allmählich den Hirnbereich. Beifolgender Durchschnitt des Kopfes von Pr (Fig. 29) zeigt noch etwa die Hälfte, der Schnitt von ^ (Fig. 3ü) nur noch ein Drittel der Nasengrube neben dem Gehirn liegend, und in der Schnittreihe von S 1 (Fig. 31) ist mit wenigen Ausnahmen überall der Grund der Nasenhöhle vor dem Gehirn befindlich.

Je mehr die zwei Nasenfelder nach vom sich verschieben, um so geringer wird auch ihr gegenseitiger Abstand. Bei S 1 z. B. ist der quere Abstand beider Nasengruben absolut geringer, als bei Pr und bei d-. Die gegenseitige Annäherung der beiden Nasengruben geht einher mit einer doppelseitigen Faltenbildung in dem dazwischen liegenden Gebiete des mittleren Stirnfortsatzes. Eine solche Falten


48


Das Nasenfeld und die Bildun;? der Nasenhöhle.



Fig. 30 Querschnitte durch die Nasengruben der Embryonen A, Pr und Q-. Vergr. 7.5.



Fig. 33.

Durchschnitte durch die Nasenhöhlen vom Embryo S 1. Vergr. 12.5. sSt seitl. Stirnfortsatz, Olc Oberkiefer, HMoe hintere Oeffnung in den Mundrachenraum oder primitive Choanen.


bildung findet man in ihren ersten Anfängen schon an den oben citirten Figuren der Taf. IV und dann in zunehmendem Maasse an den Schnitten von Pr, von & und von S 1. Bei der letzteren Reihe zeigt der durch das obere Ende der Nasenfurche gelegte Schnitt a am mittleren Stirnfortsatz eine seichte Medianfurche und zwei niedrige Seitenleisten. Weiter nach abwärts wird die Medianfurche immer tiefer, die beiden Seitenleisten immer höher und steiler, bis sie dann schliesslich am hinteren Ende der Riechgrube rasch abfallen.

Wir sind den eben betrachteten neben der Nasenhöhle herlaufenden und diese medianwärts begrenzenden Leisten im vorigen Abschnitt bereits begegnet, aber wir hatten dort deren verschiedene Strecken mit verschiedenen Namen belegt und sie als Randwulst der Nasenöffnung, als Processus globulares und als Laminae nasales aufgeführt. Alle die genannten Bildungen gehören derselben Sagittalfalte an, die, von der häutigen Hirnkapsel abgehend, einen freien Rand


Das Nasenfeld und die Bildung der Nasenhöhle. 49

der GesicMsfläohe, einen anderen dem Eachenraum zukehrt und an der Grenze beider, als Processus globularis, eine vorspringende Ecke bildet. Die Bezeichnung als Lamina nasalis kann in erweitertem Sinn für die Gesammtleiste Verwendung finden. Jede Lamina nasalis bildet die mediale Wand ihrer Nasengrube, die beiden sind anfangs durch eine breite Furche von einander geschieden, dann aber wird diese enger, die beiden Laminae treten in der Mittellinie zusammen, verschmelzen unter einander, und soweit sie nicht zur Lippen- und zur Zwischenkieferbildung verwendet werden, entwickeln sie sich zum Septum narium. Das Septum entsteht demnach auch seinerseits durch eine mediane Verbindung von zwei ursprünglich getrennten Anlagen.

Die früherhin offenen Nasengruben werden zum Theil durch die umgelegten Ränder der Laminae nasales überlagert. Weit ausgiebiger aber erfolgt ihr Schluss durch eine Hervorschiebung ihres hinteren Randes. In Gestalt eines breiten Lappens legt sieh dieser über die Aussenfläche der Grube und deckt dieselbe zu. Dieser Lappen ist der seitliche Stirnfortsatz, sein wulstiger Rand wird zum Nasenflügel. ' ) Auf der Stufe von {y und von S 1 läuft die Nasenfurche in zwei Rinnen aus, eine mediale, von der Lamina nasalis überlagerte und eine laterale, vom seitlichen Stirnfortsatz bedeckte; letztere ist breiter sowohl, als tiefer denn die erstere (Fig. 33 a u. b). An der Begrenzung des unteren Endes der Nasenfurche betheilt sich der Oberkieferfortsatz. In die mediale Wand wird das JakobsoN'sche Organ mit einbezogen.

Bei den Umlagerungen, welche das Nasenfeld und dessen Derivate erfahren, kommt ausser den veränderten Beziehungen zum Gehirn auch die veränderte Stellung zum Mundrachenraum sehr wesentlich in Betracht. Die primäre Stellung der Nasengrube ist eine ziemlich steile und das untere Ende der Grube liegt jederseits noch ein ganzes Ende vor dem Eingang in die Mundhöhle (Taf. XIII Fig. 1). Würde sich zu der Zeit die Grube ohne Aenderung ihrer Stellung zur Höhle schliessen, so käme die hintere Näsenöffnung


1) Auch hier hat Dursy richtig erkannt, dass sich die Nasengrube durch Hervorschieben ihres hinteren Begrenzungssaumes schliesst. Er spricht von einem „Nachvornwachsen" des Saumes, während es sich nach meiner Auffassung um eine Faltenbildung in der Kopfwand handelt.

His, MenscU. Embryonen, in. 4


50


Das jSTasenfeld und die Bildung der Nasenhöhle.


noch ausserhalb des Mundraumes zu liegen. Die spätere Stellung der Nasenhöhle über der Mundhöhle kann daher nur vermöge einer ausgiebigen Verschiebung der Theile zu Stande kommen. Als Anhaltspunkt zur Vergleichung gebe ich beistehend die Vorderkopfcontouren des Embryo A und des Embryo Br2. Als Einheitsmaass ist bei beiden Figuren der Abstand vom Augenmittelpunkt zur Nasenwurzel gewählt, dabei ergiebt sich ziemliche Uebereinstimmung im Abstand vom Auge zum Unterkiefer und wenig verschiedene Maasse für die Ausdehnung der Nasengrube. Die Vergleichung beider Contouren ergiebt als Fortschritt der vorgerückten Stufe 1. bedeutende Hebung des Stirntheiles des Kopfes, entsprechend der fortgeschrittenen Entwickelung der Hemisphären; 2. Hervortreten eines

Nasenrückens und Bildung eines keilförmigen Zwischenstückes, einer Pars ethmoidalis, zwischen der Gehirnbasis und dem vorderen Ende der Nasenhöhle ; 3. zufolge der unter Nr. 2 erwähnten Veränderungen erfährt das vordere Ende der Nasenhöhle eine Senkung, damit combinirt sich aber eine Hebung des hinteren Endes, derart, dass nun dieses in die Höhe des Augenprofils emporsteigt; 4. ist der anfangs weit oben liegende Processus giobularis herabgerückt ; der aus ihm hervorgehende Zwischenkiefer bildet in grösserer Ausdehnung den Boden der Nasenhöhle. Zugleich aber ist der Processus giobularis durch seine Betheiligung an der Oberhppenbildung Bestandtheil der Mundhöhlendecke geworden. Diese ist demnach um ein gutes Stück weiter nach vorn vorgeschoben denn früher, und auch der Oberkieferfortsatz hat sich durch Verlängerung seines vorderen Endes an der neuen Sachlage betheiligt.

Aus den beistehenden Contourskizzen und noch deutlicher aus dem Profil von Seh Fig. 36 ergiebt sich, dass die primitive Nasengrube nicht nur die Anlage der Pars olfactoria, sondern diejenige



Fig. 34 und 35.

Yorderkopf vom Embryo Br 2 und von A. Die JNasenliöhle ist senkrecht schraffirt.


Das Nasenfekl und die Bildung der Nasenhöhle.


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der ganzen Nasenhöhle umfasst. Sowie der seitliche Schluss der Grube erfolgt ist, zeigt der enstandene Hohlraum im Wesentlichen eine Grundform, die für die Nasenhöhle die bleibende ist. Von der vorderen Oeffnung aus führt ein kurzer Eingangstrichter in eine hohe Spalte, die oben von der Pars ethmoidalis überwölbt ist und in deren Decke der N. olfactorius sich einsenkt. Jenseits von dessen Insertionsstelle nimmt die Höhle rasch an Höhe ab und läuft in einen niedrigen Gang aus, den Nasenrachengang, welcher lateralwärts von den Laminae nasales in den hinteren Nasenlöchern sich öffnet. Dieser Gang führt an einer rechtwinkeligen Ecke der Schädelkapsel vorbei, welche ihrer Lage nach der Kante des späteren Keilbeins entspricht. Wenn danach die Gaumenfortsäze des Oberkiefers in der Mittelebene zusammentreffen, so wird anfangs nur ein unverhältnissmässig kurzer Theil bei Bildung des Nasenbodens Verwendung finden, nur die Strecke nämlich, welche die inneren Nasenlöcher überragt, ^. „„

° Flg. 36.

der grössere Rest geht in Bil- Promconstmction vom Emtryo Sch. Die Zunge ist

nicht mit in der Zeichnung aufgenommen, um

dunfif des Velum nalatinum auf. ^^^ Seltenwand des Mundrachenraumes sichtbar zu

° " machen. iV^.o N.olfact., iV^A Nasenhöhle, B.T'Rath Im weiteren Verlaufe der Ent- ^f ^«tmeÄef p?JtroceIs'3ohuL' m^^^

Wickelung tritt die Nase mehr ""teilafll^n^K^seS^ralf.tze'r'TrÄ""

aus dem Gesicht hervor und

der Mundraum erweitert sich. Dabei wird nun auch die Flächenentwickelung des Gaumens eine andere und der Oberkieferantheil desselben kommt mehr zu seinem Reclite.

Ich komme mit einigen Worten auf den mittleren Stirnfortsatz als Ganzes zurück. Von dem Zeitpunkt ab, da die beiden Nasengruben als schräge, allmählich sich vertiefende Flächen am Vorderkopf wahrnehmbar werden, charakterisirt sich auch das

4*



52 Das Nasenfeld und die Bildung der Nasenhöhle.

dazwischen liegende Mittelfeld als Gebiet des zukünftigen Stirnfortsatzes (Taf. yill Fig. 5-9, Taf. XI BB Fig. 2—3 und Lr Fig. 6—8). Dasselbe schmiegt sich anfangs dem Vorderhirn noch ziemlich nahe an, sein Querschnitt erscheint im oberen Theile convex, unten dagegen beim Anschluss in die Mundgrubendecke concav. Am Uebergang des convexen Theiles in den concaven liegt ein leichter Vorsprung, die erste Andeutung einer Nasenkante. Je schärfer nun in der Folge die Nasengruben sich ausprägen, um so mehr entwickeln sich deren aufgeworfene Bänder zu selbständigen Wülsten. Jede der beiden Gruben erscheint nun von einem nach abwärts offenen Bogenwulst umfasst. Der Theil des Bogenwulstes, welcher dem mittleren Stirnfortsatz angehört, biegt sich noch eine Strecke weit unter dem vorderen Theil der Grube weg und endet dann mit raschem Absätze als Processus globularis (Taf. VII A 4 und B 3).

So stehen die Dinge am Schluss des ersten Monates. In der Zeit liegt der mittlere Stirufortsatz dem Vorderhirn innerhalb der Medianebene fast unmittelbar an, die ISTasengruben dagegen sind von diesem seitlich abgerückt, wobei indessen ihre Profilprojection noch grösstentheils mit derjenigen des Gehirns sich deckt (Taf. IV Fig. 10 bis 14). Von nun ab rücken, wie dies oben gezeigt wurde, die Nasengruben mehr und mehr aus dem Gehirnbereich heraus und zugleich vergrössert sich der Abstand zwischen der Hemisphärenbasis und der Kopfwand. Es bildet sich ein Nasenrücken, die Nasenkante prägt sich dabei schärfer aus und der Stirnfortsatz entwickelt sich zu einer selbständig das Gehirngebiet überragenden Anlage.

Fassen wir den Process der Nasenbildung nach seiner wahren Bedeutung zusammen, so können wir sagen, es entsteht der Complex der drei Stirnfortsätze als eine aus der ursprünglichen Hautkapsel des Gehirns hervortretende Sagittalfalte. Die Falte ist anfangs sehr breit angelegt; sie verschmälert sich in der Folge, und ihr Scheitel entfernt sich dadurch mehr und mehr von der Basis. Die Biechgruben, indem sie in die Seitenwand der Falte mit einbezogen sind, gleiten zunächst in schräger Bichtung nach vorn und kommen dann, durch das Schmälerwerden der Faltenbasis, in immer geringereu Abstand von einander zu liegen.

Gleichzeitig mit der sagittalen entsteht eine quere Falte, und wie jene in ihrem letzten Endergebniss zur Bildung des Nasen


Das Nasenfeld und die Bilduns; der Nasenhöhle.


53


rückens, so führt diese zur Bildung der Nasenkante und der Nasenspitze. Schon von Anfang ab besteht das Mittelstück der Sagittalfalte aus einem oberen, die Nasengruben überragenden und einem unteren, zwischen diese eingeklemmten Abschnitt. Während jener convex sich vortreibt, erscheint der letztere concav eingesunken. Auf der Grenze beider Abschnitte bildet sich als eine bogenförmig angelegte Querfalte die Nasenkante. Je mehr die Basis der Sagittalfalte sich verschmälert, um so weiter wird ihr oberer Abschnitt hervorgetrieben, um so tiefer aber der untere zurückgedrängt und unter den oberen einbezogen. Man kann sich mit Hülfe von einem Stück



Fig. 37.

Faltenschema zur Veranscliaulicliung der Nasenbildung.

Die ausgezogenen Linien bedeuten die dem Beschauer

zugewendeten, die punktirten Linien die ahgewendeten

Falten.

steifen Papieres die geschilderten Hergänge und ihr Ineinandergreifen leicht veranschaulichen. Bricht man das Papier in der beistehend vorgezeichneten Weise, so ist man im Stande, auch den seitlichen Schluss der Nasengrube und die Hebung von deren hinterem Ende als Folgen des sagittalen Faltungsprocesses zu verstehen. Stellen nämlich die beiden unteren Eckfelder die Nasengruben vor, so ergiebt eine Zusammenschiebung des Blattes in transversaler Richtung eine zunehmende Verdeckung jener Felder durch einen von hinten und oben her kommenden, dem seitlichen Stirnfortsatz entsprechenden


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Das Nasenfeld und die Bildung der NasenhöUe.


Streifen. Ebenso zeigt das Schema die Bildung der Laminae nasales und ihre Vereinigung zum Septum.

Bei obiger Betrachtung ist als faltenbildende Schicht nur die Ectodermbekleidung des Vorderkopfes in Betracht zu ziehen, die Ausfüllungsmasse, welche die entstehenden Zwischenräume einnimmt, ist in diesen frühen Perioden viel zu weich, um selbständig in die Eormenbildung eingreifen zu können.

Nachdem der mittlere Stirnfortsatz auf dem Höhepunkt seiner embryonalen Entwickelung angelangt ist (etwa im Beginn der sechsten Woche), lassen sich an ihm naturgemässerweise drei Zonen unterscheiden, eine oberste, welche die beiden Nasenhöhlen überragt, eine mittlere, welche zwischen die beiden Höhlen eingeschoben ist und


Ko. jjuSt.


s.St.



mv. Gfi


Fig. 38.

Frontalconstruction des mittleren Stirnfortsatzea vom Embryo Seh. Vergr. 15. N.o Nerv, olf., m.St u. s.St mittlerer und seitliclier Stirnfortsatz, Ok Oberkiefer, Nh Nasenhöhle. Der Ort der vorderen Nasenoffnung ist hell ausgespart, derjenige der hinteren dunkel bezeichnet. Dl Thränengang , P. g Processus globularis, 0. f Gaumenleiste.

eine untere, welche die Höhlen vom Mundraum trennt (Fig. 34). Diese drei Zonen können als Pars ethmoidalis, als Pars internasalis oder Septum und als Pars intermaxillaris bezeichnet werden (Fig. 36 und Fig. 38).

Die Pars ethmoidahs bildet einen Keil mit hinterer Zuschärfung, ihre obere Fläche ist der Gehirnbasis zugekehrt, die vordere Fläche sieht als Area triangularis frei nach vorn. Die untere Fläche setzt sich unmittelbar in das Septum fort. Zwei dicke ISTn. ethmoidales treten durch den hinteren Theil der Pars ethmoidalis und inseriren sich beiderseits in die Decke der entsprechenden Nasenhöhle.

Das Septum erscheint nach Vereinigung seiner beiden Seiten


Das Nasenfeld und die Bildung der NasenhöLle. 55.

hälften als eine dicke, senkrecht stehende Substanzplatte, von annähernd vierseitiger Umgrenzung. Der obere Eand hängt mit der Pars ethmoidalis, der hintere mit der Pars sphenoidalis des Schädels zusammen. Der vordere Band ist frei, als Pars infranasalis der früheren Beschreibung, und der untere Eand trägt den durch Verschmelzung der Processus globulares entstandenen Zwischenkiefertheil. Nach hinten läuft das Septum zwischen den beiden hinteren Nasenöffnungen mit schräg gestelltem Eande frei aus.

Die Pars intermaxillaris des mittleren Stirnfortsatzes entsteht durch die Herab drängung und die mediane Verschmelzung der beiden Processus globulares. An ihrer oberen Fläche nimmt sie das Septum auf, ihre vordere und ihre untere Fläche sind frei und auch ihre hintere Fläche ist so lange frei, als nicht die Verbindung mit den Processus palatini des Oberkiefers eingetreten ist.


Die äusserliclie Entwickelung des Unterkiefers und der Inframaxillargegend.


Bei jüngeren Embryonen ist, wie wir oben salien, die Mundöffnung ein weit klaffendes Loch (man vergl. z. B. Taf. VI Fig. I A und Taf. IX Fig. 2—5). Einestheils hängt dies mit dem Fehlen des mittleren Stirnfortsatzes zusammen, anderntheils aber mit der Stellung des in dieser Zeit schräg herabhängenden Unterkiefers. Dieser ist da, wo er vom Oberkiefer sich scheidet, schmal, läuft aber dann in eine wulstige Verdickung aus, welche mit der entsprechenden der anderen Seite der Mittellinie zusammentrifft. Mit dem Eintritt der Nackenkrümmung erfährt die Mundöffnung dadurch eine erhebliche Einengung, dass das nach vorn und medialwärts gerichtete Endstück des Unterkiefers sich emporhebt und zum Theil vor den Oberkiefer zu liegen kommt (man vergl. Taf. I Fig. 2 , Taf. VIII Fig. « 3 und Taf. IX Fig. 1). Im Profil gesehen, hat jetzt die Mundspalte eine schräge ansteigende Eichtung, von vorn gesehen, bildet sie eine nach oben convexe Bogenlinie.

Die eben beschriebene Aenderung in der Stellung des Unterkiefers findet ihren Grund darin, dass beim Eintritt der Nackenkrümmung das Schlundbogengebiet des Hinterkopfes zusammengeschoben wird und dabei wird das Endstück des Kieferbogens durch den Druck der dahinterliegenden Theile gegen die offene Mundlücke hingedrängt. Bei diesem Mechanismus des Mundschlusses wird es verständlich, weshalb alle jene Missbildungen, bei denen die Nackenkrümmung ungenügend sich ausbildet, in übereinstimmender Weise ein weit klaffendes Maul zeigen (man vergl. Heft 11 S. 99 und 100, besonders die Figuren LXXVI, L und XXXI).


Die äusserl. Entwickelung des Unterkiefers und der Inframaxillargegend. 57

Da, wo die kugelig gewölbten Endstücke der beiden Unterkieferbogen sich begegnen, bleibt zwischen ihnen eine Furche übrig, die anfangs sowohl an der äusseren, als an der dem Mundraume zugewendeten Oberfläche tief einschneidet. Von der fünften Woche ab beginnt die Furche , sich auszufüllen und jetzt besteht der Unterkiefer, insoweit er an die Mundspalte anstösst, aus einem quer gestellten Mittelstück und zwei schräg ansteigenden Seitenstücken. Ich bezeichne diese Abschnitte als Mittelkiefer und als Seitenkiefer. An den beiden auf Taf. XIV Figur 6 u. 7 abgebildeten Köpfen ist der Mittelkiefer noch mit einer verticalen Furche versehen, die indessen bereits im Schwinden begriffen ist. An den Seitenkiefern zeichnet sich nunmehr die Lippe als selbständiger, vom unteren Kiefersaum abgesetzter Wulst. Sehr deutlich tritt diese Trennung auch an den Profilansichten hervor (Taf. XTTT Fig. 5, 6 und 7 und XIV Fig. 5). Hier hatte ich im vorigen Heft die beiden Abtheilungen als Lippen- und als Kinnwulst unterschieden, i) Indessen ist letztere Bezeichnung nicht ganz glücklich gewählt, denn der im Profil sichtbare Wulst entspricht mehr dem Kieferwinkel als dem Kinn. Letzteres scheidet sich von dem im Profil wenig hervortretenden Mittelkiefer ab. Von den Seiten her dringt nämlich die Lippenfurche in diesen ein und trennt einen convex ausgebauchten unteren Wulst vom oberen, die Mittellippe bildenden Saum (Taf. XIV Figur 8).

Mit der zunehmenden Ausbildung der Oberlippe ändert sich auch die Form der Unterlippe. Ihr Mittelstück hebt sich zu einer stumpfen Spitze empor (Fig. 8 und 9), während die Seitentheile eine einfache Querrichtung annehmen. Zum Theil wird jetzt auch die Unterhppe von der Oberlippe überragt und zugedeckt.

Unterhalb des Unterkiefers entwickelt sich als besondere Fläche die Inframaxillargegend, zu deren Verständniss wir wieder auf die früheren Stufen zurückgreifen müssen.

Während die Seitenwand des Hinterkopfgebietes die bekannte Gliederung in den Schlundbogen erfährt, ist die Vorderwand desselben anfangs vom Herzen und von der dasselbe umgebenden Parietalhöhle eingenommen. Der Aortenbulbus inserirt sich unmittel


1) Heft II S. 56.


58 Die äusserl. Entwickelung des Unterkiefers und der Inframaxillargegend.




■bar vor dem Unterkiefer (Taf. IX Fig. 6), dessen freie vordere Höhe demnach zu der Zeit eine sehr geringe ist (Fig. 39). Die Insertionsstelle des Aortenhulbus rückt aus ihrer primitiven Stellung mehr und mehr nach abwärts ; aus dem Bereich der Unterkieferbogen heraus kommt sie in die Etage des zweiten und weiterhin des dritten Schlundbogenpaares. Dabei trennt sich auch der zugehörige Theil der Parietalhöhle vom Kopfe los, und die Insertionslinie ihrer Wand rückt gleich der Bulbusinsertion nach abwärts. Zwischen dieser Insertionslinie und dem wulstig hervortretenden Unterkiefer entsteht nun die Inf ramaxillar fläche als ein nach vorn gewendetes dreieckiges Feld (Taf. XIV Fig. 6 und 7). Oben wird dasselbe durch den Mittelkiefer, seitlich durch die schräg ansteigenden Seitenkiefer und weiterhin noch durch die wulstig vortretenden Enden des zweiten Schlundbogenpaares eingefasst. Der dritte Schlundbogen pflegt, wenn einmal das Inframaxillargebiet zur Ausbildung kommt, als äusserlich abgegrenzte Bildung schon verschwunden zu sein. Im Uebrigen ist dasselbe glatt und es greifen weder Schlundbogen noch Schlundfurchen auf dasselbe über. Es existirt somit an der Vorderfläche des Hinterkopfes ein zwischen die Bogensysteme eingeschobenes Zwischenfeld, welches unter Herabdrängung des Aortenhulbus und der Parietalhöhle sich ausgebildet hat. Auch an der Innenfläche des Mundrachenraumes treffen, vom Unterkiefer abgesehen, die Schlundbogen ursprünglich nicht in der Mitte zusammen, sondern sie bleiben durch ein von vorn nach rückwärts breiter werdendes mesobranchiales Feld von einander getrennt, wie dies im nächsten Abschnitt weiter ausgeführt werden soll. ')



Fig. 39.

Frontalconstruction des Embryo Lg.


1) Scbon bei früherer Gelegenheit wurde , in Uebereinstimmung mit DuESY, hervorgehoben, wie unhaltbar die auch in Modellen reproducirte Darstellung von Ecker ist (Jcones phys. Taf. XXIX Fig. 1), wonach Wülste und Spalten vorn aneinander anschliessen. Arch. f. Anat. u. Physiol. ISSl. S. 309.


Die äusserl. Entwickelung des Unterkiefers und der Inframaxillargegend. 59

Bei Fig. 6 u. 7 von Taf. XIY laufen an der Grenze des Inframaxillargebietes der Seitentheil des TJnterkieferbogens und der zweite Schlundbogen in zwei rundliche Höcker aus. Der obere dieser beiden Höcker bezeichnet den Winkel des Unterkiefers, der untere dagegen wird späterhin grossentheils überdeckt ; was von demselben frei bleibt, finden wir im Ohrläppchen erhalten.


Die Vorderwand des MundraclieDraunies und deren Umbildung.


Verli alten der Anfangsstufeii.

Bei den jungen Embryonen Lg und Rf zeigt die Vorderwand des Mundrachenraumes folgende Gestaltung: von beiden Seiten ber treten die Scblundbogen als drei Paare von flachen Wülsten nach vorn hin, ohne sich indessen in der Mittellinie zu erreichen. Am nächsten rücken sich die beiden Unterkieferbogen; erheblich breiter bleibt der Abstand des zweiten und noch grösser der des dritten Wulstpaares. Zwischen den Enden der drei Paare von Erhebungen bleibt sonach ein dreieckiges nach abwärts sich verbreiterndes Feld übrig, das wir als mesobranchiales Feld bezeichnen können. Soweit als dieses Feld reicht, liegt vor demselben die Parietalhöhle der Wand des Mundrachenraumes an, auch fällt in seinen Bereich die Insertionsstelle des Aortentruncus, die bei Embryo Lg noch in der Höhe vom ersten und zweiten Schlundbogen liegt. Dieser Insertionsstelle entsprechend, findet sich im oberen Theil des Mesobranchialfeldes ein kleiner rundlicher Vorsprung, den ich als Tuberculum impar bezeichnen will (Taf. XII Lg Fig. 56 und 60). Unterhalb dieser Stelle ist der Boden des Mundrachenraumes von einer niedrigen, zwischen ihn und die Parietalhöhle eingeschobenen Platte gebildet (1. c. Fig. 64 — 90), innerhalb deren in der Folge die Wurzelstücke der unteren Gefäss


Fig. 40.

Vorderwand des Mundraclieniau mes vom Embryo Lg. Vergr. 50.

Die Figur zeigt das Tuberculum

impar und die Furcula.


Verhalten der Anfangsstufen. 61

bogen zur Entwickelung kommen. In der unteren Hälfte des Mesobranchialfeldes wölbt sich der Boden zu einem zweiten, umfänglicheren Vorsprung empor, der den Eaum zwischen den unteren Seitenwülsten einnimmt. An seinem oberen Ende ist dieser Yorsprung ungetheilt, weiterhin aber zerfällt er durch eine mediane, von oben nach abwärts tiefer werdende Eurche in zwei Leisten, welche sich in den Rumpftheil des Eingeweiderohres hinein fortsetzen. Hiernach bezeichne ich den Vorsprung als die Gabel oder Eurcula. Es entsteht die Furcula durch ein Ueb ergreifen der dem Eumpfvorderdarm eigenthümlichen Längsgliederung in das Gebiet des vorwiegend quergegiiederten Kopfdarmes.

Nachdem durch Ausprägung der dritten und der vierten Furche auch der vierte Schlundbogen sich abgegliedert hat (bei Embryo BB Eig. 41), liegt die Furcula medialwärts von den kurz angelegten vierten Bogenwülsten, und sie greift noch eine Strecke weit zwischen das dritte Paar ein. Im Uebrigen ist die Area mesobranchialis dadurch etwas schmäler geworden, dass sich die verschiedenen Wülste verlängert und näher gegen die Mittellinie herangeschoben haben.

Betrachten wir statt der Wülste die Furchen, so ergiebt sich folgendes Verhalten: eine mediane Furche trennt die sich entsprechenden Enden der zwei obersten Bogenpaare und die obere Hälfte des dritten Paares. Aus ihrem Grunde erhebt sich das Tuberculum impar, nach beiden Seiten hin hängt sie mit der ersten und zweiten Schlundfurche zusammen. Am tiefsten ist die Medianfurche unmittelbar hinter dem Tuberculum impar, da wo sie die vordersten Seitenfurchen aufgenommen hat und die Enden der zweiten Bogenwülste von einander trennt. Dahinter wird sie seichter und, indem sie auf den Scheitel der Furcula stösst, trennt sie sich in zwei neben dieser herlaufende divergirende Schenkel. Sonach hängt die dritte Seitenfurche nur noch mittelbar, die vierte aber gar nicht mehr mit dem medialen Schlitz zusammen. Es läuft die vierte Furche in eine tiefe Bucht aus, welche zwischen dem unteren Ende der Furcula


1) Für Embryo M geben die Fig. 4u. 5 von Taf. VI eine ziemlicli klare Anschauung des Mesobranchialfeldes. Das Tuberculum impar und die Furcula sind daran allerdings nicht erkennbar, ersteres würde in Fig. 4, letztere in Fig. 5 zu suchen sein.


62 Die Yorderwand des Mundrachenraumes und deren Umbildung.

und dem Anfaügstheile der Rumpfwand vorhanden ist, und die vorläufig der Fundus branchialis heissen mag.

Das die Vorderwand des Mundrachenraumes bildende MesobrancMalfeld umfasst laut der gegebenen Bescbreibung zwei von einander getrennte Erhebungen, das Tuberculum impar nebst der Eurcula und ein dieselben umgebendes Thalgebiet. Letzteres stellt sich als eine hufeisenförmige oder noch correcter ausgedrückt als eine dreistrahlige Furche dar, die ich den Sulcus arcuatus nennen will. Nach beiden Seiten hin in die Schlundspalten auslaufend , endet der Sulcus arcuatus nach abwärts im Fundus branchialis, und wir können an ihm das nach oben sehende Mittelstück und die beiden nach abwärts sehenden Seitenhörner unterscheiden.

Bevor wir die weitere Entwickelung der bis dahin betrachteten Bildungen verfolgen, erscheint es zweckmässig, einen Blick auf das Verhalten der Aortenbogen zu werfen. Es stehen diese zu den Wulstungen der Mundrachenwand in sehr naher Beziehung, so dass ihr Verlauf aus jenen zu erläutern ist und umgekehrt. Dabei ist allerdings im Auge zu behalten, dass die der Schlundbogenbildung zu Grunde liegenden Faltungen der inneren und der äusseren Kopfwand der primäre Vorgang, das Hereinwachsen der Gefässe in die frei werdenden Räume der secundäre Vorgang sind. Dies gilt auch von menschlichen Embryonen und so finde ich z. B. bei Lg (Fig. 40) einen dritten Bogenwulst, bevor ein correspondirendes Gefäss vorhanden ist. Sind aber einmal Gefässe da, so ist, wie sich leicht verfolgen lässt, deren Caliber von bestimmendem Einfluss auf die Entwickelung der umgebenden Wülste. Es gilt dies wenigstens von der Entwickelungsperiode, während der die Schlundbogen überhaupt als selbständige Bildungen hervortreten; späterhin löst sich ja die Beziehung zwischen den Gefässen und den primitiven Bogen, erstere schliessen sich theilweise, theils rücken sie in ganz andere Stellungen ein und letztere machen ihrerseits selbständige Entwickelungen durch.

Bei Embryo Lg und bei Rf sind erst zwei Gefässbogen vorhanden, von denen der obere in den Unterkieferfortsatz von vorn und unten her eintritt; in demselben nach rückwärts laufend, steigt er etwas in die Höhe und durchsetzt noch eine Strecke weit den Oberkieferfortsatz, bevor er seine Endbiegung ausführt (Taf. IX Fig. 7).


Verhalten der Anfangsstufen.


63


Bei Embryo BB, bei welchem alle vier Schlundbogen angelegt sind, entsendet der Aortentruncus fünf Gefässschleifen, von "welchen die zwei oberen und die drei unteren je mit einem gemeinsamen Anfangsstück beginnen. Die Insertionsstelle des Truncus liegt zu der Zeit im Zwischengebiet zwischen zweiten und dritten Bogen, etwas oberhalb des Endes der Furcula. Von hier aus verbreiten sich die fünf Zweige strahlig, der erste und der zweite steigen in die Höhe, der vierte und der fünfte wenden sich nach abwärts und nur der dritte verläuft annähernd in der Ebene der Insertionsstelle. Das gemeinsame Wurzelstück des ersten und des zweiten Gefässbogens oder die Carotis externa liegt jederseits lateralwärts von



Fig. 41.

Vordeiwand des Mundraclienraunies Tom

Embryo BB. Yergr. 60. Tnberc. impar,

Furcula und Fundus branchialis.


Fig. 42.

Vordeiwand des Mundrachenranmes vom

Embryo BB mit eingezeichneten Arterien logen. Vergr. 60.


der Medianfurche. Die Trennung erfolgt nahe am oberen Band des zweiten Schlundbogens und von da ab erreicht das oberste Gefäss zunächst den unteren Rand des Unterkiefers, während das zweite dem Verlauf seines Wulstes folgt. Der dritte Gefässbogen entspringt etwas oberhalb der Eurcula und verläuft eine Strecke weit innerhalb des Mesobranchialfeldes , ehe er seinen Wulst erreicht. Der vierte und der fünfte Bogen entspringen mit einem gemeinsamen Anfangsstück, welches dem oberen Saum der Eurcula folgt, bevor es sich in seine beiden Endäste trennt. Vom Theilungswinkel ab tritt der vierte Gefässbogen quer über zu seinem kurz angelegten Schlund


64 Die Vorderwand des Mundrachenraumes und deren Umbildung.

wulst, während der fünfte Bogen, dem Furculasaume folgend, nach abwärts steigt und medianwärts vom Fundus branchialis das Eingeweiderohr umgreift. Derselbe liegt hier in einer Leiste eingeschlossen, welche den Fundus branchialis vom Eingang in den Rumpfdarm trennt. Man könnte diese aus der Furcula hervorgehende Leiste als fünften Schlundbogen bezeichnen, wollte man sich dazu verstehen, einseitige, blos nach der inneren Seite hin ausgebildete Bogen anzuerkennen ; da ich es indessen für unzweckmässig halte, ein schon unzweifelhaft dem Eumpf angehöriges Gebilde unter die sonst dem Kopf angehörigen Schlundbogen zu zählen, so verzichte ich auf jene Bezeichnung und nenne die den Fundus medianwärts begrenzende Leiste Crista terminalis.

Mit dem fünften Gefässbogen ist die Reihe der primären Gefässanlagen noch nicht erschöpft, denn ein vom fünften Bogen sich abzweigendes Stämmchen tritt jederseits neben bez, vor der Anlage des Respirationsrohres als A, pulmonalis nach abwärts. Von diesem Gefäss, das bei Embryo BB kaum in seinen ersten Anlagen besteht, wird späterhin nochmals die Rede sein.


Bildung der Zuiigenanlage , der mittleren Seliilddrüseiiaiilage und des Kehlkopf einganges.

Die übersichtliche Gestaltung der Stufe von BB giebt den natürlichen Ausgangspunkt für die Betrachtung der weiteren Entwickelungsverhältnisse. Das Gebiet, wie es zur Zeit vorliegt, umfasst die Anlagen für Unterkiefer, Zunge und Kehlkopfgebiet und diejenigen der Schilddrüse, Als allgemeinen Gestaltungsvorgang haben wir schon in einem früheren Capitel die successive Uebereinanderschiebung der Schlundbogen kennen gelernt (S. 28), ein zweiter Vorgang von gleichfalls allgemeiner Art ist das Hereintreten der Schlundbogenwülste gegen die Mittellinie hin, und an diesen Vorgang knüpft sich die erste Bildung der Zungen- und diejenige der mittleren Schilddrüsenanlage.

Bei Embryo Lr ist der zwischen den Schlundbogenwülsten liegende Raum noch etwas enger, als bei BB, im Uebrigen ist die



Bildung d. Zungen-, d. mittl. Schilddrüsenanlage u. d. Kehlkopfeinganges. 65

Gestaltung der Gegend keine wesentlich andere geworden, wogegen auf der Stufe der Embryonen «, Bl und R ein entscheidender Fortschritt sich eingeleitet hat.

Ich gehe zunächst das Constructionshild für Embryo R, womit man die Durchschnitte von Taf. XII und das Profil von Taf. XIII Eig. 3 vergleichen mag. Die bedeutendste Aenderung dieser Stufe gegenüber den vorausgegangenen liegt darin, dass das zweite und das dritte Paar von Schlundwülsten in der Mittellinie zusammengerückt sind und sich theilweise mit einander verbunden haben. Die mediane Verbindung ist keine durchgreifende, das zweite Wulstpaar bleibt nach oben durch eine klaffende Lücke geschieden (Taf. XII Eig. 107 u. lOS), auf deren Grund

flpT nrimärp MnnrlViöhlpnhnflPTi nnrl ^°'^®'^ ^®* Mundraclieaiaume., vom Emljiyo E. Uer pimidie iU.LinununienUÜUeU UUU Constr. Vergr. 32. ra Unterkiefer, //— FOrd^ m n „ i • T T\ nungsziffern der Schlund- bez. der Aortenboaren,

das Tuberculum impar liegen. Da, t. i Tuberc. impar, f Furcuu, /a KebikSpfl wo die von den Seiten her kom- emgang.

menden Wülste zusammengetroffen sind, überbrücken sie eine zweitheilige Höhle, welche nach oben offen ist, nach abwärts blind endigt (Taf. XIÜ Eig. 3). Die Höhle (auf Fig. 43 punktirt angegeben) ist die Anlage für das Mittelstück der Schilddrüse.

Die medialen Enden der dritten Schlundbogen treten in schräger Eichtung nach oben hin. So treffen sie nicht allein unter einander zusammen, sondern sie begegnen auch den darüber liegenden Wülsten des zweiten Paares und verwachsen mit ihnen sehr bald. Hierdurch entsteht eine gemeinsame Leiste von der Gestalt eines schrägen Kreuzes, die Anlage der Zungenwurzel. Das Mittelstück der Leiste ist am schmälsten und es ist in den Kaum zwischen dem Tuberculum impar und der Eurcula eingeschoben. Lateralwärts wird die Anlage breiter und sie gabelt sich beiderseits in einen oberen, dem zweiten, und einen unteren, dem dritten Schlundbogen angehörigen Schenkel, die durch eine breite, medialwärts seicht auslaufende Furche von einander geschieden sind. Der obere

His, Menschl. Embryonen. III. 5


66 Die Vorderwand des Mundrachenraumes und deren Umbildung.



Schenkel ist die Anlage des Arcus palatoglossus, und als solcher bildet er die Grenze zwischen dem eigentlichen Mund- und dem Pharynxraum. Die auf ihn folgende Furche bezeichnet den Ort, wo sich späterhin die Tonsille bilden wird. Letztere entwickelt sich im Bereich der zweiten Schlundspalte, dagegen ist der an die Zungenwurzel herantretende Seitentheil des dritten Bogenwulstes keineswegs dem Arcus palatopharyngeus gleich zu setzen,

denn dieser geht, wie dies S. 32 u. fi". gezeigt worden ist, aus der von den Schlundbogen unabhängig entstandenen Gaumenleiste hervor. Diese bildet sich weit später als die Schlundbogenwülste; vom Oberkiefer aus, an dem sie ihren Anfang nimmt, verlängert sie sich nach rückwärts über den zweiten Schlundbogenwulst hinaus und verliert sich zuletzt in der Seitenwand des Pharynxgebietes. Die Kreuzungsstelle der Gaumenleiste mit dem zweiten Schlundbogenwulst fällt in das Velum palatinum, die dahinter liegende Fortsetzung derselben ist eben der Arcus palatopharyngeus.

Mit den letzten Bemerkungen habe ich in der Zeit weit anticipirt und ich kehre zur Beschreibung der Stufen von R und von Bl zurück. Es wird hier, wie wir sehen, die untere Grenze des eigentlichen Mundraumes durch die zweiten Schlundbogenwülste bezeichnet. Nach oben wird derselbe von den beiden TJnterkieferbogen eingefasst, deren mediale Enden durch einen tiefen Einschnitt von einander sich absetzen. Inmitten des Mundraumes erhebt sich das Tuberculum impar, welches sich nach oben hin dem Einschnitt der beiden TJnterkieferbogen, nach abwärts aber demjenigen der Zungenwurzel einpasst. An ihm vorbei führt eine Spalte in den oben erwähnten Blindsack der mittleren Schilddrüsenanlage. Den Grund der letzteren bildet der primäre Mundhöhlenboden, ihre Decke besteht aus dem Verwachsungsstück der zweiten Schlundbogen.

Unterhalb der Zungenwurzel wird die Mitte des Raumes von


Fig. 44.

Boden des llnndracUenraumes vom Embryo Bl.

Ccnstr. Vergr. 30. T Tuberc. impar, darunter die Zungenwurzel.


Bildung d. Zungen-, d. mittl. Schilddrüsenanlage und d. Kehlkopfeinganges. 67

der Furcula eingenommen, die, wie man nunmehr wohl ohne Weiteres erkennt, die Anlage der Epiglottis und der Plicae aryepiglotticae umfasst. Sie ist oben breit, wird dann etwas schmäler und gewinnt schliesslich wieder an Querdurchmesser bei ihrem Uebergang in die Cristae terminales. Der mediane Einschnitt erstreckt sich jetzt bis zum oberen Rande, ist hier aber seicht; nach abwärts geht er in eine erheblich tiefere und zugleich auch breitere Furche über, die den Eingang zum Kehl köpf räum bezeichnet.

Jederseits von der Furcula liegt ein Spaltraum, der nach oben hin vom dritten Schlundbogenwulst abgegrenzt, von den Seiten her vom vierten Wulst eingeengt wird und der nach abwärts im Fundus branchialis endigt. Die beiden Spalten sind die Seitenhörner des früheren Sulcus arcuatus und sie sind von dessen Mittelstück durch die Dazwischenschiebung des zweiten und dritten Bogenpaares abgetrennt worden. Aus denselben bilden sich die von Böen entdeckten seitlichen Schilddrüsenanlagen, ihr unterer Abschnitt entspricht dem späteren Sinus pyriformis.

Aus den bisher constatirten Verhältnissen ergiebt sich in Betreff der verschiedenen Kehlkopfstücke folgende Disposition der Anlagen : die Epiglottis entsteht aus dem Mittelstück der Furcula, die Phcae aryepiglotticae aus deren Seitenrändern, in der Crista terminalis bildet sich der Giessbeckenknorpel , in den vierten Schlundbogen die Cartilago thyreoidea, der davon eingefasste Spaltraum wird zum Sinus pyriformis, und der Eingknorpel endlich entsteht im Eumpfgebiete unterhalb der Cristae terminales.

Noch einige Worte über das Verhalten der Arterien in dieser Zeit: Es ist bei Embryo R der Insertionspunkt des Aortentruncus bis ungefähr vor die Mitte der Furcula hinab gerückt. Die Carotis externa oder das verbundene Wurzelstück der früheren Gefässbogen I und n umgreift jederseits die mittlere Schilddrüsenanlage, sie entspringt mit dem dritten Bogen aus einem gemeinsamen, als Carotis communis zu bezeichnenden Stamm. Der vierte und der fünfte Bogen verhalten sich ähnlich wie früher, und letzterer folgt auch jetzt dem Rand der Furcula nach abwärts bis zur Crista terminalis hin.

Aehnlich wie auf der zuletzt betrachteten Entwicklungsstufe


68 Die Vorderwand des Mundraclienraumes und deren Umbildung.


verhalten sicli Mundboden- und Zungenanlage bis in den Beginn der 5. Woche hinein. Von den Constructionen, die ich gemacht habe, theile ich eine neue Construction von Embryo B,') eine solche von Embryo Eck und diejenige von Pr mit. Bei allen diesen Eiguren findet man die kreuzförmige Anlage der Zungenwurzel wieder, bei

allen überlagert das Mittelstück dieser Anlage die unpaare Schilddrüsenanlage, bei allen schiebt sich ferner zwischen den getheilten Unterkiefer und die Zungenwui'zel das Tuberculum impar.

Das Tuberculum impar bildet zu der Zeit eine flache Erhebung des Mundbodens ; nach beiden Seiten hin setzt es sich durch eine massig tiefe Eurche ab (man vergleiche Taf. II Eig. 38 und Taf. IV Eig. 23 — 26), wogegen es von der medianen Kinne des Unterkiefers durch einen scharfen Einschnitt getrennt ist. Die Breite des Gebildes und seine Länge nehmen anfangs langsam, dann aber rascher zu (Eig. 48); bei Pr umfasst es schliesslich ein ausgedehntes Eeld, dessen Bedeutung nunmehr auch klar genug zu Tage tritt. Es ist dies Eeld die Anlage für den gesammten, der Mundhöhle



Fig. 45.

Aorten'bog'eii vom Embryo E, auf die vordere Mundraclienwand bezosreu. Yerffr. 32.


1) Ich habe im ersten Heft Taf. VIII Fig. a, 6 und Taf. VII B 4 zwei Constructionen des Mundrachenraumes gegeben, die beide der Verbesserung bedürftig sind. Erstere ist dadurch ungenau ausgefallen, dass ich einen zu kleinen Maassstab angewendet habe. Dadurch kam ich zu der irrthümlichen Verbindung der Schildrüsenanlage mit der Kehlkopfspalte. Bei meinen neuen nach 40 fach vergrösserten Schnitten ausgeführten Constructionen vom Embryo a habe ich Bilder bekommen, die sich im Wesentlichen dem vom Embryo R Fig. 43 anschliessen. Ich verzichte auf eine Mittheilung der Figur, da sie der grösseren Schnittdicke halber nicht so genau ausgeführt werden kann, als die von R.

Die obige Construction für Embryo B differirt von der auf Taf. VII gegebenen dadurch, dass die Uebergänge der Seitenwand genauer durchgeführt sind; auch habe ich diesmal die Schnitte 38 — 40 einfach gezählt^ während ich sie dort aus den Heft I S. 16 angeführten Gründen verdoppelt hatte. Die Verdoppelung der drei Schnitte hat aber zu einer offenbar ungebührlichen Streckung der Zungenanlage, bez. des Tuberculum impar geführt.


Bildung d. Zungen-, d. mittl. Schilddrüsenanlage u. d. Kehlkopfeinganges. 69

angehörigen Theil der Zunge, den Zungenkörper, wie wir ihn zusammenfassend bezeichnen wollen.

Es giebt vielleicht das richtigste Bild vom Tiiberc. impar, wenn man dasselbe als eine Blase auffasst, die sich in dem Winkel zwischen den beiden vorderen Schlundbogenpaaren vom Mundhöhlen



Fig. 46. Fig. 47.

Vordere Mundraclienwand der Emtryonen B und Ect. Bei letzterem war die Herzgegend verletzt und daraus erklärt sich, dass hier die hinteren Schlundhogen weniger zusammengeschoben sind, als sonst der Entwickelnngsstufe entspricht. Bei beiden Figuren ist der Ort der mittleren Schilddrüsenanlage punktirt angegeben. Vergr. 18.



Fig. 48,

Vordere Mundrachenwand vom Embryo Pr. Vergr. 30. Ulc Unterkiefer, // — IT Schlundbogen wülste, 3. — 5. Aortenbogen, ^r. N. trigeminus, E.III, i^. N. facialis, 6. N. glossopharyngeus, X. N.

laryngeus superior, Vg. Kest des N. vagus, S.p Sinus praecervicalis.

boden aus erhoben hat und deren Ausdehnung mit fortschreitender Entwickelung sich vergrössert. Der vordere Rand des sich ausdehnenden Gebildes schiebt sich weiterhin als Zungenspitze über den Unterkiefer weg und setzt sich durch eine einspringende Furche von ihm ab. Der hintere Eand aber wird seinerseits von der Zungenwurzel überlagert und gabelig umgriffen.


70 Die Vorderwand des Mundraclienraumes und deren Umbildung.

Es entsteht somit die Zunge aus einer oberen und einer unteren Anlage. Erstere kommt zu Stande durch die Emporwölbung des mesobranchial gelegenen primären Mundhöhlenbodens, die untere oder Zungenwurzelanlage durch das Zusammentreffen der Wülste vom zweiten und dritten Schlundbogenpaar. Beide Anlagen verwachsen miteinander längs einer V-förmig gebrochenen Linie und jenseits von der Grenze der Zungen wurzel kommt es in der Folge zur Bildung der Papulae vallatae und foliatae, denen durch den Nerven des dritten Schlundbogenpaares, den IST. glosso-pharyngeus dicke Zweige zugeführt werden.

Die Spitze der V-förmigen Nahtlinie trifft mit der medianen Naht der Zungenwurzel zusammen. Als unverbundene Lücke erhält sich hier das Eoramen coecum. Die mittlere Schilddrüsenanlage liegt vor dem medianen Theil der Zungenwurzel und davon bedeckt. Das Foramen coecum aber ist der letzte Rest jener Spalte, welche ursprünglich von der Zungenoberfläche her in die Schilddrüsenanlage geführt hat. Bei Embryonen aus der zweiten Hälfte des zweiten Monats (so bei Lhs und bei Zw) steht das Foramen coecum in Verbindung mit einem feinen Epithelgang, der bis in das Niveau des Zungenbeins verfolgbar ist. Zuweilen erhält sich dieser Ductus lingualis offen, und ich besitze zwei Präparate von erwachsenen Zungen, bei denen der Gang in einer Länge von 27-2 cm durchgängig ist und in der Nähe vom Zungenbeinkörper endigt.

Embryo Pr bildet den TJebergang der embryonalen Vorstufen zu den bleibenden Formen des Mundrachenraumes, und von da aus lassen sich die Anschlüsse nach beiden Richtungen hin verfolgen. Zungenkörper und Zungenwurzel sind bei Pr zu einem Ganzen verbunden. Ersterer hat an Breite gewonnen, sitzt aber immer noch flach auf seiner Basis auf. Durch die Zungenwurzel ist die Epiglottis gegen den Kehlkopfeingang zurückgedrängt. Heber derselben erkennt man bereits die beiden Valleculae und die Andeutung der Plicae glosso-epiglotticae. Die mediane von den drei Falten gehört dem Mittelstück der Zungenwurzel an, die beiden seitlichen dagegen dem hinteren Saume der dritten Schlundbogenwülste.


1) KöLLiKER, mikrosk. Anat. II. 2. S. 21 giebt an, Gänge bis zu 5—6'" (I2V2— lörnm) Länge beobachtet zu haben.


Bildung d. Zungen-, d. mittl. Schilddrüsenanlage u. d. Kehlkopfeinganges. 7 1

Der vierte Schlundbogenwulst hat keine Beziehungen zur Zunge, dagegen legt er sich an das Wurzelgehiet der Furcula und verwächst damit. Später schiebt sich eine Fortsetzung seiner Bestandtheile



Fig. 49. Fig. 50.

Durchscknitte vom Emtoyo Pr. Beide Sclmitte sind etwas unsymmetrisch.. Fig. 49 zeigt links ■den dritten Schlundbogenwulst von der Furcula getrennt, rechts damit verlmnden. Bei Fig. 50 kehrt dasselbe Verhältniss für den vierten Schlundbogenwulst wieder. Bei Fig. 49 sind rechts die dritte und die vierte innere Schlundspalte überbrückt, bei Fig. 50 nur die vierte. Gh Gehörhlase, A. b Arteria hasUaris, A. d Aorta descendens, A. a Aorta ascendeus, V. j Vena jugul., ///, /Fu. r 3., 4. u. 5. Aortenhogen (hez. Schlundhogen), /"Furcula, /r* Kehlkopf, N. gl Nerv, glosso-pharyngeus. Vergr. 20.


vor der letzteren vorbei und führt zur Bildung der Cartilago thj reoidea (Heft I. S. 57).') Dem vierten Schlundbogen entstammt auch

der K laryngeus superior, und

zwar liegt er ursprünglich nahe

am unteren Rande desselben.

Die spätere Plica nervi larjngei

kann demnach als Orienti rungsmarke in diesem Gebiete

dienen.

Wenn die Embryonen eine gewisse Grösse erreicht haben, ist man im Stande den Mundhöhlenboden makroskopissh zu präpariren, und so gelingt es, etwa vom Beginn des zweiten Monats ab, directe Anschauungen mit Constructionsbildern zu combiniren. Als Beispiele gebe ich die Con


Fig. 51.

Mundrachentoden vom Embryo S 1 Constr. Vergr. IC.


1) Die Zutheilung der Cartilago thyreoidea an den vierten Schlundbogen findet sich schon in einer Arbeit von Callender ausgesprochen, auf die mich, anlässlich einer an der Freiburger Versammlung der Naturforscher geführten Discussion, Herr College Fükbringer aufmerksam gemacht hat (Phil. Transact. 1872. T. 161. p. 119. On some of the subaxial arches in man.).



7 2 Die Vorderwand des Mundrachenraumes und deren Umbildung.

struction vom Embryo S 1 , sowie die directe Ansicht einer Zunge eines Embryonen von 20 mm Nl.

Mit der zunehmenden Entwickelung erhebt sich der Mundhöhlentheil der Zunge mehr und mehr über seine Basis und trennt sich schliesslich von dieser durch eine einspringende Einne. Dabei erhält sich aber di6 Y-förmige Furche, die die Grenze der Zungenwurzel bezeichnet, sehr lange, und sie kann sogar noch mehr oder minder tief in den Seitenrand einschneiden, obwohl an letzterem der Anschluss an die vorderen

Schlundbogen immer weicher wird.

""■s^äal" Am Zungenkörper entwickelt sich

Fig. 53. vorübergehend eine mediane

Znnge eines Embryo von ca. 20mm Nacken- t „'„i« „„ ;i„ „ o^^n„ „t, -j länge, directe Zeichnung. Leisto, au deren Stelle aber weiter hin eine breite, bis zur Zungenwurzel sich erstreckende Furche entsteht. Die ersten Papillen finde ich gegen Ende des zweiten Monats, bei Embryo Zw. Weiterhin wird der Zungenrücken länger, während die Zungenwurzel eine relative Verkürzung erfährt. Die Epiglottis bewahrt ihre zurückgedrängte Stellung über dem Kehlkopfeingang, die hintere Wand des letzteren erscheint bei Fig. 52 von vier Wülsten, den beiden Plicae aryepiglotticae und den beiden Cartil. arytaenoideae gebildet.


lieber die Herkunft der Zungenmusculatur.

Eine Sonderung der einzelnen Fasercomplexe der Zunge ist vom Beginn der 6. Woche ab möglich. Die Züge sind zu der Zeit noch keineswegs sehr scharf gezeichnet, aber doch immerhin ihrer Bedeutung nach grossentheils erkennbar. Als Beispiel gebe ich einen Querschnitt durch den Zungenkörper von Seh. Unter der Schleimhautanlage folgt hier eine breite Flächenzone, die das Gebiet des späteren M. longit. sup. umfasst, darunter liegt, jederseits von einem dicken, zellenreichen Septum linguae, eine viereckig abgegrenzte Schicht transversal gestellter Muskelfasern. Die voll entwickelte Schicht nimmt kaum die halbe Zungenbreite ein, eine seit


Ueber die Herkunft der Zungenmusculatur. 73

liehe Fortsetzung derselben ist indessen schon jetzt bis in die Nähe der Zungenoberfläche verfolgbar.

Unter der Transversusschicht liegt der Stamm des K hypoglossus, medialwärts von diesem ein schmaler Streifen mit verticaler Faserung, der als Genioglossusstrahlung zu deuten ist und der mit einem etwas tiefer liegenden Feld zusammenhängt. Lateralwärts vom Hypoglossus findet sich ein Zellenhaufen mit gleichfalls ansteigender Faserung, den ich für den M. longit. inf. halte, und daneben ein dem Hyoglossus zuzuweisendes Feld.

Zeigt das eben beschriebene Bild eine unzweifelhafte Sonderung der einzelnen Muskelcomplexe , so sind doch auf der anderen Seite mancherlei Abweichungen von



der späteren Norm vorhanden. ^^ Auffallend erscheint vor Allem y.,

die relative Mächtigkeit des ,v^ ^

N. hypoglossus. Es hängt dies ,r^^

mit dem allgemeinen Entwicke lungsverhältniss zusammen, ^ — ^

wonach zu der Zeit die Ner- Durchsclmitt durcli Mundraum land Zungenkörper

■n .^ 11 1 ..-,, vom Embryo Seh. Vergr. 30. Jf. / Nerv, ling., S.l

Ven allenthalben Unverhalt- und S. m Snlcus sublicls und submaxillarls,

, , . CM Cartil. Meckeli.

mssmässig viel massiger angelegt sind, als die Muskeln. So sind denn auch die Zungenmuskeln durchweg noch schwach, während die Nervenstämme einen breiten Kaum einnehmen.

Ausserdem aber erscheint es beachtenswerth, dass jene Durchwachsung verschieden gerichteter Faserzüge, wie sie später in der mittleren und oberen Zungenetage besteht, zu der Zeit noch nicht vorhanden ist. Die spärlichen Genioglossusfasern reichen kaum bis zur unteren Grenze des Transversus, ohne diesen Muskel zu kreuzen, und auch die übrigen Muskeln, die Mm. longitudinalis inf., hyoglossus und weiter hinten der styloglossus sind nur in ihren tiefen Abschnitten gesondert wahrzunehmen. Ausser einigen Transversusfasem sind keine die Oberfläche erreichenden Muskelzüge erkennbar. Es' scheint mir dies dahin zu deuten , dass die verschiedenen Muskeln nicht vom Anfang ab in ihrer Gesammtausdehnung angelegt sind. Ein Theil derselben wächst von bestimmten Anfangspunkten aus erst allmählich weiter , und so treten z. B. die Fasern


74 Die Yorderwand des Mundrachenrauraes und deren Umbildung.

des Genioglossus m. E. erst im Verlauf späterer Zungenentwickelang in die Etage des M. transversus und noch später in die des longitudinalis superior ein. Noch am Schluss der 7. Woche bei Embrjo Lhs ist die Entwickelung der Muskeln kaum weiter fortgeschritten als bei Seh.

Für die Annahme einer schrittweise vor sich gehenden Entwickelung der Zungenmusculatur gewährt das Studium früher Stufen noch unmittelbarere Anhaltspunkte. Bei Embryonen vom Ende des 1. Monats (Bl, Eck, Pr) ist die Vorderwand des Mundrachenraums sehr gefässreich. Dabei besteht aber ein auffallender Gegensatz zwischen den den Schlundbogen entsprechenden Seitenabschnitten der Mundwand und dem mesobranchialen Zwischenfeld. Letzteres besitzt ein sehr lockeres Gefüge und enthält, abgesehen von Blutgefässen, nur weitmaschige Zellennetze, wogegen in den Seitenwülsten das Gefüge erheblich dichter ist. Die Anlage des Zungenkörpers fällt durchweg in den Bereich der locker gefügten Wand. Für den früher ausgesprochenen Vergleich dieser Anlage mit einer vom Boden sich abhebenden Epithelblase liegt sonach im Charakter des überbrückten Gewebes ein directes Motiv vor. Im Bereich des zweiten und dritten Schlundbogens wird das locker gefügte Mesobranchialfeld durch die sich begegnenden Wülste von der Mundhöhle abgedrängt und es liegt nach Abschluss der mittleren Schilddrüsenanlage vor dieser letzeren und um sie herum.

Während der Zungenkörper als lockere Masse sich anlegt, fällt die Zungenwurzel dem Gebiete dicht gefügter Anlagen zu. In ihr scheidet sich vom Schluss der fünften Woche ab das knorpelige Zungenbein aus, dessen Form die Grundform der Zungenwurzel wiedergiebt. Aus dem Material des zweiten Schlundbogenwulstes entstehen die Mm. styloglossus und palatoglossus, aus dem des dritten der M. hyoglossus. Diese Muskeln, deren Hauptgebiet auch später noch in die Zungenwurzel fällt, schieben sich, wie ich annehmen muss, von ihren primären Ausgangspunkten aus in den Zungenkörper vor, dessen Seitenabschnitte sie schrittweise durchwachsen.

Für eine dem Zungenkörper eigenthümliche Production halte ich die Mm. transversus und longitudinalis superior. Schon auf den Stufen von Bl constatire ich in der Mitte des Zungenkörpers eine vorwiegend transversale Anordnung der Zellenmaschen und unter


üeber die Herkunft der Zungenmusculatur.


75


der Oberfläclie eine dichtere Zusammendrängung der Elemente. Letztere sind wohl zum Theil Bindegewehszellen und als solche wesentlich für die Schleimhautanlage bestimmt, unzweifelhaft aber sind auch reichlich Muskelzellen darunter, die später im M. longitudinahs sup. ihre Verwendung finden.

Bei Embryo Pr und seinen Zeitgenossen findet sich unter (bez. vor) dem lockeren Mittelfeld der Zunge eine compactere Zellenplatte,



Fig, 54.

Sclinitt 113 Tom £11111170 Pr. Vergr. 25. Die mittlere Erhebung des Mundbodens

bezeichnet den Ort der Zunge. Es folgen sich von oben nsich abwärts das Epithel,

eine dichtere Zellenschicht, die lockere Schicht, die Sublingnalplatte, die Sub lingualhöhle, eine untere Schlussplatte und die Parietalhöhle mit dem

Aortentruncus.


X




Fig. 55. Fig. 56.

Schnitte durch den Mundboden vom Embryo Bl. Vergröss. 25. Der Schnitt 55 geht durch den 1,, Schnitt 56 durch den 2. u. 3. Schlundbogen. An diesem ist die Muskelwand des Aortentruncus noch nicht von der übrigen myogenen Platte geschieden. Bei Fig. 55 dagegen ist die Trennung erfolgt, die myogene Platte zeigt Faltungen und ihr mittlerer Theil erhebt sich zur Sublingnalplatte.


die ihrer Lage nach den Muskeln des Mundhöhlenbodehs entspricht, und die ich als Sublingualplatte bezeichnen will. Die Geschichte dieser Platte führt in directer Linie zurück zu derjenigen des Aortenbulbus und der Parietalhöhle.

Der Aortenbulbus erstreckt sich, wie wir wissen, ursprünglich bis zum Unterkiefer und er ist mit der Yorderwand des Mundrachen


76 Die Vorderwand des Mundrachenraumes und deren Umbildung.

raumes unmittelbar verbunden. Die Zellenschicht, aus welcher die Muskelwand hervorgeht, die myogene Platte, wie ich sie der Kürze halber wohl nennen darf '), umgiebt das Endothelrohr anfangs nur an seiner freien Fläche, von da aus biegt sie sich zur Seite und lässt den befestigten Theil des Eohres unbekleidet. Bei weiterschreitender Entwickelung aber legt sie sich auch um die dorsale Mäche des Aortenschlauches herum und schliesst hier das Kohr in einer medianen Naht ab (Fig. 56). Ihre seitliche Fortsetzung bildet zunächst eine zwischen Aortenbulbus und Mundboden eingeschobene Querplatte und läuft dann unter allmählicher Verjüngung in die Wand der Parietalhöhle aus.

In der Folge löst sich der Aortentruncus von seiner Basis los und entfernt sich von letzterer, indem er frei in die Parietalhöhle hervortritt. Allein auch die letztere emancipirt sich weiterhin von der Mundrachenwand; die Furche, welche diese von der Wand der Parietalhöhle trennt, wird immer tiefer und schneidet schliesslich quer durch. Dabei rückt die myogene Platte der Epitheldecke voraus und sie schliesst den Kaum, in welchem der Aortenbulbus sich befunden hatte, zu einer viereckigen Höhle ab, den sie von allen vier Seiten umfasst. Es ist diese von der Parietalhöhle abgetrennte S u b lingualhöhle nur vorübergehend vorhanden. Theils durch Hereinwachsen des N. hypoglossus, theils durch Hereindringen von Bindegewebszellen und wohl auch durch Zusammenschiebung ihrer AVand füllt sie sich bald aus und ist schon auf den Stufen von Eg und S nicht mehr vorhanden. Nach Ablösung der Parietalhöhle ist die Yorderwand der Sublingualhöhle freigelegt, und sie begrenzt nunmehr die Inframaxillarfläche (S. 58).

Die oben beschriebenen Vorgänge schreiten von oben nach abwärts, d. h. vom Unterkieferwinkel aus nach dem zweiten Schlundbogengebiete vor. Am gleichen Embryo (z. B. bei Bl) sind daher verschiedene Phasen gleichzeitig wahrzunehmen, höher oben die fortgeschrittenen, weiter unten die Anfangsphasen. Die myogene Wand der Sublingualhöhle liefert das Material für die Muskeln des Mundbodens. Aus der Decke der Höhle, der Sublingualplatte , wie wir sie oben genannt haben, entwickelt sich der M. genioglossus und


1) Cardiogene Platte hatte ich sie a. a. 0. genannt. Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abth. 1881. S. 305.


Die Innervation des Mundrachenraumes. 77

woU auch der M. longitudinalis inferior. Von der Seitenwand bin ich versucht, den M. geniohyoideus abzuleiten, aus dem Boden gehen wohl der M. mylohoideus und der vordere Bauch des Digastricus hervor. Das Detail dieser Neubildungen vermag ich nicht durchzuführen, weil die Uebergangspräparate Rg und S 1 mir keine entscheidenden Bilder gewähren (die von Rg deshalb, weil sie nicht gut genug conservirt sind, die von Sl wegen der zu dicken Schnitte). Als unzweifelhaft ergiebt sich vor Allem das Hervorgehen des Genioglossus aus der Sublingualplatte, denn schon bei Pr erheben sich aus der letzteren Zellenzüge, welche in den Zungenkörper hineinreichen.

Wie die Zunge nach Wurzel und Körper aus zwei ursprünglich getrennten Anlagen hervorgeht, welche sich der Länge nach an einander anfügen, so ist sie auch der Dicke nach auf zwei Anlagen zurückzuführen , eine oberflächlichere und eine tiefer liegende '), von denen jene die Etagen von Longitudinalis superior und Transversus, diese dagegen die von Genioglossus und von Longitudinalis inferior umfasst. Die tiefe Zungenanlage stammt aber ihrerseits aus derselben Zellenplatte, aus welcher auch die Media des Aortenbulbus hervorgeht, ein Ergebniss, das auf den ersten Bhck etwas auffallend erscheint. Immerhin darf die nahe Beziehung des Aortenbulbus zur Zungenanlage nicht allzu unerwartet sein, denn schon die äusserliche Betrachtung ergiebt, wie dies im ersten Heft (S. 54) hervorgehoben wurde, dass sich die Zungenanlage an derjenigen Stelle der Mundrachenwand nach einwärts verwölbt, an welcher von aussen her der Aortenbulbus anliegt.


Die Imiervation des Mundrachenraumes.

Zu Ende des ersten Monats sind die grösseren Kopfnerven soweit angelegt, dass die drei Trigeminusäste, der N. facialis, der N. glossopharyngeus und der N. vagus als breite Stämme erkennbar ■sind, und zwar tritt der zweite Trigeminusast in den Oberkiefer,


1) Es bedarf weiterer Untersuchungen, inwieweit Gegenbaue's Befunde in Betreff einer „Unterzunge" bei Säugetbieren mit obigen entwickelungsgeschichtlichen Ergebnissen in Beziehung stehen (Morphol. Jahrb. Bd. IX. S. 428).


78 Die Vorderwand des Mundrachenraumes und deren Umbildung.



der dritte in den Unterkiefer, der N. facialis in den zweiten Schlundbogen, der Glossopharyngeus in den dritten und ein Zweig des K vagus, der N. laryngeus sup., in den vierten. Der N. hypoglossus ist zu der Zeit auch schon angelegt (Heft I. S. 47 und Taf. IV 35—38), ich vermag ihn indessen nicht weiter als bis in die Nähe des Halswinkels zu verfolgen.

Noch bei den Embryonen Rg und S 1 ist die Mundinnervation wenig fortgeschritten, immerhin finde ich hier den N. hypoglossus

unter der Zungenwurzel vorbei bis in den Beginn des Zungenkörpers hineinreichend. Dagegen ist bei Embryo Seh die Innervation der Zunge und des Mundhöhlenbodens in ihren Grundzügen angelegt. Etwas über dem MECKEL'schen Knorpel spaltet sich der N. lingualis vom N. mandibularis ab, jener verläuft medialwärts, dieser lateralwärts vom Knorpel. DerN. lingualis tritt alsdann unter dem seitlichen Mundhöhlenboden weg bis in die Basis des Zungenkörpers, in die er einstrahlt. Die Zweige desselben reichen bis zur Zungenspitze, und sie bilden in einiger Entfernung von der Oberfläche, unterhalb der Schleimhautanlage, eine besondere Schicht. Unter sich ziemlich gleich an Caliber und auch gleichmässig vertheilt, kommen sie an Durchschnitten in Gestalt eines hellen Perlenkranzes zur Anschauung.

Der N. glossopharyngeus erreicht die Wand des Rachenraumes in der Höhe des Kehlkopfeinganges und wendet sich dann lateralwärts vom grossen Zungenbeinhorn nach oben. Er liegt der inneren Rachenfläche näher als das Zungenbein und sein Verlauf zeichnet sich an jener durch eine wohl abgegrenzte Längsleiste ab. Am oberen Rand der Zungenwurzel zerfällt der Nerv in eine Anzahl von Zweigen, die auch ihrerseits ziemlich gleichen Calibers sind und unter der Oberfläche die Richtung nach dem Zungenkörper einschlagen.


18.


Fig. 57.

Zungennerven vom Embryo Seh. Vergr V, IX, XII sind die OrdnungszüFern der Nerven Der N. vagus wird vom Hypoglossus umgriifen und zeigt sich im Querschnitt M, SlECKEL'scher Knorpel, weiter hinten sieht man das Zungenbein, dessen oberer Theil, das C. minus senkrecht, dessen grosses Hörn quer schraffirt ist. Das Mittelstück des Zungenbeins ist noch unvollkommen differenzirt, ebenso dasjenige des MECKEL'schen Knorpels.


Deutung der Theile im ausgebildeten Mundrachenraum. 79

Es sind dies die Nervenästchen für die Papulae vallatae und foliatae. Die Papillen selbst sind vorläufig noch nicht vorhanden und die Aestchen scheinen noch ebensowenig als diejenigen des N. lingualis die Epithelschicht der Zunge zu erreichen.

Der N. hypoglossus ist zu der Zeit der längste unter den Zungennerven. Nachdem er seinen Bogen um den Vagus herum vollführt hat, steigt derselbe, ventralwärts vom Zungenbein und vom K glossopharyngeus , in das Zungengebiet empor. Bei seinem Eintritt in den Zungenkörper kommt der Nerv etwas mehr medialwärts zu liegen, und man findet ihn nun als dicken Stamm zwischen den Anlagen der Mm. genioglossus, longit. inf. und transversus. Von da aus zertheilt er sich bald in seine weiteren Zweige.


Deutung der Theile im ausgebildeten Blundraclienraum.

Die übliche Beschreibung der Zunge verlegt die Grenze von Rücken und Wurzel an die Papillae vallatae. Die Zeilen der letzteren nämlich sollen nach dem Foramen coecum hin convergiren, und dahinter soll das Gebiet der Balgdrüsen seinen Anfang nehmen. So ausgedrückt ist indessen die Darstellung ungenau und sie bedarf einer über mehrere Punkte sich erstreckenden Correction.

Als völlig sicher kann anerkannt werden, dass das Foramen coecum auf der Grenze von Zungenrücken und Zungenwurzel liegt. In der Zunge des Foetus liegt das Foramen coecum im Winkel einer V-förmigen Furche, welche nach vorn offen ist und deren Enden die Eichtung gegen den Vorderrand der Arcus palatoglossi einschlagen. Dieselbe bezeichnet die eigentliche Grenze zwischen Zungenkörper und Zungenwurzel. Diese V-förmige Grenzfurche ist auch noch an der Zunge des Erwachsenen vorhanden und ihre beiden Schenkel pflegen in der Länge von 1 — 1 V2 cm nach vorn hin verfolgbar zu sein. Hinter derselben liegen die Balgdrüsen, davor aber Papillen. Oftmals ist sie sehr tief eingesetzt, in anderen Fällen seicht; aber auch da, wo sie weniger tief ist, erkennt man sie als eine schräge Grenzlinie, längs deren die wulstige, mit Balgdrüsen besetzte Schleimhaut der Zungenwurzel an die papillentragende des Zungenrückens anstösst. Manchmal ist das Foramen coecum ver


80


Die Vorderwand des Mundraclienraumes und deren Umbilduncr.


wachsen und sein Ort nur als Winkel der Grenzfurche erkennbar. In anderen Fällen aber findet man am Ende der scharf abgesetzten Furche ein Loch von unerwarteter Tiefe. Beim Durchsuchen einer Anzahl von Zungen habe ich zwei gefunden, welche ein Foramen coecum von 23 — 24 mm, drei andere, die ein solches von 15—16 mm dargeboten haben. '

Die Zeilen der Papulae vallatae fallen nicht in die Grenzlinie der Zungenwurzel, sondern jenseits davon in das



Fig. 58. Zunge, eines Fötus vom 6. Monat. Die Figur zeigt aucli die Plica triangularis und die dahinter liegende TonsillenbucM (s. S. 82).





Fig. 59.

Zunge eines Erwaclisenen.


Gebiet des Zungenrückens. Zwischen ihnen und der Grenze liegt eine 5—8 mm breite Zone, welche durch ihren Papillengehalt noch deutlich ihre Zugehörigkeit zum Zungenrücken beurkundet. Auch fällt der Convergenzpunkt der beiden lateralen Zeilen von den Papulae vallatae nicht in das Foramen coecum, sondern bis zu 10 — 12 mm weiter nach vorn. Meistens gehen auch beide Zeilen in sanft geschwungenem Bogen in einander über. Zwischen dem Arcus papillaris, wie wir die vereinigten Zeilen nennen können, und dem Sulcus


Deutung der Theile im ausgebildeten Mundrachenraum. 81

terminalis pflegen in der Mittellinie noch einzelne unpaare Papillen zu liegen, um so mehr, je flacher der Papillenbogen; ich habe deren bis zu vier gezählt.

Als ein besonderes Attribut des Foramen coecum pflegt man eine sehr tief eingesetzte Papille aufzufassen, die ich zur Unterscheidung als Sollt ärpapille bezeichnen will. Es ist dies die hinterste von den unpaaren Papillen, durch ihre Länge vor allen übrigen ausgezeichnet. Dieselbe tritt in der That häufig aus dem Foramen coecum hervor, allein sie steht zu diesem in keiner nothwendigen Beziehung. Sehr oft, vielleicht in der Mehrzahl der Fälle liegt sie nämlich vor dem Foramen, durch einen Zwischenraum von 1 bis 2 Millimetern davon getrennt; da wo sie aber aus letzterem hervortritt, ist sie dessen vorderer Wand eingepflanzt, als ob sie ursprünglich vor dem Loch gestanden hätte und nachträglich in die Grube wäre hineinbezogen worden. Wofern das eigentliche, durch seine Lage im Winkel der V-förmigen Grenzfurche charakterisirte Foramen coecum verwachsen ist, kann die im Umfang der Solitärpapille befindliche Grube leicht zu einer Verwechselung mit dem Foramen Anlass geben.

Wenn die vom Foramen coecum ausgehende Furche die Grenze der eigentlichen Zungenwurzel bezeichnet, so gehören die Papillae vallatae dem aus dem früheren Tuberc. impar hervorgegangenen Zungenkörper an. Die Anerkennung dieser Thatsache hat mich, wie ich nicht verhehlen will, einige Ueberwindung gekostet, denn es hatte mir, als ich diese Fragen zu behandeln begann, besonders einleuchtend geschienen, dass die beiden Hauptanlagen der Zunge auch verschieden innervirt seien. Man konnte sich vorstellen, dass die Zweige des von unten heraufwachsenden K glossopharyngeus an der Grenze der Zungenwurzel Halt machen, indem sie die Papillen vor sich hertreiben, und dass die Lingualisinnervation ihrerseits über das gesammte Gebiet der oberen Anlage sich erstrecke. Der Beobachtung zufolge überschreitet nun aber der Glossopharyngeus die Zungenwurzel, und seine Zweige greifen auf die obere Zungenanlage über. Letzterer entstammen die Papillae vallatae und foliatae ebensowohl, als alle übrigen, frei hervortretenden Papillen; die Zungenwurzel selbst erzeugt keine grösseren Papillen, sondern nur Balgdrüsen. Die Entstehung der letzteren leitet sich durch Faltungen der Schleim His, MenscM. Embryonen, lll, 6


82 Die Vorderwand des Mundrachenraumes und deren Umbildung.

haut ein, welche heim Fötus vom Schluss des dritten Monats schon wohl ausgeprägt und im Allgemeinen parallel der Zungenaxe gestellt sind.

Mit Eücksicht auf die primitiven Anlagen ergiebt sich für die Theile des entwickelten Mundrachenraumes folgende Ableitung: dem ersten Schlundbogen entspricht der Unterkiefer, dem zweiten der Arcus palatogiossus und das anstossende Tonsillengebiet, dem dritten der Uebergang der seitlichen Pharynxwand in die Zungenwurzel bez. die Strecke über der Eintrittstelle des N. glossopharjngeus in die Zunge, dem vierten Bogen endlich entstammt die Plica nervi laryngei. Der Zungenkörper und der Boden der Mundhöhle sind nicht aus Schlundbogenwülsten hervorgegangen, sondern aus einem von den ersten beiden Bogenpaaren umschlossenen Zwischenfeld. Aehnliches gilt von der Epiglottis und von den übrigen Gebilden des Kehlkopfeinganges.

Der Gaumen als eine ursprünglich vom Oberkiefer ausgehende und von da nach rückwärts sich verlängernde Leiste kreuzt (s. o. S. 66) den zweiten und dritten Schlundbogenwulst, sowie die entsprechenden Furchen. Die Reste der ersten Schlundfurche erhalten sich einestheils im Tubeneingang, anderentheils im hintersten Theil der Unterzungenfurche. Reste der zweiten Schlundfurche sind die RosenMüLLER'sche Grube und die Tonsillenbucht. ') Wenig markirt sind die Reste der dritten Furche, ihr gehört der Raum vor der Plica n. laryngei an; aus der vierten und aus deren Appendix, dem Fundus branchialis, ist der Sinus pyriformis hervorgegangen.

Die Tonsillenbucht bedarf noch einer besonderen Erläuterung, weil auch hier die herkömmlichen Lehrbuchbeschreibungen zur Charakterisirung des Gebietes nicht ausreichen. Beim Fötus vom 4. oder 5. Monat bildet der vordere Gaumenbogen den freien Rand einer dreieckigen Falte, deren Spitze in das Velum ausläuft, während die Basis sich breit in den Seitenrand der Zunge inserirt. Der hintere Rand dieser Plica triangularis überragt eine Bucht,


1) Mit der Ableitung der RosENMüLLEK'schen Grube aus der zweiten Scblundfurche stimmt auch deren Lagebeziehung zur Carotis interna. Dies aus dem dritten Aortenbogen hervorgegangene Gefäss liegt bekanntlich hinter jenem Theile des Pharynxraumes.


Deutung der Theile im ausgebildeten Mundrachenraum.


83


welche dem früheren Zwischenraum zwischen dem zweiten und dem dritten Schlundbogenwulst entspricht und welche von einer Fortsetzung der Schleimhaut ausgekleidet ist (Fig. 58 S. 80). i) Die Auskleidung dieser Bucht schwillt in der Folge an und gestaltet sich durch Auftreten von adenoidem Gewebe zur Tonsille um, ein Vorgang, der schon vor der Geburt eingeleitet erscheint. In den meisten Fällen erfährt die Schleimhaut eine so allgemeine Faltung und Schwellung, dass



Fig. 60.

Plica triangulariä und Fossa snpratonsillaris vom Erwachsenen.


Spuren der früheren Bucht kaum noch in den wenig charakteristischen Tonsillenhöhlen übrig bleiben. Allein auch dann wird man beim Erwachsenen meistens noch das Gebiet der früheren Plica trian


1) KöLLiKEK sagt von der Tonsillenanlage : „im fünften Monat ist jede Tonsille ein glattes Säckchen mit spaltenförmiger Oeifnung und einigen kleinen Nebenhöhlen, dessen mediale Wand fast wie eine Klappe erscheint." Was hier Kölliker als eine klappenartige Bildung auffasst, ist meine Plica triangularis.


84: Die Vorderwand des Mundrachenraumes und deren Umbildung.

gularis als eine den vorderen Theil der Tonsille bedeckende glatte riäche zu erkennen vermögen. In anderen, nicht allzu seltenen Eällen erhält sich indessen die ursprüngliche Disposition der Q-egend in wenig veränderter Form als eine bleibende, d. h. man findet eine wohl ausgeprägte Plica triangularis und eine nicht minder ausgeprägte, über der Tonsille befindliche Bucht. Seitdem ich angefangen habe, im Präparirsaal auf diese Dinge zu achten, sind mir eine ganze Anzahl mehr oder minder charakteristischer Präparate durch die Hände gegangen. Von einem derselben gebe ich vorstehende Skizze. Hier ist die Plica an ihrem hinteren Eande völlig frei, und sie überdeckt theilweise die Tonsille. Letztere besitzt an ihrer freien Oberfläche eine Höhe von ca. 22 mm, sie erreicht das obere Ende des Interstitium interarcuarium nicht, vielmehr liegt hier die weite Oeffnung einer geräumigen Höhle, in welche ich eine federkieldicke Sonde auf 1 '/2 cm Tiefe einschieben kann.

In einem anderen Fall habe ich bei gleichfalls freiem hinteren Saum der Plica triangularis zwar eine grosse Tonsille vorgefunden, allein dieselbe hat auch hier nur den unteren Theil des betreffenden Eaumes eingenommen, und über ihrem wohlabgegrenzten oberen Ende hat eine tiefe, von glatter Schleimhaut ausgekleidete Bucht gelegen. Bei minder scharfer Localisirung der, Tonsille wird eine entsprechende Bucht meistens noch daran erkennbar sein, dass unter den anscheinenden Tonsillengruben eine obere besonders hoch heraufreicht. Die Bucht verdient ihres typischen Verhaltens wegen als Fossa supratonsillaris in die anatomische Beschreibung dieser Gegend mit aufgenommen zu werden. ') In Betreff ihrer Ausbildung gilt dasselbe, wie von der EosENMüLLER'schen Grube. Auch diese letztere zeigt sich ja äusserst wechselnd in ihrer Weite und Tiefe, je nachdem die adenoide Wucherung ihrer Schleimhautauskleidung den ursprünglich offenen Kaum mehr oder minder stark ausgefüllt hat.


1) Unter den Abbildungen, die ich verglichen habe, zeigt eine von Sappet im Traite d' Anatomie 3. Aufl. Bd. IV. p. 134 mitgetheilte eine sehr deutliche Plica triangularis und Fossa supratonsillaris. Der den Gaumen behandelnde Text spricht nicht davon (S. 51), dagegen heisst es in der Figurenerklärung: „Pilier anterieur du volle du palais, de figure triangulaire, ä base inferieure, recouvrant le tiers anterieur de l'amygdale."


Deutung der Theile im ausgebildeten Mundrachenraum. 85

Die Eiclitung der Fossa supratonsillaris führt schräg nach hinten und oben hin. In einigen Fällen besonders guter Ausbildung habe ich nach Ablösung der Schleimhaut gefanden, dass sich die Grube eine Strecke an die Rückfläche des M. levator palati angeschmiegt hat. Hinter ihr liegt unter allen Umständen der M. palatopharyngeus , und dieser Muskel trennt die Fossa supratonsillaris von der RosENMüLLER'schen Grube. Im Uebrigen führt die verlängerte Richtung derselben auf jenen Ausschnitt des obersten Schlundschnürers hin, welcher die RosENMüLLER'sche Grube von unten her umgreift.


Die Kopfnerven und ihre Bezieliiiugen zu den Gliedern des Kopfes.


Wie zu den Arterienbogen, so haben die primitiven Glieder des Kopfes bestimmte Beziehungen zu den auftretenden Nervenstämmen, ein jedes derselben wird zum Träger eines Hauptnervenstammes. Von den drei Aesten des N. trigeminus tritt der erste in den Stirntheil des Kopfes ein, der zweite in den Ober-, der dritte in den Unterkiefer. Der N. facialis gelangt in den zweiten, der N. glossopharyngeus in den dritten Schlundbogen ; in den vierten Schlundbogen endlich geht ein Zweig des N. vagus, der spätere N. laryngeus superior. Der übrige Theil des Vagusstammes steigt hinter dem vierten Schlundbogen vorbei in den Kumpf herab, den Weg gegen die von ihm zu versorgenden Eingeweide einschlagend (Fig. 4S S. 69).

In schematischer Einfachheit stellt sich beim menschlichen Embryo das Verhältniss am Schluss des ersten Monats dar, und ich gebe zur Erläuterung das Bild vom Embryo Pr mit den einconstruirten Nervenstämmen. In beinahe gestrecktem Verlauf gehen die dicken Nervenstämme von ihren Ganglien aus nach den betreffenden Kopfsegmenten hin. Innerhalb der letzteren sind sie auf kurze Strecke verfolgbar und hören dann plötzüch auf.

Die einfachen Beziehungen der Nervenstämme zu den Ghedern des Kopfes weisen auch auf einfache Grundbedingung der Zusammengehörigkeit hin. In der Hinsicht ist vor allem zu beachten, dass der Zeitpunkt, in welchem die primitive Gliederung des Kopfes sich eben vollendet hat und in ihrer typischen Form vorliegt, zusammenfällt mit dem Termin des Hervorwachsens der Nervenstämme. Längs einer Bahn geringsten Widerstandes vordringend, gelangt ein jeder von den grossen Stämmen auf kürzestem Wege in das zunächstliegende Kopfglied hinein, und wenn er dann bei seinem weiteren Fortschreiten auf locale Ausbreitungshindernisse stösst, treten


Die Kopfnerven und ihre Beziehungen zu den Gliedern des Kopfes. 87

Abweiciiungeii von der ursprünglichen Richtung und Theilungen des Stammes ein. In gleicher Weise folgen ja auch die Aortenbogen, indem sie in die Schlundwülste eintreten, den Bahnen geringsten Widerstandes. Yon der Anheftungsstelle des Aortenbulbus aus dringen Gefässe überall durch, wo sie Raum finden. Offene Bahnen treffen sie aber nur da, wo die ectodermale und die endodermale Epithelschicht der Wand klaffend auseinander weichen; da wo dieselben am Furchengrund sich begegnen, ist die Entstehung von Gefässen von vornherein ausgeschlossen, i) Dabei werden sämmtliche disponible Bahnen benutzt, denn selbst in die vor dem Respirationsrohr herab sich erstreckende Lücke tritt jederseits ein besonderer Stamm als A. pulmonalis ein.

Einige von den Kopfnerven haben zu den primitiven Gliedern des Kopfes keine directen Beziehungen. Ausser den höheren Siunesnerven sind dies die Augenmuskelnerven, der N. accessorius und der N. hypoglossus. Die Geschichte der Augenmuskelnerven und des Accessorius erlaube ich mir vorläufig bei Seite zu lassen, da meine Präparate über die Anfangsstufen ihrer Entwickelung kein Urtheil gestatten. Was dagegen den N. hypoglossus betrifft, so ist leicht zu sehen, dass er zur primären Kopfgliederung in keiner directen Beziehung steht, da er die hinteren Bogensysteme der Reihe nach kreuzt. Sein Hauptausbreitungsgebiet ist die von den Schlundbogen umgriffene Inframaxillargegend, und nur in secundärer Weise geht er auch auf solche Muskeln über, die, wie die Mm. styloglossus und hyoglossus, den Schlundbogen selbst entstammen. Hinsichtlich seines Austrittes aus dem MeduUarrohr verhält sich der N. hypoglossus wie eine vordere Spinalwurzel. Seine Fasern treten vom Kern aus direct zur ventralen Markfläche und verlassen diese in einer schräglateralen Richtung (Taf. IV Fig. 36 bis 38). Später, wenn zwischen Gehirn und Schädel ein breiterer Zwischenraum entstanden ist, verliert sich die Divergenz der Ausstrahlung für den intracraniellen Theil der beiden Hypoglossusstämme, aber sie erhält sich für die den Schädel durchsetzende Strecke, und es führt die Bahn direct zur Aussenseite des N. vagus und dieser entlang gegen den einspringenden Halswinkel hin. Da erfolgt dann später die


1) Monogr. der Hühnchenentwickelung S. 42.


88 Die Kopfnerven und ihre Beziehungen zu den Gliedern des Kopfes.

Theilung in das Stück, welches an den Schlundbogen vorbei nach dem Inframaxillargebiet einschwenkt, und in den Ramus descendens. Die ursprünglich so einfache Anordnung der primären Nervenstämme gewinnt an Complication einmal dadurch, dass das Verzweigungsgebiet der Stämme immer mehr sich ausdehnt, dann aber auch durch die Umlagerung der Schlundbogen und durch die Aenderungen in der Biegung des Hirnrohres. Fig. 62 zeigt die Kopfnerven von Embryo Seh und aus dem Vergleich mit Fig. 61 ergiebt sich, dass die früher beinahe gestreckt verlaufenden Schlundbogennerven , der R. III n. trigemini, der N. facialis, der N. glossopharyngeus und der N. laryngeus superior durchweg stark ausgeprägte



Fig. 61.

Kopfaerven vom Embryo Pr. Vergr. 36.

Bogenlinien mit rückwärts gekehrter Convexität beschreiben. Im Wesentlichen zeigen nunmehr die Stämme eine Verlaufsrichtung, die der bleibenden entspricht. Wir haben den dem Unterkiefer folgenden Bogen vom Lingualis und Mandibularis, welche beiden Nerven durch den MECKEL'schen Knorpel von einander geschieden sind. Wir haben ferner den hinter dem Ohr vorbeiführenden Bogen des Facialis, sowie den späteren Arcus tonsillaris des N. glossopharyngeus.

Es folgt aus der in früheren Abschnitten wiederholt erörterten Uebereinanderschiebung der Schlundbogen, dass der dem 4 Bogen angehörige N. laryngeus sup. am meisten medialwärts zu stehen kommt, und dass auch der N. glossopharyngeus nicht allein weiter nach hinten, sondern auch mehr nach innen liegt, als der N. fa


Die Kopfnerven und ihre Beziehungen zu den Gliedern des Kopfes. 89

Cialis. Der N. giossopharyugeus tritt, der Richtung des zugehörigen Schlundbogenwulstes gemäss in die Zungenwurzel ein. Der Facialis dagegen hält sich an den Aussenwulst seines Bogens und participirt demnach (abgesehen natürlich von der Chorda) nicht an der Innervation der Zunge.

Gerade das Beispiel des N. facialis kann besonders deutlich zeigen, wie nebensächlich die Beziehung der Nerven zu den Schlundbogen und überhaupt zu den primitiven Kopfgliedern ist. Während nämlich dieser Nerv den aus dem zugehörigen Schlundbogenwulst



Fig. 62.

Kopfnerven vom Embryo Scli. Const. Vergr. 18.

hervorgegangenen Theil der Zunge vermeidet, treten seine Ausstrahlungen späterhin innerhalb der unter dem Ohr weglaufenden Verbindungsbrücke in das Unterkiefer- und Oberkiefergebiet und schliesshch sogar in dasjenige der Stirnfortsätze ein. Wann diese letztere Ausbreitung erfolgt, habe ich bis jetzt nicht genauer verfolgt. Jenseits des Pes anserinus, welcher bei Embryo Seh. schon vorhanden ist, habe ich die Stämmchen bald aus dem Gesicht verloren.

Ein anderes Beispiel dafür, dass die Nerven bei ihrer Ausbreitung der primären Körpergliederung nur bedingungsweise sich anschliessen, liefern die oberen Halsnerven. Ihren natürlichen Ausbreitungswegen folgend, gelangen diese einerseits an den Hinterkopf,


90 Die Kopfnerven und ihre Beziehungen zu den Gliedern des Kopfes.

von dem sie in weiter Ausdehnung Besitz ergreifen, andererseits aber zur Brustwand herab, vor der sie als Nn. supraclaviculares gleichfalls weit über ihr zugehöriges Segmentgebiet hinaus vordringen.

Ich fasse noch einmal die gewonnenen Gesichtspunkte zusammen :

Indem die Nerven theils vom Medullarrohr, theils von den Ganglien aus peripheriewärts auswachsen, folgen sie den Bahnen geringsten Widerstandes. Das Auswachsen schreitet in der einmal gegebenen Richtung vor, so lange nicht kleinere oder grössere Widerstände Ablenkungen oder Stammtheilungen herbeiführen. Dem entsprechend ist der Anfangsverlauf ein gestreckter oder ein schwach gebogener.

Insoweit nun die primäre Kopf- und Rumpfgliederung auch die Richtung der disponiblen Bahnen bestimmt, werden die auswachsenden Nerven der Segmentirung sich anschliessen , um so mehr, da die Zeit der schärfsten Segmentausprägung mit der Zeit der ersten Nervenausbreitung grossentheils zusammenfällt. Indessen sind für einzelne Nerven schon die ersten Ausbreitungsbedingungen von der Segmentirung unabhängig. Andere treten secundär mit ihren Endzweigen aus dem Segmentgebiet heraus, in das ihr Hauptstamm anfangs eingetreten war. In letzterer Hinsicht erscheint es bedeutungsvoll, dass in Folge der stattfindenden Umlagerung Stämme, die ursprünglich eine gestreckte Richtung besessen hatten, stärkere Biegungen erfahren, wobei die Richtung des im Auswachsen begriffenen Endabschnittes eine von der ursprünglichen Hauptrichtung des Stammes abweichende wird.

Noch komme ich mit einigen Worten auf den oben angedeuteten Einfluss der Hirnbiegung auf die Richtung der Kopfnervenstämme zurück. Die Vergleichung der Figuren 61 und 62 ergiebt, dass von der Stufe vom Pr ab zu derjenigen vom Seh das Hirnrohr eine weit stärkere Biegung erfahren hat. Der Nackenkrümmung entsprechend, hat sich zwischen Hirn und Rückenmark ein tiefer Einschnitt gebildet, während andererseits die Brückenkrümmung das Uebergangsgebiet vom Nach- und Hinterhirn weit herabgeführt hat. Diesem Verhältniss entspricht, dass für die hinteren Kopfuerven der Anfangstheil der Stämme viel gestreckter erscheint, als für den dritten Trigeminusast und den N. facialis; jene sind emporgehoben, diese herabgedrängt worden.


lieber die Herkunft der Kopfmiisciilatiir.


Indem ich hier den Versuch anreihe, die Kopfmuskeln auf ihre Herkunft zu deuten, muss ich von vornherein erklären, dass ich den Versuch nur mit einiger Reserve unternehme. Ein abschliessendes Urtheil wird nur von der directen Beobachtung der einzelnen Umbildungsvorgänge zu erwarten sein, die ich zur Zeit noch nicht zu liefern im Stande bin. Immerhin liegen schon jetzt mancherlei Unterlagen vor, die wenigstens einen vorläufigen Versuch rechtfertigen.

Im Vorderkopf ist die Entwickelung der Musculatur gegenüber der so bedeutenden des Medullarrohres nur unbeträchtlich. Die drei Stirnfortsätze mit dem Oberkieferfortsatz produciren ausser den Augenmuskeln nur die dünne vom Facialis innervirte Gesichtsmusculatur nebst dem M. buccinatorius. Eine kräftigere Muskelentwickelung beginnt erst mit dem Uebergang zum Hinterkopf: dem Unterkieferfortsatz gehören die drei grossen Kaumuskeln, die Mm. temporalis, masseter und pterygoideus internus an, während der M. pterygoideus externus aus jenem zwischen Ober- und Unterkieferfortsatz eingeschobenen Verbindungswulst zu entstehen scheint, welcher den primitiven Mundwinkel begrenzt (man vgl. z. B. Taf. XIII Fig. 5). Der dem Unterkieferfortsatz zunächst angehörige Ram. III n. trigemini überschreitet, abgesehen vom K auriculotemporalis, sein Gebiet mit zwei Aesten, einestheils mit dem R. lingualis, anderntheils mit dem R. mylohyoideus, welche beiden Nerven zu Theilen des Mesobranchialgebietes hintreten.|

Unabhängig vom Unterkieferfortsatz entwickeln sich die Muskeln des Mesobranchialgebietes, die Muskeln des Zungenkörpers und des


92 Ueber die Herkunft der Kopfmusculatur.

Mundhöhlenbodens. Ein Theil derselben sind echte Eingeweidemuskeln, d. h. sie entwickeln sich aus der Muskelschicht, welche die ventrale Wand des Vorderdarmes bekleidet hatte, die übrigen entstammen der musculösen Seitenwandschicht der Parietalhöhle. Zu den ersteren gehören wahrscheinlich (s. o. S. 76) die Mm. geniogiossus und longit. inferior, zu den letzteren der geniohyoideus, mylohyoideus und digastricus. Derselben Quelle, wie die letztgenannten Muskeln, entstammen auch die unteren Zungenbeinmuskeln, die Mm. sternohyoideus, sternothyreoideus , thyreohyoideus, sowie der obere Bauch des omohyoideus. Der M. sternocleidomastoideus aber bildet sich in dem verdickten Streifen, der an der Umschlagsstelle des ventralen TJnterkieferandes in die Parietalhöhlenwand gelegen ist (Fig. 54). Der Muskel entstammt somit der primitiven Kopfanlage. Sein dem Kopf bleibend angehöriger Partner ist der M. digastricus, und zwar muss dessen Anlage ursprünglich in ihrer ganzen Länge dem Sternocleidomastoideus beigeordnet gewesen sein. Denkt man sich nämlich den Unterkiefer auf dem Brustbein ruhend, so sind diese beiden Muskeln in ihrer ganzen Länge parallW zu einander gestellt. Der vordere Bauch des Digastricus entspricht alsdann der unteren Hälfte des Sternocleidomastoideus, der hintere Bauch seiner oberen.

Die Musculatur der unteren drei Schlundbogen beginnt hinter dem Ohr und liegt im Allgemeinen in der Tiefe. Als unzweifelhafte Abkömmlinge des zweiten Schlundbogens sind die Mm. palatoglossus und styloglossus , sowie der Levator palati moUis zu betrachten, während der Tensor noch zum Unterkieferbogen zu zählen ist. Der M. stylopharyngeus gehört dem dritten Bogensystem an, es ergiebt sich dies aus seiner nahen Beziehung zum K glossopharyngeus und aus seiner tiefen Insertion. Vielleicht ist auch der M. palatopharyngeus aus derselben Quelle abzuleiten; derselbe kreuzt zwar das Gebiet der zweiten Spalte, allein dies ist möglicherweise durch eine secundär entstandene Verbindung des Muskels mit dem Gaumen zu erklären. In Betreff der Stellung des M. hyoglossus kann man etwas zweifelhaft sein, seine Beziehung zur Zunge selbst und zum Zungenbein spricht sehr dafür, dass er dem dritten Bogen zugetheilt werde, und nur seine Entfernung von den übrigen Gebilden des letzteren mae' etwas stutzig- machen. Indessen ist dabei


lieber die Herkunft der Kopfmusculatur. 93

folgendes Verhältniss ins Auge zu fassen; an allen Schlundbogen bildet sich mit zunehmender Entwickelung eine winkelige Knickung, durch welche das ventrale Bogenende eine andere Sichtung annimmt als das dorsale. Diese Knickung äussert sich in der gebrochenen Form des Unterkiefers, in der Beziehung des vorderen Gaumenbogens zur Zunge und in der Verlaufsweise des N. glossopharyngeus. Gerade am dritten Bogen tritt die Knickung sehr früh und in einer schon äusserlich wahrnehmbaren Weise ein (Tafel I Fig. 2). So scheint es. Alles in Allem, doch richtig, den M. hyogiossus als Product des ventralen Stückes des dritten Bogens aufzufassen, während der M. stylopharyngeus dem dorsalen Stück entstammt. Dem dritten Bogen möchte endlich noch der oberste Schlundschnürer zuzuweisen sein, während die beiden unteren Schnürer, wenigstens tlieilweise, das Gebiet des vierten Bogens mit umfassen. Inwieweit sich die beiderseitigen Gebiete decken, lasse ich noch als offene Frage stehen. Dass die zwei oberen Schlundschnürer, gleich den davorliegenden Theilen, der primären Kopfanlage angehören, halte ich für unanfechtbar, allein auch der dritte scheint mir nach seiner breiten Insertion am Schildknorpel mehr der primären Kopf- als der primären Eumpfanlage zuzugehören. Die Grenze des primären Kopfes fällt ja auf den unteren Schildknorpelrand, und dieser wird vom unteren Schnürer nur um Weniges nach abwärts überschritten. Die fächerförmige Faserausbreitung in allen drei Schlundschnürern erklärt sich nach einem Blick auf irgend eine unserer Embryonentafeln von selbst, es kehrt eben in den drei Fächern die Grundform des primitiven Halskeiles wieder, von der in einem späteren Abschnitte noch ausführlicher die Rede sein wird.


lieber die Entstellung der Speicheldrüsen- nnd der ersten Zalinanlagen.


Indem der Zungenkörper sicli entwickelt, bildet sich jederseits von ihm eine flache Erhebung des Mundbodens, welche anfangs einen ziemlich breiten Eaum einnimmt (Fig. 54 und 55). Die beiden Seitenleisten sind sowohl vom Zungenkörper, als vom Unterkiefer durch eine einspringende Furche abgesetzt, nach rückwärts enden sie vor der Zungenwurzel. Je mehr die Zunge über ihre Basis sich emporwölbt, um so mehr werden die neben ihr liegenden Leisten gegen den Unterkiefer herangedrängt und dabei vertiefen sich die sie begrenzenden Furchen. Besonders gilt dies von der medialen, von der Zunge direct überdeckten Furche. Diese beginnt nun durch Yerwachsung ihrer oberen Eänder vom Mundraum sich abzuschliessen. Schon bei Embryo Seh läuft das hintere Ende der Furche in ein blind endigendes Epithelialrohr aus, die Anlage der Glandula submaxillaris. Bei Zw ist die Drüsenanlage umfänglicher geworden und gelappt. Der WnARTON'sche Gang aber verlängert sich von hinten nach vorn dadurch, dass der offen gebliebene Theil der Spalte immer mehr überbrückt wird, bis dann schliesslich nur noch die vordere Oeffnung frei bleibt. Der N. lingualis muss selbstverständlich unter der Spalte vorbeitreten, um in die Zunge zu gelangen, und so erklärt sich auch das definitive Verhältniss der Umgreifung des WnAETON'schen Ganges durch den Nerven.

Die Anlage der Glandula subungualis bildet sich erheblich später, als diejenige der Gl. submaxillaris. Noch bei Embryo Zw ist sie nicht vom Mundraum abgelöst. Dieselbe geht, wie ich ver


Ueber die Entstehung der Speicheldrüsen- und der ersten Zahnanlagen. 95

muthe, aus der an den Unterkiefer anstossenden lateralen Furche des Mundbodens hervor, die, wie Fig. 64 zeigt, allmählicli sehr



Fig. 63.

Durchschnitt der Zange und des Mundbodens vom Embryo S 1. Vergr. 15. Zq Zunge, Sm Submaxillarrinne, N. l Nerv, ling., N.Xtl N. hypogl.


\ ^v-^ "^^ ' V-A n


ö c ö ;,- ff


,^



Fig. 64.

Durchschnitt durch die Mundhöhle TOm Embryo Seh. Vergr. 20. Zg Zunge, D. s Ductus submasillaris, S. l Sulcns subungualis, -iV. l Nerv, lingualis, i\^. m Nerv, mandibularis, i^./ Nerv, facialis, C. J/ Cart. Meckeli.


ijl/jillL'i^



c^P


Fig. 65.


Schrägschnitt durch die Mundhöhle vom Embryo Zw. Vergr. 18. Abtrennung des Submasillarganges. S. 2 Septum linguae, K.l Kerv. ling., XII N. hypogl , CM Cart. MbckeIjI, N.m Nerv, mandibularis , Ol. sm

Glandula submaxillaris, S. l Sulcus subungualis, Z Zahnanlage, P Parotisanlage.


eng und tief geworden ist. Ueber den genaueren Hergang der Drüsenbildung erlaube ich mir nicht, speciellere Vermuthungen zu formuliren.


96 Ueber die Entstehung der Speicheldrüsen- und der ersten Zahnanlagen.

Die Gl. Parotis legt sich gleichfalls später an als die Suhmaxillardrüse, früher jedoch, als die Subungualis. Bei Embryo Zw ist sie eben erkennbar als eine noch unter der Wange liegende, solide Zellenknospe. Es geht diese Anlage aus jener tiefen Furche hervor, welche den Unterkiefer vom Oberkiefer scheidet, und zwar hat sie, soweit ich bis jetzt ersehe, ihren Ausgangspunkt an einer Stelle, an der die fragliche Furche eine plötzliche Aenderung der Eichtung erfährt.

Bei Embryo Zw macht sich auch die erste Einleitung zur Zahnbildung bemerkbar. Sowohl der Oberkiefer, als der Unterkiefer zeigen an ihrer freien Oberfläche bereits offene Gruben, deren Grund sich eben zum Papillenwulst emporzuwölben beginnt und deren epitheliale Auskleidung bereits erheblich verdickt ist.


Bildung der ScMlddiilsenanlage.


Die Bildung der mittleren Schilddrüsenanlage ist in einem der vorangegangenen Abschnitte bereits erörtert worden. Indem die Zungenwurzel durch medianes Zusammentreffen der zweiten und der dritten Schlundbogenwiilste sich anlegt, wird ein Theil des primären Mundhöhlenbodens überbrückt und in eine von der Zungenwurzel bedeckte blinde Bucht einbezogen. Diese Bucht schliesst sich weiterhin dadurch zur gesonderten Höhle ab, dass der Zungenkörper an die Zungen wurzel heranrückt und mit ihr sich verbindet. Die also abgegrenzte mittlere Schilddrüsenanlage ist eine zweitheilige Epithelblase und sie steht durch einen engen Gang, den Ductus thyreo gl ossus, mit der Zungenoberiiäche in Verbindung (Taf. II Fig. 41 und Taf. XD Fig. 106).

Diese zuerst auftretende mittlere Anlage hat man lange Zeit für die einzige gehalten, zu ihr kommen aber laut den neuen Befunden von Wölfler, Stieda und Böen noch zwei Seitenanlagen hinzu, welche Born von dem Epithelbelag der vierten Schlundtasche ableitet. Den Befund der seitlichen Schilddrüsenanlagen kann ich völlig bestätigen, wogegen ich für die Ableitung derselben eine etwas andere Darstellung geben muss, als Born. Die seitlichen Schilddrüsenanlagen entstehen dadurch, dass sich der untere, neben dem Kehlkopfeingang hegende Theil des primären Rachenbodens von der Haupthöhle abschliesst und zu einem selbständigen, dem Kehlkopf seitlich anhegenden Epithelial gebilde umwandelt.

Der Vorgang leitet sich schon auf der Stufe von Pr ein. Hier ist der frühere Sulcus arcuatus (S. 62) durch das Einwärtswachsen der dritten und der vierten Schlundbogenwülste grossentheils über His, Mensclil. Embryonen. UI. 7


98


Bildung der Schilddrüsenanlage.


brückt worden, und es findet sich nunmehr jederseits von der Furcula eine Spalte, deren pharyngeale Zugänge zwar noch offen sind, deren Grund aber grossentheils verdeckt ist. Bei Pr erstreckt sich das obere Ende des bedeckten Spaltraumes eine Strecke weit vor dem dritten Bogenwulst herauf und schliesst dann als blinde Tasche ab. Der vierte Bogen aber überbrückt völlig frei die untere Fortsetzung der Spalte, die dann schliesslich im Fundus branchialis offen ausläuft. (Bei Fig. 48 S. 69 ist die Ausdehnung der überdeckten Spalte punktirt angegeben.)

Die Isolation des fraglichen Raumes schreitet von oben nach abwärts vor. Es schliesst sich zunächst die zwischen dem dritten und dem vierten Wulst gelegene Verbindungsspalte und etwas später auch diejenige, die unter dem vierten Wulst vorhanden war. Bei Embryo Sl Fig. 66 u. 72 ist diese letzte Verbindung zwischen dem Sinus pyriformis und der seitlichen Schilddrüsenanlage noch vorhanden. Die seitliche Schilddrüsenanlage biegt sich stark nach vorn, sie ist durch Einschnitte in mehrere hohle Knospen getheilt. Mit dem Mittelstück hat sie sich zur Zeit noch nicht verbunden. Letzteres liegt vor den seitlichen Anlagen und etwas tiefer als diese, und es hängt durch den langen, schräg vor dem Kehlkopf herabsteigenden Ductus thyreoglossus mit der Zungenoberfläche zusammen. Als Ganzes betrachtet bilden die drei Schilddrüsenanlagen schon bei Embryo Sl einen Bogen, welcher den Kehlkopf und das obere Ende der Trachea hufeisenförmig umgreift.

Bei Embryo Seh sind die Seitenanlagen und das Mittelstück der Schilddrüse zusammengerückt, und jene haben sich vom Pharynx nunmehr vollständig emancipirt. Dabei sind sie erhebhch voluminöser, als das Mittelstück und die spätere Grundform des Organes ist auch in diesem Punkte schon vorausbestimmt (Fig. 76 S. 125}. Die Hufeisenform der Schilddrüse findet sich in einer Zeit an


Flg. 6G.

Profilconstruction der Schilddrüsenanlagen und der

Thymus vom Embryo S I. Yergr. 25. m. S und s. S Spina vestibuli,

AI hintere Atrioventricularlippe.


Die Area interposita, EusTACHi'sche Klappe und Spina vestibuli. 151


fläche dem Vorhofsraum als Area interposita zugewendet ist. Tor der Lungen- und der Magenanlage beginnend, geht derselbe medianwärts vom Sinus reuniens vorbei in die hintere Vorhofswand über. Der Keil ist in einem grösseren Theil seiner Ausdehnung dreikantig. Von den Kanten sind zwei lateralwärts gerichtet und bilden den hinteren und den vorderen Grenzsaum des Sinus reuniens bez. seiner Ostien. Die dritte, nach vorn gerichtete Kante legt sich als mediale Grenze der Area interposita eine Strecke weit dem Septum superius an und pflegt, wenigstens stellenweise, frühzeitig mit diesem zu verwachsen.

Der eben beschriebene Bindegewebskeil erfährt in der Folge eine zunehmende, nach vorn und medianwärts gerichtete Drehung. Dadurch und zum Theil wohl auch durch gleichzeitiges Wachsthum springt derselbe weit in die Vorhofshöhle hinein vor und gestaltet sich zu einer selbständigen Anlage der Herzscheidewand. In dieser Eigenschaft bezeichne ich ihn als Spina vesti


99 und 100.


Darclisohnitte durch Sinus reuniens und darch. den Herzvorhof von Pr. Vergi'öss. 27. Ob. E.v Obere Ext., Ao Aorta, V. c Vena cardinalis, C. du.C.s Vena Cava sup. dextra und sinistra, S. r Sinus reuniens, R. Vh und L. Vh rechter und linker Vorhof, V. A Vena Aranzii, P. s Septum spurium, Lg Lunge, Oe Oesophagus, Mg Magen, Lb Leher, Ün Ürnieren.


152


Das Herz.


buli. Die rechtsseitige Ecke der Spina nimmt das Ende der EuSTACHi'sclien Klappe auf und bildet mit dieser den Boden des Saccus reuniens (Fig. 98).


Der Ohrkanal und die Bildung der Ostia yenosa.

Der zwischen Ventrikel und Vorhof liegende Ohrkanal ist, wie wir früher sahen, in seiner Muskelwand ein etwas abgeplattetes


TTcd



Fig. 101.

Herz von Pr von der rechten Seite her eröffnet. Vergr. 40. V. c. d Vena Cava snp. dextra, P. s Sept. spurium, S.s Sept. snp., S.r Sinus reuniens, S Spina vestibuli, Y. i Vena Cava inf., S. i Septum inferius, S. a Septum aorticnm , Ao Aortentulbus , D Diaphragma.

cylindrisches Eohr, die Lichtung seiner Blutbahn dagegen stellt eine Querspalte dar, die in der Mitte eng, an den beiden Kanten ausgeweitet ist. Der Zwischenraum zwischen dem Endothel- und dem Muskelrohr wird durch eine weiche Bindesubstanz ausgefüllt, und so entstehen zwei breite und zwei schmale, die Lichtung umgebende Substanzleisten, die Atrioventricularlippen von Lindes oder


Der Ohrkanal und die Bildung der Ostia yenosa.


153


Endothelkissen von F. Schmidt. Durch das Verhalten der Herzohren zum Ohrkanal wird übrigens bedingt, dass der Eand des letzteren eine Strecke weit in den Yorhofsraum hineinragt.

In seiner vollen Entwickelung zeigt sich der Ohrkanal noch bei den Embryonen A, B und bei Pr. Allein schon nach Kurzem ist er als selbständiger Herzabschnitt geschwunden und der Yorhof sitzt jetzt dem Yentrikel unmittelbar auf. lieber das Yerbleiben des früheren Ohrkanals geben Durchschnitte unzweideutigen Aufschluss : derselbe ist von der anstossenden Yentrikelwand umgriffen



Fig. 102.

Herz Pr you der linken Seite. Bei^eiclinungen wie bei Fig. 101. V. c. s Vena Cava snp. sinistra.


AI Atrioventricularlippe,


worden •) und, wie früher in den Yorhof, so ragt er jetzt mit scharfem Eande in den Yentrikelraum vor, als ob er durch eine vom Yorhofe her wirkende Kraft in denselben wäre vorgeschoben worden. Dabei zeigt sich auch die anstossende Yentrikelwand etwas eingestülpt,


1) „II est repris successivetaent dans les chairs du coeur" sagt Haller mit einem glücklichen Ausdruck vom schwindenden Ohrkanal (1. c. IL 77.)


154


Das Herz.


und zwischen ihr und dem früheren Ohrkanal ist eine schmale Spalte entstanden, die alsbald durch einen prismatischen Bindegewehsstreifen ausgefüllt wird (Fig. 103).

Da die Kante des Septum inferius schräg unter dem Ohrkanal durchläuft, so gelangt ein Theil der vorgeschobenen Wand in die rechte, ein anderer in die linke Ventrikelhälfte. Aus der röhrenartig hereinhängenden Falte bildet sich die Anlage für die peripherischen Segel der Atrioventricularklappen.





Fisr. 103.

Sclinitt durc'a das Herz vom Embryo Q-. Vergr. 36. Oe Oesophagus, Lg Lunge, M. pp Membrana pleuro-pericardiaoa, S. r. d und S. r. s Sinus reuniens recbtes und linkes Hörn, F. E Yalv. Eust., S. int. Septum intermedium , S. inf. Sept. iuf. , S. a Septum aorticum.



Zugleich mit dieser Einstülpung des Ohrkanals hat sich eine weitere Veränderung vollzogen, von deren Natur Figur 103 eine Uebersicht zu geben vermag. Zwischen Vorhof und Ventrikel liegt jetzt ein breiter Bindegewebspfropf , welcher mit der Eückwand des Vorhofes durch einen verjüngten Stiel in Verbindung steht. Gleich einem Spritzenstempel erscheint er in die Lichtung de"s Ohrkanals


Der Ohrkanal und die Bildung der Ostia venosa. 155

eingeschoben und er lässt von derselben jederseits nur einen schmalen Gang frei, die nunmehrigen Ostia atrioventricularia dextrum und sinistrum.

Das eben beschriebene gestielte Gebilde bezeichnen wir als Septum intermedium. Es ist gemischten Ursprungs und dadurch entstanden, dass die aus der hinteren Yorhofswand hervorgetretene Spina vestibuli mit der benachbarten hinteren und weiterhin auch mit der vorderen Atrioventricularlippe sich verbunden hat. Aus letzteren beiden ist der breite Stempel des Septum intermedium hervorgegangen, die Spina vestibuli hat dessen Stiel geliefert. Beide Bildungen stimmen auch histologisch überein, da sie beide bindegewebiger Natur sind, ihre Grenze markirt sich noch eine Zeit lang durch die ungleiche Dichtigkeit des Gefüges. Mit dem Stiel des Septum intermedium bleibt das untere Ende der EuSTACHi'schen Klappe verbunden.

Der Stempel des Septum intermedium und die Kante des Septum inferius begegnen sich, und indem sie sich mit einander verbinden, wird die Trennung der Ventrikel vervollständigt. Bei Embryo i9- (Fig. 103) ist die Begegnung beider Septa noch nicht erfolgt, bei Embryo Br2 (Fig. 104) erst theilweise, bei Seh dagegen (Fig. 105) ist die Verbindung eine vollständige. Der Stempel des Septum intermedium reitet nunmehr auf der Kante des Septum inferius und überragt das letztere mit scharfen Rändern. Diese vortretenden Ränder aber treten in Verbindung mit Balken der Ventrikelwand und aus ihnen gehen die medialen Zipfel der beiden Atrioventricularklappen hervor. Die Gesammtanlage der genannten Klappen umfasst somit die eingestülpte Wand des Canalis auricularis und die vorspringenden Ränder des Septum intermedium, welch letztere aus der bindegewebigen Füllungsmasse des Ohrkanales hervorgegangen sind.

Die Bildung und Verschiebung des Septum intermedium und die Einstülpung des Ohrkanales in den Ventrikeleingang sind Vorgänge, welche nicht allein der Zeit nach zusammenfallen, sondern die unzweifelhaft auch auf gleiche Grundbedingungen sich zurückführen. Für die entscheidenden Bedingungen halte ich einestheils die zunehmende Lagenveränderung des ganzen Herzens, anderntheils diejenige der Saccus reuniens. Noch bei den Embryonen von


156


Das Herz.


7 — 10 mm, so noch bei Pr, steht die Ventrikelaxe annähernd parallel mit der Axe des Saccus reuniens und eine Verlängerung derselben schneidet das obere Ende des Vorhofes (Fig. 101). In der Folge hebt sich aber (wohl in Folge des Leberwachsthums) die Herzspitze mehr und mehr, bis ihre Eichtung schliesslich senkrecht zu derjenigen des Saccus reuniens steht. Bei dieser Drehung des Herzens



Fig. 104.

DurclischBitt durch das Herz von Br2. Vergr. 36. Bezeichnungen wie ohen. R. V und L. V Rechter und linker Vorhof, £r Bronclius.

muss der sich hebende Ventrikeltheil gegen den Vorhofstheil bez. gegen den Canalis auricularis angedrängt werden, ein Verhältniss, das sowohl der Einstülpung des letzteren, als der Vorschiebung des Septum intermedium zu Gute kommt.

Die zweite bei Beurtheilung dieser Dinge in Betracht kommende Veränderung betrifft den Saccus reuniens. Ursprünglich ist dieser quer gestellt und seine beiden Seitenhälften liegen in derselben Flucht (Fig. 100). In der Folge geht die ursprüngliche QuerstelHmg in eine schräge, ja in eine nahezu sagittale über. Es gilt


Der Ohrkanal und die Bildung der Ostia venosa.


157


dies in erster Linie vom rechten Hörn des Saccus reuniens (Fig. 104), in etwas geringerem Maasse jedoch auch vom linken, insbesondere von dessen unterstem Abschnitt. Wenn nun das rechte Hörn des Saccus reuniens sich also umstellt, bekommt nicht allein die EuSTACHi'sche Klappe, sondern auch die ursprünglich hintere Wand eine nahezu sagittale Stellung. Dadurch wird die Spina vestibuli tiefer in den Yorhof herein und an die beiden mittleren Atrio


Fig. 105.

Herzdurchsclinitfc vom Embryo Seh. Bezeichnungen wie oben. Vergr. 36.

P Lunge, Ost Ostia atrioventricularia dext. und sinist. , A. d. und A. s Atrium destrum

und sinist., S. s Septum superius.


ventricularlippen herangedrängt, mit denen sie nach erfolgter Berührung verwächst. Die Bedeutung des Vorganges kann man sich leicht klar machen: versucht man in Gedanken bei Fig. 103, 104 oder 105 den Saccus reuniens wieder quer zu stellen, so ist dies nur unter der Bedingung möglich, dass das Septum intermedium nach dem Vorhof hin zurückgezogen und vom Septum inferius getrennt wird.

An der Bildung der Atrioventricularklappen betheiligen sich


158


Das Herz.


einestlieils die Muskelwand des Ohrkanales und des anstossenden Ventrikelgebietes, anderntlieils die Bindesubstanzmasse der vier Atrioventricularlippen. Yon diesen sind die beiden lateralen von untergeordneter Bedeutung, wogegen die in das Septum intermedium einbezogenen medialen Lippen den oben als Stempel bezeichneten umfänglichen Körper darstellen. Die musculöse Wand des Ohrkanales reicht tief in den Saum der peripherischen Klappensegel herab und biegt hier in die verdichtete Eindenschicht der eingestülpten Ventrikelwand um. Die der letzteren angehörigen Muskelbälkchen erscheinen nunmehr mit dem freien Band und der unteren



Fig. 106.

Eröffnetes Herz vom Embryo ^ im Profil. Bezeichnungen wie oben. Yergr. 33.

A und P Aortenrinne und Pulmonalisrinne innerhalb des Bulbus Aorta.

Fläche der neugebildeten Klappe verbunden und bilden die Chordae, die noch nicht tendineae, sondern musculares sind. Für diesen Theil der Chordae bedarf es keiner secundären Verbindung mit den Klappen, sie sind von Anfang ab Bestandtheile derselben Ventrikelwand gewesen, aus der das untere Blatt der Klappen hervorgeht.

Compacte Papillarmuskeln bilden sich erst in einer späteren Zeit durch Zusammendrängung bestimmter Züge von primitiven Muskelbalken. Immerhin findet man schon gleich nach Einstülpung des Ohrkanales, dass Anlagen für Papillarmuskeln gegeben sind und durch etwas dichtere Gruppirung der Bälkchen sich charakterisiren. Auch das Septum inferius ist anfangs von schwammigem Gefüge und zeichnet sich nur durch seine etwas engeren und regelmässiger angeordneten Maschen von der Umgebung aus.


Der Ohrkanal und die Bildung der Ostia venosa. 159

. Bei den aus dem Septum intermedium hervorgehenden Klappensegeln ist die Verbindung mit den Chordae, mit Ausnahme vielleicht von den hintersten Abschnitten, nicht primitiv angelegt, sondern sie muss sich auf dem Wege secundärer Verwachsung vollziehen.

Ausser den aufgezählten Bestandtheilen , der Muskelwand und dem Endocardium, betheiligt sich an der Bildung der peripherischen Klappensegel auch das Epicardium. "Wie schon oben erwähnt wurde, so zieht sich zwischen dem eingestülpten Ohrkanal und der Ventrikelwand eine Spalte in die Tiefe, welche von Seiten des Epicardiums durch einen prismatischen Substanzring ausgefüllt wird. Eine blattartige Verlängerung dieser Ausfüllungsmasse bildet die mittlere Lamelle des Klappensegels und erhält sich als solche zeitlebens.

Die ursprünglich musculöse Beschaffenheit der Klappen, auf welche schon von früheren Beobachtern hingewiesen worden ist, macht nun allmählich der sehnigen Platz. Zuerst kommt es zu einer Continuitätstrennung zwischen den beiden, im Klappenrand in einander übergehenden Muskelblättern. Noch bei Embryo &, ja bei Embryo Br2 (Eig. 103 und 104) ist der Zusammenhang vorhanden. Bei Seh (Fig. 105) dagegen finde ich, dass Vorhofs- und Ventrikelmusculatur zugeschärft auslaufen und dass nunmehr die vom Epicardium stammende mittlere Lamelle völlig durchschneidet. Die Persistenz dünnerer, aus dem Vorhof herabsteigender Muskelzüge in den Klappen ist seit Kürschner bekannt.') Die grosse Mehrzahl der Muskeln aber geht verloren, wobei man vielleicht, ähnlich wie im Truncus Aortae, an Druckatrophie denken darf. Bei den Chordae braucht eine histologische Umwandlung des Gewebes nicht nothwendig angenommen zu werden. Jedes Bälkchen liegt in einer Endothelscheide, welche letztere den Zusammenhang mit den Scheiden


1) KüE SCHNEE, R. Wagner's Handwörterbuch, ßd. II. S. 54. Man vergleiche auch GussENBAUEK , Sitzungsbericht der Wiener Akademie. Bd. 57. Von den ■vier Schichten der Klappen, welche Gussenbauee unterscheidet, stammt Nr. 1, die stärkere vom Vorhof herabsteigende Endocardialschicht, von den Atrioventricularlippen ; Nr. 2, die Muskelschicht, von der Muskelwand des Ohrkanales; Nr. 3, die mittlere Hauptschicht der Klappen, vom Epicardium; Nr. 4, das Ventrikelendocardium, von der Endothelauskleidung. Zwischen 3 und 4 müsste man die Reste früherer Ventrikelmusculatur erwarten, diese sind aber vollständig geschwunden.


160 Das Herz.

anderer Balken bez. mit den Bindesubstanzpolstern an den Ostien vermittelt. Wenn diese Scheiden sich selbständig ausziehen und weiter entwickeln, können sie zu Sehnenfäden werden, ohne dass eine Muskelrückbildung damit sich zu combiniren braucht.


Das Septum aorticum.

Der Bulbus aortae besteht anfänglich, wie die übrigen Herzabtheilungen, aus einem Muskelrohr und einem Endothelrohr. Das Muskelrohr, von einer dünnen und compacten Wand gebildet, ist vom Endothelrohr nur unvollständig erfüllt. Der Zwischenraum zwischen beiden wird von einer Bindesubstanz erfüllt, als deren erste Anfänge die Fäden zu betrachten sind, welche vom inneren zum äusseren Rohre hingehen. Diese Bindesubstanzschicht liefert die spätere Intima der Arterien, während das Muskelrohr in die Media übergeht.

Gleich im Anfangstheile des Bulbus, im sog. Fretum , zeigt der Endothelschlauch eine Abplattung, die innere Lichtung ist spaltförmig, und zwar wechselt die Stellung der Spalte in den verschiedenen Höhen.




Fig. 107.

Querscknitte durch den Aorteubulbus vom Embryo Bg. Vergr. 20. Der linke Endschnitt

kurz nach dem Austritt aus dem Ventrikel, der rechte vor der Insertion am Vorderdarm.

A Aortenbahn, P Pulmonalbahn,

Beim Ursprung aus dem Conus arteriosus sagittal gestellt, dreht sich die Spalte mit ihrem vorderen Ende nach links und schliesslich wird ihre Richtung eine transversale. Im oberen Theile des Bulbus, dem Truncus, verliert sich die Abplattung des inneren Rohres und der Querschnitt wird wiederum cylindrisch. Sehr bald weitet sich die Spalte an ihren beiden Rändern aus, während sie in der Mitte sich verengt. Zwei halbcylindrische Leisten treten in die Lichtung vor, und indem sie ihre Convexität einander zukehren, scheiden sie zwei auf dem Querschnitte dreieckig erscheinende Gänge von einander.



Das Septum aorticum. 161

Wie wir nun schon durcli ältere Arbeiten wissen, so vollzieht sich im Bereich des Bulbus die Trennung derart, dass die beiden Längsleisten zusammentreffen und verwachsen. Der vordere, weiterhin linke Gang wird zur Lichtung der A. pulmonalis, der hintere zur Aorta. Die Trennung der beiden Röhren beginnt oben und schreitet von da aus nach abwärts vor. Die Schnittreihe, welche ich Fig. 107 mittheile, zeigt links die noch sagittal stehende verhältnissmässig breite Spalte unmittelbar über dem Conus arteriosus, dann wird die Spalte etwas enger und schräg gestellt, 3 u. 4 zeigen zwei bereits getrennte dreieckige Lichtungen, bei 5 sind die Lichtungen gerundet, bei 6 beginnt der Kanal der Pulmonalarterie um den der Aorta herumzubiegen und nach dessen Rückseite zu treten.

Noch ist anfangs die Strecke, innerhalb deren die beiden Lichtungen einen dreieckigen Querschnitt haben, ziemlich lang. Die Rundung der Röhren schreitet von oben nach abwärts vor. Im unteren Theile des Fretum erhält sich der dreieckige Querschnitt, die gegen die Lichtung vortretenden Gewebskissen beginnen an ihrer arteriellen Seite sich auszuhöhlen und sie bilden sich hierdurch zu den Semilunarklappen um. Diese haben bei ihrem ersten Auftreten die Gestalt von sehr plumpen Wülsten. Bei Zw finde ich sie indessen verhältnissmässig wohl ausgebildet und sicherlich sind sie zu der Zeit schon schlussfähig.

Aus dem Gesagten geht hervor, dass das Septum aorticum in Gestalt zweier longitudinaler Bindesubstanzleisten sich anlegt, und Fig. los.

dass die Vereinigung dieser Leisten von oben "^^EmVyo^zw'^im™ nach abwärts fortschreitet. Beim Eintritt in den schrägschnitt.

Ventrikel schwinden diese Leisten nicht vollständig. Die eine derselben (die linke) lässt sich noch eine Strecke weit in den Conus arteriosus hinein verfolgen, sie scheidet hier einen Sulcus aorticus und einen Sulcus pulmonalis und nimmt in gleich zu betrachtender Weise an der Bildung der Herzscheidewand Theil.



His, Menschl. Embryonen. III. 11


162 Das Herz.

Die Verbindung der Scheidewände des Herzens.

Wir haben bis jetzt vier von einander unabhängige Scheide wandanlagen kennen gelernt : das Septum superius, inferius, intermediiim und das Septum aorticum. Diesen kann hier noch eine weitere Bildung als Septum spurium angereiht werden. Es ist dies eine Falte, welche von der Decke des rechten Vorhofes abgeht und welche die vordere Kante des in den Vorhof eingeschobenen Saccus reuniens mit der Vorderwand des Herzohres verbindet. Sie besitzt bei Pr (Fig. 101) ungefähr die halbe Höhe des Septum superius und endet nach unten mit scharfem Rand. Für die weitere Herzentwickelung ist diese Bildung ohne eingreifende Bedeutung, indessen erhält sich ein Rest derselben als sagittale vor der Einmündungssteile der V. cava superior liegende Leiste auch im ausgebildeten Herzen (Taenia sagittalis).

Von den eigentlichen Scheidewandanlagen ist das Septum superius aus einer Einfaltung der oberen Vorhofswand hervorgegangen. Das Motiv seiner Entstehung liegt darin, dass die Rückwand des Vorhofes durch den Gekröstheil der Herzwurzel fixirt ist, beiderseits davon aber weitet sich der Vorhof nach oben hin aus und so entsteht eine mediane Einziehung, die in der Folge zur scharfen Falte sich ausbildet.

Das Septum inferius verläuft, wie wir oben (S. 140) sahen, als windschiefe Sichel vom linken Rande des Conus arteriosus zum rechten des Conus venosus; nach oben hängen seine Enden durch eine gleichfalls einspringende Falte der Wand zusammen und so kommt ein Diaphragma zu Stande, welches nur durch einen verhältnissmässig kleinen runden Ausschnitt die Communication beider Ventrikelhälften gestattet.

Das Septum intermedium, durch Verschmelzung der Spina vestibuli mit den zwei mittleren Atrioventricularlippen entstanden, ist ein gestielter Bindegewebspfropf, dessen Stiel in der hinteren Vorhofswand wurzelt, dessen breiter Theil im Ohrkanale liegt.

Das Septum aorticum, soweit es in den Ventrikelraum eintritt, ist eine Bindegewebsleiste, welche, aus dem Bulbus herabsteigend, den nach rechts und vorn liegenden Sulcus pulmonalis von dem nach links und etwas weiter rückwärts liegenden Sulcus aorticus trennt.


Die Verbindung der Scheidewände des Herzens. 163

Die Stufen von A und von Pr zeigen diese sämmtlichen Scheidewandanlagen noch getrennt (Fig. 89 u. 90, 98 u. 109) und das Septum intermedium, obwohl vorhanden, tritt nur in geringem Maasse gegen den Vorhofsraum vor.

Es ist nun vor allem zu untersuchen, in welcher Weise die Yentrikeltrennung sich vollzieht. Dächte man sich das Diaphragma des Septum inferius mehr und mehr verengt, so müsste dies zwar eine Trennung der beiden Ventrikelhälften zur Folge haben, aber von den beiden also getrennten Kammern hätte die linke keinen Abfluss, die rechte keinen Zufluss. Es müssen also bei der definitiven Scheidung Vorgänge Platz greifen, welche jeder der beiden Abtheilungen sowohl ihre Zufluss- als ihre Abflusspforte offen erhalten.

Die Scheidung der Zuflusspforten wird, wie wir schon oben sahen, durch das Septum intermedium hergestellt. Von der hinteren Vorhofswand ausgehend tritt dasselbe mehr und mehr nach vorn; es erreicht zunächst mit seinem oberen Saum die gegenüberliegende Wand des Vorhofes. Mit seinem dicken unteren Theil aber erreicht es den Ohrkanal und drängt sich mit diesem in den Ventrikeleingang herein. Dabei begegnet es zuerst dem hinteren Ende des Septum inferius, während in der Mitte noch eine weite Lücke zwischen beiden Bildungen übrig bleibt (Fig. 106). Bald wird aber die Berührung eine ausgiebigere und das Septum posterius umgreift mit seinen vorspringenden Rändern die untere Scheidewand und betheiligt sich in der früher erörterten Weise an der Bildung der Atrioventricularklappen.

Es ist nun klar, dass, wenn die Verwachsung beider Scheidewände längs der ganzen Kante des Septum inferius vor sich ginge, der Hnke Ventrikel von der Aorta müsste abgeschnitten werden. Dies wird indessen vermieden: der vorderste Theil des Septum inferius bleibt nach der Aorta hin frei, und dafür bildet sich eine Verwachsung zwischen dem Septum intermedium und dem untersten Ende des Septum aorticum. Die nach ihrer primären Anlage dem rechten Herzen und zwar dem Conus arteriosus angehörige Aorta wird hierdurch vom rechten Ventrikel geschieden und durch den allervordersten, ausgespart bleibenden Theil des Ostium interventri culare hindurch mit dem linken in Verbindung gelassen.

11*


164


Das Herz.


Mit Hülfe der verschiedenen Abbildungen ist es wohl nicht allzu schwer, das räumliche Ineinandergreifen der verschiedenen Bildungen sich klar zu machen. Für frühere Stufen verweise ich auf die Figur 106, sowie auf untenstehende Figur 109. Hier sieht man zunächst den Uebergang des Septum inferius in die, auf der Grenze des Canalis auricul. liegende, einspringende Wandfalte. Unter der letzteren hindurch führt der Eingang in den Aortenbulbus, aus wel


Fig. 109.

Herz vom Embryo Pr. Die Vorderwand von innen her gesehen. Constr. Vergr. 32.

chem der Sulcus aorticus und der Sulcus pulmonalis, durch das linke Septum aorticum geschieden, herabsteigen. Furche und Leiste biegen medialwärts um, der Sulcus aorticus leitet gegen den Einschnitt der "unteren Scheidewand, die Leiste gegen diese selbst.

Bei der auf Seite 158 mitgetheilten Zeichnung vom Embryo •.^ (Fig. 106j ist das Septum intermedium bereits bis an die Ventrikelgrenze vorgedrungen, auch hier verfolgt man das untere Auslaufen des Sulcus aorticus gegen das Ostium interventriculare und das des Septum aorticum gegen die untere Scheidewand. Legt man sich in Gedanken die Brücke vom Septum aorticum zum intermedium hin, so kommt man zur Trennung der Aorta von der rechten und zu ihrer TJeberleitung nach der linken Ventrikelhöhle.


Die Verbindung der Scheidewände des Herzens.


165


Bei Embryo Seh hat sich die Verbindung vom Septum aorticum imd intermedium soeben vollzogen. Fig. 110 zeigt an einem Durch


Fig. 110.

Durchschnitt durch das Herz von Seh. Vergr. 36. A Aorteiiursprung.

P Truncus pulmonalis, <S'. a Sept. aort., L. V vl. R. 7 linker und rechter

Ventrikel, S. i Septum inferins.

schnitt das Zusammentreffen derselben. Bei Fig. 111 sind die Verhältnisse in grösserer Ausdehnung dargestellt. Das Septum intermedium reicht hier schon tief in den Ventrikel herein, und sein freier Saum



Das Herz von Seh seitlich eiöifnet. Die punktirte Linie bezeichnet den Rand des

Septum inferius. Aorta und Pulmonalarterien sind bereits geschieden. Erstere com municirt mit dem linken Ventrikel durch eine rundliche Oeffnung bei C. v.


Überragt als Klappenzipfel das Septum inferius. . Die Grenze des letzteren ist als unterbrochene Linie eingezeichnet. In einem Bogen verlaufend, greift sie über den oberen Band des Septum intermedium


166


Das Herz.


hinaus. Letzteres wird an der betreffenden Stelle vom Septum aorticum (das punktirt ist) erreicht, und es wird dadurch die Einmündung der Aorta in den linken Ventrikel überlagert. Das vom Septum aorticum gelieferte Stück der Herzscheidewand liefert deren häutige Stelle, und es ist verständlich, wie diese noch zum Theil in den Aorteneingang hineinreichen kann. Ebenso ergiebt sich aus der Bildungsgeschichte des Aortenzuganges, dass derselbe unter dem medialen Klappensegel der Valvula mitralis durchführen muss, denn letzteres überragt das Septum inferius nach links hin. Der Eingang in die Aorta liegt aber rechts von diesem.

Fassen wir noch einmal den Vorgang der Ventrikelscheidung zusammen, so leitet sich die erste Trennung der beiden Hälften durch das sichel- bez. ringförmig angelegte Septum inferius ein. Der von diesem frei gelassene Ausschnitt wird zum grossen Theil ausgefüllt durch das vom Vorhof herkommende Septum intermedium. Nach vorn bleibt eine Lücke als Aortenzugang und jenseits von diesem bildet sich das fehlende Stück Scheidewand als eine Verlängerung

des vom Bulbus herkommenden Septum aorticum. Durch das Sept. intermedium erfolgt somit die Trennung der Zuflussbahnen zu den Ventrikeln, durch das Septum aorticum die Trennung von den Abflussbahnen. Beifolgende Figur kann ein zu Schulzwecken brauchbares Schema der Verhältnisse geben. Conus venosus und Conus arteriosus sind etwas auseinander gelegt dargestellt. In jenen senkt sich der eingestülpte Ohrkanal als peripherische Anlage der Atrioventricularklappen. Die punktirte Doppellinie bezeichnet das Septum inferius, welches die beiden links vom Conus arteriosus und rechts vom Conus venosus einspringenden Falten mit einander verbindet. Durch das Ostium venosum tritt das schraffirte Septum intermedium mit seinem verbreiterten Ende; vom Aortenbulbus aus entwickelt sich das als breite Linie dargestellte Septum aorticum. Beide trefi"en rechts vom Ostium interventriculare zusammen. Die Bedeutung des vorderen Streifens als Septum mem


Fig. 113.

Schema der Bildung der Veutrikelscheidewand. C.au. C.v Conus arteriosus und Conus venosus, S. it Sept. intermedium, ä. i/ Septum inferius, punktirt. 5. a Septum aorticum , Ao und Pm Aorta u. A. pulmonalis.


Die Scheidung der beiden Vorhöfe. 167

branaceum und der Weg des Aortenzuganges unter dem vorderen Mitraliszipfel durch lassen sich dtirch die Figur leicht erläutern.


Die Scheidung der beiden Vorhöfe

ist als ein in später Zeit sich vollziehender Vorgang vielfach Gegenstand der Untersuchung gewesen und liegt uns in ihren Hauptzügen ziemlich klar vor. In übereinstimmender Weise lautet für den menschlichen Fötus vom dritten Monat ab die Schilderung der Beobachter dahin, dass eine hintere und eine vordere Anlage vorhanden sind, die wir der leichteren Verständigung halber als vordere und als hintere Scheidewandsichel bezeichnen wollen. Erstere ist eine musculöse Falte, welche von der vorderen Vorhofswand- abgeht und mit einem Schenkel der Decke, mit einem anderen dem Boden des Vorhofes anhaftet, deren freier Eand somit nach rückwärts sieht. Ihr gegenüberstehend liegt an der Rückwand des Vorhofes ein die Mündung des Sinus reuniens (oder wie es in der Regel heisst der unteren Hohlvene) einfassender Klappenapparat, der aus zwei schräg gestellten halbmondförmigen Falten besteht. Die rechte Falte ist die Valv. Eustachi, die linke wird zur hinteren Scheidewandanlage. Es reicht die linke Klappe in den linken Vorhof herein, und indem dieselbe der vorderen Sichel entgegenrückt, bildet sie in der Folge den häutigen Abschluss des Foramen ovale, wobei ihr letzter Rest als Valvula foraminis ovalis persistirt, während der Saum der vorderen Sichel als Limbus Vieusseni sich erhält.

Es stellt sich nun die Aufgabe, diese in späterer Fötalzeit unterscheidbaren Theile auf die Bildungen früherer Zeit zurückzuführen. Zu dem Zweck greifen wir zurück auf die Figuren 89 u. 98 (S. 139 u. 150). Es stellt sich da die Porta vestibuli als ein zweischenkeliges Feld dar. Der eine Schenkel des Feldes wird durch die Gefässöffnung repräsentirt, der zweite durch die als Bindegewebskeil hervortretende Area interposita. Beide Schenkel divergiren nach oben und fliessen nach abwärts zusammen. Die Trennung der beiden Vorhöfe ist zu der Zeit durch das Septum superius eingeleitet, dessen unterer Rand über dem linken Ende der Area interposita ausläuft.


168


Das Herz.


Wenn nun der Sinus reuniens tiefer in den Vorhof sich vorwölbt, so werden die beiden Seitenhälften seiner Vorderwand als klappenartige Falten hervortreten. Es sind dies die Valvula vestibuli dextra oder Valv. Eustachi und die Valvula sinistra. So lange die Oeffnung des Sinus in den Vorhof keine sehr ausgiebige ist, ist das obere Ende der Area interposita noch vom linken Klappenflügel getrennt (Fig. 98). Bei Erweiterung der Oeffnung aber verschwindet die Grenze und das Verhältniss vereinfacht sich dahin, dass nunmehr die weite Oeffnung von zwei schräg gestellten Klappen eingefasst ist, welche nach abwärts zusammentreffen und welche sich dem, als selbständiger Bindegewebskeil hervortretenden Septum intermedium anschliessen.

Das Septum intermedium schiebt sich, wie wir früher sahen, mit seinem oberen Saum an die vordere Vorhofswand heran und verwächst mit ihr. Hier begegnet es dem vorderen Ende des Septum superius, und indem beide sich verbinden, entsteht die vordere Scheidewandsichel, aus welcher späterhin der Limbus for. oval, hervorgeht (Fig. 106 und 111).

Die linke Vorhofsklappe beginnt rechts vom Septum superius, allein sie tritt schräg unter diesem durch und baucht sich nach dem linken Vorhof aus. Da, wo nun das Septum superius auf ihr aufruht, verwächst es mit ihr (Fig. 105), und so kommt es, dass ein Theil des Klappensegels bleibend nach der linken Seite herübergeschoben erscheint. Das ursprüngliche Verhältniss verwischt sich noch dadurch, dass die linke Klappe nicht allein unter dem Septum superius durchtritt, sondern dass sie eine Strecke weit um dieses sich herumschlägt und an dessen linker Seite festwächst. Innerhalb des gegebenen Feldes öffnet sich die Vena pulmonalis (s. obiges Schema).



Fig. 113.

Schema für die Bildung

des Foramen ovale. y.p Vena pulmonal., V. E ValT. Eustachi, V. s Valv. sinistra, S. s Septum superius , theilweise punktirt angegeben.


Die Emmündung des Sinus coronarius und die Lungenvenen. 169

Die Einmündung des Sinus coronarius und die Lungenyenen.

Der Sinus coronarius geht, wie wir oben schon sahen, aus dem linken Hörn des Sinus reuniens hervor. Zu dem Hauptzufluss aus der Vena cava sinistra gesellen sich die Nebenzuflüsse aus der Herzwand, die in der Folge, wenn die linke Hohlvene sich schliesst, als einzige Blutquellen übrig bleiben. Nun trifft ursprünglich das linke Hörn des Sinus reuniens mit dem rechten zusammen, oder mit anderen Worten ausgedrückt, der Sinus coronarius öffnet sich in den Raum über der EusTACHi'schen Klappe, in den auch Cava superior und inferior ausmünden. Dies hatte schon F. Schmidt erkannt und sich dadurch bestimmen lassen, die betreffende Falte (die Valvula decrescens, wie er sie nannte) als Ausgangspunkt auch der Thebesi'


tig. 114.

Durdisclinitt durch, das Herz vom Embryo Seh. Vergr. 18. S. d, S. s Rechtes und linkes Hern des Sinus reuniens. R. Vh rechter Vorhof.

sehen Klappe anzusehen. ') Ich komme indessen zu einem etwas anderen Ergebniss: Die primäre Oeffnung des Sinus coronarius in dem Eaum medialwärts von der EusTACHi'schen Klappe muss sich schliessen, und an deren Stelle eine neue entstehen, welche, unter der EuSTACHi'schen Klappe hindurchgehend, direct in den rechten Yorhof ausmündet.

Wie dies die obenstehende Fig. 114 zeigt, so wird die Verbindung der linken Hohlvene, bez. des Sinus coronarius mit dem Sinus reuniens bei Embryo Seh durch einen engen, im Winkel zurück


1) Die von F. Schmidt gegebene Zeichnung ist übrigens durchaus richtig, man findet bei älteren Fötalherzen meistens ein den Limbus nach abwärts überschreitendes und in die Valv. Thebesii übergehendes Fältchen. Ich halte dies indessen für eine secundär entstandene Bildung.


170


Das Herz.


laufenden Gang vermittelt. Es hängt dies zusammen mit der schon oben besprochenen Einknickung und Richtungsänderung, welche zu der Zeit der Saccus reuniens erfahren hat. Die primäre Verbindung ist noch bei Embryo Zw vorhanden, die Hohlvene geht (Fig. 115) in einem Bogen unter dem Vorhof vorbei, um schliesslich das vordere Ende des Sinus reuniens zu erreichen. Dabei ist das vordere Ende des Sinus coronarius ganz dicht an die untere Ausbuchtung des rechten Vorhofes herangerückt, und, um die Communication herzustellen, braucht nur eine dünne Gewebsschicht durchbrochen zu werden (Fig. 114).

Die Lungenvenen finde ich in ihren ersten Spuren bei dem Embryo Seh und ebenso bei Zw. Hier treten aus dem die Lunge



Hevzliöhlensystem des Embryo Zw nebst den grossen Gefässen. Vergr. 18.

L. V M.. R. V linker und rechter Ventrikel, A. a Arcus aortae, T. p Truncus pulmonalis,

C.su. C. d Vena Cava superior sinistra u. dextra, C.i Vena Cava inferior, bez. V. Aranzii,

S. r Sinus reuniens. Der letztere bebt sich nocb jetzt als selbständiger Raum ab und

nimmt in seinem vorderen unteren Abschnitt die Vena cava sinistra auf.


umgebenden Gewebe kleine Gefässe in den bindegewebigen Theil der Vorhofswurzel ein. Ihre Ausmündung in den Unken Vorhof ist dadurch ermöglicht, dass die Area interposita, innerhalb deren sie zum Vorschein kommen müssen, die Mittellinie überschreitet. Demnach ist die Oeffnung dieser Venen zur Zeit des ersten Auftretens im medialen Abschnitt des linken Vorhofes befindlich, und die Mündungen müssen späterhin Verschiebungen nach oben hin und theilweise lateralwärts erfahren. Den genaueren Hergang habe ich nicht verfolgt, da er in spätere als die von mir bearbeiteten Stufen hineinreicht. Nach F. Schmidt, der diese Verhältnisse eingehend untersucht hat, liegt im Mesocardium anfangs nur ein einziger gemeinschaftlicher Lungenvenenstamm. Derselbe ist kurz und wird später in den Vorhof mit


Muskel- und Bindegewebsantheil der Herzwand. 171

einbezogen. So fand er noch einen Stamm bei 7 wöchentlichen Embryonen; bei einem 14 — 15 wöchentlichen waren deren zwei vorhanden, einer für jede Lunge; bei einem nur wenig älteren hatten sich bereits alle vier Oeffnungen von einander getrennt, i)


Muskel- und Bindegewebsantheil der Herz wand, Epicardiuni und Faserringe.

Yon der ursprünglichen Herzanlage liefert der äussere Schlauch die Musculatur und zwar nur die Musculatur. Die bindegewebigen Bestandtheile der Herzwand nebst den Herzgefässen und das Pericardium entstammen dem Endothehalrohre und den Bindegewebselementen , welche von der Yorhofswurzel her das Herz erreicht haben.

Bei den jüngsten von mir untersuchten Embryonen Lg, Rf u. BB tritt der Muskelcharakter der Wandzellen deutlich hervor: die mit grossen ovalen Kernen versehenen Elemente enthalten Züge von Fibrillen, die bei Lg schon erkennbar, bei Ef und BB sehr ausgesprochen sind. Da, wo die Zellen auseinanderweichen, begegne ich verzweigten dreiarmigen Formen. Die Muskelzellen reichen zu der Zeit bis zur Aussenfläche des Herzens und sind von keiner anderweitigen Schicht umgeben. Dagegen enthält das Innere des Herzens eine zarte Gewebsmasse, welche aus einem System spinnwebartig ausgebreiteter Fäden besteht. Vom Endothelrohr ausgehend erstrecken sich diese Fäden bis zur Muskelwand und ihnen liegen auch ausserhalb des Endothelrohres kernhaltige Zellkörper an. Theilweise haben wir es bei letzteren mit verzweigten Bindesubstanzzellen zu thun, theilweise wohl auch mit Wanderzellen, die längs der Fäden sich ausbreiten.

Die dem Endothelrohr anhaftende Gewebsmasse reicht bei Lg nur bis zur Innenfläche der Muskelwand, aber schon bei BB finden sich in letzterer, zwischen die Muskelzellen eingesprengt, einzelne eckige, durch ihre dunkler tingirten, relativ kleinen Kerne ausgezeichnete Körper. Weiterhin finde ich, dass diese Körper unter sich


1) Literaturnachweis im histor. Capitel.


172 Das Herz.

verbunden und dass sie einem System durchsichtiger Röhren einverleibt sind, welche mit den Muskelelementen sich verschränken. Zuerst tritt innerhalb des Ventrikelraumes eine Umschliessung der frei hervortretenden Muskelbälkchen durch endotheliale Scheiden hervor; so bei BB und noch ausgeprägter bei Lr. Bei letzterem Embryo zeigt sich aber auch der compactere Theil der Wand von Endothelröhren durchsetzt und Endothelialelemente kleiden nunmehr alle zwischen den Muskelzellen frei bleibenden Lücken aus.

Auf dem Wege durch die Wand hindurch gelangen die endothelbildenden Zellen bis an die äussere Oberfläche des Herzens. Noch sammeln sie sich bei Lr nicht zu einer zusammenhängenden Lage. Bei Bl dagegen haben dunkelkernige Zellen die Muskelwand allenthalben überschritten und bilden nun eine äussere, von der Muskelwand abstehende Mantelschicht. Es ist dies die erste Anlage des visceralen Pericardium (Epicardium von Allen Thomson). Dasselbe hängt mit der intermuscularen Bindesubstanz noch allenthalben durch einzelne Streifen zusammen, zwischen ihm und der Muskelwand liegt ein System communicirender Spalten. Später gewinnt die Lamelle mehr Selbständigkeit und hebt sich stellenweise als einschichtige Endothelhaut frei von der Muskelwand ab (so bei R).

Nach der gegebenen Darstellung erfolgt am Herzen eine vom inneren Endothelschlauch ausgehende, successiv von innen nach aussen fortschreitende Durchwachsung mit Bindesubstanzzellen, und der Vorgang schliesst sich mit Bildung des das Herz umkleidenden Epicardiums ab. Ein dem eben geschilderten analoger Durchwachsungsprocess liefert die seröse Bekleidung im Bereich der Aussenwand der Parietalhöhle, worüber die Einzelnheiten bei anderem Anlasse sollen mitgetheilt werden.

Etwas später als Endocardium und Epicardium legen sich die Faserringe des Herzens an. Wenn der Ohrkanal in den Ventrikel sich einstülpt, entsteht, wie wir früher sahen, zwischen beiden Wandungen eine schmale Spalte (Fig. 103). Diese füllt sich bald durch eine vom Epicardium ausgehende Gewebsmasse aus (Fig. 104 u. 105), und so entsteht um das Ostium venosum herum ein Bindesubstanzkeil, der nach einwärts in eine dünne Lamelle sich fortsetzt. Letztere tritt in die peripherischen Klappensegel ein und ihre anatomische


Die Beziehungen des ausgebildeten Herzens zum embryonalen. 173

Bedeutung ist besonders von Henle eingehend gewürdigt worden. ') Die vom Vorhof stammende endocardiale Lamelle der Klappensegel hat sich aus den Gewebskissen entwickelt, welche anfänglich den Ohrkanal und zwar besonders dessen vordere und hintere Wand bekleidet hatten.

Eine zweite Bindegewebsquelle des Herzens hat ihren Ausgangspunkt an der Porta vestibuli. Von hier aus dringt in früher erörterter Weise das Septum intermedium vor, aus welchem die Nodi der Atrioventricularklappen, sowie die medialen Klappensegel selbst entstehen. Als eine dritte, übrigens nicht selbständige Quelle ergiebt sich das Septum aorticum, welches den fibrösen Abschnitt der Ventrikelscheidewand liefert.


Die Beziehungen des ausgel)il(leten Herzens zum emlbryonalen.

Wie so manche unserer anatomischen Beschreibungen, so ist auch die des Herzens von ganz anderen, als embryologischen Gesichtspunkten aus geschaffen worden. Ziemlich allgemein lautet dieselbe dahin, es sei das Herz ein kegelförmiger Muskel, der äusserlich durch eine Kreuzfurche, innerlich durch eine Scheidewand und durch Klappen in vier Abtheilungen getrennt werde. -) An diese erste orientirende Darstellung pflegen sich dann die weiteren Auseinandersetzungen über Axenstellung, über Klappeneinrichtung u. s. w. anzuschliessen, und meistens wissen Examinanden auf den Grad genau anzugeben, welchen Winkel die Herzaxe mit der Mittelebene des Körpers bilden soll. Giebt man aber einem Studirenden ein Stück Kreide in die Hand und lässt ihn ein Herz aufzeichnen, so wird er, conform obiger Beschreibung, in 9 von 10 Fällen eine kegelförmige, durch ein Kreuz abgetheilte Figur entwerfen, dann aber auch in die grösste Verlegenheit gerathen, sowie er sich vor die Aufgabe gestellt sieht, dem Schema die abgehenden Gefässstämme


1) Gefässlehre. 1. Aufl. S. 14u. f.

2) Eine Abweichung von diesem Herkommen finde ich bei Gegenbaur, der S. 617 seines Lehrbuches bei der Beschreibung des Herzens an dessen embryonale Schleifenform anknüpft.


174


Das Herz.


anzupassen. Diese ungemein leicht zu wiederholende Erfahrung muss stutzig machen, ob es gerechtfertigt ist, beim Unterricht ein Definitionsschema beizubehalten, das dem Studirenden den Uebergang zur Vorstellung der thatsächlichen Form des Organes so sehr erschwert. Jedenfalls wird es sich verlohnen, den Versuch zu machen, ob nicht eine an die ursprüngliche Einfachheit des Herzschlauches und an seine Schleifenform anknüpfende Darstellung sich finden lässt, die dem Anfänger correctere Eormbegriffe beibringt, als die herkömmliche Beschreibungsweise.

Ich sehe es nun nicht als meine Aufgabe an, hier eine solche Normalbeschreibung zu unternehmen , dagegen scheint es mir ange


Fig. 116.

Herz von Zw von der rechten Seite. Vergr. IS. D Diaphragma, Vh Vorhof, A. a Arcus

Aortae, T.p Truncus pulmonalis, P Art. pulmonalis, V. j Vena jugul., V. c Vena cardi nalis, Cd, C. s und C.i wie bei Fig. 115.


messen, eine Anzahl von Punkten hervorzuheben, welche die genetische Erläuterung bestimmter anatomischer Einrichtungen geben können.

Die Grundform des Herzens entspricht derjenigen einer Schleife mit verschränkt stehenden Schenkeln, einem hinteren absteigenden und einem vorderen aufsteigenden. Das ursprünglich hufeisenförmige Mittelstück der Schleife liefert die Ventrikel, das hintere Endstück die Vorhöfe, das vordere Endstück die grossen Arterienstämme. Die beiden Enden der Schleife sind an der Brustwand befestigt, das Mittelstück ist frei, dazwischen liegt eine quere Lücke, Henle's Sinus transversus pericardii.

Der Vorhofsschenkel der Herzschleife treibt beiderseits die


Die Beziehungen des ausgebildeten Herzens zum embryonalen. 175

mächtigen Herzohren hervor, welche den arteriellen Endschenkel seitlich umgreifen. Der Querschnitt des Yorhofstheiles nimmt demnach die Gestalt eines Halbmondes an und diese behält er zeitlebens bei. Die Homer des Halbmondes sind die beiden nach vorn gerichteten Appendices auriculares.

Der ursprünglich zum Herzen gehörige Bulbus Aortae scheidet sich vom Yentrikeltheil scharf ab, einestheils durch die Eückbildung seiner Musculatur, anderntheils durch die an seinem unteren Ende auftretenden Klappen , und die aus ihm hervorgehenden beiden Gefässstämme, die Pulmonalarterie und die Aorta rechnen wir von da ab nicht mehr zum Herzen im engeren Sinne. Die Grenze der ur


Fig. 117.

Dasselbe Herz von der linken Seite her gezeichnet. Der Vorhof ist durchsichtig gehalten, um die Austrittsstelle der Aorta jenseits vom Sulcus interventricularis sichtbar zu machen. Die beiden * bezeichnen den Ort der Semilunarklappen.


sprünglichen Herzanlage wird an den grossen Gefässstämmen durch die Anheftungslinie des parietalen Pericardialblattes^ bezeichnet.

An dem Yentrikeltheil der Herzschleife bezeichnet eine ringförmige Eurche die primäre Trennungslinie von rechter und linker Hälfte. Die einzelnen Abschnitte dieser Eurche sind: der Sulcus longit. anterior, der Sulcus longit. posterior und der von diesem zur vorderen Längsfurche sich erstreckende Sulcus circularis dexter. Es ist dies der Eurchenzug, in welchen sich die beiden Kranzarterien einlagern. Die linke Eingfurche hat eine andere Bedeutung als die rechte, ein Theil derselben entspricht dem Einschnitt, der zwischen linkem Herzohr und Yentrikel sich hinzieht, der andere Theil aber ist die Abgrenzung des Sinus reuniens (und zwar seines linken Hernes) vom Herzen.


176


Das Herz.


Von den beiden Schenkeln der Yentrikelanlage kommt der rechte vor den linken zu liegen. Jener führt zum Conus arteriosus, dieser zu den Ostia venosa, von welchen Bildungen der Conus arteriosus seiner primitiven Anlage nach dem rechten, die Ostia venosa dagegen dem linken Herzen angehören. Der Aortenursprung spaltet sich vom Conus arteriosus an dessen Rückseite ab und beurkundet



Fig. 118.

Ventrikelscheidewand und Arterieneingänge vom Herzen des Erwachsonen. Vordere Wand eines mit Ckromsäure gehärteten menschlichen Herzens, die Ostia arteriosa sind von der Rückseite her dargestellt, das Detail der Trabeculae carneae ist nicht eingezeichnet. Der Aorteneingang hildet einen in den rechten Ventrikel hereinragenden Vorbau, das unter ihm vorheitretende Septum membranaceum ventriculi erweist sich als die unmittelbare Fortsetzung vom Septum aorticum, d.h. von derjenigen Platte, welche die Aorta vom Truncus pulmonalis trennt. Jenseits der Vv. semilunares besteht diese Platte aus den gesonderten Wandungen der beiden Gefässe und aus einer dazwischen geschobenen lockeren Schicht, diesseits von den Klappen verschmelzen die 3 Schichten zu einer einzigen, welche sich in das Septum membr. fortsetzt.

dm*ch seine bleibende Lage die primäre Zusammengehörigkeit mit demselben.

Noch am Herzen des Erwachsenen lässt sich die ursprüngliche Zugehörigkeit der Aorta zum rechten Herzen leicht anschaulich machen, wenn man die Ventrikelscheidewand von der Rückseite her präparirt. Fig. 118 stellt ein solches Präparat dar: der Aorteneingang überschreitet das Septum musculare und während das letztere


Die Beziehungen des ausgebildeten Herzens zum embryonalen. 177

links von jenem in die Vorderwand des Herzens ausläuft, ragt der Boden des Aorteneinganges gleich einem Erker in den rechten Ventrikel herüber. Derselbe wird theilweise von den zwischen beide Arterien eingeschobenen Wandschichten gebildet, theilweise aber vom Septum membranaceum, das sich als die unmittelbare Fortsetzung des Septum aorticum zu erkennen glebt

Die Lage der Ostia venosa ist naturgemäss hinter derjenigen der Ostia arteriosa, und ihre Scheidung vollzieht sich in früher beschriebener Weise vom Vorhof aus, während diejenige der Ostia arteriosa vom Bulbus aus vor sich geht. Aus der Stellung der primären Ventrikelschenkel ergiebt sich ferner als selbstverständlich die Vorlagerung nicht allein des Conus arteriosus, sondern auch die der Hauptmasse des rechten Ventrikels, sowie die Rückwärtsschiebung des linken. Die Verschränkung der Schenkel führt zu einer Einfaltung der Wand und damit zur Anlage der musculösen Ventrikelscheidewand. Dabei wird ein Theil der ursprünglich an der Oberfläche liegenden Muskelzüge in die Tiefe einbezogen, und es entsteht so die Formation des Herzwirbels. Längs der vorderen Furche müssen die von links kommenden, längs der hinteren Furche die von rechts kommenden Faserzüge in die Tiefe treten. In secundärer Weise schieben sich die oberflächlichen Muskelmassen über die Spaltenränder weg und verbinden die beiden Ventrikel der Quere nach.

Die Musculatur der Vorhöfe und diejenige der Ventrikel haben ursprünglich zusammengehangen. Die Trennung beider Musculaturen und die Einschiebung eines bindegewebigen Zwischenstückes ist durch die Einstülpung des Ohrkanales veranlasst worden, einen Vorgang, welcher auch der Bildung der Atrioventricularklappen zu Grunde liegt. Es stülpt sich bei der Bildung dieser Klappen nicht nur das Endocardium ein, sondern die gesammte Herz wand, wobei der eingestülpte Muskelantheil anfangs sich verjüngt, späterhin aber fast völlig verkümmert.

In Betreff der Vorhöfe ist für das Verständniss ausgebildeter Zustände, abgesehen von den bekannten Verhältnissen der Scheidewandbildung, besonders die Beziehung zum Saccus reuniens von Bedeutung. Die zum Herzen hintretenden Venen haben sich ursprünglich in einen gemeinsamen Behälter, den Saccus reuniens,

His, Menschl. Embryonen. III. 12


178 Das Herz.

ergossen, dessen nach dem Vorhof hinführende Oeflfnung frühzeitig eine Verschiehung nach rechts erfahren hat. Dieser Saccus reuniens verschmilzt aher weiterhin mit dem Herzen, seine linke Hälfte verwächst äusserlich mit ihm und erhält sich als scharf abgegrenzter Wulst im Sinus coronarius, wogegen sich die rechte Hälfte in den Vorhof tief hereindrängt und infolge davon, sowie infolge der Erweiterung der Oeffnung in diesem aufzugehen scheint. Die Verschmelzung heider Bildungen ist indessen keine absolute, äusserlich charakterisirt sie sich durch eine wenig bemerkbar bleibende Furche, innen ist das Gebiet des früheren Saccus reuniens durch die Valv. Eustachi und durch die Taenia terminalis abgegrenzt; die Mm. pectinati gehören nur dem primären Vorhof an und endigen in der Taenia.


Historische Notizen betreffend die Lehre Ton der Herzentwiclielung".

In vorzüglicher Weise hat schon Haller in seiner Schrift „Sur la formation du coeur du Foulet" die fundamentalen Vorgänge der Herzentwickelung geschildert: das Auftreten und die äusserliche Umbildung der Hauptabtheilungen des Organes, die Schleifenform seiner Anlage, die Kreuzung des arteriellen rechten mit dem venösen linken Schleifenschenkel, das frühe Vorhandensein und das spätere Schwinden des Canalis auricularis u. A. m. lieber die Bildung der Scheidewände und der Klappen theilt Haller keine Beobachtungen mit, er glaubt indessen constatiren zu können, dass der rechte Ventrikel später entsteht als der linke.

Das frühe Auftreten eines Septum inferius hat v. Baer zuerst erkannt, indessen verlegt er dasselbe in die Längsaxe des Ventrikels, und es sollen dadurch zwei, nebeneinander herlaufende Gänge geschieden werden. '} — Die im Innern des Herzens ablaufenden Entwickelungsvorgänge hat unter den älteren Embryologen unseres Jahrhunderts Eathke jedenfalls am tiefsten erforscht. 2) Derselbe


1) V. Baer, Entwickelungsgeschichte. II. 138.

2) Rathke, Entwickelungsgeschichte der Natter. S. 99, 100 und 162 u. f., sowie Taf. IV.


Historische Notizen betr. die Lehre von der Herzentwickelung. 179

schildert bereits das Auftreten der ersten Klappenanlagen am Ventrikeleingang, sowie die den Kanal einengenden, aus lockerem Gewebe gebildeten Längsleisten im Fretum. Das Septum atrioram (superius) lässt er als einspringende halbmondförmige Falte der Wand entstehen und das Septum ventriculorum (inferius) schildert er, in Verbindung mit den Muskelbalken, als einen Strang, welcher unverzweigt von der Dorsalwand des Ventrikels gegen das Fretum sich erstrecke. Aus der Ventrikelscheidewand soll dann weiterhin eine Leiste gegen das Ostium atrioventriculare hinwachsen, dieses halbiren und sich in der Folge mit dem oberen Vorhofsseptum verbinden, bez. mit diesem das Foramen ovale umgrenzen. ^)

Bischoff -) , obwohl an Rathke sich anschliessend , ist doch weniger eingehend als dieser. Ich finde indessen bei ihm die wichtige Bemerkung, dass die an der Convexität der Kammeranschwellung auftretende Scheidewand der äusserlich vorhandenen Theilung entspricht. Mit halbmondförmig ausgeschnittenem Rande soll die Ventrikelscheidewand sowohl gegen die Vorkammer als gegen den Aorteneingang hinwachsen und deren Oeffnungen gleichfalls halbiren.

Sehr fördernd auf das allgemeine Interesse an der Herzentwickelung haben A. Ecker's Arbeiten gewirkt, insbesondere auch vermittelst der unter seiner Leitung entstandenen Wachsmodelle. 3) Von den 10 Nummern der ZiEGLER'schen Modellreihe erläutern drei die Entstehung der Scheidewände. Nr. 7 zeigt das Septum ventriculorum; dasselbe setzt mit seinem vorderen Rande neben dem Conus arteriosus, der äusseren Furche entsprechend, richtig ein ; hinten dagegen ist es, um die Halbirung des Ostium venosum zu erreichen, nicht längs des Sulcus posterior weitergeleitet, sondern es läuft nach links von diesem, inmitten jener Oeffnung aus. Das Modell 9 zeigt das Septum ventriculorum wie oben, nur reicht es jetzt mit seinen Verlängerungen sowohl in den Aortenbulbus, als in den Vor


1) Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte. S. 248. Ausser den oben ausführlich behandelten Schriften kommen für Herzentwickelung noch in Betracht : J. F. Meckel, Arch. f. Physiol. 1816, Allen Thomson in Froriep's Notizen. 1831. Nr. 639, das Lehrbuch von Valentin, sowie Prevost u. Lebert in Annales des Sciences nat. Zool. Serie HL Vol. 1,2 u. 3.

2) BiscHOEF, Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte. S. 248.

3) Ecker, Icones physiol. Taf . XXX und Text.

12*


180 Das Herz.

hof hinein. Dazu kommt ein ringförmiges Diaphragma auf der Grenze von Vorhof und Ventrikel, von Ecker im Text der Icones als Limbus bezeichnet. Im Modell erscheint der Limbus als scharfrandige Scheibe, während aus der Erklärung zu Eig. XXII hervorgeht, dass Ecker damit die gewulstete Masse im Auge hat, welche den Canalis auricularis bis auf eine enge Spalte ausfüllt. — Modell 10 zeigt die Verhältnisse der Vorhofsscheidewand in einem ziemlich vorgerückten Stadium. Wie der Text zu Fig. 30 bemerkt, so hat sich das Septum atriorum in Form einer Leiste auf dem oberen Rand des Septum ventriculorum und an der Vorderwand des Vorhofes erhoben, es bildet eine sichelförmige Falte mit einem der oberen und einem der unteren Wand entlang laufenden Hörn. Die vollständige Trennung der Vorhöfe geschieht dadurch, dass von der Einmündung der Cava inferior aus zwei Klappen in den Vorhof hineinwachsen. Die rechte Klappe ist die Valvula Eustachi, die linke wächst links vom Septum atriorum nach vorn und begegnet diesem letzteren am Rande des Foramen ovale.

Aehnlich den zuletzt erwähnten Angaben über das Septum atriorum Ecker's sind die von J. Arnold, i) Dieser Beobachter hat seine Untersuchungen an relativ weit vorgerückten Fötalstufen angestellt. Er unterscheidet eine häutige und eine musculöse Anlage der Vorhofsscheidewand. Letztere besteht im Anfang des dritten Monats aus einer niedrigen, auf dem Septum ventriculorum aufruhenden, an der vorderen Vorhofswand befestigten Falte. Rechts und links von der Vena cava trägt die Rückwand zwei zarte Klappen, von denen die eine ins linke Atrium hereinragt. Gemeinsam mit der vorderen Anlage umschliesst diese in der Folge das Foramen ovale.

Die bedeutendste Arbeit über Herzentwickelung nach Rathke hat jedenfalls Lindes geliefert. Durch eine beobachtete Missbildung angeregt, hat er an Hühnerembryonen die Entwickelungsgeschichte des Herzens von frühen Stadien ab studirt, und er ist zu Ergebnissen gelangt, die ihn , wenigstens in Betreff der Ventrikelscheidung, erheblich über seine Vorgänger hinaus geführt haben. Er unterscheidet drei unabhängig von einander auftretende Anlagen der Herzscheidewand: das Septum atriorum, das Septum ventriculorum und


1) ViECHOw's Archiv. Bd. 51. S. 220 u. f.


Historische Notizen betr. die Lehre von der Herzentwickelung. 181

das Septum trunci arteriosi; dazu kommen als vierte Anlage noch die im Ohrkanal liegenden Atrioventrieularlippen hinzu. Mit grosser Bestimmtheit lehrt Lindes, dass der Arterientruncus nur der rechten Herzhälfte angehört, dass das Septum ventriculorum nicht völlig sich schliesst, sondern dass in ihm eine Lücke bleibt, die zum Ostium Aortae wird. Dabei zeigt er, dass die Trennung der beiden Herzhälften durch das Septum trunci arteriosi vervollständigt wird, das mit dem Septum ventriculorum verwächst und als Septum membranaceum in den Herzraum hereinreicht.

Die Arbeit von Lindes wird zwar im KEPERSTEiN'schen Jahresbericht von 1866 ^), sowie auch bei Bernats -) und in Kölliker's Entwickelungsgeschichte genannt, aber an keiner der genannten Stellen findet sich ein Wort über ihre Ergebnisse mitgetheilt. BalFOUR kennt dieselbe gar nicht, und auch in der ausführlichen Embryologie von Allen Thomson, in der 9. Auflage von Quain-Sharpey's Anatomie wird ihrer nicht erwähnt. Ich selbst habe die Arbeit von Lindes gleich der in der embryologischen Literatur bis jetzt unberücksichtigt gebliebenen Arbeit von Rokitansky erst nach Abschluss meiner Untersuchungen kennen gelernt. Ich hatte bis dahin geglaubt, die Betheiligung des Septum aorticum an der Bildnng der Herzscheidewand und seine Beziehung zur Pars membranacea septi und zur TJeberleitung der Aorta zuerst entdeckt zu haben, da der Fund von Lindes in keiner der embryologischen Fachschriften Erwähnung gefunden hatte.

An Lindes hat sich Rokitansky in seinem Prachtwerke über die Defecte der Herzscheidewände in allen Theilen angeschlossen, auf Grund eigener, am Hühnchen angestellter Untersuchungen. Rokitansky fasst seine Ansicht dahin zusammen, dass Vorhofsund Ventrikelscheidewand als zwei sichelförmige Falten entstehen, die annähernd in einer Ebene liegen. Beide Sicheln inseriren sich an die Atrioventrieularlippen. Durch die Verwachsung der letzteren untereinander und durch ihre Verbindung mit der anstossenden Vorhofssichel entsteht die obere Scheidewand mit ihrem natürlichen, erst später sich schliessenden Defeot. Durch die Verwachsung mit der


1) Zeitschr. f. rationelle Medicin. IH. 30.

2) Morpholog. Jahrbücher. IL 478.


182 Das Herz.

im Ventrikel liegenden Sichel bildet sich die Ventrikelscheidewand, deren Oeffnung als Aortenzugang persistirt.

Die älteren Embryologen hatten an der primären Herzanlage den Gegensatz von Muskel- und von Endothelrohr nicht gekannt. Nachdem 1867 und 1868 durch Hensen und durch mich das Innenrohr aufgefunden worden war und nachdem ich für das Hühnchen dessen Bedeutung eingehend erörtert hatte, knüpfte F. Schmidt an den neugewonnenen Standpunkt an und veröffentlichte eine sorgfältige Untersuchung über die Vorgänge der Herzentwickelung, die zahlreiche und wichtige Ergebnisse geliefert hat. ') Schmidt, dessen dänisch publicirte Arbeit durch ein ausführliches Referat von PaNUM auch deutschen Lesern zugänglich geworden ist, giebt zunächst eine sorgfältige Darstellung von der Einmündung der Venenstämme in das Herz. Er kennt die Vereinigung der beiden Venae cavae superiores zu einem gemeinsamen Behälter (meinem Saccus reuniens). Er constatirt, dass die Einmündung aller drei Venenstämme im rechten Vorhof von einer einfachen Klappe (seiner Valv. decrescens) eingefasst ist, von der er annimmt, dass sie auch die Anlage der V. Thebesii mit umfasst. F. Schmidt hat zuerst die ursprünglich einfache Einmündung der Lungenvenen gesehen und deren spätere Scheidung in zwei und weiterhin in vier Stämme verfolgt. Aehnlich wie Ecker lässt Schmidt die Venenmündung im rechten Vorhof von zwei Klappen eingefasst sein, wovon die rechte die Valv. decrescens ist, die linke zur Scheidewand verwendet wird. Beide Klappen vereinigen sich sowohl an ihrem oberen, als an ihrem unteren Ende zu einem nach vorn gerichteten gemeinsamen Sporn (vergleichbar den Frena der Valv. ileocoecalis). Dadurch entstehen die ersten Anlagen des Septum cordis.

Sowohl im Aortentruncus als im Ohrkanal beschreibt Schmidt die von Rathke zuerst gesehenen, von späteren Autoren bis auf Lindes vernachlässigten weichen Gewebsleisten, welche an dem einen wie am anderen Orte die Stromlichtung zu einer spaltförmigen gestalten. Er zeigt dann, wie im Aortentruncus die Trennung der Bahnen von oben nach abwärts fortschreitet, indem die sich gegen


1) Bidrag tu Kundshaben om Hjertets Udviklingshistorie. Nordiskt Mediciniskt Arkiv. Vol. II. No. 23. 1870. Das deutsche Referat von Panum steht im Jahresbericht von Vibchow-Hirsch für das Jahr J 870. Bd. I. S. 65.


Historische Notizen betr. die Lehre von der Herzentwickelung. 183

Überliegenden Längsleisten verwachsen. Dann schildert er, wie durch Ausglätten der weichen „Endothelkissen" die anfangs dreistrahlige Lichtung der Röhren cylindrisch wird, und wie schliesslich die Semilunarklappen aus den ausgeglätteten Endothelkissen hervorgehen. In derselben Weise, wie die Trennung der beiden Arterienröhren, erklärt Schmidt auch die Scheidung der Vorhofsostien. Ja er geht noch weiter, indem er an jedem Punkte des Herzrohres eine von Endothelkissen eingefasste flache Lichtung voraussetzt und so die Scheidewandbildung aller drei Herzabtheilungen als einen einheitlichen, durch Verwachsung der sich begegnenden „Grundleisten" vermittelten Vorgang auffasst. Von der Einmündungsstelle des Hohladerstammes sollen die beiden Grundleisten bis an das Theilungsende des Truncus aortae reichen, indem sie spiralig durch das gekrümmte Rohr sich erstrecken. ')

Schmidt's Untersuchungen, soweit sie jüngere Stadien betreffen, beziehen sich auf Hühnerembryonen. Menschliche Embryonen hat er nicht jünger als von 7 — 8 Wochen benützen können und auch seine Säugethierembryonen scheinen derselben Stufe entsprochen zu haben. Zu der Zeit ist aber die Ventrikelscheidewand schon vollständig geschlossen und so erklärt sich auch, wie gerade die Angaben über deren Bildung bei Schmidt einen so hypothetischen Charakter tragen. Seine Mittheilungen dagegen über das Verhalten der ins Herz einmündenden Venen und vor allem seine Darstellung von den Vorgängen im Aortentruncus bezeichnen einen bedeutsamen Fortschritt unserer Kenntnisse.

Speciell über die Atrioventricularklappen hat 1876 Bernays eine Arbeit veröffentlicht. -) Das Material bildeten menschliche Embryonen von der achten Woche ab, sowie Säugethierembryonen von 12 — 16 mm Länge. Sein Hauptergebniss fasst Bernays dahin zusammen, dass die Atrioventricularklappen in ihrer ersten Anlage halbmondförmige, rein endocardiale Vorsprünge sind, welche sich nur secundär mit dem musculösen Balkennetz der Kammerwand verbinden und hierauf in dem Maasse verkümmern, als der aus der letzteren differenzirte, bleibende Klappenapparat sich ausbildet.


1) Hierzu vergleiclie man Fig. 11 von Schmidt's Tafel.

2) Morphol. Jahrbücher. Bd. II. S. 478.


184 Das Herz.

Abgesehen von dem verdickten Wulst am freien Rande nämlich besteht der ganze Klappenapparat eine Zeit lang aus Muskelgewebe und erst später wird dieser musculöse Klappenapparat sehnig, mit Ausnahme der Papillarmuskeln. Die Angabe von der ursprünglich rein bindegewebigen (endocardialen) Natur der Klappen bezieht sich auf Thierembryonen, die, nach dem mitgetheilten Schnitt (1. c. Fig. 1) zu schliessen, etwa auf der Stufe von Fig. 15 Taf. X sich befunden haben. Dabei ist hervorzuheben, dass die, übrigens ziemlich schematisirte Figur wenigstens auf der einen (rechten) Seite breite Yerbindungen der Muskelbalken mit der Unterfläche der Klappen zeigt.

Gegen Schmidt tritt Bernays in einer meines Erachtens ungerecht absprechenden Weise auf. Schmidt geht bei seiner Arbeit aus von der Unterscheidung zwischen dem Muskel- und dem Endothelrohr des Herzens und von der im Ohrkanal constatirten Existenz eines weichen, zwischen beide Wandbestandtheile eingelagerten Gewebspolsters. Letzteres lässt er vom Ventrikel her durch den Druck der Flüssigkeit comprimirt und ausgeglättet werden, wobei die Muskelbälkchen mit den durch Verdichtung des weichen Gewebes entstehenden Klappensegeln in Verbindung bleiben. Schmidt's Voraussetzungen nennt Bernays Hypothesen und unbestätigte Angaben, ein Vorwurf, der nur aus einer Unkenntniss der früheren Entwickelungsstufen des Herzens erklärbar erscheint. Für die peripherischen Abschnitte der Atrioventricularklappen ist Schmidt's Darstellung jedenfalls sehr viel correcter, als diejenige von Bernays, denn jene zeigen vermöge ihrer Entstehungsweise schon in der frühesten Zeit ihres Auftretens einen Zusammenhang mit den Bälkchen der Ventrikelwand.


Die Aortenl)02:en.


Aus dem Truncus Aortae, d. h. also aus dem früheren Endabschnitt des Herzschlauches entwickeln sich die Aorta ascendens und der Truncus pulmonalis, soweit als diese Gefässstämme späterhin vom Herzbeutel umschlossen sind, die Aorta somit bis in die Nähe der abgehenden A. anonyma, der Truncus pulmonalis bis zu seiner Theilungsstelle. Die Trennung der beiden Blutbahnen schreitet, wie wir im vorigen Abschnitte gesehen haben, von oben nach abwärts vor und sie ist schon auf den Stufen S 1 und Rg, d. h. also bei Embryonen vom Beginn des zweiten Monats eingeleitet, bei Seh mit 5 Wochen vollzogen.

Das obere Ende des Aortentruncus inserirt sich, seiner Entstehung gemäss, in die Vorderwand des Mundrachenraumes, und zwar liegt bei den jüngsten Stufen von Lg und Rf der Insertionsort im einspringenden Winkel unter der Yerbindungsstelle der beiden Unterkieferbogen, zur Hälfte noch in deren Bereich, zur Hälfte in demjenigen des zweiten Bogenpaares. (Man vergleiche ausser der nachstehenden Eig. 119 die Figuren 1, 2, 6, 7 und 8 von Taf. IX.) In dieser Zeit setzt sich der Endothelschlauch des Truncus jederseits in zwei Bogengefässe fort, die nach ihrem Abgang vom Hauptrohr, nur wenig von einander divergirend, den Vorderdarm umgreifen und dann in zwei Aortae descendentes sich fortsetzen.


1) Den Ausdruck Truncus pulmonalis brauche ich im Gegensatz zu den Aa. pulmonales für das aus dem Aortenbulbus hervorgehende Anfangsstück des Stammes. Truncus anterior könnte man es auch im Gegensatz zur Aorta ascendens nennen.


186


Die Aortenbogen.


x-^-'X



Die Zahl der Aortenbogen nimmt rasch zu imd schon auf den Stufen von M (Taf. VII Fig. 4) und von BB (Taf. IX Fig. 10) sind

deren jederseits fünf vorhanden. Die fünf Gefässbahnen sind eine Zeit lang gleichzeitig offen, die unteren Bogen anfangs schwächer als die oberen. Schon bei M und bei BB ist die Insertion des Truncus sichtlich heruntergerückt: ein aufsteigender Stamm, die spätere Carotis externa, tritt an das frühere Insertionsgebiet zwischen Unterkiefer und zweitem Schlundbogen, ein absteigender giebt den dritten, vierten und fünften Gefässbogen ab (Taf. IX Fig. 1 und 1 4). Der Insertionspunkt des Endothelrohres liegt in der Höhe zwischen zweitem und drittem Schlundbogen. Hinsichtlich der Stromrichtung liegen der zweite und dritte Gefässbogen am günstigsten, dann folgt der erste und am ungünstigsten sind zu der Zeit der vierte und fünfte gestellt.

Die ersten vier Gefässbogen befinden sich in der Seitenwand des Hinterkopfes und verlaufen eine Strecke weit innerhalb der

nach aussen sowohl, als nach innen wulstig sich vortreibenden Schlundbogen. Der fünfte Gefässbogen dagegen liegt viel weiter medialwärts, als die vier oberen; er fällt bereits in den oberen Rumpfbereich und geht durch das auf Seite 64 als Crista terminalis bezeichnete Gebilde, das seiner Lage nach der späteren Cart. arytaenoidea entspricht.

Ziemlich früh entwickeln sich, von den fünften Bogen ausgehend, zwei zur Lungenanlage herabsteigende Stämmchen, die Aa. pulmonales dextra und sinistra.


Fig. 119.

Vorderansicht vom Embryo Lg. Constr. Vergr. 40. Vom Herzen ist nur der Eiidothelsclilauch dargestellt. Die Insertion des Muskelschlauches zeichnet sich als Kreis unterhalb der Mundöffnung. Die Aorten sind so dargestellt, als ob die davorliegende Substanz durchsichtig wäre.



Fi fr. 120.

Gefässbogen vom Embryo R.


Die Aortenboffen.


187


Ihre ersten Anfänge finde ich schon hei Emhryo Lr, und sehr deutlich zeigen sich die zwei Stämmchen hei den Emhryonen Bl, R u. ff. Ferner tritt vom ohersten Gefässhogen aus ein Zweig gegen die Basis des Zwischenhirns und gegen das Auge, als ohere Anlage der Carotis interna und der A. ophthalmica (Taf. IX Fig. 14.)

Mit dem Eintritt der Nackenkrümmung schliesst sich das Verbindungsstück des ersten und hald darauf auch dasjenige des zweiten Aortenbogens. Als Beispiel für die Anfangsstufe dieser Veränderung gebe ich in Fig. 121 das Aortensystem vom Embryo Bl: der zweite, dritte, vierte und fünfte Bogen sind mit der Aorta descendens ver


Flgr. 121.

Aortensystem vom Embryo Bl. Constr. Vergr. .S6. Die Ziffern /—F bezeichnen die Ordnungsnummern der Gefässbogen, C. i Carotis interna, /• Art. pulmo nalis, 7i Kehlkopf, Lg Lungenanlage, Oe Oesophagus, Uk Unterkiefer, Zg Znnge, Sd Schilddrüse.

bunden; letztere setzt sich nach oben hin in die Carotis interna fort, welche ihrerseits bis zum Auge verfolgbar ist. Als vorderer Kest des ersten Bogens aber ist ein Ast vorhanden, der von unten her zunächst in den Unterkiefer eintritt und der weiterhin auch dem Oberkiefer Zweige abgiebt. Dieser Ast kann zunächst als A. m axillaris communis bezeichnet werden. Vom Anfangstheil des zweiten Bogens geht ein nach vorn gerichteter Zweig ab, welcher gegen den Mundhöhlenboden hinläuft, und den ich für die A. lingualis halte. ')

Es ist unschwer zu verstehen, weshalb der erste Gefässbogen


1) Man vergleiche das Heft I S. SO u. if. hierüber Gesagte.


188


Die Aortenbogen.


nach Eintritt der Nackenkrümmung sich scMiessen muss. Mit letzterer complicirt sich, wie dies a. a. 0. gezeigt worden ist (S. 56), eine Emportreibung des Unterkiefers, in Folge deren er winkelig gegen den Oberkiefer herangedrängt wird. Ist schon dies Moment störend für eine ungehemmte Weiterführung des Blutstromes, so kommt noch als ein weiteres hinzu, dass mit der Vornüberlagerung des Kopfes der Aortentruncus und die Carotis externa einander entgegengesetzte Eichtungen bekommen. Dies letzte Verhalten wirkt



Fig. 122.

Aortensystein vom Emtryo Pr. Bezeichnungen wie oben. C. W Cii'culus Willisii,

K A. vertebralis, 1 — 5 die oberen Halswirbel. Die Höhlung des Eingeweiderohres

ist punktirt angegeben. Vergr. is.


ZU Ungunsten der Circulation auch im zweiten Gefässbogen und ist wohl ein Hauptmotiv für dessen Verkümmerung.

Auf der Stufe, da noch drei Gefässbogen durchgängig und mit der Aorta descendens verbunden sind, befinden sich die auf Taf. VII AI u. B 1 abgebildeten Embryonen, sowie Embryo Pr, dessen Aortensystem ich beistehend reproducire. Ausser der A. lingualis geht hier von der Wurzel des zweiten Bogen ein Aestchen ab, das die Eichtung des früheren Schlussstückes einschlägt, ohne jedoch mit der Carotis interna sich zu verbinden. Da dies Gefäss der Eachenwand dicht entlang läuft, so scheint mir dasselbe als A. pharyngea ascendens gedeutet werden zu sollen.


Die Aortenbogen. 189

Nach obiger Darstellung würden aus dem zweiten Aortenbogen die A, lingualis und die A. pharyngea ascendens hervorgehen , während aus dem Wurzelstück des ersten Bogens ein Stämmchen sich entwickelt, welches in das Kiefergebiet eintritt. Ich habe dies oben als Maxillaris communis bezeichnet, weil aus ihm, soweit ich die Sache übersehe, die Aa. maxill. externa, maxill. interna und A. temporalis hervorgehen. Die A. occipitalis und die auricularis poster. glaube ich dem ursprünglich zweiten Bogengebiet zuweisen zu sollen. Die Auricularis nämlich, deren einer Endast hinter das Ohr, deren anderer als A. stylomastoidea in den Facialiskanal tritt, versorgt ein durchweg dem zweiten Schlundbogen angehöriges Territorium. Wenn aber die Auricularis dem zweiten Gefässbogen entstammt, so muss dasselbe von der unter ihr entspringenden A. occipitalis gelten.

Ueber das Auftreten der A. thyreoidea super, besitze ich keine directen Erfahrungen, indessen bietet gerade dies Gefäss dem Verständniss wenig Schwierigkeiten, denn da das Mittelstück der Schilddrüsenanlage von Anfang ab zwischen den beiden Carotiden gelegen ist, so kann sich, sei es von der Carotis externa, sei es vom Ende der Carotis communis aus, leicht ein Zweig entwickeln, der auf kürzestem Weg an dasselbe herantritt. Die vom vierten Bogengebiet ausgehende untere Schilddrüsenarterie ist ursprünglich für die tiefer entstehenden Seitenanlagen der Drüse bestimmt, und dieser Beziehung entspricht ja auch das bleibende Yerhalten der Gefässe, wonach die obere Arterie dem medialen, die untere dem lateralen Theil der Drüse sich zuwendet.

Schon bei Embryo Bl und noch mehr bei Pr ergiebt sich eine weitere Herabschiebung der Aorteninsertion : das Ende des gemeinsamen Truncus gelangt nunmehr in die Höhe des dritten Schlundbogenpaares, nahe vor das obere Ende der Kehlkopf höhle (dasselbe gilt auch für die Embryonen A und B von Taf. VII). Eine Eolge dieser Verschiebung ist die, dass die Zweigvertheilung zwischen dem auf- und dem absteigenden Hauptast des Aortentruncus eine andere wird. Bei Bl umfasst der aufsteigende Ast die Gebiete der Bogen I, II und HI, d. h. das Gesammtgebiet der spateren A. carotis communis; der absteigende Ast speist nur noch IV und V. Bei Pr dagegen ist die Insertion des Truncus bis unter den vierten Bogen herabgerückt; dem aufsteigenden Ast gehören jetzt die Gebiete I— IV


190


Die Aortenbogen.


an, d. h. rechts das Gesammtgebiet der A. anonyma, links dasjenige des Arcus Aortae ; dem absteigenden Ast gehört nur noch der Bogen V und die von diesem sich abzweigende A. pulmonahs.



Fig. 123.

Aortensystem vom Embryo S 1. Vergr. 18.


Von diesem zuletzt betrachteten Zeitpunkt ab entwickelt sich die Scheidung der beiden Strombahnen des Aortentruncus. Indem das Septum vom Insertionsende aus gegen das Herz hin vorrückt,



Fig. 124.

Aortensystem vom Embryo Kg. Constr. Vergr. 18. Bezeichnungen wie oben. R. T KATHKE'sche Tasche, Ul- Unterkiefer, Zg Zunge, A.v Art. vertebralis.

trennt dasselbe die Bahn, die mit dem linken Herzen, von der, die mit dem rechten zusammenhängt. An der Insertionsstelle des Truncus liegt jene Bahn höher als diese, und so ergiebt sich naturgemäss, dass sie in den Eamus ascendens, die andere aber in den Ramus


Die Aortenbogen.


191


descendens sich fortsetzt. Die Aorta ascendens speist auf die Weise die vier oberen Bogensysteme, der Truncus pulmonalis dagegen nur das fünfte. Für die definitive Zutheilung der Gefässe zu der einen oder zur anderen Hauptbahn ist es demnach von entscheidender Bedeutung, dass die Trennung des Truncus aorticus durch das Septum erst von dem Moment an beginnt, da seine Insertionsstelle zwischen die Abgangsstelle vom vierten und fünften Bogen herabgerückt ist. 1) Wäre die Trennung früher eingetreten, z. B. auf der Stufe Bl, so würde der Truncus pulmonalis auch die vierten Bogen, oder noch früher bei BB die dritten Bogen mit gespeist haben, ja bei Lg, wo nur der erste Bogen Ramus ascendens, der zweite schon



Fig. 125.

Aortensystem von Seh. Constr. Vergr. 3u. Ch Chorda, Zg Zunge, Kk Kehlkopf, Sd Schilddrüse, Tr Trachea, Oe Oesophagus, / — V Ordnungsziftern der Aortenhogen, /5. c Art. subclavia, /" A. pulmonalis, 7 A. vertebralis.

Ramus descendens ist, wäre demselben sogar das Gebiet des zweiten Bogens mit zugefallen.

Auch nach Trennung der beiden Truncusbahnen bleibt die Insertionsstelle nicht stehen, sondern sie schiebt sich immer weiter herab, bis sie dann schliesslich unterhalb der Bifurcationsstelle der Trachea ihre bleibende Stätte erreicht. Bei Kg (Fig. 124) liegt sie schon vor der unteren Hälfte des Kehlkopfes, bei S 1 (Fig. 123) unter 1) Ich kann nicht umhin, hier nochmals darauf hinzuweisen, wie unrichtig die Vorstellungen sind, welche durch die in den Lehrbüchern üblichen Bogenschemata begründet werden. Eine Aorta ascendens, welche sich erst spaltet und dann jederseits fünf Bogen entsendet, giebt es zu keiner Periode der Entwickelung (Heft I S. 82).


192 Die Aortenbogen.

halb des Kehlkopfgebietes, und noch weiter unten liegt sie bei Seh (Fig. 125). Zugleich rücken der vierte und der fünfte Bogen tiefer herab. Beide treten anfangs neben der oberen Kehlkopfhälfte vorbei, verlassen aber weiterhin das Gebiet des Kehlkopfes, um sich der Trachea entlang in tiefere Regionen zu senken. Dabei wird auch der unter dem fünften Bogen vorbeitretende N. laryngeus inferior mitgenommen und allmählich zum N. recurrens gemacht. Schon bei Embryo Seh ist der N. laryngeus inferior rückläufig (S. 89 Fig. 62) und tritt links dicht unter dem fünften, rechts unter dem vierten Bogen vorbei.

Beim Herabsteigen der Aorteninsertion und der unteren Gefässbogen verlängert sich naturgemäss auch mehr und mehr die Carotis communis, die, wie wir oben sahen, als ein anfangs kurzer gemeinsamer Ast der drei oberen Paare bestanden hatte (Fig. 121).

Des Zusammenhanges halber habe ich einige allgemeine Verhältnisse vorweg behandelt und ich komme nun auf die Einzelnheiten zurück, zunächst auf das Verhalten der Carotis interna, bez. ihres Anfangstheiles : der dritte Gefässbogen tritt bei Pr in einem S-förmig geschwungenen Verlauf nach der Aorta descendens hin, und er hängt nach aufwärts mit der Carotis interna, nach abwärts durch die Aorta descendens mit den beiden unteren Gefässbogen zusammen. Erstere Verbindung geschieht unter spitzem, letztere unter stumpfem Winkel. Dabei ist aber der Strom voraussichtlich ein vorwiegend nach oben, in der Richtung der Carotis interna hin gerichteter. Von der Mitte der fünften Woche ab wird die hintere Verbindung zwischen dem dritten und dem vierten Bogen unterbrochen, und von da ab ist der dritte Bogen einfach zur Wurzel der Carotis interna geworden. Bei S 1 (Fig. 1 24) hat er noch die mit dem vierten Bogen parallele Richtung und er biegt unter spitzem Winkel in den der hinteren Pharynxwand entlang laufenden Gefässstamm um. Allein je weiter die Truncusinsertion herabrückt, um so steiler richtet sich auch das Wurzelstück der Carotis auf und um so mehr nimmt dessen Uebergang in den retro-pharyngealen Theil die Gestalt eines sanftgeschwungenen Bogens an (Fig. 125). —


1) Ueber die constanten Beziehungen des N. recurrens vagi zu den Aortenbogen vergleiche man den Aufsatz von A. Brenner im Archiv für Anat. und Physiol., anat. Abtli. 1883. S. 373.


Die Aortenbogen. 193

Die Carotis interna besteht obiger Darlegung zufolge aus drei genetisch diflferenten Strecken. Das Endstück entsteht als selbständiges Astgebiet über dem obersten Aortenbogen und ist eine anfängliche Dependenz von diesem. Das Mittelstück entwickelt sich nach dem Eingehen der ersten zwei Aortenbogen aus dem oberen Ende der Aorta descendens, wobei die früher absteigende Stromrichtung zu einer aufsteigenden wird. Das Wurzelstück der Carotis interna entsteht in der eben betrachteten Weise aus dem dritten Aortenbogen.

Arteriae vertebrales und A. basilaris. Schon bei der Beschreibung der Embryonen A und B im ersten Hefte habe ich (I. S. 81) zweier Längsgefässe gedacht, welche der vorderen Hirnkante folgen und von denen ich damals vermuthete, dass sie die Kopfstücke der Aa. vertebrales seien. Die Yermuthung ist richtig gewesen, und ich finde die betreffenden Cefässe sogar schon bei den Embryonen K und Bl. Sie sind hier, im Vergleich zur Carotis interna, noch schwach und nicht bis zur Verbindung mit der letzteren nachzuweisen. Auch laufen die Stämmchen zu der Zeit ihrer ganzen Länge nach neben einander, ohne zu einer unpaaren A. basilaris sich zu verbinden. Nach rückwärts sind sie bis zur Schädelgrenze verfolgbar und biegen hier in starkem Winkel lateralwärts um.

Bei Embryo Pr ist durch das theilweise Zusammentreffen der Aa. vertebrales eine kräftige Basilararterie entstanden; die vorderen Endäste derselben gehen in die Enden der Carotis über und so kommt es zur Bildung eines Circulus Willish (Fig. 122).

Weit später als die Entwickelung des Kopfstückes erfolgt für die Aa. vertebrales die Entstehung eines zusammenhängenden Halstheiles. Bevor ein solcher zu Stande kommt, ist am Hals-, gleich wie am Brust- und Bauchtheil des Körpers eine Reihenfolge von Intervertebralgefässen vorhanden, welche die Wirbelanlagen einzeln umgreifen und bis zum Eückenmark vordringen. Die obersten von diesen Intervertebralgefässen hängen mit dem Anfangstheil der A. vertebralis cephalica zusammen. Der Stamm der A. vertebralis cervicalis entsteht dadurch, dass die Intervertebralarterien unter einander zu einer neben den Halswirbeln gelegenen Anastomosenkette zusammenfliessen und dass, unter Verkümmerung der oberen Zuflüsse, ein unterer allein übrig bleibt. Ich vermag

His, Mensclil. Embryonen. III. 13


194 Die Aortenbogen.

erst von der Stufe vom Embryo S 1 an eine zusammenliängende A. vertebralis cervicalis nachzuweisen. Dieselbe tritt, gegenüber von der Einmündungsstelle des fünften Bogens, aus der Aorta descendens hervor und sie erreicht die Wirbelsäule am sechsten Halswirbel. Unterhalb dieser Stelle folgt eine Kette von Intervertebralgefässen, die späterhin zu den Aa. intercostales werden.

Da, wo der Stamm der A. vertebralis an den Nerven wurzeln des Plexus brachialis vorbeiläuft, zweigt sich ein Gefäss ab, welches diesen begleitet, und das somit als der erste Anfang einer Extremitätenarterie sich darstellt. Wenn ich diese als A. subclavia bezeichne, so geschieht es mit dem Vorbehalt, dass die Bezeichnung zuviel besagt, da das Stämmchen entschieden nicht das ganze spätere Subclaviagebiet deckt. Mit der Bezeichnung A. axillaris würde zu wenig gesagt sein.

Rückbildung der Aorta descendens dextra. Schon bei jüngeren Embryonen finde ich die beiden Aortae descendentes von ungleichem Caliber, die linke stärker denn die rechte, und zwar tritt das Ueberwiegen des linken Stammes unterhalb der Einmündung des vierten Bogens ein. Ich vermisse auf den Stufen von M, BB, Lr, a, R und Bl bei keinem der Embryonen einen Unterschied der beiderseitigen Stämme; allein es ist derselbe nicht bei allen gleich ausgesprochen. Während bei M, bei Lr und bei Bl das Verhältniss der Durchmesser stellenweise wie 2 : 1 ist, sind bei anderen, wie bei BB und bei a, die Gegensätze viel geringer. Als Grund des einseitigen Ueberwiegens sehe ich die schräge Insertion des Aortentruncus an, vermöge deren der Blutstrom an die linksseitigen unteren Bogen unter einem günstigeren Winkel herantritt, als an die rechtsseitigen. ')

Auffallenderweise tritt ein Zeitpunkt ein, während dessen der Unterschied der rechten und linken Aorta nahezu verwischt erscheint. Sowohl bei den Embryonen A und B, als bei Pr ist eine Differenz beider Stämme nicht in die Augen fallend. Immerhin ist mir unwahrscheinlich, dass eine solche ganz und gar geschwunden sei. Zu genaueren Messungen behufs einer genauen Entscheidung der Frage eignen sich meine Schnitte deshalb nicht, weil im betreffen 1) Heft I. S. 123.


Die Aortenbogen.


195


den Abschnitt die Aorten sehr schräg oder sogar longitudinal getroffen sind.

Mag dem sein wie ihm will, es tritt jedenfalls im weiteren Verlauf der Entwickelung der Unterschied beider Aorten wieder sehr auffallend hervor , so bei Kg und noch mehr bei St. Schon auf der Stufe von Seh, also beim 5 wöchentlichen Embryo, ist der fünfte Bogen der rechten Seite und zugleich damit auch das Verbindungsstück der Aorta descendens dextra eingegangen. Der vierte rechte Bogen läuft nunmehr in die A. vertebralis und subclavia aus.

Abgesehen von den relativen Grössenverhältnissen der einzelnen Stämme sind

jetzt die Verhältnisse der Hauptäste so, wie sie bis zur Geburt bleibend sich erhalten. Der aus dem linken Herzen kommende



Aortensystem vom Embryo E.g. Frontal.



Fig. 137.

Aortensystem vom Embryo S 1. Vergr. 24.


Fig. 128.

Aortensystem vom Embryo Soli. Vergr. 30.


Truncus Aortae oder die spätere Aorta ascendens spaltet sich

in eine rechte und eine linke Hälfte (je einen Eamus ascendens der

Darstellung von S. 189); erstere, weit schwächer denn letztere, ist

die spätere A. anonyma, von welcher das gemeinsame Wurzelstück

von den Bogen 3, 2 und 1 als Carotis communis abgeht, nebst

dem vierten Bogen oder der nunmehrigen A. subclavia. Der

linke Hauptast des Aortentruncus bildet den Arcus Aortae, der so 13*


196


Die Aortenbogen.


mit der A. anonyma gleichwerthig ist. Davon spaltet sicli wiederum die Carotis communis und su]3clavia sinistra ab, während an der concaven Seite der fünfte Bogen oder Ductus Botalli in ihn einmündet. Der Truncus pulmonalis hatte sich noch auf der Stufe von Rg in zwei Aeste gespalten, von denen jeder eine A. pulmonalis abgegeben hatte. Nachdem das rechtsseitige Verbindungsstück zur Aorta descendens geschwunden ist, bleibt die rechte A. pulmonalis als Rest dieser Seite übrig. Während somit beim Truncus Aortae der primitive Theilungswinkel zwischen A. anonyma und Arcus Aortae liegt, fällt derselbe beim Truncus pulmonalis zwischen die rechte Pulmonalarterie und den Ductus Botalli, es ist daher unrichtig, wenn die üblichen Schemata die rechte Pulmonalis vom linken fünften Bogen ableiten. ')

Im Gegensatz zu manchen Lehrbuchdarstellungen mag hier betont werden, dass die aus dem Arcus Aortae entspringenden grossen

Stämme auch beim Erwachsenen stets die verlängerte Richtung der Aorta ascendens innehalten und demgemäss auch niemals rechtwinkelig zum Bogen stehen.

Die Strecke der Aorta zwischen der abgehenden Subclavia sinistra und der Insertion des Ductus Botalli ist beim Fötus enger, als die Strecke unterhalb der letzteren. Reste dieser Differenz erhalten sich, wie ich aus der Vergleichung zahlreicher injicirter Stücke ersehe, beim Erwachsenen in einer sehr merklichen Weise. Injectionspräparate der Aorta zeigen, jenseits vom Abgang der A. subclavia, eine oft nicht unerhebliche Verjüngung, auf welche beim Uebergang in die Aorta descendens eine spindelförmige Auftreibung folgt. Ich bezeichne die beiden Strecken als Aortenenge und Aortenspindel. Auf der Grenze beider hat das Rohr an seiner Concavität meistens eine ausgeprägte Einknickung.



Fig. 129.

Aortenliogen eines Ei-waclisenen mit Aortenspindel.


1) So neuerdings bei Gegenbaük, Lehrbuch der Anatomie. S. 640.


Die Aortenbogen. 197

Letztere scheint bereits von Henle und von Luschka beaclitet worden zu sein. Henle sagt nämlich in seiner Gefässlehre (L Aufl. S. 79), dass die Insertion des Ductus arteriosus zuweilen einer merklichen Einschnürung entspricht, und bei Luschka (Lehrbuch der topogr. Anat., Brust, S. 429) wird ausdrücklich hervorgehoben, dass das Aortenrohr zwischen dem Abgang der A. subclavia sinistra und der Insertion des Ligam. arteriosum etwas enger als im übrigen Verlauf, „ja bisweilen sogar merklich eingeschnürt" ist. Hinweise auf die spindelförmige Anschwellung der Aorta geben die genannten Autoren nicht, wie ich deren auch in der sonstigen gangbaren Literatur keine vorgefunden habe.

Nach den an 15 injicirten und getrockneten Präparaten angestellten Messungen beträgt der mittlere Durchmesser beim erwachsenen Menschen:

für die Aorta ascendens unmittelbar unter

dem Truncus anonymus 29.6 mm

für die Aortenenge 22.4 ==

für die Aortenspindel 25.4 =>

für die Aorta descendens jenseits der Spindel 22.3 *

Die mittlere Caliberdifferenz zwischen Aortenenge und Aortenspindel beträgt sonach 3 mm. Als Maximum dieser Differenz habe ich 5 mm, als Minimum 1 mm gefunden, letzteres nur zweimal unter den 15 Fällen.

Gleich der absoluten und relativen Mächtigkeit wechseln die Längen von Aortenenge und Aortenspindel je nach den Individuen. Beide Bildungen sind auch am feuchten, nicht injicirten Kohr zu erkennen; sie unterscheiden sich hier nicht allein durch das verschiedene Caliber, sondern überdies durch erhebhch verschiedene Wanddicke. Schneidet man das Rohr an seiner concaven Seite auf, so findet man ganz unerwartet grosse Differenzen in nahe beisammenliegenden Strecken; so finde ich z. B. an einem Präparat mit Hülfe eines mikrometrischen Messapparates:

für die Aorta ascendens 1.621 mm Wanddicke für die Aortenenge 0.562 == =»

für die Aortenspindel 1.371 == =»

Der Uebergang von der dünnen Strecke der Aortenenge zm* dickeren


198 Die Aortenbogen.

der Spindel erfolgt ziemlich rasch, an der Insertionsstelle des Ductus

BOTALLL

Dies ungleiche Verhalten der Wand bietet ein besonderes physiologisches Interesse dar, denn es ist zu erwarten, dass den Strecken von so verschiedener Wanddicke im Innern des Rohres auch eine ungleiche Vertheilung des Blutdruckes entspricht. Um diese Frage gehörig zu discutiren, bedarf es einer Vergleichung der Dickenschwankungen der Aorta mit denjenigen anderer grosser Arterien, Darauf einzugehen darf ich um so mehr unterlassen, als die Aufgabe zur Zeit an der hiesigen Anstalt speciell bearbeitet wird.

Die Bildung der Aortenwand. Die primitiven Aorten, gleich wie die übrigen primitiven Blutgefässe, bestehen zur Zeit ihres erstens Auftretens aus einem einfachen Endothelrohr. In einer, anfangs sehr unscheinbaren Weise legt sich die T. media an und erst mit Beginn des zweiten Monats gewinnt dieselbe ein etwas compacteres Gefüge. Beim Durchgehen meiner Präparate gelange ich zu folgenden Anschauungen. Schon bei Embryo Lg, noch deutlicher aber bei BB liegt um das Endothelrohr der Aortae descendentes herum ein Kranz von Zellen, die sich da etwas dichter zusammendrängen, als in der weiteren Umgebung. Eine bestimmte Gesetzmässigkeit in der Lagerung der Zellkörper vermag ich noch nicht zu constatiren, manche derselben stehen mit ihrer Längsaxe schräg zur Gefässaxe. Auch habe ich kein Criterium, um zu entscheiden, inwieweit es sich nur um Muskel- oder zugleich um Muskel- und Bindegewebszellen handelt. In Betreff der ersteren bin ich für das Hühnchen vor Jahren zum Ergebniss gelangt, dass sie aus der tieferen Schicht der Urwirbelrinde, bez. aus der entsprechenden Schicht der Kopfplatten hervorgehen und sich schon ziemlich früh um die Aorten herumlegen, i) Zur Controlle dieser Auffassung haben mir die Schnitte menschlicher Embryonen keine Anhaltspunkte gewährt.

Die Zellen, welche um die Aorten herumliegen, nehmen allmählich concentrische Schichtung an. Schon bei den Embryonen R und Bl, und noch mehr bei Pr sind einige Lagen von spindelförmigen Zellen nach aussen vom Endothelrohr befindlich. Die Zahl dieser Lagen ist noch keine sehr grosse (2 — 3) und auch ihre Schichtung


1) Monogr. der Hühnchenentwickelung und Körperform. S. 35.


Die Aortenbogen. 199

keine sehr dichte. Von der Stufe von S 1 aber und noch mehr von derjenigen von Seh ab hat die Aortenwand ein weit ausgeprägteres Gefüge angenommen. Es charakterisirt sich nunmehr die T. media als ein aus gedrängt liegenden Spindelzellen gebildeter King von vielfacher Schichtung. Dazu kommt als neue Bildung die Anlage einer dickeren T. intima hinzu. An der Innenfläche des Muskelringes nämlich hat sich eine 2— 3 fache Lage von Zellen gebildet, welche nicht oder nur wenig abgeplattet und dabei auch trüber und körnerreicher sind als die Elemente der Media. Es handelt sich hier unzweifelhaft um Zellen parablastischer Abkunft, mögen dieselben durch den Muskelring hindurch zur inneren Gefässfläche gelangt, oder mögen sie, was mir wahrscheinlicher ist, aus Zellen des Blutstromes selbst hervorgegangen sein. Der Endothelschlauch bewahrt übrigens eine gewisse Unabhängigkeit von der übrigen Anlage der Intima, und noch auf der Stufe von Zw finde ich an Durchschnitten das endotheliale Innenrohr stellenweise coUabirt und von der übrigen Intima abgehoben. Als erste Andeutung einer T. adventitia ist das aufgelockerte Gewebe aufzufassen, welches die Muskelwand der Aorta von aussen her umgiebt.


Von der Umbildung der zum Herzen führenden grossen Venenstämme. ^


Es sind in einem früheren Capitel (S. 143) die Venen aufge


Flg. 130.

Venenstämme des Embryo Bl. Vergr. 27. Frontalconstr. F. om Vena omph.-mes., F. «i Venaumbil. unterer Abschnitt, F. u* oberes unabhängig gewordenes Endstück der Nabelvenen, V.j u. F. c Vv. jugul. u. Cardinales, F. es u. d Vena cava sup. dextra u. sinistra, F. h Vena liepatica, S.r Sinus reuniens, P Oeffnungen des Sinus reuniens in den Vorhof an der Porta vestibuli, Bs Bauchstiel. Das Eingeweiderohr ist punktirt dargestellt.

zählt worden, welche theils von der Nabelblase, theils vom Körper her das Blut zum Herzen führen: die Dottervenen, die Nabel


1) Ueber die in diesem Capitel behandelten Verhältnisse habe ich 18S3 bei der anat. Section der deutschen naturf. Gesellschaft in Freiburg i/B. eine


Von der Umbildung der zum Herzen führenden grossen Venenstämme. 201

venen, die Cardinal- und die Jugularvenen. Die Cardinalund die Jugularvenen verbinden sich jederseits zur oberen Hoblvene (oder dem Ductus Cuvieri). Diese trifft zuerst mit der Nabelvene zusammen und tritt dann im Septum transversum medianwärts dem entsprechenden Stamm der anderen Seite entgegen; vor der


Fig. 131.

Dasselbe im Profil. Vergr. 27. Ch Chorda dorsalis, Un Urnieren. Das Einmündungstück der Y. Cava SDp. sinistra in den Sinus reuniens ist als abgeschnittenes quer schraffirtes Stämmchen dargestellt.

Vereinigung der beiden erfolgt sodann die Einmündung der Dottervenen. Gemeinsamer Sammelraum sämmtlicher Blutbahnen ist der


Mittheilung gemacht; der gedruckte Bericht enthält allerdings nur deren Titel, da mir der Abdruck einer Notiz ohne Abbildungen nutzlos zu sein schien.


202 Von der Umbildung der zum Herzen führenden grossen Venenstämme.


unter dem Zwerchfell liegende Sinus reuniens (Taf. IX Fig. 7 biß 10 und S. 144 Fig. 92), und es ist der Nachweis geführt worden, dass dieser Behälter im Laufe der Entwickelung seine primäre Stellung verlässt und sich dem Herzvorhof anschliesst. Es handelt sich nunmehr darum, die Umbildung der einzelnen Stammsysteme zu verfolgen, und zwar kann ich mich auf die von unten her kommenden Yenen beschränken, da die Umlagerung der V. cava superior schon an früherer Stelle erörtert worden ist (S. 145).



Fig. 132. Fig. 133.

Querschnitte durch die Leberanlage vom Embryo Bl. Vergr. 36. Fig. 132 stellt den höher

gelegenen Schnitt dar und zeigt den oberen Gefässring in einem grossen Theil seines Um fanges. In Fig. 133 ist die hintere Verbindung der zwei Dotteryenen zu sehen.

Die Yenae omphalomesentericae sind ursprünglich doppelt angelegt und sie steigen vor dem Darmrohr und mit diesem verbunden bis in die Nähe des abgehenden Leberganges, alsdann wenden sie sich etwas dorsalwärts und kommen seitlich von Darm und Magen zu liegen, wobei sie in einer besonderen Ausladung von deren Wand eingeschlossen erscheinen (Taf. XI BB Fig. 9,3 bis 8,4 und Lr 23d bis 19 c).

Zwischen den neben einander herlaufenden Dottervenen bilden sich von ziemlich früh ab quere Yerbindungen (Taf. XI BB 8,: und Lr 21 c). Auf den Stufen der Embryonen Bl und R sind drei Yerbindungsbogen vorhanden, zwei vor und einer hinter dem Duodenum liegend. Dieselben sind so angeordnet, dass der Darm von zwei Gefässringen eingefasst wird, welche mit ihren hinteren Abschnitten unter einander verbunden sind. Die Yerbindungsstelle der beiden Gefässringe liegt in der Höhe der Pankreasanlage. Der untere Bing


Von der Umbildung der zum Herzen führenden grossen Venenstämme. 203

tritt zuerst auf, ihn habe ich seiner Zeit schon bei Embryo a aufgefunden und dargestellt (Heft I S. 111 u. 115 und Taf. VIII a 4, sowie 21—24).!)

Währenddem diese Querverbindungen zwischen den beiden Dottervenen entstanden sind, hat sich auch das Verhältniss zwischen dem unteren und dem oberen Theil ihrer Stämme erheblich geändert. An Stelle der zuvor einfachen Verbindung hat sich schon von den Stufen von BB und Lr ab (Taf. IX Fig. 12—15) ein Gefässnetz entwickelt, das mit der zunehmenden Ausbildung der Leber immer reicher wird. Die unteren Abschnitte der Dottervenen erscheinen nunmehr als die zuführenden Gefässe der Leber und, wie dies auch Eig. 130 zeigt, so gehen aus dem oberen Ring mehrfache Gefässstrahlen aus, welche in das IS'etz der eigentlichen Lebercapillaren ausmünden. Die oberen Enden der beiden Vv. omphalomesentericae verhalten sich dagegen als die ableitenden Sammelbahnen der Lebercapillaren , d.h. als die Anlagen der Lebervenen, und sie führen das durch die Leber getretene Blut jederseits dem Sinus reuniens zu. Die Lage ihrer Wurzeln innerhalb der Leber ist eine durchaus charakteristische. Die Leber bildet nämlich eine zwischen den Magen und das Diaphragma eingeschobene Substanzplatte, welche jederseits einen frei in den Bauchraum hereinragenden Lappen trägt. Die zwei Lappen umgreifen die Magenanlage von den Seiten her und laufen dorsalwärts in eine mehr oder minder scharfe Kante aus (Taf. XII B, 50 — 58). Die Wurzeln der Venae hepaticae liegen in der Nähe dieser hinteren Leberkanten, und sie wenden


1) Fol, welcher auf Grund seiner an einem 5.6 mm langen Embryo gemachten Erfahrungen mehrere von meinen an Embryo a gemachten Ergebnissen beanstandet, zeigt sich auch geneigt, die Existenz eines Sinus annularis zu bezweifeln. Meines Erachtens ist über einen solchen nicht zu streiten, es giebt sogar zwei solche Kingsinus. Die Bemängelung meiner Figur Tafel VIII a 4 wegen angeblich verschränkter V. umbilicalis hätte wohl bei einiger Aufmerksamkeit können vermieden werden. Aus dem Verhalten zu den ümbilicalarterien und aus dem blassen Druck des Streifens hätte Fol erkennen können , dass das abgebildete Gefäss nicht die rechte, sondern die linke Nabelvene ist, dessen oberes Ende durch die durchsichtig gedachte Leber hindurch bis zum Eintritt in den Sinus reuniens verfolgbar erscheint. Das Verhältniss der Leber zum jenseitigen Gefäss hätte der Lithograph vielleicht noch etwas deutlicher markiren können, immerhin lässt auch hier die Deckung der Vene durch die untere Lebercontour keinen Zweifel über die Intention der Zeichnung.


204 Von der Umbildung der zum Herzen führenden grossen Venenstämme.

sich im oberen Abschnitt der Leber in einem Bogen nach vorn, um den Sinus reuniens zu erreichen. Vergleicht man damit das Verhalten der Dottervenen auf jüngeren Stufen (z. B. bei Lg Taf. XII 120 u. 112, bei BB Taf. XI 9,3— 8,i und besonders bei Lr Taf. XI 21 c bis 19 b), so kann man erkennen, dass dasselbe zur Pormbildung der Leber in unmittelbarster Beziehung steht. Die neben dem Magen liegenden dorsalwärts gerichteten Ausladungen, in denen die Dottervenen hegen, sind die Vorgebilde der beiden Seitenlappen der Leber. AVenn dieselben bei zunehmender Entwickeluncr des Leber



Fig. 134.


Fig. 135.


Venenstämme vom Embryo K, von vorn und im Profil. Vergr. 40. Bei Fig. 134 ist der eröffnete Sinus reuniens senkrectit schraffirt. V. A Vena Aranzii.


gewebes an Umfang zunehmen, behalten die aus den Dottervenen hervorgegangenen Vv. hepaticae ihre Lage in der Nähe des dorsalen Bandes bei, sie werden um so weiter nach rückwärts verschoben, je mehr, von vorn her das eigenthche Lebergewebe überhand nimmt.

Venae umbilicales. Die beiden Nabelvenen verlaufen in der seitKchen Bauchwand, ganz nahe an deren Umbiegungssaum in das Amnion (Taf. XI Lr 23 d bis 21 c und BB 12,io bis 8,7). Da, wo die seitliche Bauchwand das Septum transversum erreicht, gehen die Nabelvenen in dieses über, und sie nehmen ihren Weg nach dem Sinus reuniens dicht unterhalb des Zwerchfells und über der primären Leberanlage vorbei. Die unteren Enden der beiden Nabelvenen kommen aus den Seitenrändern des Bauchstieles, und sie ent


Von der Umbildung der zum Herzen fülirenden grossen Venenstämme. 205

stehen als Theilzweige eines unpaaren, hinter dem AUantoisgang gelegenen Gefässstammes, der erst mit der Annäherung an das Chorion wieder in getrennte Wurzeln sich auflöst (Taf. IX Fig. 6, 7, 9, 10 u. 14). Dieser unpaare Stamm findet sich schon bei dem jüngsten meiner construirten Embryonen, bei Lg.

In ihrer weiteren Entwickelung verhalten sich die beiden Nabelvenenstämme verschieden: der rechte, von früh ab etwas schwächer als der linke, geht an seinem der Leber zugewendeten Ende in mehrere Aeste auseinander (so schon bei Lr Taf. IX Fig. 15), und weiterhin erscheint bei Bl und bei R seine Verbindung mit dem oberen Abflussrohr unterbrochen. Statt dessen finden sich verschiedene der Bauchdecke angehörige Seitenäste, das Gefäss ist nunmehr



Kg. 136.

Sehematische Umarbeitung von Fig;. 134, die Bildung der Vena Poitae aus den beiden Uälften des Sinus annularis veranschaulicliend.

ZU einer Bauchdeckenvene geworden und die Stromrichtung hat sich von einer aufsteigenden zu einer absteigenden umgewendet. ') Im Uebrigen scheinen einzelne Zweige des Stammes in der Leber zu wurzeln, und selbst auf der verhältnissmässig späten Stufe vom Embryo Rg bekomme ich noch Bilder, welche ich als einen Zusammenhang der rechten Nabelvene mit der Leber deuten muss.

Für die linke Nabelvene tritt, wie für die rechte, eine Unterbrechung der ursprünglichen Abflussbahn ein. Der längs der Bauch


] ) Das Verhalten der rechten Nabelvene habe ich bei meinen im ersten Heft gegebenen Bearbeitungen nicht verstanden, ich hatte zwar Theilungen derselben wahrgenommen, dieselben aber nicht für etwas principiell Wichtiges angesehen.


206 Von der Umbildung der zum Herzen führenden grossen Venenstämme.

wand heraufsteigende Stamm geht in der Höhe des Septum transversum in mehrere Zweige auseinander, von denen einer als Hauptast unter der Leber durch schräg nach aufwärts zum Sinus annularis hintritt und in diesen einmündet. So finden sich die Verhältnisse mit Bestimmtheit von der Stufe von Embryo E, ab. Das Nabelvenenblut erfährt damit seine Zuleitung nach der Leberpforte hin; dabei muss sich mit dem vom Chorion herkommenden Blut dasjenige vermengen, welches von den Bauchdecken herstammt, da ja die rechte Nabelvene keinen anderen Abfluss hat, als nach der linken hin.

Die über der Leber befindlichen Endstücke der primären Nabelvenen verkümmern nicht mit einem Male, sie erhalten sich auf beiden Seiten noch eine Zeit lang als schwache kleine Stämmchen, die von oben und von unten her aus der Leibeswand Blut aufnehmen und dasselbe dem Sinus reuniens zuführen.

Vena ascendens oder V. Aeanzh. Während einer kurzen Frist steht der Sinus annularis mit den höher gelegenen Blutbahnen nur durch Vermittelung der Lebercapillaren in Zusammenhang. Dann aber bildet sich unter den vom Sinus ausstrahlenden Zweigen einer zu einem Verbindungsgefässe aus. Derselbe steigt vom oberen Querbogen ab vor dem Magen in die Höhe und verbindet sich mit der Vena hepatica dextra. Dies neue Gefäss, das vs^ir als Vena ascendens oder V. Aeanzii bezeichnen können, scheint andeutungsweise schon bei Embryo Bl angelegt zu sein, bei K dagegen ist es ein ansehnlicher Stamm (Taf. XI K 55— 58), der nun von da ab, durch alle nachfolgenden Entwickelungsstufen hindurch bis zur Geburt sich erhält. Das obere Ende der Vena ascendens wendet sich nach rechts herüber, und es fliesst mit der Vena hepatica dextra kurz vor deren Einmündung in den Sinus reuniens zusammen. Die Vena hepatica sinistra besitzt auf der Stufe von R noch ihre selbständige Einmündung in den Sinus reuniens. Später (ich kann nicht genau sagen in welchem Zeitpunkt) schliesst sich der obere Abfluss und an dessen Stelle tritt eine Querverbindung der linken Lebervene mit der Vena ascendens.

Vena Portae. Die Vena Portae als ein unpaares, das Duodenum umgreifendes Gefäss bildet sich aus, noch bevor die Embryonen 7 mm lang sind, denn ich habe sie in der Form schon bei meinen früheren Bearbeitungen der Embryonen A und B vorge


Von der Umbildung der zum Herzen führenden grossen Venenstämme. 207

funden. Fol giebt an, dass bei seinem 5.6 mm langen Embryo dies Gefäss auch schon eine unpaare Spirale um den Darm gebildet habe. Das Verständniss der Entwickelung des unpaaren Stammes bietet wenig Schwierigkeiten, das einfache Zuflussstück entsteht durch eine zunehmende Längsverschmelzung der dicht neben einander herlaufenden Aa. omphalomesentericae. Weiter oben wird das Gefäss dadurch unpaar, dass vom unteren King die rechte, vom oberen die linke Hälfte verkümmert. (In Figur 136 ist das Lebergefässsystem vom Embryo R so dargestellt, dass die bleibenden Gefässe schraffirt, die verkümmernden weiss gehalten sind; die zu der Zeit noch fehlende Verbindung der linken Lebervene mit der V. ascendens ist punktirt angegeben.)

Mit der Entwickelung der Yena Portae ist die Umbildung der grossen Unterleibsvenen im Wesentlichen vollendet und nur in dem einen Punkte wird die Folge bedeutendere Aenderungen bringen, als die V. Portae mehr und mehr ihre Wurzeln vom Darm und vom Magen her beziehen wird. Auffallend ist die ausserordentliche Mächtigkeit, welche nicht allein die Unterleibs-, sondern überhaupt sämmtliche Körpervenen während eines gewissen Zeitraumes besitzen. Bei Embryonen ungefähr vom Anfang bis zum Ende der fünften Woche Pr, ^, Eg, Brl und Sl sind die Jugular- und die Cardinalvenen, sowie die sämmtlichen Unterleibsvenen so bedeutend an Caliber, dass auf manchen Querschnitten das von den Yenen eingenommene Feld wohl V^ bis Va der Gesammtfläche einnimmt. Schon von der Stufe des Embryo Seh ab änderte sich dies Yerhältniss wieder und die Yenenstämme kehren zu bescheidenen Maassen zurück. Noch ein weiterer Punkt erscheint mir bemerkenswerth , es sind dies die Schwankungen im Caliber desselben Gefässes. Während wir sonst gewohnt sind die Zweige eines Stammes enger zu finden, als den Stamm selbst, trifft dies Yerhältniss für die Nabelvenen bei den Embryonen Pr, S^ u. s. w. nicht zu. Der im Bauchstiel befindliche Stamm ist viel enger als das in der linken Bauchwand befindliche Rohr und als dessen Fortsetzung unter der Leber hindurch. Aehnliches gilt zum Theil auch von den Jugularvenen, deren Wurzelgebiet an der Basis des Mittelhirns den Charakter eines unverhältnissmässig weiten Sinus annimmt. Ich werde vielleicht Anlass haben später noch einmal auf diese Dinge zurückzukommen, zu deren genauerem Studium die Be


208 Von der Umbildung der zum Herzen führenden grossen Venenstämme.

obachtungen an ganz frischem, sowie an fhierischem Material erforderlich sein werden.

Meine Ergebnisse über die Umbildung der grossen Unterleibsvenen stehen mit der üblichen Darstellung der Lehrbücher in directem Widerspruch, Hiernach soll durch Längsverwachsung des Endstückes der zwei Vv. omphalo-mesentericae bez. der zwei mit ihnen sich verbindenden Umbilicales ein unpaarer, hinter der Leber herablaufender



Fig. 137.

Veneiistämme vom Embryo Pr. Vergr. IS.

Stamm entstehen, von dem aus sich die zu- und die abführenden Lebergefässe entwickeln.') Nun ist leicht zu erkennen, dass dies Schema unrichtig sein muss, da ja die Yv. umbilicales im Anfang dicht unter dem Zwerchfell und über der Leber auslaufen. Eine Verschmelzung tritt weder für die Endstücke der Vv. omphalomesentericae, nech für diejenigen der Vv. umbilicales ein. Jene persistiren


1) Z. B. bei KöLLiKER. Grundriss. 2. Aufl. S. 400.


Von der Umbildung der zum Herzen führenden grossen Venenstämme. 209

als Lebervenenstämme, diese erhalten sich eine Zeit lang getrennt und gehen späterhin ein. Die Vena Aeanzii hat mit den zuerst



Fig. 138.

Venenstämme vom Embryo Rg. Yergr. 13.5.


vorhandenen Endstücken der Dotter- und der Nabelvenen Nichts gemein, sondern sie ist ein neu gebildeter Stamm.

Eine in mehreren Hauptpunkten richtige, der fehlenden Abbildungen halber allerdings unverstanden gebliebene Darstellung der


His, Menschl. Embryonen. III.


14


210 Von der Umbildung der zum Herzen führenden grossen Venenstämme.

Verhältnisse hat schon vor 47 Jahren der so scharf beobachtende Rathke gegeben. ') Die Ringsinus hat derselbe nicht mehr gesehen, indem er die Nabelgekrösvene bereits als ein Gefäss beschreibt, das seinen Weg um die linke Seite des Darmes herum nimmt -), dagegen sagt er von der Nabelvene bei Säugethieren 3) : „der kurze Stamm geht ursprünglich vor der Leber in den vordersten Theil der Nah elgekrösvene, d. h. in denjenigen Theil, welcher später den vordersten Theil der hinteren Hohlvene ausmacht, ja vielleicht entsteht der Stamm der Nabelvene sogar früher als die Leber. Bald aber entsteht an der hinteren Seite der Leber eine kurze Anastomose zwischen der Nabelvene und der Nabelgekrösvene, worauf dann, indem sich diese rasch ausweitet, der vor ihr liegende und an der unteren Seite der Leber befindliche Theil der Nabelvene verschwindet. Etwas später sendet die Nabelvene, wo sie an der Leber verläuft, etliche Zweige in dies Organ hinein und führt ihm zu einer gewissen Periode durch diese Zweige bei weitem mehr Blut zu als die Nabelgekrösvene. Dasjenige Stück der erwähnten Anastomose, welches sich zwischen diesen Zweigen und der Nabelgekrösvene befindet, giebt sich nach einiger Zeit als einen Theil vom linken Ast der Pfortader zu erkennen. Früh auch bildete sich eine Anastomose zwischen der Nabelvene und der hinteren Hohlvene, nämlich der Ductus venosus Aeanzh. " Diese Darstellung zeigt unverkennbar, dass Eathke das Schwinden des ursprünglichen, zwischen Herz und Leber gelegenen Endstückes der V. umbilicalis beobachtet hat. Auch hat er die Bildung einer neuen Verbindung zwischen Nabel- und Dottervene diesseits von der Leber und das secundäre Auftreten der Vena Aeanzii erkannt. Bischoff ^) hat Rathke's Darstellung für unverständlich erklärt und ihm hat sich Kölliker angeschlossen. An der Hand meiner Darstellung wird hoffentlich auch die RATHKE'sche wieder zu ihrem Recht gelangen.


1) lieber den Bau und die Entwickelung des Venensystems der Wirbelthiere im dritten Bericht des naturwissenschaftl. Seminars zu Königsberg. 1838.

2) S. 13. 3) S. 18.

4) Entwickelungsgeschichte. S. 268.


Die Formentwickeliing des äusseren Ohres.


Schon im vorigen Heft (IL S. 60 — 62) hatte sich Gelegenheit gefunden, die Eormentwickehmg der Ohrmuschel zu besprechen, und ich habe dort einige yon den in Betracht kommenden Punkten festzustellen gesucht. Seitdem habe ich den Gegenstand noch einmal vorgehabt ^), und in der folgenden Darstellung werden auch die späteren Entwickelungsstufen der Ohrmuschel bis zur Zeit der Geburt hin Berücksichtigung finden.

Die Ohrmuschel entsteht aus den wulstigen Bändern, welche die erste Schlundspalte äusserlich umgeben, und ihre Anlage zeigt schon frühzeitig eine Gliederung in eine Eeihe von mehr oder minder


scharf ausgesprochenen Höckern. Bei Embryonen vom Schluss des ersten Monats lassen sich deren sechs unterscheiden, wovon zwei dem Unterkieferbogen angehören, drei dem zweiten Schlundbogen und einer dem Verbindungsstück

ywiQpViPn flpm prcjfpn nnri cIptti Kopf vom Embryo ä. Die tei der Ohrbildung ZWlbCUeU Uem eibieu UUU Uem tetheiUgten Höcker sind mit den Ziffern l-ö

zweiten Schlundbogen. Bei der tezeicunet.

Schwierigkeit die Wülste nach ihrer Lage zu bestimmen, bezeichne ich sie vorerst nur mit Ziffern ; 1 und 2 gehören dem UnterMefer


¥ig, 189.


1) Den äusseren Anlass zu einer nochmaligen Bearbeitung der Ohrmuschel hat mir die Abhaltung des internationalen otologischen Congresses in Basel gegeben, wobei ich zu einem Referat über den Gegenstand veranlasst worden bin. Von dem in den Comptes rendus des Congresses (Basel bei

14*


212


Die Formentwickelung des äusseren Ohres.


bogen an, 3 ist das Tuberculum intermedmm, 4, 5 und 6 bilden den Rand des zweiten Bogens.

Eine genauere Analyse der Verhältnisse zeigt noch einige Besonderheiten des ersten sowohl, als des zweiten Schlundbogens. Am Unterkieferbogen scheidet sich vom unteren Haupthöcker ein kleiner Nebenhöcker ab, den ich mit Eücksicht auf seine spätere Bedeutung als Tuberculum tragicum bezeichne (man vergl. auch Taf. I* Fig. 2 u. Taf. XIII Fig. 5). Der Eest des unteren Haupthöckers scheidet sich in der Folge in Lippen- und in Eckwulst und nimmt

an der ferneren Ohrbildung keinen directen Antheil. — Am zweiten Schlundbogen bildet sich hinter dem Gebiet der drei Randhöcker eine den Bogenwulst der Länge nach halbirende zarte Furche. Es wird dadurch ein hinter den Höckern herabsteigender Streifen abgegrenzt, der in der Folge wie eine Verlängerung des Tuberculum intermedium sich ausnimmt und den ich vorläufig als dessen Gau da bezeichnen will. ^'s- 140. j)ie Schlundspalte greift mit zacki Umgebung der ersten Schlandspalte vom

Embryo Br 1. iLaTjyrintiiWase. 1 Tuberc. gen Ausbuchtungeu iu die luterstitieu

tragicum, C Cauda. ° ^

der sie umgrenzenden Höcker herein, auch läuft sie noch bei Embryonen vom Schluss des ersten Monats an ihrem ventralen Ende frei aus. Letzteres Verhältniss ändert sich indessen im Verlauf der fünften Woche. Der Eckwulst des Unterkieferbogens schiebt sich über das Tuberc. 6 hinweg und deckt dasselbe mehr und mehr zu. Weiterhin verwächst er mit ihm, und nunmehr bleibt nur noch der obere Theil der Spalte klaffend, der von den Tubercula 1 — 5 umgeben erscheint und der demnach in fünf ausspringende Zacken ausläuft. Ich bezeichne den also umgrenzten Raum als Fossa angularis. Die Breite der Grube nimmt in der



B. Schwabe. 1885) abgedruckten Aufsatz unterscheidet sich das obige Capitel, abgesehen von Einleitung und Schluss, durch einige weitere Ausführungen. Auch ist am angegebenen Ort durch ein Versehen als Fig. 1 ein unrichtiger, zum Aufsatz in keiner Beziehung stehender Stock abgedruckt worden.


Die Formentwickelung des äusseren Ohres.


213


nächstfolgenden Zeit nicht nnerheblich zu und an ihrem Boden wird eine quere Erhebung sichtbar, ein Tuberculum centrale, welche eine obere und eine untere Vertiefung von einander trennt. Die eine Vertiefung zeigt ihre grösste Ausbildung in der oberen hinteren, die andere in der unteren und in der vorderen Ecke der Fossa angularis.

Die fünf Wülste, welche den Grubeneingang umgeben, schliessen sich zu einem plumpen Ring aneinander, die Art ihres gegenseitigen Anschlusses ist aber nicht allenthalben dieselbe. Am wenigsten ver


Fig. 141.

Ohranlage vom Embryo Br2.



Fig. 142.

Oliranlage vom Embryo Dr.


bunden sind, der Natur der Sache nach, das Tuberculum 1 und 5 oder Tuberculum tragicum und antitragicum. Hier ist die Verbindung überhaupt nur secundär entstanden und es verbleibt als Spur der früheren Trennung eine Furche, deren Tiefe nur allmählich und im Laufe der späteren Entwickelung sich ausgleicht. Ich bezeichne dieselbe als Sulcus intertragicus (im Gegensatz zur Incisura intertragica, welche der Eossa angularis angehört). Tuberculum 1 und 2, sowie 2 und 3 schliessen sich endständig aneinander an. Zwischen Tuberculum 3 und 4 erhält sich eine tiefe Furche, dagegen setzt sich das Tuberculum 3 in jenen als Schweif bezeichneten Streifen fort, der, wie wir oben sahen, aus dem hinteren Theil des zweiten Schlundbogens hervorgegangen ist. Hinter den Tubercula 4 und 5 herabsteigend verliert sich die Cauda in der Nähe des Tuberculum 6. Von den verschiedenen Stücken verbinden sich das Tuberculum 2 oder Tuberculum anterius mit dem


214


Die Formentwic'keluno; des äusseren Ohres.


Tuberc. 3 oder Tuberculum intermedium und die Cauda zur Anlage des Helix. Das Tuberculum 4 wird zum Anthelix und kann als Tuberculum anthelicis benannt werden. Dasselbe schiebt sich in der Folge mit seinem unteren Ende hinter das Tuberculum antitragicum. und verdrängt es theilweise von der Peripherie des Ringes.

Die hintere Bogenhälfte des die Fossa angularis umgebenden Einges greift tiefer herab, als die vordere und, da sie an ihrem unteren Ende vom Unterkieferbogen überlagert ist, hört sie wie abgeschnitten auf und es entsteht hier eine festgewachsene Ecke. Yor der letzteren nimmt der Sulcus intertragicus seinen Anfang. Der fragliche, vom Tuberculum antitragicum durch eine Furche geschiedene Substanzstreifen ist als der freigebliebene Rest des früheren Tuberculum 6 zu verstehen, und er bildet sich später zum Ohrläppchen um, weshalb wir ihn als Taenia lobularis bezeichnen können, die festgewachsene Ecke mag der Angulus terminalis heissen.

In einer nun folgenden Entwickelungsstufe (zwischen 6 — 8 Wochen) wird die Gestalt der Ohrmuschel eine etwas schlankere und zugleich mehr gerundete. Die Fossa angularis ist relativ höher und ihre scharfen Ecken sind zum Theil ausgeglichen. So ist insbesondere die obere vordere Ecke geschwunden, und es geht nun das Tuberculum anterius als aufsteigendes Wurzelstück des Helix mit sanftem Bogen in das frühere Tuberculum intermedium oder in den oberen Theil des Helix über, dessen Cauda den Anthelix, gleichfalls in weichem Bogen umgreift. Letzterer steht steil und zeigt noch keine Andeutung einer Theilung. Von den früheren fünf Ecken der Grube sind noch drei bestimmt ausgeprägt, die beiden übrigen dagegen sind verwischt und weich gerundet. Scharf ausgesprochen sind noch die obere hintere Ecke, die Incisura triangularis, sowie die allerunterste oder die Incisura intertragica, etwas minder scharf, dafür aber sehr lang, erscheint der vordere untere Einschnitt oder die Incisura anterior. Eine vordere obere und eine



Fig. 143.

Okranlage vom Embryo Zw.


Die Formentwickelung des äusseren Ohres. 215

hintere untere Ecke dagegen sind als solche nicht mehr vorhanden. Ein fernerer Fortschritt der jetzigen Ohrform gegenüber der früheren liegt darin, dass im Bereich des Tuberculum anterius der gewulstete Eand der Eossa angularis nach einwärts gekrümmt erscheint und dass er mit convexem Vorsprung dem Anthelix sich nähert, die Fossa selbst ist demnach jetzt in ihrem Mittelstück nicht unerheblich verengt.

An dem Ohr, wie es beim Schluss des zweiten- Monats vorliegt, sind die wesentlichen Theile alle leicht erkennbar, auch weicht dessen Form nicht allzu sehr von der späteren ab, und man sollte denken, dass von nun ab nur noch untergeordnete Yeränderungen in der Gestalt Platz greifen Averden. Dies ist indessen nicht der Fall, und es hat die Ohrmuschel noch eine ganze Eeihe von Umbildungen zu erleiden, bevor ihre Formentwickelung als abgeschlossen kann betrachtet werden.

Zunächst wächst vom Beginn des dritten Monats ab der hintere obere Theil der Ohrmuschel mehr aus der Kopffläche heraus, seine Eückfläche richtet sich dabei auf und sie biegt sich weiterhin mehr und mehr vorn über, so dass schliesslich der Anthelix und die Fossa angularis völlig überdeckt werden. Dieselbe Veränderung tritt auf entsprechender Stufe auch bei Säugethierohren ein (Schaf, Schwein u. s. w,), und während der Zeit kommt es bei diesen zur Entwickelung der Spitze der Ohrmuschel. Beim menschlichen Fötus dauert die Umkrempung der Ohrmuschel nicht lange, vielleicht kaum mehr denn einen halben Monat. Nach dieser Zeit tritt der Helix wieder zurück und der Anthelix wird abermals in ^, . ^^f; ^*** „ .

Ohr eines Fötus vom Beginn

seiner ganzen Ausdehnung frei. ^^^ äntten iionats.

Die Form der Ohrmuschel gleich nach der Phase der Umkrempung zeigt gegen vorher die folgenden Differenzen : Der obere Theil der Ohrmuschel erscheint stark vornübergebogen und der früher gestreckte Anthelix ist jetzt im Winkel gekrümmt. Auch hat sich nunmehr ein Grus inferius von ihm abgezweigt, das früher noch nicht erkennbar gewesen war. Das Tuberculum anterius ist soweit eingeknickt, dass seine Convexität bis zum Anthelix heranreicht und



216


Die Formentwickelung des äusseren Ohres.


in dessen Concavität sich einpasst. Die Fossa angularis ist in ihrem oberen Theil zu einer schmalen Spalte von S-förmiger Biegung umgewandelt. Ihr Endabschnitt, die Incisura triangularis, geht in die Bucht der Fossa triangularis über, und die Furche umgreift somit den unteren Schenkel des Anthelix (Fig. 145).

In ihrer unteren Hälfte hat sich die Fossa angularis gegen früher gleichfalls etwas verengt, der vordere Einschnitt ist tiefer geworden und hat eine schräg ansteigende Eichtung angenommen, auch tritt jetzt der hintere Einschnitt wieder scharf hervor. Der



Fig. 145.

Ohr eines Fötus von ca. 3')2 cm Nl.


Fig. 146.

Ohr eines Fötus von ca. 5'|2 cm Nl.


tiefste Punkt des Ohres ist noch jetzt die Anheftungsstelle der Taenia lobularis, und von einem eigentlichen Ohrläppchen kann daher noch nicht die Eede sein.

Eine nächste Stufe vom Ende des dritten oder vom Beginn des vierten Monats zeigt auch den unteren Theil der Fossa angularis zu einer engen Spalte umgebildet. Der zurückgebogene Theil des früheren Tuberculum anterius berührt jetzt nicht allein den Anthelix, sondern er stösst nach abwärts auch an den Antitragus. In der Zeit beginnt das Ohrläppchen als selbständiger Theil hervorzutreten, indem der hinter der Anheftungsecke gelegene Theil der Taenia lobularis sich nach unten hin ausbaucht. Indem die Ausbauchung in der Folge mehr und mehr zunimmt, rückt das Ohrläppchen immer tiefer unter den Angulus terminalis herab.

Hatte bis dahin die Fossa angularis noch ihren Zusammenhang gewahrt, so wird sie in einer folgenden Periode erst einfach und


Die Formentwickelung des äusseren Ohres.


217


weiterhin doppelt überbrückt. Das Ende des Tuberculum anterius, welches an den Anthelix herangedrängt worden war, verwächst mit diesem und bildet nunmehr das Crus oder die Spina hell eis. Der obere, bogenförmige Abschnitt der früheren Fossa angularis wird dadurch von dem unteren, H- förmig gestalteten Stück getrennt.

Die Verwachsung mit dem Anthelix vollzieht sich im Laufe des vierten Monats ; noch etwas später verbindet sich das Crus helicis auch nach abwärts mit der Basis des Antitragus. Die hierdurch entstehende Brücke trennt den hinter dem Tragus liegenden Eingang



Fig. 147.

Ohr eines Fötus von ca. 81/2 cm ^'l.


Fig. 148.

Ohr eines Fötus von ca. fünf Monaten.


in den Meatus auditivus von einer kleinen, zwischen Crus helicis, Anthelix und Antitragus eingeschlossenen Bucht. Letztere ist von temporärer Bedeutung und geht in der Eolge, indem sie seichter wird, mit in die Cavitas conchae über.

Während die zuletzt beschriebenen Veränderungen eingetreten sind, hat das Gebiet zwischen dem Crus helicis und dem Tragus noch eine besondere Umbildung erfahren. Bei der vom zweiten Monat ab stetig weiterschreitenden Rückwärtsknickung des Tuberculum anterius zieht sich in dessen vorderen Band eine Bucht herein, die anfangs seicht, später aber markirter erscheint. Der der Fossa angularis zugewendete Saum des Tuberculum anterius gestaltet sich demnach zu einem im Winkel gebogenen zweischenkeligen Wulst. Der obere Schenkel wird in früher beschriebener Weise zum Crus helicis, der untere dagegen vermittelt die Verbindung mit dem Tragus,


218 Die Formentwickelung des äusseren Ohres.

und er umsäumt von oben und von vom her die Fissura anterior (Fig. 143, 144 u. 145). Im Gegensatz zum Crus helicis bezeichne ich ihn als Crus supratragicum. Eine Zeit hindurch wird die Länge der Fissura anterior und damit auch der Abstand des Tragus von dem Crus helicis immer grösser. Dann aber tritt im Verlaufe des vierten Monats ein Wendepunkt ein, der Tragus rückt, indem er gleichzeitig steiler sich aufrichtet, in zunehmendem Maasse an das Crus helicis heran und bleibt schliesslich nur durch einen engen Zwischenraum davon geschieden. Die Fissura anterior verkürzt sich hierbei gleichfalls bis auf einen geringen Rest.

Die Annäherung des Tragus an das Crus helicis geschieht auf Kosten des Crus supratragicum. Es wird dieser Substanzstreifen zunächst durch eine breite Furche gekreuzt (Fig. 146), dann erfährt er eine Einknickung und wird in die Tiefe gedrängt, so dass er schliesslich fast ganz und gar unter dem Crus helicis verschwindet (Fig. 147 u. 148). Ein Rest desselben erhält sich auch am ausgebildeten Ohr in Gestalt eines kleinen über dem eigentlichen Tragus liegenden Höckers, des Tuberculum supratragicum, wie wir denselben nennen können, i) Es ist beachtenswerth, dass gerade zwischen Tragus und Crus helicis die Knorpelplatte des Ohres bleibend unterbrochen ist. Wäre das Crus supratragicum in der Zeit der fraglichen Entwickelung mit einem festen Gerüst versehen gewesen, so würde voraussichtlich seine Verdrängung in die Tiefe nicht haben erfolgen können.

Etwa in der Mitte der Schwangerschaftszeit sind die verschiedenen secundären Verbindungen an der Ohrmuschel vollzogen und alle später vorhandenen Theile unterscheidbar. In einem Punkte jedoch weicht die Ohrmuschel zu der Zeit noch erheblich von ihrer späteren Form ab. Sie besitzt noch keine irgendwie ausgedehnte Concha. Sowohl die Cymba als die Cavitas conchae sind nur durch schmale Spalten repräsentirt (Fig. 148), die Reste der früheren Fossa angularis. Ebenso ist die Incisura intertragica zu der Zeit ein sehr enger Schlitz. Noch ehe das Kind ausgetragen ist, haben diese Ver


1) Ein Tuberculum infratragicum ist an manchen Ohren auch unterscheidbar und wird bedingt durch eine frühzeitig erfolgende Einbiegung des primitiven Traguswulstes.


Die Formentwickelung des äusseren Ohres.


219


hältnisse eine wesentliclie Umänderung erfahren. Das Ohr des Neugeborenen zeigt eine relativ sehr viel weitere Concha als das des fünfmonatlichen Foetus, und noch in der Zeit nach der Geburt fährt diese fort, eine Zeit lang an Ausdehnung zu gewinnen.

Unter den Bedingungen, die bei den successiven Umgestaltungen der Ohrmuschel eine Eolle spielen, scheinen mir einerseits die Entwickelung des Schädels, andererseits aber diejenige des Unterkieferastes im Vordergrund zu stehen. Eine Anzahl von den Veränderungen, welche die gestreckte Eorm vom Schluss des, zweiten Monats in die geknickte der späteren Perioden überführen, ist zurückführbar auf einen vom Unterkieferast aus schräg nach hinten und oben wir* kenden Druck.

Die Entwickelung des Ohrknorpels nimmt ihren Anfang gegen Schluss des zweiten Monats, von da ab wird somit die Ohranlage

nicht mehr als eine weiche widerstandslose Masse sich verhalten können.

Was die individuellen Varietäten der Ohrmuschel betrifft, so scheint mir, dass die Mehrzahl derselben in den Bereich der secundären Bildungsvorgänge fällt, d. h. jener Vorgänge, die erst zwischen zweitem und fünftem Monat vor sich gehen. Selbst von den einfachen Missbildungen scheint dies zu gelten, und so glaube ich speciell, dass die sog. Fistula auris congenita mit der primären Ohrspalte Nichts zu thun hat. Als ihr Ort wird nämlich eine Stelle vor dem Grus helicis angegeben i), wohin die Fossa angularis niemals reicht. Eine hier befindliche Grube kann meines Erachtens nur von einer ungenügenden Verwachsung der Furche zwischen dem Grus helicis und dem Grus supratragicum ableitbar sein. Jedenfalls sind über diese,



Fig. 149.

Ohr eines Fötus der letzten Zeit.


1) Man vergleiche Kratz , lieber Fistula fissurae brancHalis I congenita. Diss. inaug. Bonn 1880.


220


Die Formentwickelung des äusseren Ohres.


sowie über sonstige Missbildungen des Ohres erneute Untersuchungen erforderlich.

Ich komme zum Schluss noch mit ein paar Worten auf die Verhältnisse zurück, wie sie an Durchschnitten verfolgbar sind. Es wurde oben (S. 213 und Fig. 142) jenes Wulstes gedacht, welcher aus dem Grunde der Fossa angularis sich erhebt und der die Grube in zwei Abschnitte, einen oberen und einen unteren, scheidet. Beistehender Durchschnitt durch den Kopf vom Embryo Seh zeigt das



Fig. 150. Dui-chsclinitt durch den Kopf vom Embryo Seh. Vergross. 50. H Helix, Tr Tragus, Qg Gehörgang, Fb Itnorpelige Felsenbeinanlage nebst der epithelialen Labyrinthanlage, Zb kleines Zungenbeinhorn, dasselbe biegt sich medialwärts vom N. glossopharyngeus in die Höhe behufs Verbindung mit dem Ton hinten kommenden grossen Hörn. St A. Stapedia? C Carotis, A. v Art. vertebralis, A. m Art. maxillaris , V. j Vena jugularis, -T, IX u. All Nu. facialis, glossopharyngeus und hypoglossus.


Ohr so getroffen, dass oben der Helixbogen, unten der Tragus im Schnitte liegen. Der dazwischenliegende vom Boden der Fossa sich erhebende Centralwulst ist sehr ausgeprägt und es ist unschwer zu erkennen, dass seine Entstehung auf einer Hervorwölbung der die erste Schlundspalte durchsetzenden Verschlussplatte beruht. Der äusseren Convexität des Wulstes entspricht eine der Kachenhöhle zu


Die Formentwickelung des äusseren Ohres. 221

gewendete scliräge Begrenzung der Platte. Die Platte besitzt nunmehr eine gewisse Dicke und zwischen den beiden sie einfassenden Epithellamellen liegt ein Bindesubstanzpolster, in welches der dem zweiten Schlundbogen angehörige Knorpelstreif noch eine Strecke weit hereinreicht. Ein kleines auf dem Durchschnitte sichtbares Blutgefäss ist vielleicht als die von den Arbeiten von Fräser u. A. her bekannte A. stapedia zu deuten. Der N. facialis ist auf dem Schnitt zweimal getroffen; einmal über dem Ohr vor der Kniebildung, das zweite Mal im Bereich des Unterkieferbogens nahe am Pes anserinus. Das Labyrinth liegt ziemlich hoch über dem äusseren Ohr, zwischen beiden tritt der N. facialis hindurch, von einem stärkeren zur V. jugularis gehörigen Gefässstamm begleitet.

Von den beiden Buchten der Fossa angularis, welche durch den Centralwulst geschieden sind, ist die untere tiefer als die obere. Das Niveau von jener liegt in der Höhe der Rachenhöhle, das Niveau der unteren Bucht dagegen liegt tiefer als der Rachenraum und ist medianwärts der Zungenwurzel zugekehrt. Diese untere Bucht ist die erste Anlage eines Oehörganges, während die obere dem Sj^stem der Ohrmuschelgruben angehört. Schon auf der dargestellten Stufe ist die Stellung des Centralwulstes bez. diejenige vom Boden der Fossa angularis eine schräge. Diese Schrägstellung nimmt in der Folge noch zu und sie führt zu einer grösseren Vertiefung des Gehörganges. Der Centralwulst bildet dabei die Decke des Gehörganges, und ein Theil seiner Oberfläche geht in das Trommelfell über.


Baiichstiel und Nabelstrang.


Das Capitel, das naturgemässerweise erst nach Behandlung der Beckengebilde folgen sollte, schliesse ich hier an, weil in einem früheren Abschnitt (S. 1 5) ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist.

Als Bauch stiel bezeichne ich jenen dicken Strang, der schon bei sehr jungen Embryonen die Verbindung zwischen Embryo und Chorion herstellt. Derselbe entwickelt sich dicht unterhalb des Nabelschlitzes aus der vorderen Leibeswand. Yor dem stumpf auslaufenden Beckenende des Körpers biegt er sich unter scharfem Winkel ab, und er tritt vor ihm vorbei nach abwärts, um sich nach kurzem Verlauf in das Chorion zu inseriren (Taf. I* Fig. 6, Taf. IX Eig. 1 — 7, Eig. 9— 11 u. Eig. 141). Nach Emporhebung des Beckentheiles erscheint der Bauchstiel zwischen diesen und den Stiel der Nabelblase eingeklemmt, späterhin wandelt er sich in den Nabelstrang um, als dessen Vorgebilde er zu betrachten ist.

Die Hauptmasse des Bauchstieles ist eine lockere Bindesubstanz nebst etwas glatten Muskelzellen; seine dorsale Eläche trägt eine Ectodermbekleidung, während die ventrale Hälfte den AUantoisgang und die zwei neben diesem herlaufenden Aa. umbilicales umschliesst. Dorsalwärts von den letztgenannten Theilen verläuft eine mächtige Vena umbilicalis (Taf. XI BB 13 — 15 und Taf. XII Lg 204 u. 208).

Manche ältere Beobachter haben den Bauchstiel kurzweg als Allantois bezeichnet und neuerdings behauptet auch Köllikee, dass ich die Allantois Bauchstiel nenne.') Will man indessen die Be


1) Die Länge des Bauchstieles betrug bei Embryo SR 0.6 mm, bei Lg 0.6, bei R 0.7, bei BB 0.9 und bei Lr 1.1 mm.

2) Grundriss. 2. Aufl. S. 140.


Bauchstiel und Nabelstrang. 223

zeiclmurig AUantois nicht ganz diffus werden lassen, so wird man gut thun, sie auf das Gebilde zu beschränken, das man von Alters her so genannt hat, auf eine aus dem Bauch frei hervortretende, dem übrigen Eingeweiderohr durch Yermittelung des TJrachus endständig angefügte Blase.

Eine blasenförmige oder auch nur eine freie AUantois hat man bei menschlichen Embryonen niemals beobachtet und der im Bauchstiel vorhandene enge Gang, der Allantoisgang, wie ich ihn bisher bezeichnet habe, ist jedenfalls nur ein sehr verkümmerter Repräsentant des bei vielen Säugethieren so mächtigen Gebildes. Nach meinem Dafürhalten ist auch der Bauchstiel nicht durch Anwachsen einer freien AUantoisanlage an das Chorion entstanden, sondern er bezeichnet den Ort einer primären, niemals unterbrochenen Verbindung zwischen dem Embryo und der Keimblase.') Durch diese Auffassung allein wird es verständlich, dass der Stiel schon bei den allerjüngsten menschlichen Embryonen als ein relativ mächtiger Theil vorhanden ist.

Der Bauchstiel erweist sich nach seinem morphologischen Aufbau als eine Fortsetzung der Eumpfanlage. Indem nämlich die Körperanlage mit ihrem unteren Endtheil eine S-förmige Biegung beschreibt, bildet der Bauchstiel den vorderen Schenkel des S und alle in ihm enthaltenen Theile erweisen sich als entsprechende Fortsetzungen von gleichartigen Bestandtheilen des Rumpfes. Der Allantoisgang des Bauchstieles ist der nach vorn umgebogene Endschenkel des Eingeweiderohrs. Die Aa. umbilicales sind die Endschenkel der S-förmig gebogenen Aorten und in einem ähnlichen Yerhältniss steht die V. umbilicalis des Bauchstieles zu den gleichnamigen Gefässen des Rumpfes.

Bei jungen Embryonen lässt sich in der Nähe des Bauchstielursprunges die Uebereinstimmung im Aufbau des Bauchstieles mit demjenigen des Rumpfes sehr deutlich verfolgen. Eigur 151 zeigt einen solchen Durchschnitt vom Embryo Lg, und in Figur 152 habe ich denselben symmetrisch umgezeichnet. Dabei ergiebt sich, dass


1) Heftl. S. 169 und Heft II. S. 33 u. ff. Kölliker verwirft meine Gründe, ohne näher darauf einzugehen, und bleibt bei der alten Behauptung vom einstigen Vorhandensein einer freien Allantoisblase stehen.


224


Bauclistiel und Nabelstrang.


der Bauchstiel gleich der Rumpfanlage eine Platte darstellt mit axialer Verdickung und mit seitlicher Zuschärfung. Die Seitenränder erheben sich dorsalwärts und ihre Ectodermbekleidung schliesst sich zum Amnion. Längs der Axe verläuft im Beginn des Bauchstieles eine dorsale Rinne, als unverkennbare Fortsetzung der Medullarrinne, an ihrem Grunde ist das Ectoderm dicker als in den Seitenabschnitten. Die verjüngten Seitenflügel des Durchschnitts sind

diesseits vom Beginn des Amnion die Träger der Yv. umbilicales, d. h, wir finden diese Gefässe an derselben Stelle, die sie auch am Rumpf einnehmen. Dies gilt wenigstens von hochgelegenen Durchschaitten , weiter nach abwärts hin rücken sich die beiden Venen in der Mittellinie entgegen und vereinigen sich zu einem einzigen dorsalwärts von den Arterien liegenden Stamme.

Der Allantoisgang liegt von den axial gelagerten Theilen am meisten ventralwärts , d. h. er verhält sich hinsichtlich seiner Lagerung so, wie im Rumpfe der Darm. Etwas mehr dorsalwärts und seitlich davon liegen die beiden Fortsetzungen der Aorten, die Aa. umbilicales. Dieser typische Aufbau des Bauchstieles verwischt sich weiter nach dem Chorion zu, dadurch vor allem, dass, sei es von Natur, sei es in Folge der Präparation, die ursprüngliche Symmetrie der Theile gestört wird. Dagegen giebt sich die Uebereinstimmung der Bauchstielanlage mit der Rumpfanlage ihrer ganzen Länge nach zu erkennen in dessen Umbildungsweise zum Nabelstrang.

Der Bauchstiel wandelt sich dadurch zum Nabelstrang um, dass seine beiden lateralen Abschnitte sich ventralwärts einbiegen und



OJl

Fig 151 und 152.

Fig. 151 Durchschnitt des Bauchstieles vom Embryo Lg nahe am Ursprung aus dem Körper. Vergr. 50. In Fig 152 ist derselbe Schnitt symmetrisch regnlarisirt dargestellt. St Steissende des Körpers, Mr Medullarrinne, Ä. « u. V.u Art. und Vena umbilicalis, All Allantoisgang, Am Amnion.


Bauchstiel und Nabelstraiig.


225


der Länge nach mit einander verwachsen, dabei umschliessen sie eine Höhle, die eine Fortsetzung der Leibeshöhle ist und in vrelche der Stiel der Nabelblase mit aufgenommen wird. Der Anfangstheil der Höhle ist sogar so geräumig, dass die Schlingen des Mesenterialdarms darin Aufnahme finden. Indem so der Bauchstiel zum Eohr sich schliesst, kommen an dessen ventraler Seite auch die Ränder seiner ectodermalen Bekleidungen zusammen und verwachsen zu einer doppelten Umhüllung, es bilden sich für den ISTabelstrang ein geschlossener Ectodermüberzug und eine gleichfalls geschlossene Amnionscheide.

Beifolgender Durchschnitt des Nabelstranges vom Embryo Seh zeigt am meisten dorsalwärts die Vena umbilicalis, davorliegend die Arterien und den Allantoisgang und dann das Coelom. Die Nabelgefässe besitzen eine Muscularis, die bei den Arterien stärker ist als bei der Yene. Der im Coelom liegende Darmstiel enthält keinen Darmdottergang mehr, sondern nur noch die beiden Vasa omphalomesenterica.

Es ist wohl zu beachten, dass derjenige Abschnitt des Eiugeweiderohres, welcher dem Bauchstiel genetisch zugehört, nicht etwa der Darmdottergang ist, sondern der Allantoisgang. Jener ist ein secundär umwachsenes Gebilde, das zum Bauchstiel keine morphologischen Beziehungen besitzt und das ja auch völlig frei und ohne Gekröse in der Nabelstranghöhle liegt. Würde dagegen der Allantoisgang, anstatt in der Dicke der Höhlenwand zurückzubleiben, sich etwas nach der Höhle hin hervordrängen, so würde er gleich den Eumpfabschnitten des Eingeweirierohres eine Art von Gekröse hinter sich herziehen.

Die beiden Hauptpunkte, in denen Rumpf und Bauchstiel von einander differiren, sind:

1. das NichtZustandekommen eines ectodermalen Nervenrohres

His, Menschl. Embryonen. III. 15



Fig. 153.

Nabelstrang vom Embryo Scb. Vergr. 50. Ds Dannstiel, C Coelom.


226 Bauchstiel und Nabelstrang.

und 2, das Fehlen eines somatischen Mesoblasten und der von diesem abstammenden Gebilde. Ob auch ein visceraler Mesoblast fehlt, mag angesichts der kräftigen G-efässmuskeln unbeantwortet bleiben. Letztere können möglicherweise vom Körper ausgehend die Gefässe umwachsen haben, aber ebenso gut ist es denkbar, dass sie aus primär vorhandenen Zellen des Bauchstieles hervorgegangen sind.

Der Sprung von der Rumpfanlage zum Bauchstiel ist übrigens kein plötzlicher, denn, wie wir wissen, so besteht im Schwanzfaden der Säugethiere und des Menschen, wenigstens vorübergehend ein Körperabschnitt, welcher zwar ein Medullarrohr, aber keine Urwirbel umschliesst.

Bei jüngsten Embryonen geht laut obiger Darstellung die dorsale Wand des Beckenstumpfes ununterbrochen in die ventrale und in diejenige des Bauchstieles über, die gesammte Strecke ist ursprünglich nahtfrei. Weiterhin aber bildet sich auf der Bauchseite des Beckenendes und im Bereich der Bauchwand eine mediane Naht dadurch, dass sich die Wand von beiden Seiten her einfaltet. Aehnlich wie zwischen Inframaxillar- und vorderer Halsgegend kommt es hier unter Bildung einer medianen Naht zu einer Trennung zwischen der ventralen Steissfläche und dem Dammgebiet. Auf den im Profil auftretenden Einschnitt habe ich schon früher (S. 22) hingewiesen, eine eingehendere Darstellung des Herganges gedenke ich im IV. Heft zu geben.


NACHTRAG zu Seite 80.

Etwas verspätet habe ich in Betreff des Eoramen coecum linguae die Originalstelle bei Morgagni eingesehen (Animadvers. anat. I. 4). Dabei hat sich gezeigt, dass Morgagni's Darstellung und dass besonders seine Abbildung sehr viel correcter ist, als alle diejenigen moderner Lehrbücher. Die Figur zeigt nämlich, gleich meiner Fig. 59, das Foramen als Endvertiefung einer winkelig gebogenen Furche, an der Grenze des mit Balgdrüsen besetzten Zungengebietes liegend. Der Arcus papillaris ist flach und vom Foramen, sowie von der eigentlichen Zungenwurzel durch eine ziemlich breite papillentragende Zone geschieden. Im Text bespricht Morgagni eingehend den Wechsel in der Entwickelung des Foramen. Auch erwähnt er eines Falles, in dem dasselbe in einen zwei Zoll langen, bis zum Zungenbein herab reichenden Kanal hereingeführt hat. Das von Morgagni abgebildete Präparat zeigt auch, was mir besonders beachtenswerth scheint, ein bis zur Zungenbeinhöhe heraufreichendes Cornu medium der Schilddrüse.


15 =


Erklärung der Tafeln.


Tafel IX.

Jüngere Formen vor Eintritt der Naekenkrümmung.

Die Figuren 1 — 5 geben die äusseren Formen der Embryonen Lg (Fig. 1), Seh (Fig. 2), BB (Fig. 3), Rf (Fig. 4) und Lr (Fig. 5) bei 30 facher Vergrösserung. Von diesen 5 Embryonen sind nur die beiden ersten vollständig mit Amnion und mit Nabelblase dargestellt. Der Embryo Rf (Fig. 4) ist verletzt, indem die Wand der Parietalhöhle zerrissen und das Herz aus seiner natürlichen Lage gebracht ist. Für die Beurtheilung der gegenseitigen Stellung von Ventrikel und von Aortenbulbus darf daher diese Figur nicht verwerthet werden. Abgesehen davon scheint mir aber das Präparat noch instructiv genug, um eine Abbildung zu rechtfertigen, um so mehr, da das Material für diese Stufe sehr sparsam vorliegt.

Die drei Embryonen Lg, Seh und BB zeigen steil aufgerichteten Kopf, nach abwärts gerichtetes Bedienende und die schon bei früherem Anlass discutirte tiefe Einziehung des Rückentheiles. i) Bei den Embryonen Rf und Lr dagegen (Fig. 4 und 5) ist der Rücken convex und das Beckenende bereits emporgehoben. In Betreff der so auffallenden dorsalen Einknickung bei Fig. 1 — 3 ist soviel zu betonen, dass bei jüngsten Embryonen eine concave Biegung des Rückens unbedingt als gesetzmässiges Vorkommniss muss angesehen werden.-) Nur die Frage kann meines Erachtens Gegenstand der Discussion


1) Heft II. S. 36.

2) Man vergl. auch Taf. I * Fig. 6 sowie die Figuren von Allen Thomson und CosTE im IL Heft.


Erklärung der Tafeln. 229

sein, ob die hohen Grade von Einziehung, wie sie meine Präparate gezeigt haben und wie sie unter anderen auch von den Embryonen von JOH. Müller und von R. Wagner her bekannt sind, als normal bezeichnet werden dürfen.

Es wird schwer sein, zu sagen, wo die normale Krümmung aufhört und eine abnorme beginnt. Man sieht nämlich leicht ein, dass bei jungen Embryonen die mittlere Strecke des Leibes ihrer flachen Eorm halber weit biegsamer sein muss, als die beiden Endstrecken, und unter den Umständen wird man zwar wohl die Eichtung, nicht aber den Grad der typischen Biegung feststellen können. Vielleicht mag die Biegung auch beim lebenden Embryo innerhalb nicht allzu enger physiologischer Grenzen schwanken, jedenfalls muss dieselbe p. m. durch die Präparation erheblich beeinflussbar sein.

Ueber ein gewisses Maass hinaus kann der mit seinen Hüllen verbundene Embryo nicht gestreckt sein, weil die Insertionslinie des Amnion und die dieser Linie folgenden Vv. umbilicales dies verhindern. Es verläuft nämlich, laut Fig. 7 und Fig. 10, die V. umbilicalis nahezu gestreckt vom Bauchstiel zum Sinus reuniens, und es ergiebt sich daraus, was ich im IL Heft (S. 42) bereits hervorgehoben habe, dass, solange das Amnion und die Umbilicalvenen intact sind, der Embryo unmöglich gestreckt sein kann, sein Rücken muss entweder einen concaven oder einen convexen Bogen beschreiben und der TJebergang aus der einen in die andere Eorm muss als eine Art von Eederwirkung sich ziemlich rasch vollziehen.

Bei den 5 auf Tafel IX dargestellten Embryonen, gleich wie bei L (Taf. VI, la) und bei M (Taf. I* 5) ist die Scheitelkrümmung des Kopfes soweit ausgebildet, dass das Mittelhirn der am höchsten stehende Abschnitt ist und das Hemisphärenhirn nach vorn sieht. Letzteres füllt nebst den Augenblasen den die Mundöffnung überragenden Stirnwulst. Die MundöflFnung ist noch unverhältnissmässig weit und sie läuft (Fig. 4) in 5 Rinnen aus, in die beiden Augennasenrinnen, in die beiden Mundwinkel und in die Medianrinne des Unterkiefers. Auf den die Mundöffnung seitlich begrenzenden Oberkiefer folgt der schräg herabhängende Unterkiefer, an welchem jederseits eine schmale Wurzel und ein verdicktes Endstück zu unterscheiden sind. Je jünger die Entwickelungsstufe ist, um so niedriger erscheint die freie Vorderfläche des Unterkiefers, bei Lg und Seh


(Fig. 1—2) ist dieselbe noch kaum angedeutet, bei Lr dagegen (Fig. 5) besitzt sie fast die volle Höhe.

Bei der Scheidung zwischen dem ventralwärts freien Vorderkopf und dem ursprünglich offenen Hinterkopf hat man den Unterkiefer dem letzteren zuzuweisen. Die Vorderwand des Hinterkopfes trägt das Herz nebst der Parietalhöhle ; in seiner Seitenwand entwickeln sich der Reihe nach die vier Schlundspalten. Bei den Figuren 1 u. 2 sind zwei Schlundspalten unterscheidbar, bei Fig. 3 u. 4 sind es deren drei; bei Embryo Lr (Fig. 5) ist unter der dritten deutlich ausgeprägten Spalte eine Yertiefung vorhanden, deren unteres Ende die Andeutung einer vierten Furche enthält. An Durchschnitten zeigen sich zu der Zeit die vom Schlund ausgehenden vier Spalten alle als vorhanden. Im Ganzen erscheint das Feld der seitlichen Kopfwand, welches die Spalten trägt, als ein schräges, von zwei nach abwärts convergirenden Leisten eingefasstes Dreieck. Verfolgt man z. B. bei Fig. 5 die Modellirung des Hinterkopfes vom dorsalen zum ventralen Rande des Profils, so stösst man zuerst auf die dem Nachhirn zugehörige medulläre Leiste, welcher in der Höhe der zweiten Schlundspalte die Grehörblase angelagert ist; nun kommt, durch eine Furche getrennt, eine hinter den Schlundfurchen herablaufende retrobranchiale Leiste, und auf das dreieckige Branchialfeld folgt eine die vorderen Spaltenränder verbindende präbr an chiale Leiste, die sich ihrerseits durch eine tiefe Furche von der dünnen Parietalhöhlenwand absetzt (man vergl. auch Taf. XI Lr 14 a und 15 a).

Nach Feststellung dieses objectiven Thatbestandes bleibt die Längsgliederung des Hinterkopfes mit derjenigen des Rumpfes in .Beziehung zu setzen. Die longitudinalen Hauptzonen des letzteren sind die Stamm- und die Parietalzone , von denen jene in die Medullär- und die Ur wirb eileiste, diese in die WoLFF'sche Leiste und den RATHKE'schen Streifen sich ghedert (Heft H. S. 64). Im Bereiche von der WoLFF'schen Leiste bilden sich die Extremitäten, aus dem RATHKE'schen Streifen wird die dünne Seiten- und Vorderwand des Bauches.

Eine Uebertragung dieser ZonengUederung auf den Hinterkopf findet deshalb grosse Schwierigkeiten, weil hier die Modellirung eine andere ist. Als Grenze zwischen Stamm- und Parietalzone ist


Erklärung der Tafeln. 231

die hinter der Retrobranchialleiste befindliche Furche aufzufassen. Die Parietalzone reicht von jener Furche aus nach vorn bis zur Mittellinie und sie unifasst somit nach rückwärts die Eetrobranchialleiste, nach vorn die Wand der Parietalhöhle. Wie weit nun aber innerhalb dieses Bezirkes das Grebiet der WoLFF'schen Leiste sich erstrecke, ist nicht ohne Weiteres anzugeben. Bei meinen früheren Darstellungen habe ich dasselbe im Interesse einer klaren Bestimmung bis zur hinteren Grenze der Parietalhöhle reichen lassen. Neuerdings hat nun Froriep ') die Behauptung ausgesprochen, dass nur die Präbranchialleiste (seine Schulterzungenleiste) als Fortsetzung der WoLFP'schen zu betrachten sei, und dass man den dahinter liegenden Schlundbogenabschnitt des Hinterkopfes als etwas neu Hinzugekommenes zu betrachten habe.

Wollen wir uns nicht in Willkürlichkeiten verlieren, so werden wir uns entschliessen müssen, auf die genetische Bedeutung der einzelnen Wülste zurückzugreifen, und dabei kann ich allerdings nicht vermeiden, auf das von den meisten Morphologen etwas schief angesehene Capitel von der primitiven Faltenlegung einzugehen. Bei der Emporhebung des Embryo aus der übrigen Keimhaut bildet sich zuerst vorn eine bogenförmige Querfalte, mit der sich weiterhin zwei seitliche Längsfalten kreuzen, später kommt noch eine hintere Querfalte hinzu. Von diesen vier Keimfalten, wie ich sie seiner Zeit genannt habe, legen sich zuerst die vordere und dann die beiden seitlichen um; mit der Umlegung der vorderen Keimfalte wird die Bildung eines freien Yorderkopfes eingeleitet. Ich verweise in Betreff dieser Dinge auf die Briefe „lieber unsere Körperform", denen ich auch den nachfolgenden Holzschnitt entnehme. Dabei scheint es aber nöthig, auf die Bezeichnungsweise der einzelnen Faltenabschnitte zurückzukommen. Die Geologen, welche bei ihren Arbeiten die Consequenzen aus dem Faltungsprincip minder schüchtern gezogen haben, als unsere Fachgenossen, haben auch ihrerseits das Bedürfniss einer klaren Terminologie empfunden, und es wird gut sein, wenn wir von ihren Ausdrücken Kenntniss nehmen. Eine Falte, wie sie die untere Figur beifolgenden Holzschnittes zeigt, wird von


1) Fboeiep , Archiv f. Anatomie und Physiologie , anatom. Abtheilung.

1885. S. 49.


232 Erklärung der Tafeln.

den Geologen als ein liegendes Gewölbe bezeichnet.') Die convexe Biegung (meine frühere Keimfaltenfirst"-)) beisst die Gewölbbiegung, die concave die Muldenbiegung (meine Grenzrinne). Die 3 Schenkel der Falte, die ich als dorsalen, ventralen und als Uebergangsschenkel bezeichnet hatte, heissen bei den Geologen der Gewölbschenkel, der Mittelschenkel und der Muldenschenkel.



Fig. 154.

I) dorsaler oder Gcwölbschenkel, V ventraler oder Mittelschenkel, Ue Ueber gangs- oder Muldensclieiikel, A"/ Keimfalten flrst oder Gewölbbiegung, Gr Grenz furche oder Muldenbiegung.

Hiernach ist die WoLPF'sche Leiste der Gewölbtheil, der Kathkesche Streifen der Muldentheil der seitlichen Keimfalte. Beim Uebergang vom Eumpf auf den Kopf compliciren sich die Verhältnisse dieser Falte mit denen der vorderen. An dieser können wir, da sie einen Bogen bildet, ein Scheitelstück und zwei Seitenschenkel unterscheiden.3) Für jenes fällt die Gewölbbiegung in den Stirnwulst, die Muldenbiegung an das untere Ende der Mundbucht. Für die beiden Seitenschenkel aber, welche mit zunehmender Entwickelung eine immer steilere Stellung annehmen, gestaltet sich die Sache dahin, dass dieselben vom Stirnwulst aus (in einer secundär sich brechenden Linie) auf Oberkiefer und Unterkiefer sich fortsetzen, von da aus aber in die beiden Präbranchialleisten auslaufen. Wie wir wissen, bezeicbnet die Kreuzungsstelle der vorderen mit der seitlicben Keimfalte den Ort der oberen Extremität, und dies bestätigt sich auch für die menschlichen Embryonen, denn hier begegnen sich (Taf. IX Fig. 3 und Eig. 5) an der Extremitätenwurzel die schräg herabsteigende präbranchiale und die in der Verlängerung der WoLFF'schen verlaufende retrobranchiale Leiste, jene ein Stück der vorderen, diese ein Stück der seitlichen Keimfalte.


1) Heim, Untersuchungen über den Mechanismus der Gebirgsbildung. Basel 1878.

2) Körperform. S. 20.

3) Körperform. S. 28 und Monographie des Hühnchens S. 45.



Indem wir nun auf die endgültige Deutung der Theile des Hinterkopfes zurückkommen, muss unser Votum anders lauten, je nachdem Avir dabei die Form- oder die Substanzanlagen im Auge haben. Verstehen wir unter der WOLFF'schen Leiste unbedingt nur den Gewölbtheil der seitlichen Keimfalte, so beschränkt sich der Kopftheil derselben auf die Ketrobranchialleiste. Eechnen wir aber zur WoLFF'schen Leiste die massigere hintere, zum EATHKE'schen Streifen die dünnere vordere Hälfte der seitlichen Kopfwand, so werden wir die natürliche Grenze beider an den Ursprungssaum der Parietalhöhlenwand verlegen. Mögen wir die Sache in dem einen oder in dem anderen Sinne nehmen, so ist die Behauptung, dass die Präbranchialleiste die eigentliche Fortsetzung der WoLFF'schen Leiste sei, in gleicher Weise unhaltbar. Als Eormanlage gehört die Präbranchialleiste nicht zum System der seitlichen, sondern zu dem der vorderen Keimfalte, als Substanzanlage bildet dieselbe nur den Theil eines grösseren, die Schlundfurchen umfassenden Massencomplexes.

Was die sonstigen Formeigenthümlichkeiten des embryonalen Kopfes betrifft, so bildet das Herz einen um so unverhältnissmässigeren Antheil desselben, je jünger die Stufe ist. Am unförmlichsten ist in der Hinsicht der Kopf von Lg (Eig. 1), wogegen bei Lr (Fig. 5) durch Abwärtsbiegung des Ventrikeltheiles und durch Senkung der Aorteninsertion die Kopfform eine viel schlankere geworden ist. Der vordere Abschnitt des Herzens ist bis zu Embryo BB noch nicht von Amnion umschlossen, wogegen bei Lr auch in der Hinsicht die bleibenden Verhältnisse sich eingeleitet haben.

Für den Rumpf- und Beckentheil der auf Taf. IX abgebildeten Embryonen bedarf es keiner besonderen Erläuterungen, da die Dinge ziemlich klar vorliegen. Der Bauchabschnitt des Rumpfes ist selbst bei Embryo Lr noch sehr unbedeutend und seitlich eingesunken , ein verhalten, das damit zusammenhängt, dass in dieser Zeit die Leberanlage noch sehr bescheidenen Umfang besitzt.

Fig. 6 und 7. Anatomie des Embryo Lg. Vergrösserung, auf das feuchte Präparat bezogen, 37 (40 für die Schnitte). Am Gehirn ist der Hemisphärentheil bereits markirt, die Augenblasen treten als stark gewölbte Gebilde hervor. Zwischenhirn, Mittelhirn, Hinterhirn sind scharf geschieden, die Brückenkrümmung kaum angedeutet. Die Gehörgrube ist noch offen.

Die Rachenhaut ist bei diesem Embryo noch vorhanden, sie trennt die Mundbucht vom Yorderdarm, von denen jene in die RATHKE'sche, dieser in die SEESSEL'sche Tasche ausläuft. Im unteren Abschnitt des Vorderdarms bezeichnet eine niederige Längsleiste die erste Trennung vom Nahrungs- und Athmungsrohr. lieber dem Verbindungstheil von Vorderdarm und Nabelblase liegen der Lebergang und die solide Leberanlage, welche ihrerseits in das Septum transversum eingeschlossen sind. Vom Herzen ist bei Fig. 6 die rechte Ventrikelhälfte nebst dem Aortenbulbus sichtbar, bei Fig. 7 ist das Endothelrohr isolirt dargestellt. Canalis auricularis und Fretum sind sichtbar; der Aortenbulbus geht in zwei Aortenbogen über.

Unter dem primären Zwerchfell liegt der Sinus reuniens, bei Fig. 6 im Durchschnitt, bei Fig. 7 mit seinen Wurzeln gezeichnet, mit der kurz abgeschnittenen V. cava superior, der Dottervene und der Nabelvene; letztere verläuft beinahe gestreckt zum Bauchstiel und verbindet sich hier mit dem Stamm der anderen Seite. Die unpaare Nabelvene liegt weiter dorsalwärts als die beiden aus der Aorta hervorgehenden Nabelarterien und als der Allantoisgang.

Fig. 8. Kopf durchschnitt vom Embryo Rf. Vergrösserung 40 der Schnitte, ca. 35 des feuchten Präparates.

Fig. 9 und 10. Anatomie vom Embryo BB. Vergrösserung 37 auf das feuchte Präparat bezogen (40 für die Schnitte). Gehirngiiederung wie bei Fig. 6 und 7; an der Augenblase beginnt sich eine äussere Höhlung zu markiren. Rautengrube und Brückenkrümmung sind etwas deutlicher geworden, die Gehörblase ist geschlossen, die Rachenhaut geschwunden, ein Vorsprung bezeichnet die Grenze der RATHKE'schen und der SEESSEL'schen Tasche. Die Innenwand des Vorderdarms zeigt die vier Schlundspalten. In der Höhe vom dritten und vierten Bogen liegt die Stelle des Kehlkopfein


Erklärung der Tafeln. 235

.ganges. Hinter dem Herzvorhof zeichnet sich die Limgenanlage und darunter die etwas ausgeweitete Stelle der Magenanlage aus. Nun folgen der Lebergang mit der compacten Leberanlage und der Eingang in die Nabelblase. Unterhalb des letzteren folgt eine bereits geschlossene Darmstrecke, dann die Abgangsstelle des Allantoisganges und die Bursa pelvis. Bei Fig. 10 ist auch das untere Ende des Urnierenganges dargestellt, der in einem nach abwärts convexen Bogen zur Bursa hintritt.

Bei Fig. 9 ist wiederum das Muskelherz, bei Fig. 10 das Endothelialherz eingezeichnet. Der Aortenbulbus geht zur Zeit in fünf offene Bogen über. Y. jugularis, V. cardinalis sowie die übrigen Venen sind leicht verständlich.

Fig. 11. Derselbe Embryo ist so dargestellt, dass man eine Uebersicht über seine Höhlen bekommt. Das Eingeweiderohr ist punktirt angegeben. Die das Herz umschliessende Parietalhöhle liegt dem Schlundbogengebiet des Kopfes von vorn her an, durch einen engen Gang (den Recessus parietalis) öffnet sie sich in die Bauchhöhle. Der Gang wird von der oberen Hohlvene gekreuzt. Den Boden der Parietalhöhle bildet das Septum transversum, dasselbe besteht aus dem dorsalwärts frei auslaufenden primären Zwerchfell, aus dem darunter befindlichen Sinus reuniens und aus der Yorleber, einem Bindesubstanzwulst, in den von unten her die epitheliale Leberanlage hereinragt. Das Gebiet der Bauchhöhle ist quer schraffirt, nach abwärts erstreckt sich dasselbe bis in den Beginn des Beckenstumpfes, aber nicht so tief herab, als das Endstück der Cloake.

Fig. 12. Frontalconstruction desselben Embryo. Es sind sichtbar: das Hemisphärenhirn, die Augenblasen, das Zwischenund das Mittelhirn, die fünfeckige, von Stirnwulst, Ober- und Unterkiefer umfasste Mundöffnung, die eröfftiete Parietalhöhle mit dem Endothelialherzen, die 5 Aortenbogen, das Septum transversum mit seinen verschiedenen Bestandtheilen und der Sinus reuniens. Die Dottervenen beginnen, sich in mehrere Aeste aufzulösen. In der Seitenwand des Körpers sind die Nabelvene und die obere Hohlvene dargestellt.

Fig. 13 und 14. Anatomie des Embryo .Lr. Vergrösserung circa 35 fach auf das feuchte Präparat bezogen (40 der Schnitte).


236 Erklärung der Tafeln.

Fig. 13 zeigt den Durchschnitt des Yorderdarms imd der Parietalhöhle. Bei Fig. 14 ist die letztere von der rechten Seite her eröffnet dargestellt, und es sind die grossen Gefässstämme, die fünf Aortenbogen und die Venen eingezeichnet. Der Sinus reuniens beginnt bereits aus der übrigen Zwerchfellfläche emporzusteigen. In der unteren Körperhälfte ist auch das Eingeweiderohr punktirt angegeben. Der Bauchstiel ist durchsichtig gedacht, die beiden Nabelarterien verbinden sich in der Nähe der Insertion' auf kurze Strecke zu einem unpaaren Stamm. .

Fig. 15. Frontalconstruction desselben Embryo, ähnlich behandelt wie Fig. 12. Die punktirte Linie am Hemisphärenhirn bezeichnet die Ausdehnung der ßATHKE'schen Tasche.

Tafel X. Normeiitafel.

(Vergrösserung 5.)

Die Tafel soll in fortlaufender Keihe die Entwickelung embryonaler Formen von den frühesten bekannten Stufen ab bis zur Vollendung der äusseren Gliederung darstellen. Der Vergrösserungsmaassstab ist für alle 25 Figuren derselbe. Der grössere Theil der Embryonen dieser Tafel ist in den Textbildern des zweiten Heftes schon abgebildet worden, aber nichtsdestoweniger glaube ich eine nochmalige Zusammenstellung der Figuren auf einem Blatt verantworten zu dürfen, denn ich habe mich überzeugt, wie sehr dadurch das Verständniss an übersichtlicher Klarheit gewinnt. Auch ist manches Detail sorgfältiger durchstudirt und ausgeführt worden, und bei der Vergleichung kann man sich überzeugen, dass meine älteren Figuren bei der TJeberarbeitung durch die Hand eines geschickten Künstlers Vieles gewonnen haben. Dies gilt besonders von den Zeichnungen der vorgerückteren Stufen, welche nach den Originalpräparaten sehr genau revidirt worden sind. Für die jüngeren Stufen bieten andere Tafeln des Werkes in grösserem Maassstab ausgeführte und dem entsprechend auch detaillirtere Darstellungen.

Es sind lauter eigene Beobachtungen in die Tafel aufgenommen worden, und die Keihe ist jetzt innerhalb der gegebenen Grenzen nahezu ununterbrochen. Höchstens möchte man wünschen, zwischen 2 und 3 und allenfalls zwischen 6 und 7 noch ein Zwischenglied einzuschieben, eine Lücke für das Verständniss ist indessen auch an diesen beiden


Erklärung der Tafeln.


237


Stellen nicht vorhanden. Die im zweiten Heft nur durch unvollkommene Stücke repräsentirte Stufe von 9 und 10 mm konnte ich durch besseres Material ausfüllen; einmal habe ich, dank dem freundlichen Entgegenkommen von Herrn Collegen Waldeyer, die Sammlung der Berliner anatomischen Anstalt durchsehen dürfen, in welcher sich das Original zu Fig. 11 vorgefunden hat; dann aber hat mir Herr Dr. Carl Rüge in Berlin von Neuem und in bereitwilligster Weise seine Schatzkammer eröffnet, und dieser entstammt das Original von Fig. 12, sowie ausserdem diejenigen von Fig. 15 und 19. Ich gebe zunächst eine tabellarische Uebersicht der abgebildeten Präparate, an die ich dann eine kurze Discussion besonderer Verhältnisse anschliessen werde. Die Präparatenbezeichnungen sind meistens doppelt, sowohl in Buchstaben, als in römischen Ziffern, und sie entsprechen den auf der Tabelle von Heft 11. S. 9 gegebenen. Die Längenmaasse sind für Fig. 1 — 6 (als L.) vom Scheitel zum Steissende gemessen, für Fig. 7 — 25 ist die Länge der Nackenlinie (M.) verzeichnet, worüber ich auf Heft 11. Seite 4 verweise. Da, wo die Präparate dem Uteras von Leichen entstammen, ist dies ausdrücklich bemerkt, die übrigen sind aus Fehlgeburten; Nr. 25 ist das Product einer extrauterinen Schwangerschaft.


Fig. 1


Embryo E (TU)


L = 2.1 mm


Heft I S.


145



= 2


= SR (VI)


2.2 =


I

140



= 3


= Lg: (LXVIII)


2.15 =


II

88



= 4


Sch (LXYI)


2.2 =


11

89


Uterus


' 5


M (IV)


2.6

= I

116



= 6


Lr (LXVII)


4.2 =


= II .


90



= 7


= « (III)


Nl=4 =


= I

101



= 8


R (LVII)


5 =


= II

91



= 9


= A (II)


7.5

I

14



= 10


- Pr


10



Uterus


= 11


Berliner auat. Sammig.


9.1 =




Uterus


= 12


ßuGE'sche Sammlung


9.1 '





- 13


Embryo M (X)


10.5 =


' II =


94



= 14


Br (XXIX)


11


- II ^


94



- 15


= Rg (LXXIV)


11.5 =


= II

95



= 16


Si (XXXV)


12.5 =


II

96



= 17


= CII


13.7 =





- 18


Sch 2 (XL VI)


13.8 =


II

97



= 19


EuGE'sche Sammlung


13.6 =





= 20


Embryo Br (XXXIV)


14.5 =


11

97


Uterus


= 21


S2 (XXXVI)


15.5 =


= II .


96



= 22


= XCI


16 =





= 23


Ltz


17.5 =





= 24


= Zw


18.5 =





= 25


Wt (LXXVII)


23 =


II

97


extrauterin


Zeile 1 enthält Embryonen vor Eintritt der Nackenkrümmung von 2.1 bis 4.2 mm L.

Zeile 2 Embryonen nach Eintritt der Nackenkrümmung von 4 bis 10 mm Nl.

Zeile 3 Embryonen von 10.5 bis 13.7 Nl. Zeile 4 Embryonen von 13.8 bis 15.5 Nl. Zeile 5 Embryonen von 16 bis 23 Nl.

Hinsichtlich des Alters ist laut Heft I. S. 166 und Heft ü. S. 72 u. f. mit annähernder Sicherheit folgende Skala aufzustellen: 12 bis 15 Tage Fig. 1 bis 4 18 bis 21 Tage Eig. 5 und 6

23 Tage Eig. 7 24 bis 25 Tage Fig. 8 27 bis 30 Tage Fig. 9 bis 12 31 bis 34 Tage Fig. 13 bis 17 35 bis 36 Tage Fig. 18 und 19. Von hier ab liegen mir erst wieder über den Embryo von Fig. 23 bestimmte Angaben vor, nach welchen sich dessen Alter auf 47 Tage berechnet. Bei einem anderen, seit Lithographirung der Tafel erhaltenen Embryo ton 17 mm NL, der somit in seiner G-rösse um ein kleines unter dem von Fig. 23 steht, ergiebt die Altersberechnung 50—51 Tage 2), jedenfalls Hegt das Alter der in Fig. 23 abgebildeten Stufe nahe an 7 Wochen. Ein anderer, neuerdings erhal


1) Der Embryo von Fig. 23 stammt aus der Praxis des Herrn Dr. Lotz in Basel. Die regelmässig menstruirte Frau hatte ihre letzte Periode am 29. October, der Abortus erfolgte am 14. December.

2) Embryo Lhs, dessen Kopf auf Taf. XIV Fig. 8 abgebildet ist. Ich verdanke das Präparat Herrn Dr. Lohse in Leipzig. Die gütigst mitgetheilten Daten sind folgende : die Frau , sehr ruhig und zuverlässig in ihren Angaben, war regelmässig alle 4 Wochen menstruirt. Die Dauer der Periode war in der Eegel 3 Tage. Die Cohabitation pflegte, zumal in den letzten Zeiten, immer erst in der zweiten Hälfte des betreffenden Monats stattzufinden, da die Frau während der ersten Hälfte an schmerzhafter Erregbarkeit litt. Der Eintritt der letzten Periode fiel auf den 4. Mai 1884, die auf den 1. Juni wieder erwartete Blutung blieb aus, am 5. Juni erfolgte eine sehr kurz andauernde geringe Blutung, am 24. Juni der Abortus. Hier, gleich wie im Fall von Fig. 23, ist die Berechnung auf die zuletzt stattgehabte Periode zu beziehen und ergibt, vom 4. Mai bis 24. Juni, 7 Wochen und 2 Tage. Die Frau hatte schon mehrmals abortirt, was deshalb besonders hervorgehoben zu werden verdient, weil der Embryo völlig normal gewesen ist.


Erklärung der Tafeln. 239

tener Embryo von genau 8 Wochen zeigt eine Nl. von 22 mm'), somit werde ich nicht weit fehlgehen, wenn ich das Alter des Embryo von Eig. 25 auf 2 Monate veranschlage. Durch Interpolation ergeben sich nunmehr folgende Bestimmungen: 37 bis 38 Tage Fig. 20 39 bis 40 Tage Eig. 21 42 bis 45 Tage Eig. 22 47 bis 51 Tage Eig. 23 52 bis 54 Tage Eig. 24 58 bis 62 Tage Eig. 25 oder in abgerundeten Angaben:

etwa 5 Wochen Eig. 18 und 19 gegen 5V2 Wochen Eig. 20 gegen 6 Wochen Eig. 21 gegen 6 V2 Wochen Eig. 22 gegen 7 Wochen Eig. 23 etwa 71/2 Wochen Eig. 24 etwa 8 '/i Wochen Eig. 25. Mit Rücksicht auf den zeitlichen Ablauf der Eormbildung ersieht man, dass, vom Momente der Imprägnation ab gerechnet, die ersten 2 Wochen den frühen Stufen der Keimentwickelung bis zur beginnenden Embryobildung angehören. In die Zeit vom Ende der 2. bis gegen Ende der 4. Woche (Eig. 1 — 9) fällt die Ausbildung der typischen Embryonalform; von da ab bis zum Schluss der 6. Woche (Eig. 10—22) vollzieht sich die Umbildung der embryonalen in die fötale Eorm 2) , d. h. es tritt die Wiederaufrichtung des Kopfes und die Senkung des Beckens, die Ausbildung einer charakteristischen Kopfform, sowie die volle Gliederung der Extremitäten ein.

Hinsichtlich der zeitlichen Eortschritte des Massenwachsthumes sind wir nur auf mehr oder minder grobe Schätzungen angewiesen.


1) Diesen Embryo verdanke ich Herrn Prof. Miescher-Ruesch. Derselbe stammt von einer gesunden Frau, Mutter von 4 wohlgenährten Kindern. Eintritt der letzten Menses am 21. Februar. In der Zwischenzeit keinerlei pathologische Erscheinungen bis zum 16. April, wo die Frau bei einer Wäsche sich zu stark anstrengte. Der Abortus erfolgte am 18. April 1885.

1) Heft n. S. 44.


240 Erklärung der Tafeln.

Soviel ist immerhin leicht zu constatiren, dass die Periode des lebhaftesten relativen Wachsthums in die vierte Entwickelungwoche fällt. Nach der in Heft IL S. 68 mitgetheilten Tabelle erfährt von Lg bis Lr (Fig. 4—6), d. h. im Zeitraum von annähernd der dritten Woche, die Profilfläche eine Verdreifachung, von da bis A (Fig. 9), im Verlauf der vierten Woche, eine Versechsfachung. In der folgenden, fünften Woche vergrössert sich das Profil um das 3 V2 fache (Fig. 9—18), dann aber bis gegen Ende des zweiten Monats in der 6., 7. und 8. Woche zusammengenommen nur noch um das 2 '/2 fache.

Von Vögeln und auch von Säugethieren wissen wir, dass die Entwickelung verschiedener Embryonen bei gleichem Alter nicht immer genau dieselbe ist, und es ist wahrscheinlich, dass dies auch von menschlichen Embryonen gilt. Der oben (S. 238) citirte FaU der Embryonen Ltz und Lhs (Fig. 23) mag vielleicht als bestätigendes Beispiel hierfür angeführt werden. Immerhin müssen wir selbst da, wo solche Parallelfälle, wie die genannten, vorliegen, uns in Erinnerung halten , wie unsicher im einzelnen Fall unsere Kenntniss vom effectiven Beginne der Entwickelung, d. h. vom genauen Zeitpunkt der Begegnung von Samen und Ei ist.

Die Grössenentwickelung der Embryonen hält im Allgemeinen mit der Formentwickelung Schritt, derart dass die Embryonen gleicher Entwickelungsstufe auch hinsichtlich der Grösse sich entsprechen. Aus diesem Grunde kann man auch mit einiger Vorsicht und bei gutem Material die Angaben über die Grösse eines Embryo als Maassstab seiner Entwickelung benutzen. Indessen bin ich doch auf einige Abweichungen von der aligemeinen Regel gestossen, indem ich einzelne Individuen hinsichtlich der Grösse ihrer Entwickelungsstufe vorausgeeilt fand. Das auffälligste Beispiel einer solchen individuellen Abweichung bietet Embryo Pr (Fig. 10 von Taf. X und Fig. 4 von Taf. XIII). Derselbe zeigt sich nicht nur um nahezu V4 grösser, als die gleichweit entwickelten Embryonen A und B (Fig. 1 — 2 Taf. I und Fig. 9 Taf. X) , sondern er ist selbst grösser, als die weiter entwickelten Embryonen von Fig. 11 und 12 (man vergleiche auch Taf. XIII Fig. 4 und 5). An eine Abnormität ist dabei nicht zu denken, indem gerade Embryo Pr, gleich dem in Fig. 1 1 abgebildeten Berliner Embryo, einem Uterus entnommen ist. Man könnte also zur Erklärung der Differenzen nur etwa Ungleichheiten der Schrumpfung durch den Alkohol herbeiziehen, eine Erklärung die ich in dem Falle für unzureichend halte.

Von den 25 auf Tafel X abgebildeten Embryonen haben die beiden Fig. 1 und 2 eine offene Medullarrinne und dieselben sitzen noch breit auf der Nabelblase auf. Von 3 und 4 ab ist das Gehirn geschlossen, das Herz als frei vortretende Schlinge angelegt, und es sind jederseits zwei Schlundspalten vorhanden. Bis dahin ist der Dorsaltheil des Körpers concav eingebogen, das Beckenende des Körpers sieht nach abwärts und ist von dem aufgerichteten Kopfe abgewendet. Von 5 ab ist die concave Eückenbiegung zu einer convexen geworden, und im Zusammenhang mit dieser Veränderung steht die Hebung des Beckenendes, dessen freie Spitze nunmehr nach vom und oben sieht. Der Bauchstiel, der früher vor dem Beckenende vorbeitrat, ist zwischen dieses und den Stiel der Nabelblase eingeklemmt.

Bei 6 beginnt die Vornüberbeugung des Kopfes und schon bei 7 ist die Rücken- und Nackenkrümmung so stark geworden, dass eine vom Scheitel- zum Steissende geführte Linie mehr denn einen vollen Kreis beschreibt. ') Es ist dies das Maximum der Zusammenbiegung, das der Embryo erreicht , Nr. 8, 9 und die folgenden zeigen zwar den vornüberhängenden Kopf und den steil emporsteigenden Beckentheil, aber bei keinem sind die beiden Körperenden so weit aneinander vorbeigeschoben, wie bei Fig. 7. Bemerkenswerth ist übrigens, dass R (Fig. 8) weniger stark gekrümmt ist als A (Fig. 9), ein Verhältniss, von dem ich zweifelhaft bin, ob es als Präparationsfolge darf aufgefasst werden.

Vom Schluss des ersten bis zu dem des zweiten Monats (Fig. 9 bis Fig. 25) behauptet jede Entwickelungsstufe ihre typische Krümmung, und zwar ist der allgemeine Gang der, dass das emporgehobene Beckenende sich wiederum senkt, der Kopf dagegen sich hebt. Der Bogen, den das Rückenprofil beschreibt, zeigt vom Ende der vierten Woche ab drei Stellen grösserer Krümmung-): die oberste, der Nackenhöcker, liegt am hinteren Ende des Hinterkopfes, da wo dieser in den Halstheil des Rumpfes übergeht; die zweite, als Rücken


1) Man vergleiche auch Taf. VIII « 1 u. 2.

2) Heft II. S. 25.

His, Menschl. Embryonen. III. 16


242 Erklärung der Tafeln.

höcker zu bezeichnende, befindet sich ungefähr in der Höhe des 9. — 10. Urwirbels, d.h. also im Beginn des eigentlichen Dorsalabschnittes des Eumpfes; die dritte Strecke grösserer Biegung fällt auf die Grenze von Bauch- und von Beckentheil. Diese Strecke schliesst sich in sanft geschwungenem Bogen den Nachbarstrecken an, während der Kücken- und noch mehr der Nackenhöcker als knieförmige Vorsprünge aus ihrer Umgebung hervortreten.

Der Antheil an der "Wiederaufrichtung des Körpers vertheilt sich auf diese drei Strecken in der Weise, dass zuerst die Rückenkrümmung, dann die Beckenkrümmung und zuletzt die Nackenkrümmung sich vermindert. Schon von Eig. 16 ab nimmt die Wölbung des Rückens in bemerkbarer Weise ab und bei 20 und 21 ist sie auf ihr Minimum gesunken, von wo aus sie wieder etwas zunimmt. Der Winkel an der Nackenbeuge bleibt sich . durch geraume Zeit (Fig. 9—20) ziemlich gleich und beträgt etwas über 90 ". Von Fig. 21 ab nimmt derselbe rasch zu und es kommt nunmehr zur definitiven Aufrichtung des Kopfes.

Unterhalb des Nackenhöckers bildet sich während der Streckung des Rückens eine ausgesprochene Einsenkung, die Nackengrube'), deren Anfänge schon von Fig. 11 ab erkennbar sind und die bei den Embryonen der vierten Zeile (Fig. 18 — 21) im Maximum ausgebildet erscheint. Dieselbe erhält sich bis in eine spätere Periode hinein und ist auf unserer Tafel noch bei Fig. 25 vorhanden. Eine zweite Einsenkung, die Hinterkopfgrube, liegt über dem Rautengrubeneingang und sie trägt im Verein mit der Nackengrube dazu bei, bei den Embryonen des zweiten Monats den Nackenhöcker so deutlich hervortreten zu lassen.

Auf die Einzelheiten der Beckensenkung werde ich unten zurückkommen. Das allmähliche Herabrücken der Beckenspitze bis in die Stellung, die sie in den Figuren 24 und 25 einnimmt, ist an einem grossen Theil der Figuren leicht zu verfolgen (Fig. 9 — 16, Fig. 20, Fig. 22 und Fig. 24 u. 25).


Die Gestalt des Kopfes ist eine sehr einfache, so lange der Embryo aufgerichtet ist, und ich verweise in der Hinsicht auf

1) Heft II. S. 51.


Erklärung der Tafeln. 243

Taf. IX und deren Erklärung. Die weitergehende Umbildung desselben beginnt mit seiner Vornüberbiegung, und zwar leitet sie sich durch die Abgabe des Herzens an die Brust ein. Auf diesen für die Körpergestaltung so tief eingreifenden Yorgang ist schon in den beiden früheren Heften mehrfach hingewiesen worden. Das seiner Hauptmasse nach als Organ des Kopfes angelegte Herz hebt sich, selbst auf jüngeren Stufen der Embryonalbildung, mit einer gewissen Selbständigkeit vom übrigen Kopfe oder von der Kopfanlage im engeren Sinne ab, es erscheint nebst seiner Umhüllung wie ein blosses Anhängsel von der letzteren. Vom Vorderkopf wird das Herzgebiet frei überragt, vom Hinterkopf ist es durch die vor den Schlundbogen herablaufende Präbranchialfurche abgesetzt. Sowie die Vornüberbeugung des Kopfes eingetreten ist — auf unserer Tafel von Eig. 7 ab — , ist das Herz in den Winkel zwischen Kopf und Brust eingeklemmt. Von Eig. 1 1 ab erscheint der hintere Theil der präbranchialen Eurche in den Sinus praecervicalis mit einbezogen (dieses Heft S. 105), der vordere Theil der Eurche vertieft sich immer mehr und schneidet allmählich durch, indem die eine Hälfte der einschneidenden Ealte zur Bekleidung der Inframaxillargegend , die andere zu derjenigen der vorderen Halsgegend wird (S. 121). Dieser Process, welcher mit der Wiederaufrichtung des Kopfes sich combinirt, verläuft ziemlich langsam und hat am Schluss des zweiten Monats kaum sein Ende erreicht. In eben dem Maasse als der Kopf sich wieder aufrichtet , trennt er sich vom Herzgebiet, dieses der Brust zurücklassend. Die Verschmelzung aber des Herzgebietes mit der eigentlichen Kumpfanlage geschieht selbst äusserlich in sehr weit gehendem Maasse, und die anfangs noch erkennbare Trennungsfurche erscheint schliesslich ganz und gar verwischt, eine Veränderung, die wohl in erster Linie auf die ausgleichende Wirkung der mächtig wachsenden Leber zurückzuführen ist.

Die Kopfanlage im engeren Sinne hat im Profil gesehen die Grundform eines länglichen Vierecks. Von den vier Seiten ist die etwas gekrümmte Rückenlinie die längste und reicht vom N'ackenhöcker bis zur Höhe des Mittelhirns ; an sie schliesst sich die vom Mittel- zum Hemisphärenhirn sich erstreckende Scheitellinie an. Die vordere Seite des Vierecks besteht aus zwei wohl zu unter 16*


244 Erklärung der Tafeln.

scheidenden Strecken, der eigentlichen Gesichtslinie, die von der Stirn zum Unterkiefer geht, und der Präbranchiallinie vom Unterkiefer zur Spitze des vierten Schlundbogens. Von da aus zum Nackenliöcker reicht die Befestigungshasis des Kopfes. Den weitaus grössten Theil des Kopfprofils nimmt das Gehirn ein, das in dieser Periode als zweiarmiges, im Winkel gebogenes Gebilde die dorsale, die dem Scheitel angehörige, und einen Theil der facialen Grenzlinie berührt. Im Stirntheil des Kopfes die ganze Tiefe ausfüllend, nimmt es in den übrigen Abschnitten noch wenigstens drei Fünftel der Profilüäche ein. Die beiden Abschnitte des Gehirns bezeichne ich als Rautengrubenarm und als Grosshirnarm. Jenem gehören



Fig. 155.

Profil der Kopfanlage vom Emtryo G. Vergr. 20. Das Gehirn und die Lichtung des Vorderdarmes sind fein eingezeichnet.

Nachhirn und Hinterhirn an, diesem das Hemisphärenhirn und das Zwischenhirn. Beide Arme begegnen sich im Mittelhirn. Die Anlagen der Nase, des Auges und der Labyrinthblase fallen zu der Zeit noch innerhalb der Grenzen des Gehirnprofils. In dem von dem letzteren freigelassenen Streifen liegt, von den Kiefer- und Schlundwülsten eingefasst, die Mundrachenspalte, deren Lichtung gleich dem Gehirn im Winkel gebogen ist; ihr Zugangsschenkel tritt zwischen Stirnwulst und Unterkiefer durch nach rückwärts, der absteigende Schenkel beginnt vor der Brückenkrümmung des Gehirns und nimmt seinen Weg vor dem Nachhim herab. Zwischen beiden Schenkeln der Spalte bildet die RATHKE'sche Tasche eine scharfe Ecke.


Im Ganzen genommen zeichnet sich der embryonale Kopf der vierten Woche durch seine langgestreckte Form aus und durch das verhältnissmässig starke Vorwalten des Hinterkopfes. Vergleichen wir nun, zunächst unter Vernachlässigung der Detail Veränderungen, die Grundform des Kopfes von einer späteren Stufe, etwa von Fig. 23 oder 24, so ergiebt sich Folgendes : die allgemeine Kopfform ist eine gedrungene geworden. Während bei a das Verhältniss der Höhe zur Tiefe ungefähr das von 3 : 2 gewesen war, sind jetzt Höhe und Tiefe des Kopfes nahezu gleich, letztere eher etwas grösser denn jene. Annäherad lässt sich nunmehr der Kopf in ein Quadrat einzeich


Fig. 156.

Profil des Kopfes vom Embryo Zw. Vergr. 5. Mit gleichfalls eing zeichnetem Gehirn und Mnndrachenraum.


nen. Die Kückenlinie erscheint verkürzt, die Scheitellinie erheblich verlängert und an der Vorderseite ist das Verhältniss der beiden Abschnitte zu einander ein durchaus anderes geworden. Die Gesichtslinie kommt jetzt beinahe der gesammten Kopfhöhe bei, eine Präbranchiallinie existirt nicht mehr; als ihren stark veränderten Eest kann man höchstens noch die Linie beanspruchen, welche vom Kinn bis hinter das Ohr sich erstreckt.

Ein Blick auf das in Fig. 156 eingezeichnete Gehirn ergiebt uns grossentheils den Schlüssel für die geschilderte Verwandlung des Kopfprofiles. Entsprechend der Verkürzung der Rückenlinie finden wir zu der Zeit eine sehr beträchtliche Zusammenbiegung des Rautengrubenarmes. Die Nackenkrümmung erfolgt unter einem


246 Erklärung der Tafeln.

Wintel von mehr denn 90 " und die Brückenkrümmung ist so stark ausgesprochen, dass Hinterhirn und Nachhirn sich mit ihren dorsalen Flächen berühren. Während sich in Folge dieser starken Biegung der Eautengrubenarm des Gehirns relativ erheblich verkürzt hat, hat sich der Grosshirnarm dadurch bedeutend verlängert, dass die Hemisphären als selbständige Abtheilung an Umfang gewonnen haben. Zum Theil haben sie sich zwar über das Zwischenhirn zurückg'eschoben, zum grossen Theil aber treiben sie sich nach vorn vor und bilden eine die Nasenwurzel weit überragende Wölbung.

Die starke Entwickelung der Hemisphären macht sich natürlicherweise auch geltend für die Vorderlinie des Kopfprofiles. Die Höhenzunahme des Gesichtes kommt zu einem grossen Theil auf ihre Eechnung, zu einem anderen Theil aber ist sie bedingt durch die Entwickelung des mittleren Stirnfortsatzes und durch die Bildung der von diesem gelieferten Nase und Oberlippe. Was nun die Verkümmerung der branchialen Strecke betrifft, so wird diese leicht verständlich, wenn wir uns in Erinnerung rufen, wie die hinteren Schlundbogen allmählich in die Tiefe gedrängt und von aussen her überdeckt worden sind (S. 28). Bei Fig. 7 und 8 sind noch vier Schlundbogen sichtbar, bei 9 und 10 noch drei, von Fig. 11 ab nur noch zwei. Auch der zweite, ursprünglich als breiter platter Streifen angelegte Bogen verliert diesen Charakter mehr und mehr, theils in Folge von Ueberlagerung durch Nachbartheile, theils aber in Folge einer Drehung des frei bleibenden Stückes. Es wird nämlich, von der Seite gesehen, der zweite Schlundbogen in eben dem Maasse schmäler, als er bestimmter zur Ohrmuschelbildung herbeigezogen wird. Bei Fig. 16 u. 17 vermögen wir den zweiten Schlundbogen noch deutlich als solchen zu erkennen. Von Fig. 18 ab wird sein unteres Ende zugedeckt und damit die Ohrmuschelgrube oder die Fossa angularis, wie sie oben (S. 212) genannt wurde, abgegrenzt. Der frühere hintere Saum des zweiten Bogens stellt sich als Cauda helicis immer steiler auf, bis er dann schliesslich den davorliegenden vorderen Abschnitt, den Anthelix, völlig überlagert (S. 215).

Die Spalte des Mundrachenraumes hat von der Stufe von Embryo a bis zu der von Zw (d. h. von Fig. 7 Taf. X bis zu Fig. 24) eine ähnliche Umbildung erfahren in dem Sinne, als auch bei ihr


Erklärung der Tafeln. 247

der obere Schenkel länger, der hintere kürzer geworden ist. Die Verlängerung des Zugangsschenkels der Spalte findet ihren Grund in der Entwickelung des primitiven G-aumens , insbesondere der Oberlippe und des Zwischenkiefers, denn, wie wir früher gezeigt haben (S. 50), so liegt das den Ort der Choane bestimmende hintere Ende der Riechgrube ursprüngHch ausserhalb des Mundbereiches und rückt mit der zunehmenden Entwickelung des mittleren Stirnfortsatzes secundär in die Munddecke ein. Die Verkürzung aber des hinteren Schenkels der Mundrachenspalte ist zunächst eine Folge der Schlundbogenverschiebung (S. 27) und als solche schon früher zur Sprache gekommen. Eine besondere Rolle bei diesem Verkürzungsvorgang spielt die Abschnürung der RATHKE'schen Tasche ; es wird nämlich durch deren Zustandekommen ein Stück aus der Rückwand der Mundrachenspalte herausgeschnitten. Indem das hinter dem Schlund liegende Gebiet durch die Gehirnbiegung, die Vorderwand aber durch die Schlundbogenverschiebung verkürzt wird, so muss nothwendigerweise auch für die Rückwand der Mundrachenspalte eine Verminderung der ursprünglichen Länge eingeleitet werden.

Eine besonders auffällige Folgeerscheinung von der Verkürzung des Hinterkopfes zeigt sich in der Annäherung des Ohres an die "Wurzel der oberen Extremität. Während bei den Embryonen der vierten Woche die erste Schlundspalte weit von der Extremitätenwurzel absteht (Fig. 7 — 11), rückt sie derselben im Verlauf der fünften Woche immer näher, und bei den Embryonen von Fig. 18 und 19 ist das Ohr bis dicht an die Schulter herangerückt. Mit der Hebung des Kopfes kommt weiterhin auch die Ohröfinung wieder höher zu stehen. Bei genauerer Verfolgung der Sachlage kann man übrigens wahrnehmen, dass bei dem Zusammenrücken von Ohr und von Schulter nicht nur die Rückwärtsschiebung des ersteren, sondern zugleich auch eine Hebung der Schultergegend in Betracht kommt. Letzterer Vorgang aber hängt mit dem Emporsteigen der Hals Wirbelsäule bez. des ganzen Halsgebietes (S. 122) unmittelbar zusammen.

Wir gehen nach der allgemeinen Formbetrachtung des Kopfes auf einige Einzelnheiten über:

Der Nackenhöcker bezeichnet im Rückenprofil die Grenze zwischen Hals und Kopf. Seine ersten Andeutungen beginnen bei


248 Erklärung der Tafeln.

Embryo Lr Fig. 6 (Taf. IX Fig. 5), von da ab gewinnt er rasch an Ausbildung, er erhält sich in höchst charakteristischer Weise bis zu Fig. 20, ist aber auch bei Fig. 25 noch deutlich erkennbar. Von den beiden ihn einfassenden Gruben ist die obere die Hinterhauptsgrube (s. 0. S. 242), über dem Eingang zur Rautengrube gelegen, und insofern erlaubt sie auch dann, wenn die Schädeldecken nicht mehr durchsichtig sind, eine Orientirung in Betreff der letzteren.

Auf jüngeren Stufen zeichnet sich der Eand der Eautengrube auch für die äussere Betrachtung aus, und es lässt sich von Fig. 7 ab bis zu Fig. 21 verfolgen, wie derselbe aus einem hinteren längeren und einem kürzeren vorderen Schenkel gebildet wird, von denen jener gegen den Nackenhöcker hin spitz ausläuft.

Früher als die äusserlichen Spuren der Eautengrube verlieren sich diejenigen der übrigen Gehirngliederung. Noch bis in den Beginn der 6. Woche hinein sind die einzelnen Gehirnabtheilungen durch die Bedeckung hindurch erkennbar, und dasselbe gilt zum Theil auch von den Ganglien (Taf. XIV Fig. 4); dann aber nimmt das gallertige Gewebe der Haut mehr überhand und, gleichwie die segmentale Gliederung des Eumpfes, so verliert sich auch mehr und mehr die durch die Gehirngliederung bedingte äusserliche Modellirung des Kopfes. Bei den Embryonen der untersten Zeile (Fig. 22—25) ist dieselbe völlig verwischt.

Das Auge tritt vor Eintritt der Nackenkrümmung äusserlich kaum als eine flache Vorwölbuug zu Tage (Taf. IX 5), hinter welcher die Augennasenrinne emporsteigt. Die erste deutliche Spur einer neben den Augenblasen befindlichen Linsengrube findet sich bei Embryo E (Fig. 8 oder Taf. XIII 1). Bei den Embryonen A, B, Pr (Fig. 9 und 10 und Taf. I* 1 und 2) ist die Linse bereits scharf umgrenzt, aber, wie die Durchschnitte zeigen, noch nicht geschlossen. Das Auge bildet an der Oberfläche einen kugeligen Vorsprung, nach dem Gesichte hin fällt derselbe gegen eine tiefe, zwischen Nase und zwischen Oberkiefer einschneidende Furche steil ab (Taf. I* 1 und 2, Taf. Xni 4 — 7); dorsalwärts vom Auge und in einiger Entfernung davon liegt die Anschwellung des Gangl. Gasseri (I* 2). Weiterhin aber bilden sich in der unmittelbaren Umgebung des Auges einige besondere Wülste. So werden zunächst (Taf. XIH Fig. 5, 6 und 7) zwei kleine Höckerchen dicht hinter dem Auge sichtbar, die viel


Erklärung der Tafeln. 249

leicM als Augemnuskelwülste zu deuten sind. Man findet dieselben noch bei späteren Stufen bis zu Taf. XIV Fig. 5. Etwas später als diese beiden tritt ein vor dem Augapfel liegender Wulst auf, welcher zwischen diesen und den Nasenflügel sich einschiebt (Taf. XIV Fig. 1, 3, 4 und 5). Dieser Wulst scheint aus der Tiefe heraufgerückt zu sein, denn noch bei Embryo Brl (Taf. XTTI Fig. 6) liegt an seiner Stelle ein tiefer Einschnitt und auch bei S 1 (Fig. 7} ist derselbe kaum andeutungsweise vorhanden. Die drei das Auge umgebenden Wülste werden nun nebst dem letzteren durch zwei Bogenlinien eingefasst (Taf. XIV Fig. 3 — 5), und es wird dadurch das Conjunctivalgebiet umsäumt. Der vordere von den Wülsten bildet den medialen Augenwinkel, während der untere hintere in den lateralen zu liegen kommt. Noch bei Embryo D r (Fig. 5 , Taf. XIV) führt eine tiefe Bucht vom medialen Augenwinkel aus nach der Spalte hin, die zwischen dem Oberkiefer und dem seitlichen Stirnfortsatz vorhanden ist. Nachdem einmal das Conjunctival gebiet umgrenzt ist, erheben sich , schon von Fig. 22 unserer Taf. X ab , an seinem Eande zwei Hautwülste, aus denen die beiden Lider hervorgehen. Noch liegt bei Fig. 25 das Auge offen da, allein schon in der ersten Hälfte des 3. Monats rücken sich die Lidränder an dessen Aussenfläche entgegen, und sie schliessen dasselbe weiterhin von der Oberfläche ab. Von Fig. 22 ab erscheint auch die Spalte zu geschlossen, welche bis dahin noch zwischen dem Oberkiefer und dem seitlichen Stirnfortsatz vorhanden gewesen war.

Zwischen der Wölbung des Auges und derjenigen der Hemisphären liegt am Schluss des 1. Monats (Taf. XIII Fig. 4) eine flache Einsenkung, dann aber bildet sich in dieser Gegend ein convexer Vorsprung aus, den wir als Supraorbitalwulst bezeichnen können (Taf. XIII Fig. 6 u. 7 und Taf. XIV Fig. 1 u. 3—5). Seine Abgrenzung gegen die Stirn verliert sich späterhin, wogegen derselbe fortfährt die Augengegend als langgezogenen Vorsprung zu überwölben (Taf. X Fig. 22—25).

Die Bildung der Nase ist in einem besonderen Capitel des Textes (S. 45) eingehend erörtert worden, auf das ich hier hinweisen kann. Die seitliche TJeberlagerung der bis dahin offenen Gruben beginnt mit dem Anfang des 2. Monats und vollzieht sich ziemlich rasch (man vergl. z. B. Taf. XIII Fig. 4 u. 5) , so dass weiterhin im Profil sogar


250 Erklärung der Tafeln.

die Nasenlöcher verdeckt erscheinen (Fig. 16—19). Später (von Fig. 20 ab) werden sie dann wieder sichtbar. Der wulstige Nasenflügel ist sehr früh ausgesprochen.

Yon einer Wange kann man erst von Fig. 22 ab sprechen, dieselbe grenzt sich von der Nase und vom Lippen- und Kinngebiet durch eine schräge Furche ab, welche vor dem medialen Augenwinkel beginnt, dicht hinter dem Mundwinkel herabsteigt und in den Unterkiefer einschneidet (Fig. 22 —25). Im Betreff der Lippenbildung und der Gestaltung des Unterkiefers verweise ich auf den Text (S. 33 u. ff. u. S. 56), ebenso scheint es überflüssig, noch einmal auf die Geschichte des Halses zurückzukommen (S. 115 u. ff.).


Am Rumpf erhält sich einestheils die segmentale Gliederung und andemtheils die Gliederung in Längszonen bis in die 6. Woche herein. Bei Embrj^o D r (Taf. XIV 5) ist erstere schon im Schwinden begriffen, die letztere noch deutlich vorhanden. Die Segmentgliederung ist theils auf die Urwirbel, theils aber auch auf die nur theil weise davon bedeckten Ganglienanlagen zu beziehen, und es ist nicht allenthalben leicht, von aussen her zu entscheiden, was dem einen und was dem anderen von diesen Theilen zuzuschreiben ist. Meistens zeigt die Modellirung eine gewisse Complicirtheit , die auf das Ineinandergreifen mehrerer Grundbedingungen hinweist. Bei Embryo R z. B. (Taf. XIII 1) liegt vorn eine Reihe viereckiger Platten, hinter welcher verschränkt liegende rundliche Vorsprünge sichtbar sind. Hier scheint kein Zweifel, das die vorderen Felder die den Urwirbeln angehörigen Muskelanlagen sind, die hinteren Wülste dagegen den nur theilweise hervortretenden Ganglienanlagen angehören. Auch bei Embryo Br 1 und bei A (Taf. XIII Fig. 6 und Taf. I* 2) ist eine doppelte Reihe von Vorsprüngen erkennbar, die dieselbe Deutung erfahren müssen. Dagegen zeichnen sich bei Embryo Pr (Taf. XIII 4) helle Felder und Streifen durch die Haut hindurch, die man ohne Weiteres als die Ganglien- und Nervenanlagen erkennt. Ja es sind sogar die Anfänge eines Plexus brachialis in einem über der Schultergegend befindlichen Zickzackwulst unverkennbar zu sehen. Diese Besonderheit, die ich bei keinem der anderen Embryonen gleich ausgesprochen gefunden habe, ist unzweifelhaft auf Verhältnisse der Conservirung zurückzuführen. Möglicherweise hat hier die zur Här


Erklärung der Tafeln. 251

tung mit angewendete Salpetersäure die oberflächlichen Muskelanlagen aufgehellt und die tieferen Nervenanlagen weisslich getrübt. Hier bei Embryo Pr umgreifen die dicken Ner^enstämme die WoLFF'sche Leiste zum grossen Theil. Allein auch da, wo die äusserlich sichtbaren Segmente den Muskelanlagen entsprechen, geht ihr ventrales Ende eine kurze Strecke weit auf die WoLFP'sche Leiste über (Taf. I* 2, Taf. XIY 1), ein Verhältniss, das ja auch an den Querschnitten des Rumpfes zu Tage tritt.

Aus der WoLPF'schen Leiste erheben sich die obere und die untereExtremität, jene an der Stelle, wo die Präbranchialleiste die WoLFF'sche kreuzt, diese im einspringenden Winkel von der unteren Körperbiegung (Taf. IX 5). Beide Extremitätenanlagen sitzen anfangs mit langgezogener Basis auf der WoLFF'schen Leiste auf, sind niedrig und dabei an ihrer dorsalen Oberfläche convex, an der ventralen etwas concav.

Die obere Extremität beginnt zunächst durch eine von unten her einschneidende Eurche sich etwas zu emancipiren (Taf. XIII 1), und sie besteht weiterhin aus einem breiten flachen Lappen, der durch einen im Winkel angefügten Stiel mit dem Eumpf verbunden bleibt (I * 2 u. XIII 4). Spurenweise vermag man allenfalls schon bei Embryo Pr eine Dreigliederung der Extremität zu erkennen, deutlicher wird dieselbe erst etwas später von den Stufen der Fig. 11 u. 12 ab (Taf. Xniö).

An dem breiten Endstück der Extremität bildet sich ein Gegensatz aus zwischen einem gewulsteten Wurzelstück und einem etwas abgeplatteten Randtheile. Auf der Grenze beider beginnen die ersten Andeutungen einer Eingergliederung (Taf. XTIT 5 u. 6). Die Hand, die sich nunmehr durch zwei tiefere Furchen vom Vorderarm absetzt, bekommt eine eigenthümlich pfeilspitzenartige Gestalt, indem ihr Rand eine gebrochene Linie bildet. Die am meisten hervortretende Ecke bezeichnet den Ort des Mittelfingers (XIH 6 und 7). Noch tritt indessen keiner der Finger über den Rand hervor und letzterer wird von einem schmalen dünnen Saum eingefasst. Weiterhin greift aber die Gliederung auch in diesen letzteren über, und von da ab wachsen die Finger als kurze Zacken über ihre frühere Begrenzungslinie hinaus (Taf. XIV 1 u. 3 — 5). So finden wir die Sachlage im Verlauf der 6. Woche (Taf. X Zeile 4). In der 7. Woche


252 Erklärung der Tafeln.

gliedern sich die Phalangen ab und nun bekommt das Händchen rasch seine charakteristische Gestalt (Taf. X 22 — 25) , wobei sich immer noch der Handrücken als ein dickes rundliches Kissen kennzeichnet (Fig. 20—25).

Der Ellenbogen ist ursprünglich nach oben und dorsalwärts gerichtet (Eig. 11 — 14), dann bekommt er immer mehr eine lateralwärts gerichtete Stellung (15 — 17) und biegt sich weiterhin nach abwärts aus (18 — 25). Der Oberarm, zuerst sehr kurz angelegt (12 — 18), gewinnt von der 6. Woche ab etwas mehr an Länge und ist schon am Schluss des 2. Monats der längste Abschnitt der Extremität geworden (25). Ein in seiner oberen Hälfte vorhandener Wulst ist wohl auf den M. deltoides zu beziehen.

Als Anlage der Schalter ist schon in früher Zeit einestheils das Wurzelstück der WoLPF'schen Leiste selbst, anderntheils die auf den Kumpf übergehende Fortsetzung der präbranchialen Leiste zu verstehen (Taf. IX 5). Letztere bezeichnen wir am besten als vordere Schulterleiste.') Während der Kopftheil der Präbranchialleiste schon von den Stufen von a und von R ab in die Tiefe gerückt und daher im Profil unsichtbar geworden ist (Taf. Xin 1), geht die vordere Schulterleiste, über dem Herzvorhof vorbei, schräg nach aufwärts, und ihr oberes Ende versteckt sich ungefähr in der Höhe des 3. Schlundbogens.

Je weiter nun die Wirbelsäule und mit ihr die Extremitätenwurzel hinter der Parietalhöhle heraufsteigt (S. 120), um so mehr nimmt die vordere Schulterleiste eine transversale Richtung an und um so mehr verkürzt sie sich auch. Vielleicht wird ein Theil ihrer Substanz geradezu in die Anlage des Armes mit hereinbezogen. Schon bei Embryo A und bei Pr (Taf. 1*2 u. XHI 4) ist die Neigung der Schulterleiste weit geringer als bei R, und auf den nachfolgenden Stufen (Xin 5 — 7) wird deren Richtung eine nahezu horizontale. Eine Beziehung dieser Leiste zur Zunge, wie sie Frokiep statuirt, halte ich nicht für annehmbar. Während sich die vordere Schulterleiste in der angegebenen Weise umlagert, hebt sich mehr und mehr ein dreieckiges Feld ab, welches über der Extremitätenwurzel beginnt und unter allmählicher Zuschärfung hinter dieser herabsteigt


1) Archiv für Anat. u. Physiol., anat. Abth. 1881. S. 318.


Erklärung der Tafeln. 253

(Taf. Xni 6 u. 7 und besonders deutlich Taf. XIY Eig. 3). Dass dies Feld den Ort der Schulterblattanlage bezeichnet, scheint mir ziemlich klar, und in Uebereinstimmung damit ergiebt auch die Construction von Embrjo Seh (Fig. 77 S. 125) das Schulterblatt sehr hochstehend und zum Theil noch in das Halsgebiet hineinreichend.

An der Anlage der unteren Extremität beginnt der den Euss frei machende Einschnitt gleichfalls vom caudalen Ende her vorzurücken. Wiederum geht ein Stadium der Zweigliederung der definitiven Dreigliederung voraus (Taf. I* 2). Letztere beginnt von Eig. 12 (Taf. Xni 5) ab deutlich zu werden, und auch da ist der Oberschenkel anfangs sehr kurz angelegt. Die Pfeilform des Endgliedes ist noch schärfer ausgesprochen als bei der Hand, und zwar fäUt die Spitze an den Ort der 2. Zehe (Taf. XIV 1 u. 3 — 5). Die Bildung eines peripherischen Saumes geht der Zehengliederung voraus. Letztere folgt der Eingergliederung durchweg nach, so zeigen z. B. Eig. 16 und 17 bereits die Anfänge der Eingergliederung bei noch ungegliederter Eussanlage. Bei Eig. 22 beginnen die Zehen erst als kurze Stümpfe den Eussrand zu überragen, während die Hand schon ziemlich ausgebildet ist.

Das Knie sieht auf den jüngsten Stufen 12 — 14 nach hinten und abwärts, dann dreht es sich gleich dem Ellenbogen mehr lateralwärts (15—21) und nimmt schliesslich die nach aufwärts gebogene Richtung an. Gleichzeitig verlängert sich der Oberschenkel in erheblichem Maasse und überholt bald die im Längenwachsthum vorangeeilten unteren Abschnitte der Extremität.

Der vor der WOLFP'schen Leiste gelegene Abschnitt des Rumpfes gliedert sich , wenn wir zunächst .das Becken bei Seite lassen, naturgemässerweise in drei Etagen für Herz, Leber und Darm. Bis in die 5. Woche herein sind die Modellirungen von Herz und von Leber äusserlich sehr wohl erkennbar. Das Herz tritt zu der Zeit noch schräg vor der Leber herab und ist anfangs durch eine fast verticale, späterhin durch eine schräge Linie von dieser geschieden (Taf.I* 1 — 4 und Taf. XTTT 1 u. 3 — 7). Mit zunehmender Entwickelung wird die Leber verhältnissmässig immer grösser, sie hebt das Herz in die Höhe, so dass z. B. auf Stufe Zw dessen Axe fast horizontal verläuft (S. 174 u. 175 Eig. 116 u. 117), und dabei verwischen sich seine äusserlich sichtbaren Abgrenzungen. Nach abwärts greift die Leber


254 Erklärimg der Tafeln.

in das früher etwas eingesunkene Darmgebiet hinein, -wobei der bewegliche Darm grossentheils aus der eigentlichen Bauchhöhle heraus in den ISTabelstrang gedrängt wird (S. 19). Wenn die Leber in der Weise nach oben und nach unten hin sich ausgebreitet hat, gewinnt der ganze Bauchtheil des Rumpfes ein kugeliges Ansehen und durch eine tief einspringende Einne setzt er sich alsdann vom Nabelstrang ab (Taf. XIV Fig. 5 und X 22—24).

Der Beckentheil des Rumpfes erfährt schon von Fig. 5 und 6 ab die bekannte Emporhebung, in Folge deren der Steiss spitz nach oben, ja vorübergehend sogar (Fig. 7) dorsalwärts gekehrt wird. Der Ort der Biegung fällt anfangs noch in den Bauchtheil der Wirbelsäule, verschiebt sich aber später mehr und mehr nach abwärts (n 66). Schon auf der Stufe von Br 1 und S 1 (Taf. XIII 6 u. 7) beginnen die oberen Beckensegmente wieder in die Rückenlinie einzutreten, und schliesslich (Taf. X 22 — 25) ist es nur noch das Steissbeingebiet, welches nach vorn gekehrt und ein wenig gehoben erscheint.

Die Ausbildung eines Schwanz fadens erreicht ihren Höhepunkt im Laufe der fünften Woche. Noch bei A und Pr endet der Beckentheil mit einer stumpfen Spitze (Taf. I* 4 und Xni4), bei Rg, Br 1 und S 1 (Taf. XHI 5, 6 u. 7) wird dieselbe von einem dünnen Anhang überragt, der vom übrigen Beckentheil, sei es lateralwärts, sei es nach vorn hin, abgebogen erscheint. Diese Biegung des Schwanzfadens ist offenbar durch den Druck des dagegen andrängenden Nabelstranges herbeigeführt. Reste des Schwanzfadens sind noch bei Zw (Fig. 24) zu sehen, bei Wt dagegen (Fig. 25) besteht nur noch ein stumpfer nach vorn gekehrter Steisshöcker.

Die Entwickelung der äusseren Sexualfalten ist an Profilbildern nicht leicht zu studiren, weil diese Theile durch die Extremitäten verdeckt zu sein pflegen. Für eine frühe Stufe verweise ich vorläufig auf Taf. XIV Fig. 2 und behalte mir vor, dies Gebiet in meinem Schlussheft eingehender zu behandeln. Ziemlich weit entwickelt zeigt sich das Sexualglied auf der Schlussfigur der Tafel X.


Erklärung der Tafeln. 255

Tafel XI.

Durchschnitte der beiden Embryonen BB und Lr (Taf. IX Fig. 3 und 5). Durch ein Versehen des Lithographen sind die beiden Abtheilungen der Eeihe BB durch die Eeihe Lr von einander getrennt. Die zwei obersten und die zwei untersten Schnittreihen gehören BB an, die vier mittleren Lr. Die Vergrösserung ist 40. Die Ziffern sind meine Schnittnummern.

Die Buchstabenbezeichnungen sind die des 1. Heftes (L S. 174), neu sind:

B. p Bursa parietalis.

Dv bez. Ds Dottervene.

Fu Furcula.

K. p Recessus parietalis.

S. p Sinus pyriformis (Fundus branchialis).

T. i Tuberculum impar.


Tafel XII.

Durchschnitte vom Embryo R 20fach und vom Embryo Lg 40 fach vergTössert (Taf. XIII Fig. 1 und 2 und Taf. IX Fig. 1). Wegen nachträglicher Veränderung dieser Tafel sind auch hier die beiden Reihen verschränkt. Die drei obersten und die drei untersten gehören Embryo R, die mittleren Embryo Lg an. Neue Bezeichnungen: C. a Canalis auricularis. Rh Rachenhaut.


Tafel XIII.

Fig. 1. Profil vom Embryo R. Vergrösserung 20. Das vorzüglich erhaltene Präparat, das mir 1881 durch die Post aus Russland zugesandt worden war, hat mich in diesen verflossenen 4 Jahren sehr viel beschäftigt und ich habe schon bei verschiedenen Anlässen über einzelne daran gewonnene Ergebnisse berichtet, ij Im verflossenen Sommer bin ich nun anlässlich des Kopenhagener Congresses auch so glücklich gewesen, in Herrn Hofrath Dr. E. Berg aus St. Petersburg den mir bisher unbekannten freundlichen Geber des Präparates kennen zu lernen. Ein dem vorliegenden sehr nahestehendes Object hat neuerdings H. Pol abgebildet. Bei Yergleichung unserer beiderseitigen Piguren wird man finden, dass die äussere Modellirung meines Präparates eine vollkommenere gewesen ist.


1) Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abth. 1881. S. 303 u. ff. und 1883. S. 166. Bei dem Anlass bemerke ich, dass in der Tabelle Heft II. S. 7 die Länge des Embryo aus Versehen auf 5 anstatt auf 5.5 mm angegeben ist. Von dort aus ist der Fehler in die Tabelle des gegenwärtigen Heftes (S. 9) übergegangen.


Fig. 2. Dorsale Ansicht vom Embryo E.

Fig. 3. Anatomie vom Embryo K. Vergrösserung 20 des feuchten Präparats. Das Gehirn zeigt die verschiedenen Abtheilungen: Hemisphärenhirn, Augenblase, Zwischen-, Mittel- und Rautengrubenhirn. Seitlich davon sind auch die Ganglienanlagen und die Gehörblase eingezeichnet. Die Chorda dorsalis läuft hinter der ßATHKE'schen Tasche aus. Der Vorderdarm ist bis zum Eingang von Luftröhre und Oesophagus geöffnet, von da ab ist das Eingeweiderohr, Lunge, Oesophagus, Magen, Pankreas, Lebergang und Darm bis zur Cloake punktirt. Letztere nebst dem AUantoisgang ist voll ausgezeichnet. Die in den Bauchstiel eintretenden Nabelarterien und die Nabelvenen sind als abgeschnittene Stümpfe dargestellt. Zwischen dem Herzen und der Leber ist der aus dem Zwerchfell heraustretende Sinus reuniens sichtbar nebst der V. cava superior, der Nabelvene und der Lebervene (bez. Dottervene). Die Urniere nebst ihrem Gang und der Nierenanlage sind gleichfalls eingezeichnet.

Fig. 4. Embryo Pr. 15 fach vergrössert.

Fig. 5. Embryo aus der C. RuGE'schen Sammlung nebst Nabelblase. Vergrösserung 15. (Taf. X Fig. 12.)

Fig. 6. Embryo Br 1. Vergrösserung 12. (Taf. X 14.)

Fig. 7. Embryo S 1. Vergrösserung 12. (Taf. X 16.)


Tafel XIV.

Fig. 1. Embryo Br 2. Vergrösserung 10. Fig. 2. Derselbe Embryo von vorn her gesehen. Fig. 3. Embryo Seh 2. Vergrösserung 10. Fig. 4. Embryo aus der C. RuGE'schen Sammlung. Vergrösserung 10. (Taf. X 19.)

Fig. 5. Embryo Dr. Vergrösserung 10. (Taf. X 20.)


Erklärung der Tafeln. 257

Fig. 6. Gesicht vom Embryo Hn. Yergr, 15.

Fig. 7. Gesicht vom Embryo C IL Vergrösserung 10. (Taf. X Fig. 17.)

Fig. 8. Gesicht vom Embryo Lhs (s. oben S. 238). Vergrösserung 10.

Fig. 9. Gesicht eines etwas weiter entwickelten Embryo. Yergrösserimg 10.

Zur Erläuterung der Fig. 6 — 9 vergleiche man den Text S. 33 und 56.


Tafel I*.

Von meinen älteren Tafeln war die zuerst in Arbeit genommene Taf. I in der Lithographie etwas sehr hart herausgekommen, auch habe ich seit der Zeit ihrer Anfertigung manche Einzelnheiten der Formen besser verstehen gelernt. Da nun gerade diese Tafel einige meiner wichtigsten Stücke enthält, so habe ich mich entschlossen, die darauf abgebildeten Embryonen ES, M, A und B von Herrn Päusch umzeichnen und noch einmal lithographiren zu lassen. Ich befürchte kaum, dass man nach einem Vergleich der beiden Tafeln mich hierfür tadeln wird. Die in der alten Taf. I enthaltenen Anatomien zu reproduciren, schien mir indessen überflüssig und ich habe statt derselben die Anatomien von zwei neueren Embryonen Bl und Pr zur Darstellung gebracht.

Fig. 1. Embryo B (Heft L S. 16) von der rechten Seite her. Vergrösserung 20. Der Embryo ist noch vom Amnion umhüllt und in Verbindung mit der Nabelblase. Von neuen, bei der früheren Figur unberücksichtigten Einzelnheiten hebe 'ich folgende hervor: zwischen den obersten Urwirbeln und der Gehörblase liegen 2 bez. 3 helle Vorsprünge, welche als die Ganglien der Nn. glossopharyngeus und vagus zu verstehen sind. Das Nasenfeld und die Jacobson'sche Grube sind durch das Amnion hindurch sichtbar und auch die Schlundbogen sind eingehend durchgearbeitet. Die seitliche Bauchwand lässt eine verzweigte Figur erkennen, die nichts Anderes sein kann als die Vena umbilicalis dextra (S. 205).

Fig. 2. Embryo A. Vergrösserung 20. Die bei der früheren Darstellung eingezeichnete Risse sind ausgefüllt worden, was man

His, Menschl. Embryonen. III. 17


258 Erklärung der Tafeln,

sicli ohne Gefahr eines Irrthums erlauben durfte. An der alten Fig. I war das Nasenfeld unverstanden gebliehen , ich hatte dort nur die jACOBSON'sche Grube eingezeichnet, eine Lücke, die dann durch die Supplementarfigur Taf. VII a 4 auszufüllen versucht wurde. Die Gliederung des UnterMeferbogens und des zweiten Schlundbogens sind sorgfältig durchgeführt. An ersterem erkennt man bereits das Tuberculum tragicum (S. 212), an letzterem ist die noch sehr zarte Längstheilung angedeutet. Aus dem hinteren Streifen des zweiten Bogens wird die Cauda helicis. Das geübte Auge vermag schon auf dieser Stufe die Hauptabschnitte der Ohrmuschel, die drei Glieder des Helix und den Anthelix, den Tragus und den Antitragus und sogar die Taenia lobularis zu erkennen. In Betreff der übrigen Form Verhältnisse verweise ich auf den Text des I. Heftes (I. 1 6 u. ff.).

Fig. 8. Anatomie des Embryo Bl. Vergrösserung, auf den feuchten Embryo bezogen, 30 fach. Zu äusserst umfassen Gehirn und Rückenmark den Körper, von denen ersteres bereits in vier Hauptabtheilungen gegliedert ist. Die secundäre Augenblase beginnt sich an ihrem basilaren Band zu schliessen. Die auf das Medullarrohr folgende Chorda läuft diesem im Allgemeinen parallel und nur unterhalb des Nackenhöckers entfernt sie sich von ihm etwas mehr denn in ihrer übrigen Länge. Hier ist auch die Rückwand des Eingeweiderohres vom Medullarrohr am weitesten abgerückt, während sie demselben im Bereich der Brückenkrümmung des Gehirns sehr nahe liegt. Das obere Chordaende verliert sich etwas verbreitert in der Rückwand der RATHKE'schen Tasche.

Das Eingeweiderohr ist in seinem Kopftheil eröffnet dargestellt, für den Rumpftheil dagegen ist die Lichtung punktirt angegeben. Im Mundrachenraum* folgt auf den Unterkiefer die erste Schlundspalte, dann der zweite Schlundbogenwulst und die darunterliegende nach vorn geöffnete mittlere Anlage der Schilddrüse; der Ort des Tuberculum impar liegt vor der letzteren. Im Bereich der dritten Spalte sieht man die durchschnittene Epiglottis, dahinter den noch, unverhältnissmässig langen Hohlraum für Kehlkopf und Respirationswege. Die Lungenanlage wird von der oberen Hohlvene gekreuzt. Von den Aortenbogen sind vier durchgängig, der erste ist verkümmert, als Rest desselben hat sich die A. maxillaris erhalten.

Die das Herz umschliessende Parietalhöhle berührt die Vorderwand des Mundrachenraumes, vom Unterkiefer ab bis in die Höhe der Lungenanlage. Die Leber ist von der Parietalhöhle durch das Zwerchfell geschieden, das zur Zeit beinahe vertical steht. Die Leber ist durchsichtig gehalten, man sieht oben die Yv. hepaticae, unten die Vv. omphalomesentericae nebst den Sinus annulares. Die zwei oberflächlich liegenden Venen sind : das obere Endstück der früheren V. umbilicalis dextra und ein Abschnitt vom unteren Stamm.

Darm und Darmstiel sind leicht verständlich, das Gekröse ist quer schraffirt, dahinter liegt die langgestreckte Urniere, deren Gang an die Seitenwand der Cloake tritt ; vor der Einmündungssteile liegt die erste Spur einer Nierenanlage. Die Cloake fällt jenseits vom Bereich der Leibeshöhle, sie liegt in der compacten Substanz des Beckentheiles eingebettet. Die Grenze der Leibeshöhle ist dicht hinter dem Bogen, den die Aorta jederseits bei ihrem Uebergang in die A. umbilicalis bildet. Zwischen den beiden, isolirt dargestellten Nabelarterien ist der in den Bauchstiel hereintretende Allantoisgang sichtbar, die Yenen der unteren Körperhälfte sind nicht eingezeichnet.

Fig. 4. Anatomie des Embryo Pr. Yergrösserung, auf das feuchte Präparat berechnet, ca. 14 fach (20 fach der Schnitte). Gehirn, Eückenmark und Chorda wie oben. Im Mundrachenraum ist die Zunge bereits angelegt und die mittlere Schilddrüsenanlage demgemäss isolirt. Kehlkopf und Pharynx sind bis zu ihrem unteren Ende offen gezeichnet. Dieselben werden von dem dritten bis fünften Aortenbogen gekreuzt. Die Höhlungen von Trachea, Lungen, Oesophagus, Magen und Darm sind punktirt. Man bemerkt, wie der untere Theil der Trachea in die Parietalhöhle hervortritt, während der obere Theil noch umschlossen ist. Yon der Y. cava superior sinistra sind die beiden Gekrösblätter (die M. pleuropericardiaca) im Durchschnitt dargestellt. Die Leber ist hier in der Medianebene durchschnitten gedacht, daher sie viel weniger tief erscheint als bei Fig. 3. Als ein dicker, auf eine kurze Strecke zweigetheilter Stamm tritt die Y. umbilicalis sinistra von der Bauchwand her zur Leber, hier nimmt sie die Y. Portae auf und geht alsdann in die vor dem Magen emporsteigende Y. Aranzii über. Die Yena Portae tritt in einem Bogen um das Duodenum und kommt von der rechten Seite her an die Umbilicalis. Ln unteren Körperabschnitt sind der Urnierengang und die nunmehr etwas vergrösserte Nierenanlage sichtbar. Die Cloake ist bedeutend verkürzt. Im oberen Theile des Bauchstieles sieht man die Fortsetzung der Leibeshöhle, im unteren Theil sind punktirt Allantoisgang und die Nabelvene eingezeichnet. Die Urwirbelgliederung des Rumpfes ist an der Figur mit Strichen angegeben.

Fig. 5. E m b r y M. Vergrösserung 40. Es ist der Embryo diesmal nur von der einen, rechten Seite her dargestellt, dafür ist die Nabelblase mit dazu gezeichnet. Die Formverhältnisse des Embryo sind im ersten Heft ausführlich erörtert worden, nur in Betreff des Amnion füge ich noch einige Worte bei. Dasselbe umhüllt den Vorderkopf vollständig, am Hinterkopf dagegen lässt es zur Zeit noch die vordere Partie des Herzens bez. die Präcardialplatte frei (wie dies aus den Durchschnitten sicher zu entnehmen ist). Das Beckenende ist vollständig eingeschlossen und sein Amnionüberzug tritt an den Bauchstiel, mit dem er sich verbindet.

Fig. 6. Embryo SR. Vergrösserung 40. Abgesehen von der künstlerischen Vervollkommnung, welche diese Figur erfahren hat, bietet sie einiges neue Detail in ihrem Nabelblasentheil. Einestheils ist die bei der früheren Darstellung vernachlässigte höckerige Beschaffenheit der Oberfläche wiedergegeben, sodann aber zeigt die nach mehrfachen photographischen Aufnahmen entworfene Zeichnung in dem an den Embryo anstossenden Theil der Nabelblase einen breiten hellen Streifen, von dem ich nach den neueren Erfahrungen über Säugethierentwickelung vermuthen möchte, dass er die Ausdehnuüsr des Gefässblattes bezeichnet.


BERICHTIGUNGEN.

Seite 47 sind die Figurenbezeichnungen je um zwei zu klein angegeben, anstatt Fig. 28 soll es heissen Fig. 30, anstatt Fig. 29 Fig. 31 u. s. w.

Seite 96 Schlussabschnitt Zeile 3 lese man anstatt „ bereits offene Gruben" breite offene Gruben.


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Pommer, Dr. G. (Privatdocent in Graz). Untersuchungen über Osteomalacie und Rachitis nebst Beiträgen zur Kenntniss der Knochenresorption und -apposition in verschiedenen Altersperioden und der durchbohrenden Gefässe. Mit 7 lithogr. Tafeln. Lex.-8. 1885. 20 M.


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