Book - Anatomy Of Human Embryos: Difference between revisions

From Embryology
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ANATOMY OF HUMAN EMBRYOS
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ANATOMIE
[[Book_-_Anatomy_Of_Human_Embryos|Anatomy Of Human Embryos]] Published in German in Two Volumes [[Book_-_Anatomy_Of_Human_Embryos_1|Anatomy Of Human Embryos I (1880)]] and [[Book_-_Anatomy_Of_Human_Embryos_2|Anatomy Of Human Embryos II (1882)]]


MENSCHLICHER EMBRYONEN  
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| [[Book_-_Anatomy_Of_Human_Embryos_1|Anatomy Of Human Embryos I]]
* [[Book_-_Anatomy_Of_Human_Embryos_1-1|Embryo A. and B.]]
* [[Book_-_Anatomy_Of_Human_Embryos_1-2|Embryo alpha]]
* [[Book_-_Anatomy_Of_Human_Embryos_1-3|Embryo M.]]
* [[Book_-_Anatomy_Of_Human_Embryos_1-4|Embryo L.]]
* [[Book_-_Anatomy_Of_Human_Embryos_1-5|Embryo S. R.]]
* [[Book_-_Anatomy_Of_Human_Embryos_1-6|Embryo E.]]
* [[Book_-_Anatomy_Of_Human_Embryos_1-7| Vergleichung jüngerer menschlicher Embryonen unter einander; Versuch einer Stadieneintheilung (Comparison of younger human embryos with each other; Attempt at staging)]]
* [[Book_-_Anatomy_Of_Human_Embryos_1-8|Die Altersbestimmung sehr junger Früchte (The age determination of very young fruits)]]
* [[Book_-_Anatomy_Of_Human_Embryos_1-9|Hypothesen zur Ausfüllung noch bestehender Beobachtungslücken (Hypotheses still to fill existing gaps in observation)]]
* [[Book_-_Anatomy_Of_Human_Embryos_1-1|Erklärung der Tafeln (Explanation of the plates)]]
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ANATOMIE MENSCHLICHER EMBRYONEN  




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II.  
II. GESTALT- UND GRÖSSENENTWICKLÜNG BIS ZUM SCHLÜSS DES 2. MONATS.  
 
GESTALT- UND GRÖSSENENTWICKLÜNG  
 
BIS ZUM SCHLÜSS DES 2. MONATS.  




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LEIPZIG,  
LEIPZIG, VERLAG VON F. C.W.VOGEL.  
VERLAG VON F. C.W.VOGEL.  


1882.  
1882.  
Line 106: Line 122:
Mit Tafeln, gr. 4. 2 Bände, ca. 70 Bogen.  
Mit Tafeln, gr. 4. 2 Bände, ca. 70 Bogen.  


W. HIS
MENSCHLICHE EMBRYONEN.
IL
ANATOMIE
MENSCHLICHER EMBRYONEN
VON
WILHELM HTS.
II.
GESTALT- UND GRÖSSENENTWICKLÜNG
BIS ZUM SCHLUSS DES 2. MO^^ATS.
LEIPZIG,
VERLAG VON F. C.W.VOGEL.
1882.
GESTALT- UND GRÖSSENENTWICKLUNG
MENSCHLICHER EMBRYONEN
BIS ZUM SCHLUSS DES 2. MONATS
VON
WILHELM HIS.
MIT 67 FIGUREN IM TEXT.
LEIPZIG,
VERLAG VON F. C.W. VOGEL.
1882.
I
au
Das Uebersetzungsrecht ist vorbehalteij.
Die Nachbildung der Figuren bedarf der Genekmigung
des Verlegers.
DER MEDICINISCHEN FACULTÄT
DER
UNIVERSITÄT WÜRZBURG
ZUR FEIER
IHRES 300JÄHRIGEN SEGENSVOLLEN WIRKENS
IHR
DANKBAR ERGEBENER SCHÜLER.
Inhaltsverzeiclmiss.
Seite
Einleitung- / . . 1
Benutztes Material 4
Art der Messung, Nackenlinie 4
Tabelle normaler Fälle 7
lieber das Vorkommen missMldeter Formen 12
Tabelle der Missbildungen 13
lieber das Verhältniss der normalen zu den missbildeten Fällen. . . 14
Ursachen der Missbildung 14
lieber die bei der Kritik des beobachteten Materials in Betracht
kommenden Gesichtspunkte 18
Der Erhaltungszustand 19
Das Verhalten der Häute 21
Ueberein Stimmung der Embryonen unter sich 22
Aufstellung- von Entwickelung-snormen .23
Erster Monat 23
Embryonen von 7— 8 mm 23
Embryonen von 4 — 5 mm 27
Jüngere Formen vor Eintritt der Nackenkrümmung 31
lieber die Embryonen von Jon. Müller, von R. Wagner und von Coste 41
Zweiter Monat 44
Embryonen von 8—10 mm 4.5
Embryonen von 10 — 12 mm 47
Embryonen von 12 — 14 mm 51
Entwickelungsstufen von 14 — 16 mm 57
Entwickelungsstufen von 16 mm bis zum Ende des zweiten Monats 59
VIII Inhaltsverzeichniss.
Seite
Rückblick auf einige Grundvorgänge der äusseren Formentwickelung 63
Kopfgliederung und Längszonen 64
Axenkrümmung 65
Wachsthumsverhältnisse des Profils 67
Zur Frage der Alterslbestimmung; und des Befruchtung-stermins . . 72
Allgemeine Gesichtspunkte 72
' Schwierigkeiten der Zeitbestimmung 75
Discussion der verschiedenen Möglichkeiten 76
Endergebniss 85
Anhang 87
Notizen über die wichtigeren Präparate der Tabelle I (normale Fälle) 87
Notizen über die beobachteten Missbildungen 98
EINLEITUNG.
Dem früher gegebenen Versprechen gemäss lasse ich eine Fortsetzung des vor 2 Jahren begonnenen Embryonenwerkes erscheinen.
Wollte ich genau da fortfahren, wo ich aufgehört habe, so hätte
ich unmittelbar bei Beginn des zweiten Monats einzusetzen; allein
bei Durchführung einer Aufgabe, welche, wie die vorliegende, den
Arbeitenden vom Zufall des Materialzuflusses abhängig macht, ist
es kaum möglich, den Anforderungen consequenter Stofifanordnung
streng Genüge zu leisten. Seit Abschluss des ersten Theiles sind
mir mehrere werthvoUe, den früheren Entwickelungsstufen angehörige
Stücke übersandt worden und aus rein formellen Gründen durfte
ich dieselben nicht zurücklegen. Die Gesichtspunkte aber, die sich
bei Bearbeitung des neuen Materiales ergaben, mussten einestheils
mit den früher gewonnenen Ergebnissen in Zusammenhang gebracht
werden, anderntheils waren sie an das anzuschliessen, was die Betrachtung nachfolgender Stufen lehrte. Damit bin ich denn auch
zu einer anderen Methode der Stoff behandlung geführt worden.
Im ersten Theil habe ich zunächst den Weg casuistischer Beschreibung eingeschlagen und damit den Boden für eine allgemeiner
gehaltene Behandlungsweise des Gegenstandes vorzubereiten gesucht.
Jetzt, wo das Material sich etwas reichlicher angehäuft hat, würde
ein consequentes Festhalten an der casuistischen Beschreibung für
den Leser und für den Autor ermüdend sein, und weit angemessener
erschien es daher, sowohl die Entwickelung der äusseren Gestalt,
als diejenige der Organe in mehr zusammenhängender Weise dar zustellen. Selbstverständlich bleiben auch so noch genaue DurcharBeitungen der einzelnen Fälle die eigentliche Unterlage des Ganzen.
Die Organentwickelmig auf ein späteres Heft versparend, habe
ich im vorliegenden den Versuch gemacht, den vorhandenen Stoff
durch kritische Yergleichung eigener und fremder Beobachtungen
zunächst einmal äusserlich zu ordnen. Mein Streben ist darauf
gerichtet gewesen, die Normen menschlicher Embryonalentwickelung
festzustellen, derart, dass für eine jede Stufe die zugehörigen Formund Grössenverhältnisse bestimmt werden. Die Aufgabe hat sich
im Allgemeinen nicht als unlösbar erwiesen; nur an wenigen Stellen
bleiben Lücken oder Unsicherheiten übrig, deren Beseitigung späterer
Forschung vorbehalten bleibt. Ein vortreffhches Hülfsmittel bei der
Materialvergleichung gewähren Zeichnungen, die auf gleichen Maassstab gebracht sind. Ich habe für die verschiedenen Stufen, von den
jüngsten an bis zu den ausgebildeteren vom Schluss des 2. Monats
die fünffache VergTÖsserung angewandt, und ich denke, dass die beigegebenen Figuren dem Beschauer eine rasche und sichere Orientirung gewähren werden. Feineres Detail sollen diese Figuren nicht
darstellen; dafür muss auf die grösseren Tafeln verwiesen werden,
welche mit dem nächsten Hefte erscheinen werden.
Es würde mir sehr zur Befriedigung gereichen, wenn das vorliegende, in sich abgeschlossene Heft auch in ärztlichen Kreisen
Beachtung zu finden vermöchte. Wie dies schon im ersten Theil
dieser Arbeit ausgesprochen wurde, so hege ich nämlich die Ueberzeugung, dass die Fortschritte auf unserem Gebiete vor Allem von
der werkthätigen Theilnahme abhängig sind, welche die Aerzte der
Sache schenken. Wofern sie das ihnen eingehende Material sammeln,
wird es nicht an Forschern fehlen, die dasselbe wissenschaftlich verwerthen. Wie viel da die Aufmerksamkeit und der gute Wille des
Einzelnen ausrichten können, ergiebt sich aus folgendem numerischen
Beispiele: Von jüngsten Formen von Embryonen vor Eintritt der
Nackenkrümmung sind mit Hinzurechnung des CosTE'schen und des
J. MüLLEE'schen 15 gute Fälle beobachtet. Davon hat A. Thomson
drei publicirt, mir selbst sind zehn durch die Hände gegangen und
von den zehn habe ich sechs aus Basel bekommen. Würden die
Aerzte auch nur in einem Theil der grösseren Städte dieser Sache
gleiche Aufmerksamkeit schenken, wie dies einige Collegen meiner Vaterstadt thun, so würden die Schwierigkeiten, die sich aus der
Seltenheit des Materials ergeben, wohl hald überwunden sein.
Ich komme noch einmal auf das Detail der Aufhebung und
Versendung von Embrj^onen zurück, weil die wissenschaftliche
Brauchbarkeit des Materials wesentlich dadurch mit bestimmt wird.
Aerzte, denen Embryonen oder junge Früchte vorkommen, thun im
Allgemeinen am besten, dieselben in Alkohol von ca. 60 — 70 Proc.
aufzuheben und zwar ohne sie vorher mit Wasser zusammengebracht zu haben. Im Uebrigen ist die Härtung mit Salpetersäure
zu empfehlen, über die ich mich schon im ersten Theil ausgesprochen
habe'), und deren Vorzüge, speciell für histologische Zwecke, Herr
Dr. Altmann seitdem eingehend erörtert hat.'-) Von Chromsäure und
Chromsäurepräparaten rathe ich im Allgemeinen ab. Die Versendung
von Embryonen und von jungen Früchten geschieht in einem mit
Alkohol bis zum Eand gefüllten Grlasgefäss zwischen zwei sehr locker
eingesetzten Baumwollpfröpfen. In einem unvollkommen gefüllten
Glas oder ohne Watte werden die Präparate beim Transport zerstossen. Werden anderntheils die Wattenkissen zu dicht gemacht,
so quetschen sie bei ihrem nachträglichen Aufquellen das Präparat
und bringen es aus seiner Form. Ohne Flüssigkeit, nur mit angefeuchteter Watte umhüllt, dürfen die Präparate nicht versandt
werden, weil sie sonst durch Verdunstung leiden.
1) S.4.
2) Zur histol. Technik. Arch. f. Anat. u. PhysioL. anat. Abth. 1881. S. 219.
1*
Benutztes Material.
Seit Veröffentlichung der ersten Abtheilung dieser Schrift habe
ich die Genugthuung gehabt, reichliche Unterstützung bei meiner
Arbeit zu finden, denn, wie beistehende Tabelle zeigt, so haben mir
in den Jahren 1880 — 1882 mehr denn 30 verschiedene Collegen
Untersuchungsmaterial zukommen lassen. Einige meiner wissenschafthchen Freunde haben mir besonders ausgezeichnete Stücke,
ja selbst ganze, zur eigenen Bearbeitung gesammelte Präparatenreihen zur Verfügung gestellt ; andere haben mit erfreulicher Regelmässigkeit mir AUes eingesandt, was ihnen an Material einging,
verschiedene Sendungen erhielt ich von persönlich unbekannten
Collegen und zmn Theil aus weiter Ferne. Ich fühle mich durch
diese Vertrauensbeweise in hohem Grade verpflichtet und glaube
allen den Herren, die mir so freundlich zu Hülfe gekommen sind,
meinen Dank dadurch am besten abzustatten, dass ich das anvertraute Gut nach Kräften ausnütze.
Ich stelle zunächst tabellarisch die von mir benützten Stücke
zusammen, wobei der Vollständigkeit halber auch die im ersten Theil
beschriebenen Embryonen nochmals mit aufgeführt sind. Mein anfängliches Princip der Buchstabenbezeichnung hat sich bei Zunahme
des Materials etwas unbequem erwiesen und ich habe daher Ordnungszifiern eingeführt, zugleich aber bei den wichtigeren Stücken
noch die Buchstabenbezeichnung nebenher gehen lassen. Die Embryonen sind nach der Grösse geordnet. Nach einmal eingetretener Nackenbeuge ist die Länge vom Nackenhöcker zur
unteren Körperrundung gemessen, ein Maass, das sich mir durcli die Praxis als das brauchbarste ergeben hat. Ich werde dies
Maass als Nackenlinie bezeichnen. Es mag auf den ersten Blick
irrationell erscheinen, den zusammengekrümmten Körper durch ein gestrecktes Längenmaass auszumessen, wie denn auch mehrere Autoren
vorgeschlagen haben, die Länge des Embryo im Bogen zu bestimmen.
Diese Messungsweise hat für bestimmte Zwecke ihre volle Berechtigung, allein sie ist schwer correct zu handhaben und jedenfalls
nicht so rasch und einfach auszuführen, wie die gestreckte Messung.
Die Berechtigung zur Anwendung der gestreckten Maasse liegt darin,
dass jeder Entwickelungsstufe ein bestimmter typischer Grad der
Zusammenbiegung zukommt, von dem die einzelnen Repräsentanten,
falls sie überhaupt in gutem Zustande zur Beobachtung kommen,
nicht sehr erhebhch abweichen. Wofern dies nicht zuträfe, so müsste
es sich darin äussern, dass die nach dem Längenmaass aufgestellten
Reihen zahlreiche Unregelmässigkeiten und Widersprüche bieten,
was wenigstens im Ganzen und Grossen nicht der Fall ist. Bei
erweichten Embryonen allerdings erweist sich auch die Rückenkrümmung als nicht constant und es führt dies zu Unsicherheiten
in der Messung; der Umfang der möglichen Fehler ist indessen
nicht allzugToss. Eine gute Controle gewähren die Kopfmaasse und
besonders giebt die Vergleichung der auf dieselbe Vergrösserung
gebrachten Zeichnung völlig zuverlässige Handhaben zur Einreihung
der einzelnen Stücke. Vor Eintritt der Nackenkrümmung sind die
absoluten Längenmaasse ein ungenügendes Bestimmungsmittel der
Entwickelungsstufe, sie können nur annähernd die Stellung eines
Embryo in der Reihe jüngerer Formen bezeichnen, weil in dieser
Zeit die Axenbiegungen des Körpers einem ziemlichen Wechsel unterliegen.
Bei den jüngsten zusammengekrümmten Embryonen beträgt die
Länge des Körpers 4 mm. Von da ab bis zu ca. 14 mm ist die
Nackenhnie die längste durch den Körper legbare Gerade ; dann aber
beginnt die Wiederaufrichtung des Kopfes und nunmehr trifft die
längste Gerade einen Punkt des Hinterhauptes oder des Scheitels.
Wollte man, anstatt der Nackenlinie, die Linie grösster Länge als
Unterscheidungsmaass wählen, so würden sich keine scharf gesetzmässigen Reihen ergeben; denn geringe Unterschiede im Grade der
Hebung des Kopfes bedingen ziemlich bedeutende Unterschiede der
6 Benutztes Material.
gTössten Länge. Auch würde man mit allen jenen Stücken sehr in
Verlegenheit kommen, bei denen in Folge vorangegangener Erweichung der Kopf beweglich ist. Dasselbe Präparat würde bei verschiedener Kopfstellung Differenzen von mehreren Millimetern ergeben.
Ich habe in der Tabelle die Stufen klein gewählt, weil hinsichtlich der Organentwickelung eine getrennte Behandlung nahestehender Stufen sich häufig wünschbar erweist. Wo ich Maasse
über die Nabelblase und das Chorion besitze, habe ich sie beigefügt.
In der Columne für die Nabelblase bezeichnet die erste Zahl die
Tiefe (vom Nabel oder, nach erfolgter Abschnürung, von der Insertion des Darmstieles aus zur gegenüberliegenden Wölbung gemessen),
die zweite Zahl giebt den dazu senkrechten Durchmesser. Die
Werthe für das Chorion sind nur als approximative zu betrachten,
meistens sind ja die Früchte coUabirt oder schon eröffnet in meine
Hände gelangt. Bei den übrigen Zahlen bedeutet eine Klammer, dass
der Werth nicht genau zu messen war. Nach ihrem Erhaltungszustande sind die aufgezählten Stücke von ungleichem Werthe gewesen, worüber Columne 3 eine vorläufige Auskunft giebt, etwas
eingehendere Notizen über die wichtigeren Stücke folgen im Anhang.
Benutztes Material.
TABELLE I.
Normale menscliliche Embryonen.
No.
und sonstige
Bezeichnung
05
Erhaltungszustand
Durchmesser
der des
Nabelblase Chorion
mm cm
Herkunft des Präparates
Jüngere Stadien vor Bildung der Nackenbenge. i)
XLIV (Bffj
s. Anhang
0.9 : 0.7
Prf. J. J. Bischoff, Basel,
1881.
VII (E)
2.1
s. I. S. 145
1.6:2.3
0.85:0.55
Dr. EcKLiN, Basel, 1869.
VI (SR)
2.2
s. I. S. 140
1.5:1.9
0.9:0.8
Prf. Roth, Basel, 1879.
LXVIII (Lg)
2.1.5
s. Anhang
1.6:1.2
1.5:1.25
Prf. Langhans, Bern,
1881.
V(L1)
2.4
s. LS. 135
0.9:0.8
Prf. Lexjckart, Leipzig,
1879.
LXVI (Seh 1)
2.2
s. Anhang
1.7:2.1
Dr. Schütz, Hamburg,
1881.
IV (M)
2.6
s. LS. 116
2.6:1.7
0.8 : 0.75
Prf. MiESCHER Vater,
Basel, 1863.
LXV (BB)
3.2
s. Anhang
2:3
1.4:1.1
Prf. J. J. Bischoff, Basel,
1881.
LXVII (Lr)
4.2
s. Anhang
2.8:2.3
(1.5)
Dr. LoMER, Leipzig,
1881.
LX (Kln)
4.3
Kopf innerhalb d.
Chorion abgerissen
Prf. Kollmann, Basel,
1881.
Embryonen nach Eiatritt der Nackenbeuge.
Embryonen von 4—6 mm. .
, III («):
4
s.LS. 100
3:2.7
3.0 : 2.5
Leipz. Hebamme, 1879.
LVI (W)
(5)
Eingeweide herausgerissen
2.5 : 2.0
Dr. Wünsche, Obercunnersdorf, 1881.
XXVI (D 2)
5
weich und etwas
plattgedrückt
2.0:1.5
Prf. DoHRN, Marburg,
1880.
LVII (R)
5
vorzüglich, s. Anhang
2.2
unbekannt, russ. College,
1881.
1) Nicht ai
in Berlin erhalte
dunklen Gerinnst
und L 2, die im
ifgenoi
ne Fru
i\ und
I. Th<
umen in die Tabe
Lcht von 2.7 auf 2
scheint 2.4 mm h
3il S. 160 und 162
le ist der
cm; der E
mg gewesf
erwähnt
Fall XX"
mbryo lag
;n zu seil
sind.
K (eine von Dr. Witzel
in einem wandständigen
i); ebenso die Fälle Str
Benutztes Material.
No.
und sonstige
Bezeichnung
Erhaltungszustand
Durchmesser
XT ^,*,l'■, z.^.*^®? Herkunft des Präparates
Nabelblase Chorion ^
mm cm
Embryonen von 7—8 mm.
I (B)
7
s. I. S. 14
4
2.5:2.2
Prf. J. J. BiscHOFF, Basel,
1878.
LXI (Eck 1)
(1)
theilw. präparirt
Prf. A. Ecker, Freiburg,
1881.
11 (A)
7.5
s. I. S. 14
Prf. Ahlfeld, Leipzig,
1879.
XL (Sit)
7.75
weich, aber gut
gebildet
2.1:1.7
Dr. Schott, Frankfurt a. M., 1880.
Embryonen von 8—9 mm.
LXXIII (Hn)
8
etwas weich, aber
in der Form gut
Prf. Hensen, Kiel, 1882.
XLII (D4)
8
weich und abgeplattet
Prf. DoHRN, Marburg,
1880.
LXII (Eck 2)
8.5
s. Anhang
Prf. A. Ecker, Freiburg,
1881.
LXIII (Eck 3)
8.5
s. Anhang
do.
XXXII (Jen 2)
8.5
weich und eingerissen
Prf. Schwalbe, Jena,
1880.
XVII {&)
8.5
etwas weich, sonst
gut
2.0:1.2
Leipz. Hebamme, 1876.
Embryonen von 9—10 mm.
XXXIX (Bge)
9
weich und etwas
verletzt
Dr. A. BuDGE, Greifswald,
1880.
Embryonen von 10 — 11 mm.
LIV iv)
10.3
weich und trüb
Leipz. Hebamme, 1881.
XCVIII
10.3
etwas w., sonst gut
3.5 : 2.5
do. 1882.
X (Mch)
10.5
s. Anhang
Dr. MüNCH, Basel, 1870.
Embryonen von 11 — 12 mm.
XXIX (Br 1)
11
vorzüglich
5.5:4.5
3.0:2.7
Dr. Brennecke, Sudenburg-Magdeburg, 1880.
XVIII (i)
11
etwas weich
Leipz. Hebamme, 1 880.
XXII (1)
11
weich, mit eingerissenem Halse
do. 1878.
XCVII (v^)
11
desgl.
3.0:2.5
do. 1878.
Benutztes Material.
No.
und sonstige
Bezeichnung
O) O
a B
:c« H
Erhaltungszustand
Durchmesser
der des
Nat einläse Chorion
mm cm
Herkunft des Präparates
Fortsetzung.
XXVIII (G)
11
weich u. mit herausgeriss. Eingeweiden
Dr. Geyl, Dordrecht,
1880.
LXIV (Eck 4)
11.2
am Kopfe etwas
verletzt
Prf. A. Ecker, Freiburg i. B., 1881.
LXXIV (Rg)
11.5
vorzüglich
5.5:4.5
3.0 : 2.7
Dr. C. Rüge, Berlin,
1832.
Embryonen von 12—13 mm.
LIII (TT)
12
Form gut ')
Leipz. Hebamme, 1881.
XXIII (JJB)
12
Zwill.,etw.einger.
sonst gut, s. Anh.
Prf. Bischoff, Basel,
1880.
XXXV (S 1)
12.5
vorzüglich
6:5
3.0:2.7
Prf. F. Schmidt, Kopenhagen, 1880.
XXXVIII (Bge)
12.5
gut
Dr. A. BuDGE, Greifswald,
1880.
XIX (x)
12.8
weich
5:4.5
4.0 : 3.2
Leipz. Hebamme, 1881.
LXXII (M2)
13
Embryonen
weich und gequetscht
von 13—
14 mm.
Prf. MiESCHER Vater,
Basel, 1881.
XIV (S)
13
weich und difform
Leipz. Hebamme, 1878.
XLIX (ff)
13
weich und trüb
do. 1881.
XXIII (o)
13.5
gut
do. 1879.
XLV (Br2)
13.6
vorzüglich
6:4.5
3.5:2.8
Dr. Brennecke, Sudenburg-Magdeb., 1880.
XLVI (Seh 2)
13.8
vorzüglich
Dr. Schütz, Hamburg,
1881.
Embryonen von 14 — 15 mm.
XII iß)
14
etwas weich
Leipz. Hebamme, 1876
XIII iy)
14
desgl.
do. 1876
XXIV (n)
14.2
gut
do. 1881
XXVII D 3)
14.4
weich, sonst gut
Prf. DoHRN, Marburg,
1880.
1) Hatte VC
säure und in AI
)r der
cohol 1
Einlieferung in y
lachgehärtet.
T'asser gel
egen unc
wurde dann in Salpeter
10
Benutztes Material.
No.
und sonstige
Bezeichnung
1^
a a
1— 1
Erhaltungszustand
Durchmesser
der des
Natelblase Chorion
mm cm
Herkunft des Präparates
Embryonen von 15—16 mm.
XXXVI (S 2)
15
Ectopia cordis,
sonst gut
5.5:4.5
3.5 : 2.8
Prf. F. Schmidt, Kopenhagen, 1880.
XXXIV (Dr 1)
15
innerhalb des Uterus befindlich,
sehr gut
6.0 : 5.5
4.5:4
anat. Samml. des Instit.,
stammt aus Dresden.
LI (St)
15
gut
Dr. Schmidt, Lindenau,
1881.
XXI (v)
15.4
weich
Leipz. Hebamme, 1878.
XLI (Fr)
1 5.5
in der Form gut,
am Kopf verletzt
Dr . FRiEDLÄNDEB,Berlin,
1881.
Embryonen von 16 — 20 mm.
XXV (^)
16.5
ziemlich weich
. —
Leipz. Hebamme, 1878.
LVIII (Mr)
17
gut
Dr. Meyer, Hoyerswerda,
1881.
XX (^)
17
s. gut
Leipz. Hebamme, 1875.
XI (Gr)
17.5
gut
Dr. Greppin, Basel, 1870.
Embryonen von 20 — 25 mm.
XVI (z)
22
s. gut
Leipz. Hebamme, 1877.
LXXVII (Wt)
23
aus einer Extrauterin - Schwangerschaft, gut
5.5:5
Prf. Weigert, Leipzig,
1882.
LXXVIII (Lp)
25
gut
5.5:5
Dr. Leopold, Leipzig,
1881.
XCVI (Dr2)
25
gut
4.5:4
anat. Samml. des Instit.,
aus Dresden stammend.
Benutztes Material. 11
Laut dieser Zusammenstellung habe ich bis dahin zu beobachten Gelegenheit gehabt:
Embryonen früherer Stufen bis zum Eintritt der Nackenbeuge 10
Embryonen von 4 — 6 mm 4
^ 7—8 ^ . . . .' 4
^ 8—9 ^ 6
^ 9—10 =^ 1
^ 10—11 * 3
^ 11—12 =» 7
. «» ^ 12—13 ^^ 5
^ 13—14 ^ 6
- 14—15 ^ . 4
^ 15—16 ^ 5
^ 16—20 ^ 4
»^ 20—25 ^ . . 4
63
lieber das Vorkommen missbildeter Formen.
In die Tabelle des vorigen Abschnittes sind nur diejenigen
Präparate mit aufgenommen, welche ich für normal gebildet halten
musste, die missbildeten Formen stelle ich in einer besonderen
Tabelle zusammen. Die Art der Missbildung ist in dieser letzteren
nur summarisch angegeben, einige weitere Notizen nebst Zeichnungen findet man im Anhang. Uebrigens werde ich mich auch da
kurz halten, es kommt mir zur Zeit nur darauf an, anzudeuten,
auf was für Yerbildungen man zu stossen pflegt. Nach meiner Ueberzeugung wird es, nachdem einmal die normalen Entwicklungsverhältnisse menschlicher Embryonen festgestellt sind, eine besondere
Aufgabe sein, die Missbildungen der früheren Lebensperioden eingehend zu bearbeiten, und ich werde meinerseits gern bereit sein,
einem Forscher, der sich der Sache mit der nöthigen Hingabe widmen wird, das bei mir liegende Material zm' Verfügung zu stellen.
In den beiden Tabellen ist nahezu alles Material mitgetheilt,
worüber ich brauchbare Aufzeichnungen besitze, nur wenige, in der
Vergrösserungsangabe unsichere ältere Zeichnungen habe ich unberücksichtigt gelassen und ebenso einige allzu defecte Präparate. In
vielleicht zwei oder drei Fällen war bei überbrachten Fehlgeburten
die Fruchthöhle von festen Blutgerinnseln erfüllt und dadurch die
Auffindung eines Embryo unmöglich gemacht. Im Uebrigen aber
sind mir leere Früchte niemals vorgekommen.
Ueber das Vorkommen missbildeter Formen.
13
Tabelle II. Mssbildungen.i)
No.
-J <B ft
Art der Missbildung
Durchm.
des
Chorion
Verhalten
des Amnion
zum
Chorion
Herkunft des Präparates
mm
XCII
1.2
XLIII
1.5
XCI
5
xcv
2.3
LXXI
3.2
LXIX
4
XXVITI
4.8
XCIII
4.8
XLVII
5
LXXVI
6.3
L
7.7
Knötchenfönuige Missbildung.
Wandständ. Knötchen
Dgl. mit kl. Endknopf 3 : 2.5 cm
Doppelkugel m. kl. Knötchen besetzt
Atrophische Formen.
Atrophischer Embryo,
zusammengekrümmt
Dgl. im Winkel geknickt
Dgl. im Winkel geknickt
Dgl. im Winkel geknickt
Dgl. mit Stirnquaste
Dgl. im Winkel geknickt
Dgl. mit deutl. Schlundbogen
Dgl. mit deutl. Schlundbogen
4.0:3.5
4.2 : 3.7
5.0 : 4.0
4.0 : 3.5
4.5 : 4.0
anliegend
anliegend
Leipz. Hebamme, 1876.
Prf. DoHRN, Marburg,
1881.
Leipz. Hebamme, 1877.
Leipz. Hebamme, 1877.
do. 1881.
Dr. Landsberger, Posen,
1881.
Dr. Schott, Frankf.a. M.,
1881.
Leipz. Hebamme, 1875
Dr. ßissMANN, Suden
burg-Magdeburg, 1881.
Prf. Flemming, Kiel,
1882.
Leipz. Hebamme, 1881.
Jüngere Embryonen mit vorwiegender Verbildung des Kopfes.
XXXVII
4.6
XXXI
8.2
XLVIII
11.3
xc
LXXXIX
LXXXVI
11.4
12.6
13.7
XCIV
LIX
11.7
13.6
LXXXV
21.5
LH
28
LXXXVII
40
Quervorlagerung d. Herzens, Verbild. d. Kieferf. Fehlen d. §tirn
Vorderhirn eine dünnwandige Blase
1.7
2.3
nicht
anliegend
anliegend
5.4 : 5.2
8.0 : 6.0
Cylinderformen.
Cylindergestalt, Oeflfnungen d. Kopfes verwischt
Dgl., Stirnquasten
Dgl., etwas gekrümmt
Dgl., gestreckt
Sonstige Missbildungen.
Spina bifida
Dorsale Einknickung u,
Microcephalie
Anencephalus u. Ectopia
cordis
Doppelte Lippen- und
Gaumenspalte
Vorfall der Leber in den
Nabclstrang
5.0 : 4.0
anliegend
anliegend
Prf. F. Schmidt, Kopenhagen, 1880.
Prf. Ahlfeld, Leipzig,
1880.
Dr. Riemer, Leipzig,
1881.
Leipz. Hebamme, 1881.
do. 1880.
do. 1881.
Leipz. Hebamme, 1878.
Dr. Leopold, Leipzig,
1881.
Prf. Thiersch, Leipzig,
1880.
Leipz. Hebamme, 1881.
do.
1876.
1) Die Mehrzahl obiger Missbildungen finden sich im Anhang abgebildet.
14 Ueber das Vorkommen missbildeter Formen.
Auf 63 oder unter Wegiassung von S 2 auf 62 normale Em'bryonen, welche die erste Tabelle aufzählt, repräsentiren die 22
Misshildungen eine unverhältnissmässig grosse Zahl. Sieht man ab
von der Gaumenspalte LH und vielleicht noch von XXXVII, so
sind die übrigen 20 Embryonen so verbildet gewesen, dass eine
Lebensfähigkeit auch nur bis in die späteren Fötalperioden hinein
scheint ausgeschlossen gewesen zu sein. Diese Missbildungen haben
auch sämmtlich in ihrer Entwickelung still gestanden und sind im
Uterus abgestorben, mehr oder minder lange, bevor ihre Ausstossung
erfolgt war. Es ergiebt sich dies aus dem Missverhältniss in der
Grössenentwickelung der Embryonen und ihrer Häute. So zeigte
z. B. XLIII in einem Chorion, das einem Embryo von ca. 13 mm
entspricht, ein Knötchen von nur 1,5 mm, LXXI in einem Chorion,
das für einen 16 — 20 mm langen Embryo bestimmt erscheint, einen
solchen von nur 3 mm u. dergi. mehr. Characteristisch für das Missverhältniss in der Entwickelung erweist sich insbesondere das Verhalten des Amnion. Noch bei Embryonen von 15 mm umhüllt diese
Haut normalerweise den Körper so, dass nur ein schmaler Zwischenraum übrig bleibt, und erst in einer relativ späten Zeit rückt sie vom
Körper ab und legt sich der Innenfläche des Chorion an. Bei den
oben zusammengestellten Missbildungen aber zeigt sich, laut meinen
Aiifzeichnungen , schon bei Embryonen von 5 mid 6 mm das Amnion dem Chorion anliegend. Leider sind meine Notizen über
diesen Punkt unvollständig, ich vermuthe, dass ein ähnliches Verhalten wenigstens bis zu den Formen von 3 mm herab sich wiederfindet. In allen den Fällen gelangt man bei Eröffnung der Frucht
unmittelbar in die Amnionhöhle und es ist nöthig, um das Verhalten
des Amnion zum Chorion festzustellen, seine Ablösbarkeit von letzterem zu constatiren.
Einer von den in der Tabelle aufgeführten Embryonen XXXVII
zeigte ein knapp am Körper anliegendes Amnion; sein Chorion
war in richtigem Verhältniss zur Grösse des Embryo und dieser
letztere war auch erst bei der Ausstossung der Missbildung abgestorben, denn er war in seinem histologischem Detail vorzüglich
erhalten.
Rechne ich von den Missbildungen der Tabelle die beiden grösseren über 25 mm ab, dazu noch den nicht unbedingt lebensun
Ueber das Vorkommen missbilcleter Formen. 15
fähigen Fall von Gaumenspalte und den Fall Ss, so bleiben auf 62
normale Fälle 18 lebensunfähige Missbildungen, über 22 Proc. der
Gesammtzahl der in Betracht gezogenen Fälle. So gross diese Verhältnisszahl ist, so scheint sie doch noch unter dem wirklichen Verhältniss zu stehen. Von auswärts sind mir natürlich mit Vorliebe
normale und wohlerhaltene Stücke eingesandt worden, was die Procentzahl zu Gunsten der letzteren verschiebt. Beschränke ich die
Zählung auf die Fehlgeburten, welche mir hiesige Hebammen während
der letzten paar Jahre eingeliefert haben, so stellt sich das Verhältniss von 12 Missbildungen auf 19 gesunde Früchte
heraus, gegen 40 Proc. der eingelieferten Fälle. Die Zahl der
Fälle ist noch sehr klein und es ist nöthig, in Zukunft derartige
Zählungen noch consequenter und in grösserem Maassstabe auszuführen. Jedenfalls aber ergiebt sich die für die Zeugungstheorie, wie für die Praxis höchst bedeutsame
Thatsache, dass ein nicht geringer Bruchtheil der erzeugten Geschöpfe schon in ihrer ersten Anlage verfehlt ist und damit unfähig, das Entwickelungsziel zu
erreichen.
Es steht das eben betonte Ergebniss in Uebereinstimmung mit
den Erfahrungen über die Häufigkeit von Missbildungen in Fischeiern und in den bebrüteten Eiern des Huhnes. Bekanntlich hat
schon vor längerer Zeit Panum^) gezeigt, dass die während der Bebrütung abgestorbenen Eier zum grössten Theil missbildete Embryonen enthalten. Auch bei Säugethieren sind abgestorbene Embryonen
keine Seltenheit, so habe ich kürzlich bei einem seit 14 Tagen befruchteten Kaninchen auf zwei normal entwickelte Embryonen von
10 mm Länge zwei in der Entwickelung zurückgebliebene und abgestorbene von nur 4.8 mm Länge vorgefunden.
Gewisse Formen von Verbildung müssen schon in der allerersten Lebenszeit die Entwickelungsfähigkeit des Keimes sistiren,
andere werden ein mehr oder weniger kümmerliches Weitervegetiren
auf 2 , 3 und noch mehr Wochen hinaus erlauben, bis dann schliesslich die Entwickelung auch still steht, und dem werden verschiedene
Formen der Schlussgestaltung entsprechen. Die mehrfache Wieder
1) Panum, Ueber die Entstehung von Missbildungen. Berlin 1860.
16 üeber das Vorkommen missbildeter Formen.
kehr sehr ähnlicher Missbildungsformen , Knötchenform, geknickte
Form, Walzenform u. s. w., weist offenbar darauf hin, dass es gewisse
Hauptklippen geben muss, an denen die Entwickelung leicht fehl
gehen kann. Eine sorgfältige Bearbeitung der vorkommenden Formen in dem Sinn, wie sie ja schon durch Panum angebahnt worden
ist, wird wohl mit der Zeit darüber Licht verbreiten können, worin
denn eigentlich die Hauptgefahren der Entwickelung liegen.
Theoretisch von grosser Wichtigkeit ist natürlich die Frage
nach den Ursachen der vorkommenden Missbildungen. Einestheils kann die primäre Zeugung incorrect erfolgt sein,
es kann fehlerhafte Beschaffenheit der Spermatozoen, oder der Eier
vorhanden gewesen oder es kann die Einwirkung der Spermatozoen
auf das Ei unrichtig vor sich gegangen sein. Für letztere Möglichkeit gewähren die bekannten Erfahrungen von Fol bei Seesterneiern Anhaltspunkte. Anderntheils muss man aber die Möglichkeit im Auge behalten, dass ein Theil der Missbildungen
durch Störung der Entwicklungsbedingungen veranlasst ist, durch ungenügende Ernährung, ungenügende Kespirationsbedingungen, durch mechanische Beeinflussung bei falscher Uteruslage u. dgl. Panum war bei seinen Untersuchungen zum Schluss
gekommen, dass die Missbildungen in Yogeleiem grösstentheils durch
unregelmässige Temperaturschwankungen bedingt sind. Auf das reiche
Feld der hier sich öffnenden Discussionspunkte trete ich nicht ein,
weil meine Arbeit dies nicht nothwendig verlangt. Es sind bei
weiterer Materialsammlung Seitens der Gynäkologen besonders auch
jene Fälle genau durchzubeobacliten, wo dieselbe Frau hinter einander ganze Reihen von Fehlgeburten macht. Sind in solchen Fällen die verschiedenen Fehlgeburten mit normalen oder mit missbildeten Embryonen ausgestattet? und in letzterem Falle: sind die
Formen der Missbildung stets dieselben? Ueberhaupt verspreche
ich mir sehr viel für das Yerständniss der Ursachen der Missbildung aus einer sorgfältigen Combination der teratologischen mit der
g3rQäkologischen Beobachtung und ich möchte den jüngeren Gynäkologen dies Gebiet warm ans Herz legen.
Der zweite und wohl noch ein Theil vom dritten Monat der
Schwangerschaft scheint den Zeitraum zu umfassen, während dessen
der Uterus sich alles dessen entledigt, was nicht entwicklungsfähig
Ueber das Vorkommen missbildeter Formen. 17
ist. Aus späteren Fötalperioden sind mir schlecht genährte, hier
und da auch angefaulte Fötus durch die Hände gegangen, aber
keine Producte, von denen man nicht hätte annehmen dürfen, bei
günstiger Ernährung hätten sie auch bis zum Geburtstermin ihr
Leben weiter führen können. Wollte man übrigens feststellen, wie
gross das Verhältniss der vermöge ihrer ersten Anlage lebensunfähigen zu den lebensfähigen Zeugungsproducten ist, so wäre zunächst eine Statistik der Fehlgeburten zu liefern und dann die
procentische Menge der in letzterer enthaltenen Missbildungen noch
schärfer, als dies oben geschehen ist, festzustellen.!)
1) Hegab, Monatsschr. f. Geburtskunde. Bd. 21. (1863.) Suppl.-Heft. S. 34,
schätzt, dass auf 8—10 recMzeitige Geburten eine Fehlgeburt der ersten Monate kommt. Auch Hegar unterscheidet die Ursachen des Abortus als solche,
die vom Fötus und solche, die von der Mutter ausgehen. In Betreff der erste ren sagt er (S. 40): „Der Zeitpunkt, in welchem die Fehlgeburt zu Stande
kommt, ist ein ziemlich bestimmter, es ist das Ende des zweiten und der Anfang des dritten Monats, also der Termin, in welchem die Placenta in einem
raschen Entwickelungsprocess begriffen ist".
His, Mensehl. Embryonen. II.
Ueber die bei der Kritik des
beobachteten Materials in Betracht kommenden
Gesichtspunkte.')
Das so häufige Vorkommen von Missbildungen in Fehlgeburten
der ersten zwei Monate zeigt, dass die letzteren aus zwei Hauptursachen erfolgen können:
1. infolge fehlerhafter Entwickelung des Embryo,
2. infolge von Ursachen, die an der Mutter liegen;
in letzterem Falle handelt es sich entweder:
um plötzliche Schädlichkeiten, die die Mutter getroffen
haben, Schreck, Fall, acute Erkrankung u. dgl. oder
um krankhafte Dispositionen des Uterus.
Bei Beurtheilung einer Frucht werden in vielen Fällen schon
die anamnestischen Daten von AVerth sein. Den Uterusinhalt einer
plötzlich verstorbenen Frau werden wir mit Wahrscheinlichkeit für
normal halten dürfen, und auch vom Inhalt solcher Fehlgeburten
werden wir dieselbe Voraussetzung hegen können, welche nachweislich durch zufälhge Schädlichkeiten (worunter acute Krankheiten
mitzurechnen sind) veranlasst waren. Das Contingent derartiger
Fälle ist indessen ein unbedeutendes, und es ist nöthig, sich über
die Anhaltspunkte zu verständigen, welche uns erlauben, unabhängig
1) Die oben besprochenen Verhältnisse finden sich auch erörtert in dem
Aufsatze zur Kritik jüngerer menschlicher Embryonen. Arch. f. Anat. u. Physiol.
1880. anat. Abth. S. 414 u. f.
Bei der Kritik des Materials in Betracht kommende Gesichtspunkte. 19
von der Anamnese, aus der Beschaffenheit der Frucht selbst zu erschliessen, inwieweit dieselbe normal sei.
1. Der Erhaltungszustand. Wenn ein Embryo in noch
durchsichtigem oder in stark durchschimmerndem Zustande in unsere
Hände kommt, so dass man durch die äussere Bekleidung hindurch
die Gefässe und sonstigen inneren Theile erkennen kann, so beweist
dies, dass derselbe vor Kurzem abgestorben, bez. dass er durch den
Act des Abortirens in seinem Leben unterbrochen worden ist. Ein
solcher Embryo ist mit Wahrscheinlichkeit als normal zu betrachten.
Spirituspräparate solcher frisch eingelegter Embryonen geben die
volle Schärfe der äusseren Formen wieder und die von denselben
gewonnenen feinen Durchschnitte gewähren die scharfe Zeichnung
der Organgrenzen und des histologischen Details.
Der gute Erhaltungszustand spricht zwar mit grosser Wahrscheinlichkeit für die normale Beschaffenheit einer Frucht, aber er
gewährt keine unbedingte Sicherheit. Der Zufall vermag es zu bringen, dass auch einmal eine Missbildung noch lebend oder doch unmittelbar nach ihrem Absterben durch Fehlgeburt ausgestossen wird.
In der Weise erkläre ich mir den Fall XXXVII (S3), dessen schon
im vorigen Abschnitte gedacht worden ist. Hier sprechen der Erhaltungszustand nicht minder als das Verhalten der Häute für normale Beschaffenheit, und doch ist die Gestalt des Embryo verbildet.
Ungenügender Erhaltungszustand beweist natürlich nur, dass
ein Embryo nicht frisch in die Hände des Beobachters gelangt ist.
Ob derselbe schon intrauterin abgestorben ist, wird man in einem
Theil der Fälle aus dem Verhalten der Häute erschliessen können,
dagegen möchte es schwer sein, in jedem einzelnen Falle dies sicher
auszusprechen. Wenn nun aber auch lebensunfähige Embryonen
intrauterin abzusterben pflegen, so ist doch nicht jeder intrauterin
abgestorbene Embryo als missbildet anzusehen. Es können abnorme
Vorgänge im Uterus einen normal gebildeten Embryo tödten, ohne
dass er deshalb gleich braucht ausgestossen zu werden. Es pflegt
sogar sehr häufig der Fall zu sein, dass die mit der Fehlgeburt
endenden Vorgänge im Uterus durch eine Reihe von Tagen sich
hinziehen, wobei dann der gleich im Beginn abgestorbene Embryo
in mehr oder minder erweichtem Zustande zur Welt kommt. Mcht
jeghches unvollkommen erhaltenes Material ist demnach ohne Wei
20 Bei der Kritik des Materials in Betracht kommende Gesichtspunkte.
teres zu verwerfen, es können solclie Stücke, insbesondere auch hinsichtlich der Dimensionen zur ControUe mithelfen.
Vorzeitig abgestorbene Embryonen sind trüb, die Grenzen innerer
Organe, die man bei frisch conservirten Stücken durch die Haut hindurch erkennt, sind mehr oder weniger verwischt, jedenfalls ermangeln sie der gehörigen Schärfe ; die Zeichnung oberflächlicher Blutgefässe fehlt vollständig. Ferner sind die Abgrenzungen der Schlundbogen, die Zeichnung der Gehöröflfnung, diejenige der Urwirbel, sowie
die ersten Andeutungen von Finger- und von Zehengliederung undeutlich, um so mehr, wenn auch noch Abschilferungen der Epidermis
eingetreten sind. Auch die ursprüngliche Körperkrümmung kommt
abhanden: Bei erweichten Embryonen von ca. 10 mm ab findet
man häufig den Kopf aufgeklappt, sehr beweglich und den Halswinkel eingerissen. Auch das untere Ende kann sich postmortal
öffnen. Die Form- und Contiuuitätsstörungen können noch weiter
gehen, so kann noch innerhalb der uneröffneten Häute der Kopf
abreissen, ferner kann bei Embryonen des 2. Monats die Bauchwand durch den Zug des Xabelstranges eingerissen werden; ja in
einem Falle (XXVIII) -fand ich an der durch die Eisenbahn zugesandten Frucht den Eingeweidekern nebst einem Stück Bauchwand
aus dem übrigen Leibe herausgerissen. Dieser Embryo war 7 Wochen nach dem Termin der ersten ausgebliebenen Periode ausgestossen worden, seiner Entwickelimg nach konnte er aber höchstens
5 Wochen alt sein, er mochte somit wohl an die 14 Tage intrauterin todt gewesen sein.
Sehr bemerkenswerth erscheint es mir, dass ich niemals leeren
Früchten begegnet bin. Man sollte a priori erwarten, dass ein
Embryo, wenn er einmal intrauterin abgestorben ist, innerhalb der
Flüssigkeit, in der er sich befindet und bei der Körpertemperatur
völlig zerfällt, wie dies extra uterum sicherlich bald eintreten würde.
Die Tabelle der Missbildung zeigt mehrere Embryonen von 3 — 5 mm,
ihrer Entwicklung nach kaum 3 Wochen alt, in Hüllen, die auf ein
Alter von 5 und 6 Wochen schliessen lassen. Diese Embryonen
waren trüb und weich, aber sie hatten ihren Zusammenhang bewahrt. So lange das Chorion bez. dessen Elementartheile lebend
sind, scheint es den Inhalt vor Fäulniss und selbst vor Macerationszerfall zu bewahren.
Bei der Kritik des Materials in Betracht kommende Gesichtspunkte. 21
2. Das Verhalten der Häute. Der Durchmesser einer Frucht
kann in der Kegel nur approximativ angegeben werden. Abgesehen
von der Unsicherheit, die in der Ausmessung der Zotten liegt und
die sich vielleicht in Zukunft durch Ausmessen der eigentlichen
Kapsel vermeiden lässt, liegt eine Hauptschwierigkeit darin, dass
die Früchte, selbst im uneröffneten Zustande, zu collabiren pflegen ;
vollends aber lässt die Ausmessung eröffneter Früchte immer eine
ziemliche Fehlerbreite. Gleichwohl kann man der Maasse, auch als
blosser Annäherungswerthe nicht entbehren.
Bei den jüngsten Früchten meiner Tabelle bis zu einer Länge
des Embryo von 3 ä 4 mm, d. h. also bei Früchten unter 3 Wochen,
beträgt der Durchmesser (einschhesslich der Zotten) meistens unter
10 mm, im Maximum (bei BB und Lr) erreicht er 15 mm. Bei
Embryonen der 4. Woche, von 4 — 8 mm Länge, schwanken die Werthe
der Fruchtkapsel meist um 2 cm herum, etwas weniger oder etwas
mehr, nur bei HI («) habe ich die Angabe von 3 : 2V2 cm. Bei den
gut erhaltenen Embryonen von 11 — 12 mm beträgt der Durchmesser
des Chorion 2 V2— 3 cm. Für die nachfolgenden Stufen habe ich etwas
sparsamere Messungen, indessen finden sich für Embryonen zwischen
12 — 16 mm Fruchtdurchmesser zwischen 3 — 4 cm verzeichnet. Bei
dem bereits ziemlich grossen Fötus LXXVIH (Lp), dessen Länge
25 mm beträgt, mass das Chorion 5.5 auf 5 cm, bei XCVI sogar
nur 4.5 auf 4 cm.
Sonach würden sich nach der Grösse der Chorion geordnet ungefähr folgende Normen aufstellen lassen:
Chorion unter 1.5 cm Embryo zwischen 2 — 4 mm
^ von 1 1/2— 3 ^ ^ ^ 4—10 ^
^ ^ 2V2— 4 ^ ^ ^ 10—15 ^
^ ^ 31/2—5 ^ =^ == 15—20
^ ^ 4_6 . . . 20—25 ^
Grössere Abweichungen von diesen Normen sind jedenfalls
immer nur mit Vorsicht aufzunehmen. Eine Frucht von 3 cm mit
einem Embryo von nur 2 ä 3 mm, oder eine solche von 4 cm mit
einem Embryo von nur 4 ä 6 mm zeigen von vornherein ein Missverhältniss, das zwar nicht unbedingt einen missbildeten Embryo voraussetzt, das aber doch verlangt, dass das Stück mit besonderer
Kritik geprüft werden muss, ehe man Schlüsse daraus zieht.
22 Bei der Kritik des Materials in Betracht kommende Gesichtspunkte.
In Betreff des Amnion sind schon oben die nöthigen Bemerknngen gemacht. Bis zu ca. 10 mm Länge sind die Embryonen
vom Amnion knapp umhüllt, dann hebt es sich, erst nur um sehr
weniges vom Körper ab, so findet man es bei Embryonen von
11 — 15 mm um 1 — 3 mm abstehend. Erst wenn der Fötus eine
Länge von ca. 2 1/2 cm erreicht hat, liegt das Amnion dem Chorion
mehr oder minder dicht an, auch erfüllte ja von da ab der heranwachsende Fötus in zunehmendem Maasse den Baum der Fruchthöhle. Schlaffe, weite Amnionsäcke bei kleinen Embryonen oder
gar ein Anliegen des Amnion am Chorion sind als Missverhältniss
zu bezeichnen.
Bei mehreren von den Embryonen, bei denen ein Missverhältniss zwischen Häuten und Embryo bestanden hat, ist mir auch aufgefallen, dass Amnion und Chorion unverhältnissmässig dünn und
durchscheinend waren. Ich besitze indess keine genauen Maassbestimmungen, um diese Wahrnehmung in Zahlen zu belegen.
3. Die Uebereinstimmung der Embrj^onen unter
einander. Die wichtigste Controlle ergiebt sich aus der Yergleichung der verschiedenen, im Uebrigen gut accreditirten Embrj^onen
unter einander. Je mehr sich die Beobachtungen häufen, um so
mehr wird es möglich, für eine jede besondere Entwickelungsstufe
eine Anzahl guter Stücke zusammenzubringen, und falls diese unter
sich übereinstimmen, für die betreffende Stufe eine Norm aufzustellen. Die Normen verschiedener Stufen aber müssen, falls sie
ihren Namen verdienen sollen, in ungezwungener Weise zu Reihen
sich ordnen lassen, innerhalb deren die einzelnen Glieder nach ihren
absoluten und relativen Grössenmaassen und nach ihren Formeigenthümlichkeiten an einander sich anschliessen.
Wir besitzen meines Erachtens nunmehr eine genügende Anzahl
guter Einzelnbeobachtungen, um das bisherige System rein casuistischer Betrachtungsweise zu verlassen und zur Aufstellung bestimmter
Entwickelungsnormen überzugehen. Nur an wenigen Stellen sind die
bisherigen Beobachtungen zu sparsam oder unter sich nicht genügend
in Uebereinstimmung zu bringen und für diese besonderen Stufen
lässt sich demnach noch kein nach allen Seiten abgerundetes Bild
entwerfen.
Aufstellung von Entwickelungsnormen.
Erster Monat.
Die brauchbaren Beobachtungen von Embryonen des ersten
Monats habe ich im ersten Theil bereits zusammengestellt und
kritisch gesichtet. Hier, wo es darauf ankommt, die Stufencharaktere möglichst scharf zu bestimmen, führe ich nur die Stücke noch
einmal auf, die ich für beweiskräftig halte. Die Textfiguren, die
diesem Abschnitte beigegeben sind, sind alle fünffach vergrössert.
Dies gilt nicht allein von meinen eigenen Figuren, sondern, soweit
dies die vorhandenen Unterlagen ermöglicht haben, habe ich mit
Hülfe einer photographischen Kammer auch die Zeichnungen anderer
Beobachter auf dieselbe Vergrösserung gebracht. Erst so gewinnt
man ein sicheres XJrtheil über die Beziehungen der einzelnen Beobachtungen zu einander. Ohne gehörige Berücksichtigung der
Maassverhältnisse halte ich es nicht für möglich, zuverlässige Unterscheidungen über die Zusammengehörigkeit oder Mchtzusammengehörigkeit der Stücke zu geben.
Embryonen von 7 — 8 mm.
Meine eigenen Beobachtungen umfassen die beiden Embryonen
I (B) und n (A), die im ersten Theil (I, 14) beschrieben worden
sind, ausserdem die beiden Stücke LXI (Eck 1) und XL (Stt), von
denen ersteres schon etwas präparirt und in Carmin gefärbt, das
zweite erweicht in meine Hände gelangt ist. Beide, besonders aber
24
Aufstellung von Entwickelungsnormen.
A.T.;
Flg. 1—6.
Die mit römischen Ziffern bezeichneten Figuren sind rrismenzeichnungen meiner eigenen, in
der Tabelle von S. 8 angeführten Präparate I (B), II (Ä) nnd XL (Stt). Die drei anderen Zeichnnngen sind Copien nach Coste ClU, nach Allen Thomson (bei Köllikek) AT 5 nnd nach
Waldeter W d. Letztere sind nnter Zugrundelegung der vorhandenen Maassangaben auf fünffache Vergrösserung umgezeichnet.
Erster Monat. Embryonen von 7—8 mm. 25
XL, sind als Controllstücke noch mit verwerthbar gewesen und letzteres habe ich auch mit abgebildet. Von fremden Beobachtungen
gehören hierher die Fälle von Coste III'), Allen Thomson^) und
Waldeyer.3) Alle sieben Fälle stammen aus Fehlgeburten, dabei
zeigen sie aber so ausgeprägte und unter sich so übereinstimmende
Charaktere, dass sich aus ihnen ein durchaus typisches Bild der
betreffenden Entwickelungsstufe ergiebt.
Der Embryo ist in dieser Zeit stark zusammengekrümmt, seine
Stammgebilde stellen eine Spange dar, deren Mittelstück durch den
Hals- und den Eückentheil des Rumpfes, deren Endstücke durch den
Kopf- und den Beckentheil gebildet sind. Kopf- und Steissende
sind sich beinahe bis zur Berührung entgegengerückt. Jenes bildet
mit dem Halstheil einen Winkel von nahezu einem Rechten. Durch
diesen Winkel, den Nackenhöcker, geht die längste durch den
Körper zu legende Gerade. Auch der Rücken des Embryo ist gewölbt, aber derart, dass auch an ihm eine Stelle rascherer Ausbiegung hervortritt, welche ungefähr in der Höhe der oberen Extremitäten liegt (Dorsalhöcker). Der Beckentheil seinerseits steigt
steil in die Höhe und wendet seine Dorsalfläche nach vorn. Die
TJebergangsstelle (die man vielleicht am ehesten als Kreuzhöcker
bezeichnen kann) fällt in den Bereich der unteren Bauchwirbelsäule.
Der Kopf lässt sämmtliche Gehirnabtheilungen erkennen, am
meisten nach vorn sieht das starke Mittelhirn, über welchem die
Einsenkung der Rautengrube, unter dem das Zwischenhim und die
1) Coste, Taf. III des grossen Atlas.
2) Allen Thomson in Köllikee's Entwickelungsgesch. 2. Aufl. Fig. 282.
3) Waldeyee in Heidenhain's Physiol. Studien. Leipzig 1865. III. S. 55.
Zur Grössenbeurtheüung dienen folgende Unterlagen: Coste zeichnet seineu
Erabryo in natürlicher Grösse ca. 8 mm lang. Bei der Figur von Allen
Thomson giebt Kölliker die Länge nach der Krümmung =11 mm an, aus
dem Durchmesser der Nabelblase lässt sich der Vergrösserungsmaassstab und
mit dessen Hülfe die gestreckte Länge bestimmen. Waldeyek bestimmt die
Länge seines Embryo zu 8 mm. Früher glaubte ich, auch den Fall von Jon.
Müller (Meckel's Arch. 1830. S. 411) hierher zählen zu sollen, weil die Zeichnung in natürlicher Grösse einen Embryo von ca. 8 mm zeigt, aus der Ausbildung der Extremitäten und aus der bereits verminderten Zusammenkrümmung des Körpers muss ich indessen schliessen, dass der Embryo wohl zwischen 9—10 mm lang gewesen sein mag.
26 Aufstellung von Entwickelungsnormen.
bereits selbstständig hervortretenden Hemisphären sichtbar sind. Das
Auge ist verhältnissmässig klein, die Linse eben im Schluss begriffen. Das Riechorgan stellt sich als ausgedehntes und von
wulstigen Rändern umgebenes ovales Feld dar (Nasenfeld). Die
Schlundbogen sind breite, bis in die Flucht des Hemisphärenhims
hervortretende Streifen, drei derselben sind in ihrer ganzen Ausdehnung, der vierte nur in seinem Wurzelstück zu erkennen. Die
geschlossene Gehörblase liegt dorsalwärts vom zweiten Bogen. Eine
deutlich hervortretende Leiste (die Wolff'sche oder Extremitätenleiste) führt vom untersten Schlundbogen aus zur Wurzel der oberen
Extremität und von da weiter zur unteren Extremität hin.. Beide
Extremitäten bilden breite Lappen, die an ihrer Abgangsstelle
schwach eingeschnürt und ohne deutliche Gliederung sind. Die
Ausdehnung ihrer Basis kommt ihrer Länge nahezu gleich. Die
untere Extremität geht von der Wolff'schen Leiste im Winkel
zwischen Bauch- und Beckentheil ab, die obere fällt in den Bereich
des Dorsalhöckers.
In dem von der Körperspange umfassten Raum liegen, äusserlich erkennbar, das Herz, die Leber und die Abgangsstelle des
dicken, kurzen Bauchstieles. Bulbus und Vorhof des Herzens liegen
dicht hinter den Schlundbogen. Die Rundung der Leber macht sich
im Zwischenraum zwischen dem Ventrikel und der oberen Extremität
bemerkbar. Eine schräg vor der Leber ansteigende eingezogene
Linie bezeichnet den Ort des primären Zwerchfells. Die Nabelblase
ist bereits gestielt, der Stiel tritt rechts vom Bauchstiel aus dem
Leibe hervor, während das stumpf auslaufende Schwanzende des
Körpers links von jenem zu liegen pflegt.
Die Vergleichung der sechs auf S. 24 mitgetheilten Figuren
unter einander zeigt, dass dieselben in den eben besprochenen Punkten unter einander übereinstimmen; höchstens das möchte zu bemerken sein, dass an der CosTE'schen Figur auch der vierte Schlundbogen deutlich hervortritt, der sonst auf dieser Stufe bereits verdeckt
zu sein pflegt. Auch die relativen Maasse der Theile stimmen im
Ganzen und Grossen für die verschiedenen Figuren überein; am
meisten abweichend in der Hinsicht ist nach der einen Seite hin
die CosTE'sche, nach der anderen die WALDEYEE'sche Figur. Bei
jener erscheint der Kopf verhältnissmässig plumper, bei dieser
Erster Monat. Embryonen von 4—5 mm. 27
schmächtiger angelegt als in den übrigen Fällen. Die Messung
an den Figuren ergiebt folgende Zahlen:
Sagittale Kopftiefe Länge des Kopfes
von der Stirn bis hinter vom Scheitel (Mittelhirn)
das Mittelhirn zum Nackenhöcker
I (B) 2.9 mm 5.1 mm
n (A) 2.9 ^ 5.3 ^
XL (Stt). ... 3.0 ^ 5.4 ^^
A. Thomson (5) . 2.9 ^ 5.2 ^
COSTE (III) . . 3.4 ^ 5.0 ^
Waldeyee ... 2.8 ^ 5.3 ^
Mittel ..... 3.0 mm 5:2 mm
Bei Beurtheilung der vorhandenen Differenzen ist vor Allem
im Auge zu behalten, dass während meine drei Figuren mit dem
Zeichnungsapparat entworfen, die drei übrigen von freier Hand gezeichnet sind. In Betracht kommt wohl ferner, dass die CoSTE'sche
Figur nicht nach einem Alkoholpräparat, sondern nach einem frischen
aufgenommen zu sein scheint, und endlich geben sowohl A. Thomson's als Waldeyer's Figur keine ganz reinen Profile, erstere zeigt
eine leichte Vorschiebung des Rückens, diese des Bauches. Als ein
Versehen des Lithogi'aphen oder Zeichners sehe ich es an, dass in
Waldeyer's Darstellung, entgegen allen übrigen Erfahrungen, der
Darmstiel links vom Bauchstiel liegt, die Steissspitze rechts davon.
Embryonen von 4 — ö mm.
Von meinen eigenen Beobachtungen fallen in diese Gruppe die
Embryonen III («) mit 4 mm und LVII (R) mit 5 mm, ausserdem
die defecten Stücke LVI (W) und XXVI (D 2) von je ca. 5 mm.
Von fremden Beobachtungen gehören hierher:
der CosTE'sche Embryo II a von ca. 4 mm
^ Embryo 4 von A. Thomson i) ^ ^ 4 #
^ ^ ^ Hensen2) ^ ^ 4,5 ^^
* f f EckerS) ^ =, 4 #
1) KÖLLIKER, 1. c. Fig. 231.
2) Hensen, Arch. f. Anat. u. PhysioL, anat. Abth. 1877. S. 1.
3) Ecker, ebendaselbst 1880. S. 403.
28 Aufstellung von Entwickelungsnormen.
Aus dieser Gruppe heben sich zunächst drei Stücke in auffäUiger Weise hervor; es sind dies die Embryonen von Coste,
Allen Thomson und mein Nr. III (a). Diese von drei verschiedenen Forschern in drei verschiedenen Ländern beobachteten und gezeichneten Fälle zeigen, wenn sie auf dieselbe Vergrösserung gebracht werden, unter sich sehr grosse Uebereinstimmung, und da der
eine von ihnen, der von Coste, aus dem Uterus einer Selbstmörderin
stammt, so können wir nicht zweifeln, dass das Bild, das uns diese
drei Embr3^onen gewähren, ein typisches und normales sei. Alle
drei sind stark zusammengekrümmt, am stärksten der Embryo a.
Dabei zeigen sie dieselben Knickungsstellen, die wir schon von den
vorgerückteren Stufen kennen, Nacken-, Rücken- und Kreuzhöcker J)
Am Gehirn sind Vorderhirn und Zwischenhirn durch eine Furche
bereits von einander geschieden, jenes aber noch nicht mit selbstständigen Hemisphären versehen , die RautengTube deutlich markirt ;
das Auge tritt als rundlicher Vorsprung vor dem Oberkiefer hervor 2},
zeigt aber noch keine Linsenanlage, die Gehörblase ist geschlossen,
das Nasenfeld als flache Grube jederseits von der Basis des Hemisphärenhirns erkennbar. Alle vier Schlundbogen sind sichtbar, ihre
vorderen Enden liegen hinter einander in einer beinahe geraden
Linie, deren Verlängerung den vordersten Abschnitt des Vorderhirns
trifft. Die Wolff'sche Leiste ist scharf markirt, die Extremitäten
noch kurz und mit breiter Basis der Leiste aufgesetzt. Das Herz
lässt sämmtliche drei Abtheilungen äusserlich erkennen und die Ventrikelschleife ist bereits caudalwärts gerichtet. Die Nabelblase ist
zwar an ihrer Wurzel eingeschnürt, indess noch in breiter Verbinbindung mit dem Körper. Eine Leberanschwellung ist vorhanden,
aber schwach hervortretend.
Etwas älter als die drei eben besprochenen sind die Embryonen
1) Von Hensen und Ecker liegen directe Maassangaben (4 bez. 4.5 mm),
vom Embryo 4 von Allen Thomson eine 4 mm lange Figur in natürlicher
Grösse vor. Der CosTs'sche Embryo, angeblich 15 mal vergrössert, ist 6 cm
lang, vfas auch 4 mm natürliche Länge ergeben würde. Man kann sich auf
die CosTE'schen Vergrösserungsangaben nicht allzusehr verlassen, aber hier
stimmt die Entwickelungsstufe in der That genau mit den beiden Fällen von
Allen Thomson und von mir, die beide 4 mm lange Embryonen aufweisen.
2) Bei Coste im Original etwas undeutlich gehalten.
Erster Monat. Embryonen von 4—5 mm.
29
LVII (K) und LVI (W), von denen letzterer mit aufgerissenem Leib
in meine Hände gelangt ist. Seine Kopfgrösse weist ihn in un
Lm.
Fig. 7-13.
Hier sind die Figuren UI (Ci), LVII (R) und LVI (W) eigener Beobachtungen und mit dem
Prisma gezeielinet. Die übrigen stammen von Allen Thomson, AT 4i), Coste C Ha, Hensbn, H,
und EcKEK E und sind auf fünffaelie Vergrösserung umgezeichnet. Embryo LVI ist defect und
durch die Präparation in seiner Form verändert.
mittelbare Nähe von R. Ich habe den Embryo R erhalten, nachdem das Amnion und die Nabelblase bereits entfernt waren und viel
1) Die im ersten Theil S. 165 ausgesprochene Vermuthung, dass dieser,
bei KöLLiKEE abgebildete Embryo vom Holzschneider umgekehrt worden sei,
hat Herr A. Thomson als richtig anerkannt. Darnach liegt auch meine obige,
nach KöLLiKER angefertigte Copie auf der falschen Seite.
30 Aufstellung von Entwickelungsnormen.
leicht kommt es auf Eechnung dieses Umstandes, dass derselbe
eine minder starke Rückenkrümmung zeigt, als die Embryonen
früherer und späterer Stufen, denen er sich sonst in Betreff aller
übrigen typischen Verhältnisse vollkommen anschliesst.
Von den Grössen zwischen 5 — 7 mm habe ich bis jetzt keine
Embryonen erhalten und auch aus der Literatur sind mir dafür
keine verwendbaren Fälle bekannt. Die Lücke ist, wenigstens in
Betreff der äusserlichen Formverhältnisse, keine störende. Die Formen
von a oder von R und die von A oder B stehen sich so nahe, dass
eine Interpolation ohne allzugrosse Willkür möglich ist.
Hensen's Embryo zeigt bereits getheilte Hemisphären, was ihn
etwas höher stellen würde, als die drei Embryonen der mittleren
Zeile ; anderntheils scheint er, soweit man aus der Zeichnung schhessen
kann, in der Grösse hinter jenen eher etwas zurück zu stehen, auch
ist seine Rückenkrümmung eine erheblich geringere. Etwas fremdartig berührt mich bei Hensen's Abbildung das Verhalten des Unterkieferfortsatzes : Derselbe ist auffallend kurz und bleibt in der
reinen Profilansicht') hinter dem Oberkiefer sowohl, als hinter dem
zweiten Bogen zurück. Dies ist in Widerspruch nicht allein mit
dem Verhalten bei den ungefähr gleichaltrigen Formen, sondern
mit dem Verhalten bei jüngeren sowohl als bei älteren menschlichen
Embryonen, bei denen allen in übereinstimmender Weise der Unterkiefer durch seine relative Grösse sich auszeichnet. Ich möchte
vermuthen, dass im vorliegenden Fall eine Verstümmelung vorliegt,
und dass der vordere, durch eine Furche abgesetzte Theil des Fortsatzes abgebrochen ist.
Der EcKER'sche Embryo ist entschieden der jüngste von dieser
Gruppe. Auch bei ihm ist die Rückenkrümmung gering, zugleich
ist die ISTackenkrümmung noch weit unter dem späteren Maasse.
Der Rumpf erscheint in der Profilansicht'-) im Vergleich zur Kopfgrösse etwas kurz, was möglicherweise daran liegt, dass in der
Profilansicht der Uebergang in den Beckentheil etwas verldirzt ist.
1) Fig. 2 der HENSEN'schen Tafel. Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abth.
1877. Taf. I.
2) Ebendas. 1880. Taf. XXIV. Fig. 5.
Erster Monat. Formen vor Eintritt der Nackenkrümmung. 31
Ich stelle hier die Kopfmaasse zusammen, wobei Tiefe mid
Länge wie oben gemessen sind:
Sagittale Kopftiefe Kopflänge
III (a) 1.7 mmi) 3.1 mm
A. Thomson 4 . . 1.7 >» 3.1 ^
CosTElIa ... 1.8 ^ 2.9 ^
Hensen .... 1.85 ^ 2.8 ^
Ecker2) .... 1.75 ^ 2.6 ^
Mittel 1.76 mm 2.9 mm
R 1.94 mm 3.4 mm
W 1.9 ^ 3.8 .
Mittel 1.92 mm 3.6 mm
Formen vor Eintritt der Nackenkrümmung.
Die Zahl der in der Literatur beschriebenen, auch hinsichtlich
der Maassangaben brauchbaren Fälle von Embryonen vor Eintritt
der Nackenkrümmung ist keine allzubedeutende. Ich rechne dahin
die drei Beobachtungen von Allen Thomson aus dem Jahr 1839,
die er selbst mit 1, 2, 3 nummerirt hat ; femer die im ersten Theil beschriebenen vier Fälle Y\l (E), VI (SRj, V (L 1) und IV (M). Als neue
Beobachtungen kommen dazu die fünf Fälle LX (Kln) , LXVIE (Lr),
LXV (BB), LXVni (Lg) und LXVI (Seh 1). Von diesen 12 Embryonen ist der letzte dem Uterus einer an einem Aneurysma plötzlich verstorbenen Frau entnommen und er
nimmt somit unter den als normal zu beglaubigenden Fällen eine
erste Stelle ein. Das Präparat LXIV (Bff), das in der Tabelle mit
aufgeführt ist, betrifft eine Entwickelungsstufe vor der eigentlichen
Embryobildung und ich werde bei späterem Anlass auf dasselbe
zurückzukommen haben.
Auf S. 32 sind (mit Ausnahme von AT 1) die aufgezählten
Fälle bei 5facher Vergrösserung zusammengestellt. Zu unterst das
1) In dem oben citirten Aufsatz „Zur Kritik" S. 411 ist die grösste
Kopftiefe zu 2 mm angegeben, es wurde dort die Linie von der Stirn bis
hinter das Hinterhirn gemessen.
2) Die beiden Protilfiguren 4 — 5 von Ecker differiren um 3 mm hinsichtlich der Kopftiefe. Obige Angabe bezieht sich auf die Figur 5.
32
Aufstellung von Entwickelungsnormen.
Fig. 14-25.
Auf dieser Tafel befiaden sich, ausser zwei auf 5fache
Vergrösserungen gebrachte Copien nach Allen Thomson AT 3 und AT 2, die Prismenzeichnungen meiner
eigenen zehn Beobachtungen, die Fälle durch die in
der Tabelle S. 7 angegebenen römischen Ziffern bezeichnet sind.
Präparat XLIV (Bfif). Dasselbe zeigt, dem Chorion unmittelbar verbunden, einen
ellipsoiden Körper, der nach
der einen Seite von einer
durchsichtigen Blase uhrgiasartig überragt wird. Ich halte
den festeren Körper für die
ISTabelblase, den durchsichtigen Theil für das Amnion
und vermuthe demnach, dass
die Embryonalanlage, soweit
eine solche vorhanden ist, auf
der Grenze zmschen beiden
liegt. Dem entspricht auch
die Art, wie das Gebilde am
Chorion festhaftet. Die Stelle
der Verbindung fällt nämlich in das Grenzgebiet der
Blase und des undurchsichtigen Körpers. Mit Hülfe von
Durchschnitten erwarte ich
später mehr Klarheit über
dies Präparat verbreiten zu
können, hier, wo die Entwickelung der embryonalen
Form als nächste Aufgabe
vorliegt, kann es vorerst bei
Seite gelassen werden.
Die zweite Zeile von unten
umfasst die drei Embryonen
VI(SE), Vn (E) und AT 2.
Letzterer ist nicht nach der
bekannten und so vielfach
copirten Figur aus dem Edinburgh med. and surg. Journal von 1839 genommen,
Erster Monat. Formen vor Eintritt der Nackenkrümmung. 33
sondern nach einer bis jetzt unpublicirten Originalzeichnung, welche
der hochverehrte Forscher mir mitzutheilen die Güte gehabt hat.
Diese Figur habe ich wegen der reinen Profilansicht der bereits
publicirten vorgezogen.
Wie dies schon im ersten Theil dieser Schrift betont worden
ist, so stehen sich die drei Präparate hinsichtlich ihrer absoluten
Maasse sehr nahe, am grössten ist die Xabelblase bei E (VII).
Auch darin stimmen dieselben überein, dass bei allen der Embryo
mit dem grösseren Theil seiner Länge auf der Nabelblase aufruht.
Die Linie, die den Embryo von der Nabelblase scheidet, bez. die
Grenze des Leibesnabels verläuft schräg, der Kopftheil erhebt sich
höher, als das untere Ende, wogegen der sagittale Durchmesser der
Nabelblase in der unteren Hälfte grösser ist, als in der oberen.
Bei zwei Präparaten, bei AT 2 und bei SR, schneidet eine vom
unteren Rande ausgehende Kerbe in die Blase ein und trennt in
unvollkommener Weise einen dem Embryo zugewandten Keil vom
kugligen Theil der Blase ; bei beiden Präparaten hebt sich die Herzanlage als ansehnlicher Wulst vom übrigen Kopftheil des Embryo
ab und ist zwischen diesen und die Nabelblase eingeschoben. Beim
Präparat E, das etwas jünger ist, denn die beiden anderen, steht
das freie Kopfende weniger weit von der Nabelblase ab und die
Herzanlage liegt noch vorwiegend lateralwärts vom übrigen Hinterkopfe. Der Fall AT 2 ist auch von der Dorsalseite her beobachtet
worden und zeigt in der betreffenden Ansicht eine tief gehöhlte
Medullarrinne , deren Ränder sich stellenweise schon bis beinahe
zur Berührung entgegengerückt sind. An meinen beiden Präparaten kann ich nur aus etwas schrägen Profilansichten über das Verhalten der Medullarrinne schhessen; bei SR war sie noch klaffend,
bei E scheint überhaupt erst ^eine Primitivrinne vorhanden gewesen
zu sein.
In den beiden von mir gezeichneten Fällen ist der Embryo
durch einen dicken Bauchstiel mit dem Chorion verbunden. Das
Amnion umhüllt den Embryo und die dorsale Seite des Stieles , sein
vorderer Endpunkt schliesst sich über der Herzanlage an das Kopfende des Körpers an ; von da läuft sein Rand schräg zur Abgangsstelle des Bauchstieles und folgt diesem' letzteren bis in die unmittelbare Nähe der Chorioninsertion. Allen Thomson hat das
His, Menschl. Embryonen. II. 3
34 Aufstellung von Entwickelungsnormen.
Amnion in seinen Fall 2 nicht unverletzt beobachtet, dagegen
zeichnet er die vom Embryo abgehobene Membran als einen längeren Fetzen, welcher an einer Stelle oberhalb der Herzanlage noch
mit dem Körper des Embryo zusammenhängt.
Bei SR läuft der Körper an seinem Steissende in einen stumpfen
Zapfen aus, welcher hinter dem Bauchstiel selbstständig hervortritt;
auch AT 2 zeigt einen die Nabelblase nach abwärts überragenden
kurzen Körperstumpf. Ob bei Embryo E ein solcher vorhanden
gewesen sei, vermag ich aus meinen alten Zeichnungen nicht zu
entscheiden.
Für die gesammte Auffassung der Bauchstiel- und der Allantoisentwickelung erscheint es äusserst wichtig, sich darüber klar zu
werden, ob der Embryo 2 von Allen Thomson wirklich frei in
der Fruchthöhle gelegen hat oder ob er durch einen Stiel befestigt
war. Ich habe schon im ersten Theil die Vermuthung ausgesprochen,
dass auch in diesem Fall ein Stiel vorhanden gewesen und bei der
Herausnahme des Embryo zerstört worden sei. Meine Gründe für
diese Annahme waren folgende: einmal giebt A. Thomson selbst
an, dass der Rücken des Embryo und das hintere Ende der Nabelblase der Innenfläche des Chorion durch dichtes Gewebe verbunden
gewesen seien. Auch ist die vorhandene Verletzung des Amnion mit
derjenigen des Bauchstieles in unmittelbaren Zusammenhang zu
bringen, da sie bei Durchschneidung des letzteren nothwendig eintreten musste. Sodann ist ja nicht nur mein Embryo SR, der mit
AT 2 gleichaltrig gesetzt werden kann, sondern auch der entschieden
jüngere E (VII) mit einem Stiel versehen gewesen, und endlich zeigt
auch die Beobachtung 1 von A. Thomson einen unmittelbaren Zusammenhang des Embryo mit dem Chorion.
Bei Anlass des vorjährigen internationalen Congresses in London
habe ich die Freude gehabt, mit Herrn Allen Thomson persönlich
die Frage besprechen zu können, und dabei ist er so freundlich
gewesen, mir seine alten Originalzeichnungen vorzulegen, die er mir
seitdem auch hierher nach Leipzig anvertraut hat. Diese mit bewundernswerther Treue und Sorgfalt ausgeführten Zeichnungen,
unter denen zwei bis dahin unpublicirte Ansichten des Embryo 2
sich befinden , geben nun über den uns beschäftigenden Punkt
neue und höchst befriedigende Auskunft. Zunächst die vielcopirte
Erster Monat. Formen vor Eintritt der Nackenkrümmung.
35
Dorsalansicht : in der ßeproduction des Edinb. med. and surg. Journal von 1839 schliesst die Medullarfurclie nach rückwärts, ähnlich
wiej nach vorn damit ab, dass die beiden Seitenwände abgerundet in
einander übergehen und somit eine Art von Bhndsack umschliessen.
Die Originalzeichnung, die ich mit der Erlaubniss des Herren Allen
Thomson in Copie wiedergebe, zeigt die beiden Seitenwände der
Medullarrinne getrennt, in zwei Spitzen auslaufend, und die beigefügte Note sagt ausdrücklich: „the spinal canal seen open, parti€ularly at the posterior end". Dazu kommt nun ferner eine unpublicirte Ansicht vom Caudalende her. Dieselbe zeigt, dass in der
That das Präparat an dieser Stelle defect gewesen ist, da ein Loch
AT.l
Fig. 26—28.
Copirt naeh den Originalzeicliaungen von Herrn Allen Thomson. AT 2 (a) Ansieht vom Rücken
her, zeigt den Einsehnitt am unteren Körperende, (b) Ansicht vom unteren Ende her, zeigt das
vorhandene, in den Hinterdarm und den Dottersaek führende Loch.
AT 1 Verbindung des Embryo 1 mit dem Chorion.
in die Nabelblase und in den Hinterdarmraum hereinführt. Die
zugehörige Originalbemerkung lautet: „View of the posterior extremity of the foetus looking into the cavity of the intestine, which
being tom at the end, is seen to communicate with the sac of the
yolk". Und so erlauben diese so vorzüglichen alten Zeichnungen,
über eine Frage Aufklärung zu gewinnen, die zur Zeit ihrer Anfertigung gar nicht in Betracht kam und die beim damaligen Stande
der Wissenschaft überhaupt nicht in Betracht kommen konnte.
Auch in Betreff des Embryo AT l ergiebt die Originalfigur
bestimmtere Auskunft als die Copie. In letzterer ist gerade die
Verbindung des Embryo mit dem Chorion etwas im Schatten , ich
36 Aufstellung von Entwickelungsnormen.
copire daher das betreffende Stück noch einmal als Linearfigur. Nach
meiner Auffassung ist hier der Embryo noch vom Amnion umgeben,
welch letzteres auch den vorhandenen Bauchstiel umhüllt. Ich halte
nämlich das rechte Ende der Eigur für das Kopfende und nehme
an, dass das linke Ende den stark im Winkel gebogenen Bauchstiel
enthalten hat. In der ursprünglichen Beschi'eibung des Präparates
ist von einem Amnion nicht die Eede, es heisst dagegen, der Bücken
des Embryo sei zusammengerunzelt, auch seien Eücken^vülste nicht
zu sehen gewesen. Bedenkt man, dass die Beobachtung am dritten
Orte, bei schlechtem Licht und ohne Berührung des Embryo durch
Instrumente hatte geschehen müssen, dass femer das Präparat zuvor
mit Essigsäm-e behandelt worden war, so wird es wohl verständhch,
dass die Umhüllung des Embryo durch ein knapp anliegendes Amnion dem Beobachter bei aller aufgewendeten Sorgfalt hat entgehen
können.
Die acht übrigen Embrj^onen der Zusammenstellung von S. 32
habe ich in vier Gruppen bez. in vier Zeilen angeordnet, welche
zwar hinsichtlich der Grösse, nicht aber hinsichthch der allgemeinen
Form einen stätigen Eortschritt zeigen. Nach ihrer Form repräsentiren sie nämlich zwei absolut entgegengesetzte T3"pen.
Der eine Typus zeigt, conform der späteren Gestaltung,
eine convexe Eückenlinie und ein nach vorn emporsteigendes Beckenende des Körpers. Beim anderen
Typus dagegen ist der Kücken tief eingeschnitten und
das Beckenende gestreckt nach abwärts gerichtet. Den
ersten Typus vertreten die Embryonen LX (Kln), LX"\TI (Lr) und
IV (M), den zweiten die Embryonen LXVIH (Lg), LXVI (Seh) und
LXV (BB).i) Die Krümmungsverhältnisse des zweiten Typus ent
1) AT 3 schliesst sich theilweise dem ersten, L 1 dem zweiten Typus an,
indessen zeigen beide Stücke die typische Krümmung nicht vollkommen ausgebildet, und beide sind defect zur Beobachtung gelangt. AT 3 war in einem
relativ zu grossen Chorion enthalten, also wohl erweicht zur Beobachtung gelangt; das Amnion fehlt an der Figur und das Herz hängt frei aus dem Körper hervor. L 1 dagegen besass , als ich das Stück erhielt , weder Herz und
Nabelblase, noch Amnion und Bauchstiel.
Erster Monat. Formen -vor Eintritt der Nackenkrümmung. 37
sprechen denen der jüngsten Stufen insofern, als auch diese (besonders auffällig SR) einen eingezogenen Rücken und ein den Bauchstiel frei überragendes Beckenende zeigen, allein dem Grade nach
sind die dorsalen Einziehungen von Lg und Seh weit erheblicher,
als die von SR. Die Möglichkeit scheint mir nicht ganz abzuweisen,
dass bei den Embryonen Lg und Seh 1 in Eolge der Präparation die
dorsale Einziehung über das Maass gesteigert worden ist, aber selbst
wenn dies der Eall wäre, so kann doch nicht bezweifelt werden, dass
bei diesen beiden Embryonen die primäre Rumpfkrümmung dorsalwärts concav und das Steissende nach abwärts gerichtet gewesen
ist. Für einen allmählichen Uebergang dieser Biegung in die spätere
convexe fehlen die Zwischenglieder. Die leichte Einziehung des
Rückens bei L 1 und AT 3 als TJebergänge zu betrachten, scheint
kaum erlaubt, weil die beiden Stücke ihres defecten Zustandes Jialber
in dieser Sache nicht beweiskräftig sind. Soweit ich die Verhältnisse beurtheilen kann, so muss sich der Uebergang der einen Form
in die andere ziemlich rasch vollziehen, und ich- bin geneigt, als
deren Grundbedingung Spannungswirkungen des Amnion anzusehen.
Es bedarf dies einer etwas genaueren Erläuterung: Das Amnion
ist in diesen früheren Entwickelungsperioden an folgenden Theilen
befestigt :
1. am unteren Rande des Unterkiefers und von da ausgehend
an der Seitenfläche der Praecardialplatte ; i)
2. unterhalb des Herzens verläuft sein Saum dem Leibesnabel
entlang und hängt somit mit dem noch offenen Seitenrande der
Rumpfwand zusammen;
3. am unteren Ende des Leibesnabels geht das Amnion auf
den Bauchstiel über und es haftet diesem letzteren an bis zu dessen
Insertionsstelle an das Chorion.
Es ergiebt sich hieraus, dass einerseits das Kopfende des Körpers, andererseits dessen Beckenende als mehr oder weniger freie
Vorsprünge in den Raum der Amnionhöhle hineinragen, während
der Mittelrumpf vermöge seiner Verbindungsweise in einer directeren
Abhängigkeit vom Amnion steht. Wenn nämlich die Dehnung des
1) Hierüber vergleiche man meine Mitth. zur Embryologie der Säugethiere
und des Menschen. Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abth. 1881. S. 305 ff.
38 Aufstellung von Entwickelungsnormen.
Amnionsaumes im Bereich der Nabelstrecke (im obigen Bezirke 2)
mit dem Längenwaclisthum der Axengebilde nicht Schritt hält, so
sind zwei entgegengesetzt gekrümmte Stellungen des Eumpfes denkbar, aber keine gestreckte Zwischenstellimg ; eine relative Streckung
(wie bei Li) kann unter den Verhältnissen erst nach Ablösung des
Amnion zu Stande kommen. Wenn dem so ist, so ergiebt sich die
weitere Folgerung, dass der Uebergang aus der concaven Primärstellung in die convexe Secundärstellung als eine Art von Federwirkung zu verstehen ist: Nachdem die Endpunkte der wirksamen
Zuglinie eine gewisse Verschiebung erfahren haben, federt der gebogene Eumpf aus der einen in die andere Stellung über.
Jedenfalls ergiebt schon die einfache Betrachtung der Querschnittsbilder, dass der Körperabschnitt, der dem Bereiche des
Leibesnabels angehört, am biegsamsten sein muss ; weiter vorn und
weiter hinten bildet der Körper zu der Zeit einen geschlossenen
Cylinder, in der Mitte aber eine offene Platte. Es scheint denkbar,
dass gewisse Missbildungen ihren Grund in einem Ausbleiben der
richtigen Krümmung haben, und dass letzteres mit einer abnormen
Entwickelung des Amnion zusammenhängt. Anderntheils aber ist
unzweifelhaft, dass während einer gewissen Zeitdauer durch unzweckmässige Präparation, etwa durch Zug an der Nabelblase, die secundäre Krümmung wieder in die primäre übergeführt werden kann. So
glaube ich speciell den Fall LXV (BBj verstehen zu müssen: Der
Embryo LXV (BB) ist hinsichtlich seiner Grössenentwickelung dem
Embryo IV (M) etwas voraus, er scheint also etwas älter zu sein,
als dieser, und doch hat er die primäre, dieser aber die secundäre
Rumpf krümmung. Nun ist meine Präparation von LXV nicht ganz
untadelhaft gewesen. Beim Eröffnen der Frucht und zwar beim
ersten Schnitte bin ich nämlich direct auf den Embryo gestossen,
habe das Amnion verletzt und auch die Nabelblase an einer Stelle
eingeschnitten. Demnach vermag ich nicht bestimmt zu sagen, dass
der Embryo schon vor Eröffnung der Frucht so gebogen war, wie
er sich später fand. An eine künstliche Erzeugung der starken
Rückenknickung muss ich um so mehr denken, als sich nach Mikrotomirung des Präparates herausgestellt hat, dass im eingebogenen
Theil das Rückenmark aus seinem Räume herausgetrieben war. Wie
leicht durch mechanische Beeinflussung in einer verhältnissmässig
Erster Monat. Formen vor Eintritt der Nackenkrümmung.
39
späten Zeit die primäre Krümmung des Eückens wieder auftreten
kann, das ergiebt der Embryo LVI (W.) von S. 29. An demselben
sind die Eingeweide herausgerissen und hat sich die dorsale Einziehung der früheren Entwickelungsstufen wieder eingestellt.
Bei dem raschen Wechsel der Biegungsverhältnisse des Rumpfes
ergiebt sich, dass während dieser frühen Entwickelungsperioden die
Bestimmung der grössten Länge einen unsicheren Maassstab für die
Stufenscheidung gewährt. Etwas brauchbarer scheint mir die Kopflänge zu sein, vom Scheitel bis hinter das Herz bez. bis zur Wurzel
der Nabelblase gemessen, obwohl auch dieses Maass nicht sehr
scharf bestimmbar ist.
Die sagittalen, von der Stirn aus gemessenen Kopftiefen und
die eben bezeichneten Kopflängen der acht Embrj^onen von S. 32
stelle ich in nachfolgender Tabelle zusammen:
LXVni (Lg)
y (L) . . .
LXYI (Seh 1)
Grösste
sagittale Kopf tiefe
0.6 mm
0.5 ^
0.7 ^
Mittel
Kopflänge, vom
Scheitel bis hinter
das Herz gemessen
1.0 mm
1.1 ^
1.3 ^
Mittel. . . .
0.6 mm
1.13 mm
IV (M) . .
0.8 mm
1.3 mm
AT3 . . .
1.05 -^
1.6 ^
LXV (BB) .
. 0.95 ^
1.4 ^
Mittel. . .
0.93 mm
1.43 mm
LX (Kln) . .
1 .25 mm
(2.3) mm
LXVII (Lr)
1.05 ^
2.2 ^
1.15 mm
2.25 mm
In der Gestaltung des Kopfes zeigen die acht Embryonen gewisse gemeinsame Züge. Bei allen ist das Vorderhim schon so weit
vornüber gebogen, dass das Mittelhirn die höchste Stelle des Scheitels
einnimmt. Stirntheil und Gesichtstheil des Kopfes, sowie der Hinterkopf gliedern sich in charakteristischer Weise von einander ab, und
der Stirntheil überragt als kuglig gerundeter Wulst den Eingang zur
Mundbucht. Letztere wird zu beiden Seiten von den ziemlich hohen
Oberkieferfortsätzen wie von zwei Säulen eingefasst, während der
40 Aufstellung von Entwickelungsnormen.
mächtige, in der Mittellinie durch eine Furche ahgetheilte Unterkieferfortsatz schräg unter demselben herabsteigt. Es ist der Eingang zur Mundbucht weit klaffender als später, weil in der Folge
der vordere Abschnitt des Unterkiefers emporgedrängt wird und dem
mittleren Stimfortsatz entgegentritt.
Nach abwärts gränzt sich der Unterkiefer durch die lange erste
Schlundfurche ab, eine zweite Eurche lässt sich schon bei V (L) und
bei LXVni (Lg) erkennen ; von LXV (BB) ab ist auch mit Sicherheit
die dritte Furche zu sehen. Bei LXVII bildet diese den oberen
Rand einer schräg dreieckigen Grube, deren unterer Theil den Ort
für die Bildung der vierten Furche enthält.
Die Augenblasen sind, wie die Durchschnitte lehren, schon bei
V (L) und bei LXVIII (Lg) vom Gehirn durch tiefe Furchen abgesetzt, indess treten sie noch bei keinem der acht Embryonen stark
genug über die Oberfläche hervor, um sich äusserlich kennthch zu
machen.. Bei den beiden genannten jüngsten Embryonen ist die
Gehörgrube noch offen, bei IV (M) und bei LXY (BB) ist sie bereits zur Blase geschlossen.
Das Herz ist schon bei LXVIII (Lg) nicht mehr gestreckt,
sondern es bildet eine stark hervortretende Schleife, deren Convexität
nach vom gerichtet ist. Noch während einiger Zeit ist der quere
Durchmesser des Herzens der grössere, wenn auch bald der eine,
linke Winkel der Schleife sich etwas nach abwärts zu wenden beginnt. So lange die Nackenkrümmung des Embryo nicht eingetreten, das Herz somit nicht in den Winkel zwischen Kopf und
Rumpf herabgeschoben ist, besitzt der Hinterkopf wegen des mächtigen, seiner Vorderseite angefügten Organs eine auffällig plumpe
Gestalt. Bei allen diesen jüngeren Stufen bis zu Lr hin ist das
Herz vom Amnion noch nicht völlig umschlossen und seine vordere
Fläche ist nur von der Präcardialplatte gedeckt. Das Amnion verlässt diese Platte schon in ihrem Seitentheil, ohne bis zur vorderen
Mittellinie vorzudringen.
Die Urwirbelgliederung des Rumpfes hat schon bei V und bei
LXVIII begonnen, scheint sich indessen zu der Zeit noch nicht bis
zum hinteren Ende zu erstrecken. Auch zeigen die Durchschnitte,
dass bei diesen jüngeren Embryonen das Rückenmark in der unteren Körperhälfte noch eine offene Rinne bildet. Dagegen ist von
Erster Monat. Formen vor Eintritt der Nackenkrümmung. 41
IV (M) und LXV (BB) ab das Rückenmark bis unten hin geschlossen und die Urwirbelgliederung erstreckt sich bis in den Beckentheil herein.
Die ersten ohne Weiteres erkennbaren Anlagen der Extremitäten
finden sich bei den beiden Embryonen der oberen Zeile LX (Ein)
und LXVn (Lr). Durch genaue Vergleichung der Durchschnitte
habe ich mich übrigens überzeugt, dass schon bei LXV (BBj und
IV (M) Andeutungen von Extremitätenanlagen da sind ; es sind nämlich die zu der Zeit schon deutüch ausgeprägten Wolffschen Leisten
im Bereich der Extremitätenbildung breiter als ausserhalb desselben.
Hervorzuheben bleibt endlich, dass bei den beiden Embryonen der
obersten Zeile die Nackenkrümmung sich einzuleiten beginnt.
Ueber die Embryonen von Joh. Miille?^, von R. Wagner
und von Coste.
Ich habe in der obigen Darstellung die drei dm'ch die Literatur so bekannten Fälle unberücksichtigt gelassen und ich muss
dies noch näher motiviren. Dies geschieht am besten, indem ich
dieselben auf fünffache Vergrösserung umgezeichnet hier wiedergebe. Für zwei derselben, den von Joh. Müller und den von R.
Wagner, liegen directe Maassangaben vor. Dies gilt leider nicht
vom CosTE'schen, in Betreff dessen nur mitgetheilt wird, dass der„selbe „ungefähr 15 fach vergrössert" sei. Kölliker giebt seine
Länge zu 4.4 mm an'), ob er ihn selbst gemessen hat, weiss ich
nicht, jedenfalls hat er noch das Präparat bei Coste gesehen. Die
Vergleichung der Kopfgrösse sowie der sonstigen Dimensionen würde^
falls die Grössen- und Vergrösserungsangaben richtig sind, diesen
Embryo wenigstens an die Seite von LXVn (Lr), wo nicht noch
höher stellen, und doch weist die übrige Entwickelung , der lange
Leibesnabel, das noch schwach gekrümmte Herz, die geringe Ausbildung der Schlundspalten auf eine erheblich frühere Stufe, ungefähr auf die von Li , der doch nur halb so gross ist. An eine
pathologische Abweichung zu denken, scheint mir bei der vorzüg
1) Entwickelungsgeschichte S. 307.
42
Aufstellung von Entwickelungsnormen.
liehen Erhaltung des Stückes in keiner Weise zulässig, und ebenso
wenig glaube ich, dass man innerhalb gesetzmässiger Entwickelung
eine so bedeutende Breite individueller Maassdifferenzen annehmen
darf. So komme ich zum Schluss, dass ein Fehler in den Vergrösserungs- bez. in den Grössenangaben bestehen muss. Die Zeichnung reiht sich sehr naturgemäss ein, wenn man annimmt, dass
die Vergrösserung nicht 15-, sondern 25 — 30 fach gewesen ist. Bei
der Wichtigkeit des Objects habe ich mich mit der Bitte um Eevision der Maasse nach Paris gewandt und auch bei den Herren
Eanviek und Balbiani äusserst freundliches Entgegenkommen ge
CK*
Fig. 29—32.
Copien der Embryonen von Jon. Müller un(i R. Wagner ( JM und Wr) auf 5 fache Vergrösserung
gebracht. Der Embryo (C II) ist auf ein Dritttheil der Originalfigur redncirt. Letztere soll ungefähr 15 fach vergrdssert sein. Die Reduction C II* nur i/g der Originalflgur, passt in ihr Verhältniss weit besser in die Reihen von S. 32 als die doppelt so grosse Figur C II.
funden. Es war die Bereitschaft da, mir das Präparat zur Einsicht
zu überlassen, aber es stellten sich bei genauerer Nachforschung
heraus, dass dasselbe zur Zeit verloren ist. Die CosTE'sche Sammlung war Privateigenthum gewesen und hatte einige Male ihren
Standort gewechselt, ehe sie in den Besitz des College de Erance
überging.
Von den Embryonen von Jon. Müller und von R Wagner
habe ich schon im ersten Theil gesprochen. Beide zeigen noch die
tiefe Einknickung des ßückens, trotzdem, dass die Entwickelimgsstufe sie den Embryonen von Hensen und von Ecker nähert. Ob
die Einknickung durch Präparation erzeugt war, oder ob sie pathologisch zurückgeblieben ist, das erlaube ich mir vorerst nicht end
Erster Monat. Ueber die Embryonen von Müller, Wagner und Costa. 43
gültig zu entscheiden. Der WAGNER'sclie Fall mit seinem weiten
Amnionsack, seiner sonderbaren Gesichtsbildung und seinen knolligen
Extremitätenanlagen macht mir doch sehr den Eindruck pathologischer Yerbildung, während der MüLLER'sche, im Vergleich z. B. mit
mit LXV (BB) oder mit LXYIII (Lg) nur durch seine bedeutende
Grösse auffällt.
Zweiter Monat.
Ohne bereits in detaillirte Altersbestimmungen einzutreten, setze
ich (in XJebereinstimmung mit den meisten Beobachtern) Embryonen
von 7 — 71/2 mm auf das Ende des ersten Monats und lasse den
zweiten Monat mit solchen von 8 — 9 mm beginnen. Ueber die Länge
des Fötus am Schluss des zweiten Monats erlauben mir meine eigenen
Erfahrungen kein entscheidendes Urtheil. Toldt giebt in seinem
Aufsatze über die Altersbestimmung menschhcher Embryonen die
Länge vom Scheitel zum Steiss, im Bogen gemessen, am Schluss
der achten Woche zu 3.5 cm an^), was einer gestreckten Länge (vom
Nackenhöcker zum Steiss) von ca. 2.2 cm entspricht. Die Eötus von
2.5 cm gestreckter Länge, mit denen ich diese Arbeit abschliesse,
fallen demnach schon an den äussersten Schluss des zweiten Monats.
Mit Absicht nenne ich das junge Geschöpf am Schluss des
zweiten Monats bereits Fötus und nicht mehr Embryo. Wenn
diese beiden Ausdrücke überhaupt einen getrennten Sinn haben sollen,
so kann es doch offenbar nur der sein, dass wir den werdenden Organismus Embryo nennen, so lang derselbe noch eine provisorische
nur zur Einleitung der definitiven dienende Gliederung besitzt. So
sind z. B. Urwirbel, Schlundbogen, Wolff'sche Leiste u. s. w. embryonale
Organe, welche später in unveränderter Form nicht persistiren. Von
einem Fötus reden wir dagegen da, wo die Gliederung bereits den
Charakter der bleibenden angenommen hat. Vollzieht sich auch die
Umwandlung des Embryo in den Fötus nicht mit einem Male, so
können wir doch constatiren, dass von einem gewissen Zeitpunkte
ab der sich entwickelnde Körper eine Form angenommen hat, die
über seine Natur keinen Zweifel mehr lässt. Noch bei einer Länge
von 12 — 13 mm sieht ein menschhcher Embryo so aus, dass nur
der erfahrene Forscher ihn unbedingt als solchen erkennen Avird.
Bei einer Länge von 16 mm dagegen wird die Form auch dem unerfahrensten Auge als die eines werdenden Menschen kenntlich sein.
1) Prager med. Wochenschrift. 1879. Sep.-Abdr. S. 8.
Zweiter Monat. Embryonen von 8—10 mm. 45
Der TJebergang vom Embryo zum Fötus fällt demnach beim Mensclien ungefähr in die Entwickelungsstufe von 13 — 16 mm. ISTacb
TJeberschreitung dieser Stufe sind die Gestalt des Kopfes, und die
Gliederung der Extremitäten definitiv menschlich geworden.
Embryonen von 8 — 10 mm.
Zwischen 8 — 10 mm ist mein Beobachtungsmaterial verhältnissmässig gering. Yon den in der Tabelle verzeichneten Stücken sind
die besten die Nummern XVn {d), LXXffl (Hn) und XXXIX, die
ich beistehend in Abbildung wiedergebe. Untadelhaft ist auch von
diesen 3 Stücken keines. LXXTTT ist etwas weich gewesen und hat
an seinem unteren Ende entschieden gelitten, man sieht durch die
Haut hindurch, dass, eine kleine Strecke weit, das Rückenmark zerfallen ist. Auch Xyn war etwas weich, sonst aber gut in seinen
Formen, nur war der Kopf etwas beweglich. XXXIX kam verletzt
in meine Hände. Durch Yergieichung der Stücke unter einander und
mit denen der angrenzenden Stufen lässt sich, trotz der IJnvollkommenheit des Materiales, doch folgendes über diese Stufe fest stellen.
Die Zusammenkrümmung des Leibes hat bereits etwas abgenommen und zwar nicht sowohl im Bereich der Nacken- als in dem
der Kreuzbeuge. Der Ort der letzteren hat sich nach abwärts verschoben. Die Abgangsstelle der unteren Extremität befand sich
während der vorangegangenen Entwickelungsstufe noch im aufsteigenden Schenkel der Rumpfspange, die Extremitäten waren mit ihrem
freien Rande nach oben oder selbst etwas nach rückwärts gerichtet.
Dies hat sich geändert : die Abgangsstelle der unteren Extremitäten
fällt jetzt in den hinteren Schenkel der Rumpfspange und ihr freier
Rand sieht nach vom bez. nach vorn und nach oben.
Am Kopf ist die Grundform dieselbe geblieben wie früher, allein
es hat sich die zuvor offen dahegende Nasengrube zu einer Spalte
mit schmalem Zugang verengt. Femer deckt nun der zweite Schlundbogen den dritten grösstentheils zu. Zwischen Mundspalte und Halswinkel sind zwei breite Streifen, der IJnterkieferfortsatz und der
zweite Schlundbogen sichtbar, zwischen denen eine winklig gebrochene
Spalte vorhanden ist, der dritte Bogen ist höchstens noch an seiner
"Wurzel unbedeckt; ob in der Zeit noch ein Theil von der dritten
46
Aufstellung von Entwickelungsnormen.
Spalte sichtl)ar ist, das vermag wohl nur an absolut gut erhaltenen
Stücken ermittelt zu werden, an meinen Präparaten konnte ich eine
solche nicht deutlich wahrnehmen.
Fig. 33-35.
Embryonen LXXIII, XVII und XXXIX.
An den Extremitäten, der oberen sowohl, als an der unteren hat
sich eine scheibenförmige Endplatte als Anlage von Hand und Euss
vom Wurzelstücke abgegliedert. Die Abgiiederung ist durch zwei
schräg gegen einander gerichtete Einschnitte erfolgt. ^SToch fehlt
ein scharf abgegränztes Mittelstück und die Extremitäten wurzeln
an ihrer Absranffsstelle mit breiter Basis in der Wolff sehen Leiste.
Zweiter Monat. Embryonen von 10—12 mm.
47
Die Segmentirung des Rückens zeichnet sich deutlich. An der
Seitenwand des Eumpfes ist die Rinne zwischen Herz und Leber
hemerkhar, wogegen die Grenzen zwischen den einzelnen Abtheilungen des Herzens äusserlich nicht mehr deutlich hervortreten.
Für den Kopf bestimme ich nach oben angegebener Weise folgende
Maasse :
Gr. sagittale Kopftiefe Kopflänge
LXXni 3.3 mm 5.2 mm
XVII 3.4 ^ 5.2 ^
XXXIX 3.35 ^ 5.5 =^
Mittel 3,35 mm
5.3 mm
Embryonen von 10 — 12 mm.
Von dieser Stufe habe ich eine Anzahl guter Präparate in
Händen gehabt. Vorzüglich erhalten waren insbesondere der schon in
meinen Briefen über die Körperform abgebildete Embryo ') X (Mch)
sowie die beiden Embryonen XXIX (Br 1) und LXXIV (Rg 1). Auch
XCVin war nicht übel. Die übrigen 7 Stücke, welche mehr oder
weniger weich, zum Theil auch verletzt waren, konnten wenigstens
als ControUstücke mit verwendet werden.
Die Oeffnung der Körperspange hat noch etwas mehr Fortschritte gemacht, immerhin hängt der Kopf noch stark vornüber,
mit dem Vorderrande des zweiten Schlundbogens die Aussenwand
berührend. Das Vomüberhängen des Kopfes wird jetzt um so auffallender, da letztere an Umfang unverhältnissmässig viel rascher
zunimmt, als der Rumpf. Wir haben jetzt folgende Maasse:
Gr. sagittale Kopftiefe Kopflänge
XCVin 5.4 mm 6.7 mm
X 5.5 ^ 7.8 ^
LXXIV 4.9 ^ 8.1 .
XXIX 5.5 ^ 8.2 ^
Mittel
5.3 mm
Li mm
1) Die nach der Originalzeichnung copirte Figur in den Briefen über die
Körperform S. 194 zeigt hinter dem Unterkiefer noch zwei durch eine Spalte
getrennte schmale Schlundbogen; es beruht dies unzweifelhaft auf einem Miss
48
Aufstellung von. Entwickelungsnormen.
Während bei jüngeren Embryonen das Schlundbogengebiet des
Kopfes noch ein starkes Uebergewicht über den Vorderkopf behauptet,
gleicht sich dies allmählich durch relativ stärkeres Wachsthum des
Gehirns aus und schliesslich kehrt sich das Yerhältniss vollständig
Fig. 36-38.
Embryonen S, LXSIV und XXIX.
um. Folgende Betrachtung kann dies anschaulich machen: Wir
legen durch das Auge eine Gerade, annähernd parallel mit der un
verständniss. Beide Streifen müssen Bestandtheile desselben zweiten Bogens
sein, der zu dieser Zeit den dritten Bogen bereits zudeckt. Was dort als
zweite Spalte erscheint, kann nur eine untergeordnete Furche gewesen sein.
Hintere
Verh. in Proc. der
Strecke
Gesammtlinie
1.5 mm
32:68
2.1 -^
36 : 64
2.2 =»
39:61
2.9 ^
46:54
2.9 ^
57:43
Zweiter Monat. Embryonen von 10 — 12 mm. 49
teren Eandlinie der Schlundbogen ; ihr vorderer Endpmikt fällt an
die Kreuzungsstelle mit dem Kopfrande, ihr hinterer in die Höhe
des Halswinkels, bez. in den hinteren Eand des letzten sichtbaren
Schlundbogens. Das Auge bez. dessen Mittelpunkt, trennt an dieser
G-eraden eine vordere und eine hintere Strecke, deren Verhältniss zu
einander in eben dem Maasse sich ändert, als das Gehirn mächtiger
sich entwickelt. Für einige von den typischen Repräsentanten der
verschiedenen Entwickelungsstufen ergeben sich folgende Zahlen:
Vordere
Strecke
HI (4.0 mm) 0.7 mm
n (7.5 O 1.2 ^
XVn (8.5 ^ ) 1.4 ^
XXIX (11.0 ^ ) 2.5 ^
XLVI (13.8 O 3.8
lieber die letzte von obigen Stufen hinaus lässt sich die Messung, wenigstens nach derselben Methode, nicht mehr wohl fortführen; allein es bedarf nm' eines oberflächlichen Blickes auf die im
nachfolgenden mitgetheilten Profilfiguren, um zu erkennen, dass noch
auf geraume Zeit hin das Gehirn sein Ilebergewicht im relativen
Wachsthum behauptet.
Von sonstigen physiognomischen Veränderungen während der
Stufe von 10 — 12 mm ist die selbstständigere Abhebung einer äusseren
Nase namhaft zu machen. Die Umgebung der Nasenöffnung wulstet
sich etwas empor und erscheint nun durch eine seichte Furche von
den anstossenden Theilen getrennt.
An den Extremitäten tritt allmählich die Dreigliederung hervor ;
zwischen Endplatte und Wurzel hebt sich ein eingeschnürtes Zwischenstück ab als Anlage von Vorderarm und von Unterschenkel. Zugleich wird das Wurzelstück schmaler und trennt sich als Oberarm
und als Oberschenkel bestimmter von der immer noch deuthch
markirten Wolff'schen Leiste. Ellbogen und Knie erscheinen als
nach auswärts gerichtete Vorsprünge. Die Gliederung der oberen
Extremität geht der der unteren etwas voraus und besonders gilt
dies von der Gliederung der Hand gegenüber derjenigen des Fusses.
Beide Endplatten, obere und untere, bestehen aus einem dickeren Wulst, der von einem verdünnten Saum umfasst wird. Die
His, Menschl. Embryonen. II. 4
50 Aufstellung von Entwickelungsnormen.
anfängliche Umgrenziingslinie ist weder bei Hand- noch bei Fussanlage gieichmässig gerundet, sondern sie besitzt drei hervortretende
Ecken, die dem Bereich des Finger- und Zehengebietes angehören.
Die obere Ecke entspricht der Stelle, wo sich der Daumen, bez. die
grosse Zehe bilden wird, die untere Ecke bezeichnet den Ort für
den kleinen Finger oder die kleine Zehe, und die mittlere Ecke
wird zu Mittelfinger oder Mittelzehe.
Die Fingergiiederung leitet sich zunächst damit ein, dass innerhalb des äusseren Saumes und ausserhalb des als Handwurzel zu
bezeichnenden Centralwulstes, vier kleine Grübchen entstehen, dabei
bleibt anfangs noch ein ungegliederter äusserster Saum übrig, der
erst auf einer nächstfolgenden Stufe, in Folge des zunehmenden
Längenwachsthums der Finger, gekerbt wird und nun erst seinen
selbstständigen Charakter verliert. Aus Durchschnitten ergiebt sich,
dass in dieser Zeit der Saum der Hand und der Fussanlage je von
einem Gefässe durchzogen ist; an frischen Kaninchenembryonen der
entsprechenden Stufe ist dies Bogengefäss sehr schön in seiner Totalität zu sehen. Von einer Gliederung der Zehen ist zur Zeit noch
keine Spur vorhanden. Die Anlage des Fusses ist etwas schmächtiger, als die der Hand und die Entwickelung der vorderen Ecke bei
ihr noch ausgeprägter.
Am vorderen Rumpf ab schnitte tritt in Folge der bedeutenden
Leberentwickelung eine zunehmende Eundung hervor. Ein Theil
des Leberwulstes wird von den noch vorwiegend nach abwärts gerichteten Händchen bedeckt. Der Nabelstrang setzt sich von dem
Leberwulst durch eine tiefe Einkerbung ab.
Unter dem Nabelstrang, und meistens an ihn unmittelbar anstossend, liegt das Steissende des Körpers. Auf jüngeren Stufen war
dasselbe mit stumpfer Rundung ausgelaufen, nunmehr endet es mit
einer zugespitzten, das eigentliche Wirbelgebiet überragenden Verlängerung, dem sog. Schwanzfaden. Unter dem Einflüsse des Nabelstranges ist letzterer häufig zur Seite oder nach vorn umgebogen.
Die drei Repräsentanten der eben behandelten Entwickelungsstufe, welche .auf S. 48 abgebildet sind, decken sich, wie man bemerken wird, nicht in allen Punkten, es fällt besonders auf, dass
bei X der Kopf relativ grösser ist als bei XXIX und besonders
als bei LXXIV. Wie ich vermuthe, rührt dies davon her, dass die
Zweiter Monat. Embryonen von 12—14 mm. 51
ibeiden im Jahre 1870 angefertigten Zeiclinungen, die ich von jenem
Präparat besitze, nach dem frischen Object gezeichnet worden sind,
während die anderen Präparate in Alkohol aufbewahrt waren, als
sie copirt wurden.
Embryo7ieji von 12 — Jf4 mm.
Auch aus dieser Zeit habe ich eine Anzahl von ausgezeichneten
Stücken, von denen ich wenigstens einige in Abbildung wiedergebe.
Wie man aus den Figuren ersieht, so bestehen die ferneren Veränderungen der allgemeinen Körperform in einer zunehmenden
Streckung des Piückens bei gleichzeitiger Hebung des Kopfes und
Senkung des Beckens. Dabei tritt nun unterhalb des ISTackenhöckers
in dem, übrigens convexen Kückenprofil eine concave Einziehung auf,
die ungefähr in der Höhe der äusseren Ohröflhung und oberhalb
der Abgangsstelle der oberen Extremität liegt; ich werde sie als
Nackengrube bezeichnen. Hinterkopf grübe kann man alsdann die Einsenkung nennen, welche sich über dem Eautengrubengebiet des Gehirns, wenigstens an Alkoholpräparaten, stets vorfindet.
Durch die Existenz der beiden Einsenkungen tritt der dazwischenliegende Nackenhöcker ausserordentlich scharf hervor, weit schärfer
denn vor- und denn nachher. Eine über den Hinterkopf weggehende
und eine der oberen Rückenhälfte folgende Linie begegnen sich am
Nackenhöcker unter einem Winkel von nicht viel mehr denn 90".
Die Beachtung dieser Gestaltungverhältnisse ist für das Verständniss der späteren Halsbildung wichtig, denn wie ich dies schon an
anderem Orte betont habe^), so wird erst durch diese Emportreibung
der Axengebilde der obere Theil der Wirbelsäule und des Rückenmarks über dasjenige Rumpfgebiet hinausgehoben, innerhalb dessen
die Höhlen liegen. Erst dadurch wird also die Möglichkeit geschaffen,
dass ein wirklicher Hals, d. h. ein höhlenfreier Körperabschnitt
entsteht.
Die Betrachtung des Kopfes der auf S. 52 und 53 mitgetheilten
Figuren besonders der Figuren 39, 40 und 41, zeigt noch eine Anzahl
1) Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abth. 1881. S. 319.
4*
52
Aufstellung von Entwickelungsnormen.
3XXT.
XLT.
Fig. 39-40.
bemerkenswerther Fortschritte. In erster Linie
fällt die schon äiisserlich erkennbare Zunahme
der Brückenkrümmiing
ins Auge. Immer tiefer
schneidet die den Eautengrubenrand bezeichnende winklige Linie in
den Hinterkopf ein, so
dass z. B. bei XLYI die
Yereinigungsstelle ihres
vorderen und hinteren
Saumes etwa 3 mm unterhalb der Hinterkopfgrube liegen. Offenbar
steht diese Steigerung der
Brückenkrümmung mit
der zunehmenden Emportreibung des Nackenhöckers in nahem causalem Zusammenhange.
Es beschreibt ja die Gehimaxe beim Eintritt in
den Hinterkopf und innerhalb des letzteren
eine Wellenhuie mit zwei
Wellenbergen und dazwischen liegendem Wellenthale. Die zwei Wellenberge sind der ISTackenhöcker und das Gebiet
vom Cerebellum bis zum
Mittelhim; das Wellenthal ist die Einsenkung
der Eautengrube bez. das
Gebiet der Brückenkrüni
Zweiter Monat. Embryonen von 12—14 mm.
53
mung. Wenn mm die
Wellenlinie zusammengeschoben wird, so
müssen sowohl die
Berge höher, als auch
das Thal tiefer werden.
Die vermehrte
Brückenkrümmung
muss, wie sich aus
dieser Ausführung ergieht, einhergehen mit
einer relativen Verkürzung des Hinterkopfes
und einem Tieferwerden desselben, es muss
mit anderen Worten
der Kopf eine gedrungenere Gestalt annehmen. Dies trifft auch
zu, wie sich am besten
an der veränderten
Stellung der Ohröffnung zeigen lässt. Bei
jüngeren Embryonen
von 4 — 8 mm schneidet die erste Schlundspalte bis auf etwa
zwei Fünftheile der
Hinterkopftiefe ein, ein
Verhältniss, das nachher bedeutend sich ändert. Bei Messung vom
vorderen Rande des
Unterkiefers aus erhalte ich folgende Abstände :
Fig. 41-42.
Embryonea XL VI und XXIV.
Hinterkopftiefe
Differenz
2.2 mm
1.35 mm
2.7 =^
1.65 ^
4.0 ^
2.60 ^
5.4 ^
3.80 ^
54 Aufstellung von Entwickelungsnormen.
Spaltengrund
I mid II (Mittel) 0.85 mm
XL . . . 1.05 ^
XXIX . . . 1.40 ^
LXYI . , . 1.60 .
Im letzten Ealle dieser Taloelle, mit dem auch die Fälle XLV
und XXXIV ziemlich genau übereinstimmen, beträgt der Abstand
des Spaltengrundes vom Unterkiefer nur noch ca. 30 Proc. von der gesammten Hinterkopftiefe, im ersten gegen 40. Noch auffälliger wird
die Sache, wenn man den Abstand des ersten Schlundspaltengrundes
vom IJnterkieferrand mit demjenigen von der Hinterkopf grübe vergleicht. Beim Embryo von 7 mm ist letzterer etwa doppelt, bei
dem von ca. 14 mm nahezu dreimal so gross als jener. Auch erkennt man leicht aus der sprungweisen Zunahme der Zahlen der
dritten Eubrik obiger Zusammenstellung, wie die starke Tiefenzunahme des Hinterkopfes erst mit der rascheren Steigerung der
Brückenkrümmung sich eingestellt hat.
Auch über die relative Verkürzung des Hinterkopfes giebt die
Lage der Gehöröffiiung den besten Aufschluss. Letztere ist bei
dem 13.8 mm langen Embryo XL VI nicht weiter vom Gebiet der
Nackengrube entfernt, als bei dem 11 mm langen Embryo XXIX,
obwohl die Gesammtkopf länge von 8.4 auf 10.6 mm, d. h, um 21 Proc.
gestiegen ist. Auch steht bei allen jüngeren Embryonen die Gehörspalte noch weit vor der Abgangsstelle der oberen Extremität, bei
den Embr3'onen von 13 — 14 mm ist sie ziemlich nahe an diese
herangerückt.
Ich stelle noch die Maasse der grössten Kopftiefe und der Kopflänge, so wie sie schon bei den früheren Stufen gegeben -wurden,
zusammen : Gr. sagittale Kopftiefe Kopflänge
XXXV 6.2 mm 9.2 mm
XLV 7.5 ^ 10.3 ^
XLVI 7.5 ^ 10.1 ^
XXW 7.6 ^ 9.7 ^
Mittel 7.2 mm 9.8 mm
Die grösste Kopftiefe beträgt, jetzt 73 Proc. der Kopflänge, bei
den Embrj^onen von 8 — 10 mm war die Verhältnisszahl noch 63 Proc.
gewesen, bei denen von 7 — 8 mm nur 57.7 Proc.
Zweiter Monat. Embryonen von 12 — 14 mm. 55
Indem das Yerhältniss der Kopflänge zur Kopftiefe mehr und
mehr zu Gunsten der letzteren sich geändert hat, hat der Kopf seine
gestreckte embryonale gegen die gerundete fötale Form umgetauscht. Gleichzeitig sind noch eine Anzahl anderweitiger Veränderungen eingetreten, die gemeinsam dazu beitragen, die Charaktere
der rein embryonalen Form allmählich zu verwischen. Dahin gehören das stärkere Hervortreten der Grosshirnhemisphären, die Vorgänge in der Umgebung des Auges und die bestimmtere Ausbildung
des äusseren Ohres.
Indem die Hemisphären stärker sich entwickeln, wird zunächst
die Stirn mehr und mehr hen^orgewölbt , wobei der Einschnitt an
der Nasenwurzel eine entsprechende Vertiefung erfährt ; femer wird,
wohl unter demselben Einfluss, die Umgebung des Auges etwas
eingekerbt und die obere Grenze des Conjunctivalgebietes als wulstige Bogenlinie abgegrenzt. Die untere Grenze desselben Gebietes
wird durch den Eand des Oberkieferfortsatzes bestimmt, der schon
von früh ab das Auge in einem ausgedehnten Bogen umgriffen
hatte. Noch ist bei Embryonen von 14 mm der Oberkieferfortsatz
mit dem seitlichen Nasenfortsatz nicht verwachsen, eine schmale
Einne verläuft zwischen beiden Bildungen, und eine vor dem Auge
befindliche dreieckige, trichterförmig vertiefte Grube bildet den oberen Zugang derselben.
Im Beginn unserer Periode ist der zweite Schlundbogen noch
deutlich ausgeprägt, die zweite Furche dagegen nicht mehr sichtbar.
Der Bogen zerfällt in drei durch Einkerbungen getrennte Höcker,
am Unterkiefer sind deren zwei, die CoUicuh branchiales ant. und
post. I von MoLDENHAUER vorhandon. Ein intermediärer Höcker
liegt über dem oberen quergeschützten Ende der einzig noch vorhandenen ersten Spalte. Letztere ist somit von 6 rundlich vorspringenden Höckern umgeben und läuft dem entsprechend in fünf
zugespitzte Buchten aus. Einige Schwierigkeit ergiebt sich hinsichtlich
der zweckmässigsten Bezeichnungsweise der einzelnen Höcker. MolDENHAUEßi), der diese Verhältnisse am Hühnchen verfolgte, und der
hier am ersten wie am zweiten Schlundbogen zwei Höcker unterschieden hat, legt seiner Bezeichnungsweise die horizontale Stellung der
1) Morphol. Jahrb. III. S. 118.
56 Aufstellung von Entwickelungsnormen.
Schlundbogen zu Grunde ; er unterscheidet also an jedem der beiden
Bogen je einen vorderen und einen hinteren Höcker. Das hat zunächst
die Unbequemlichkeit, dass es mit der zur Zeit vorhandenen Stellung
der Spalten und Bogen nicht stimmt. Man müsste bei unseren Embryonen von 12 — 14 mm den Kopf um 90** drehen, um die Bezeichnungsweise passend zu machen, denn die Spalte verläuft zur Zeit von
oben nach abwärts und zugleich etwas von vorn nach hinten, so dass
Moldenhauer's hinterer Höcker sogar vor seinem vorderen liegt. Es
entspricht dies der von Anfang ab schräg zur Längsaxe des Kopfes
verlaufenden Richtung der oberen Bogen und Spalten. Wenn nun
aber der Kopf auch völlig aufgerichtet ist, so steht immer noch die
Ohröffnung so, dass das eine Ende nach oben, das andere nach unten
sieht, nur ist jetzt eine Schrägstellung von hinten nach vom vorhanden. Unter diesen Umständen scheint es , wenigstens für die
Besprechung des Ohres, zweckmässiger, die Bezeichnungsweisen so zu
wählen, dass man den Grund der Spalte oben, das freie Ende unten,
den ersten Schlundbogen vorn, den zweiten hinten nennt. Alsdann
sind zu unterscheiden zwei vordere, ein oberer und drei hintere
Höcker bez. eine vordere, zwei obere und zwei hintere Buchten.
Der untere Abschnitt des Unterkieferfortsatzes, der von Anfang ab
viel breiter gewesen war als das Wurzelstück, trennt sich durch
eine Rinne in einen vorderen und hinteren Streifen, jenen können
wir als Lippen-, diesen als Kinnwulst bezeichnen. Letzterer
bildet anfangs die vordere Grenze des unteren Spaltenrandes, dann
aber breitet sich sein hinteres Ende lappenartig nach aufwärts und
rückwärts aus und deckt die Spalte und den untersten Höcker des
zweiten Schlundbogens zu. Zu Ende der hier behandelten Periode
ist von der Spalte nur noch das obere Ende äusserlich sichtbar, und
an dessen Umgrenzung nehmen nun fünf Höcker Theil, ein oberer
(der intermediäre), ein vorderer (der erste obere), ein unterer (der
Decklappen des ersteh unteren) und zwei hintere (der mittlere und
der obere zweite). Der unterste Höcker des zweiten Bogens ist jetzt
versteckt, gleich dem vor ihm liegenden Spaltenabschnitt. Zur völligen
Verwachsung kommt es erst während der nächstfolgenden Entwickelungsstufe.
Die Umbildung des Rumpfes, soweit sie sich auf die veränderte
Krümmung bezieht, ist oben bereits besprochen worden, noch ist
Zweiter Monat. Entwickelungsstufen von 14 — 16 mm. 57
die Urwirbelgiiederung äiisserlich erkennbar und auch die Wolffsche
Leiste hebt sich durchweg deuthch ab. An den Extremitäten sind
die drei Abtheilungen bestimmt aus einander getreten, und im
Winkel von einander abgebogen. Ellbogen und Knie sind lateralwärts gekehrt. An der Hand beginnen die Einger als kurze dicke
Stümpfe über den Randsaum hervorzuwachsen. Die Gliederung der
Zehen, Anfangs noch nicht angedeutet, beginnt erst gegen das Ende
der Stufe sich einzuleiten. Die Fussanlage gliedert sich nicht
allein später als die Hand, sie ist auch kleiner als diese.
Die Auftreibung des Bauches durch die Leber hat noch mehr
zugenommen. Unterhalb des Nabelstranges und oberhalb des frei
nach vom ragenden Steissendes breiten sich als ein dreieckig umgrenztes Faltensystem die Anlagen der äusseren Geschlechtsorgane
aus, über die bei späterem Anlasse berichtet werden soll. Der Schwanzfaden ist auf dem Höhepunkt seiner Entwickelung, in der Regel nach
vom oder zur Seite umgebogen.
Entwickelungsstiifen von 14 — 16 mm.
Wie schon am Eingang des Abschnittes erwähnt wurde, so vollzieht sich während der nun zu behandelnden Entwickelungsstufe
der definitive Uebergang des Embryo zum Eötus. Ziemlich rasch
erhebt sich der Kopf, so dass der Nackenhöcker mehr und mehr
vom Mittelhirn überragt wird. Allein noch weit über unsere Stufe
hinaus bleibt der Nackenhöcker leicht erkennbar, als convexer,
zwischen zwei concaven Einziehungen, der Nackengrube und der
Hinterkopf grübe hervortretender Vorsprung. Eine der Nackengrabe entsprechende, obwohl weit schwächere Einziehung zeigt das
Rückenprofil in seiner unteren Hälfte, ungefähr in der Höhe des
Abganges des Nabelstranges. Diese Einziehung war schon bei Embryonen der vorangegangenen Stufe sichtbar gewesen und wir können
sie als Lenden grübe bezeichnen, Ihr Vorkommen scheint nicht
constant zu sein.
Am Kopf sowohl, als am Rumpf verwischen sich in zunehmendem Maasse jene zahlreichen Modellirungen , welche bei jüngeren Embryonen das Detail der unterliegenden Organe hatten durch
58
Aufstellung von Entwickelungsnormen.
schimmem lassen. Statt dessen werden die äusseren Formen mehr
gleichmässig gerundet, eine Veränderung, an deren Zustandekommen
einestheils die Ausbildung eines selbstständigen Skelettes, anderentheils die reichlichere Entwickelung subcutanen Bindegewebes Antheil nimmt.
Die Verwachsung des Oberkieferfortsatzes mit dem Seitenabschnitt der Nase, sowie
diejenige der beiden
colliculi branchiales inferiores 1 und 2 vollziehen sich definitiv,
und damit schwinden
die letzten vorübergehenden Rinnen und
Spalten der Kopfoberfläche. Das Conjunctivalgebiet des Auges
ist jetzt von zwei sich
schneidenden Bogenlinien eingefasst, um
welche herum, als erste
Andeutung von Augenlidern die Haut sich
etwas emporwulstet.
An der Mundspalte treten die Lippen, an der
Ohröffnung die Ohrmuschel selbstständiger
hervor, letztere Anfangs
noch etwas plump in
ihrer Form.
Die Extremitäten nehmen in ihren verschiedenen Abschnitten an
Länge zu, am raschesten Ober- und Vorderarm sowie Ober- und
Unterschenkel, letzterer setzt sich vom Fussrücken durch eine einspringende Furche ab und am Fuss beginnt die deutliche Ausprägung der Zehen.
Fig. 43.
Embryo SXXV (partielle Herzectopie).
Zweiter Monat. Entwickelungsstufen von 16 mm ab bis Ende des Monats. 59
Entwickelungsstufen von 16 mm ab bis zum Ende des
zweiten Monats.
Die Streckimg des Rückens vollzieht sich soweit, dass ein vom
Scheitel gefällte längste Gerade schliesslich den Körper ganz nahe
hinter dem Steisshöcker
trifft. Letzterer tritt
immer noch in scharfer
Abgrenzung, wenn auch
nicht mehr in scharfer
Zuspitzung unterhalb
des äusseren Geschlechts - und Aftergebietes nach vorn hervor. Nachdem Gehirn
und Leber einen längeren Wettstreit hinsichtlich der bedeutenderen
Grössenzunahmen geführt hatten, bleibt
schliesslich das Gehirn
definitiv Meister, und
am Schluss der Periode
ist wie Figur 46 zeigt
der Kopf grösser denn
der Rumpf. Von einem
eigenthchen Hals, wenigstens von einer vorderen Halswand, kann
man selbst jetzt, da
der Kopf beinah vertikal in die Höhe steht,
kaum reden. Noch bleibt zwischen Kinn und Brust ein nur schmaler
Substanzstreifen übrig, der nach seiner genetischen Bedeutung noch
mit zum Kopf zu rechnen ist, da er dem Gebiete des zweiten
Schlundbogens angehört.
Um die Augen herum entwickeln sich die ersten Anlagen der
Fig. 44.
Embryo XCIX.
60
Aufstellung von Entwickelungsnormen.
Lider als noch niedrige Falten. Die Ohrmuschel bekommt eine
präcisere Gestalt, indem ihr hinterer Rand vom Kopf schärfer sich
abhebt und indem ferner die Hauptgebilde ihre definitiven Beziehungen zu einander annehmen. Bei LXXVII sind bereits Helix
und Anthelix, sowie Tragus und Antitragus bestimmt gezeichnet,
Fig. 45.
Nr. XLI.
und zwar ist aus dem Colli culus anterior, dem früheren Wurzelstück des ersten Bogens die Spina helicis, aus dem CoUiculus
inferior oder dem Decklappen des früher (S. 56) unterschiedenen Kinnwulstes der TraQ'us hervor. Die Incisura intertra
Zweiter Monat. Entwickelungsstufen von 16 nun ab bis Ende des Monats. 61
Fig. 46.
Nr. LXXVn.
gica erscheint als der letzte Rest der früiieren unteren Spaltenstrecke; aus dem mittleren CoUiculus des zweiten Bogens wird der
62 Aufstellung von Entwickelungsnormen.
Antitragiis 1), aus dem CoUiculus intermeclms das Bogenstück des
Helix. Der Wurzelhöcker des zweiten Bogens bildet, indem er sich
unter dem CoUiculus intermedius vorschiebt und so einen Theil der
Gehörspalte abschliesst, den Anthelix. Diese Umbildung der
ersten Schlundspalte wird vielleicht noch übersichtlicher, wenn wir
die einzelnen Höcker anstatt mit Namen mit Ziffern versehen. Die
beiden römischen Ziffern bedeuten die Ordnungsnummern der Schlundbogen, 1 und 2 die beiden Abtheilungen des ersten, 4 — 6 die drei
des zweiten Bogens und 3 den CoUiculus intermedius. Das Anfangsverhältniss ist nachstehendes:
3
I 5 n
ll ^1
6
Indem alsdann 6 durch 1 zugedeckt wird, ergiebt sich das Lage
rungsverhältniss :
3
4
2
5
1
1 wird zum Tragus, 5 zum Antitragus, 2 zur Spina helicis, 3 zum
Rest des Hehx und 4 zum Anthelix.
Die Extremitäten treten beide nach vorn hervor und überragen zu Ende unsere Periode den Rumpf um ein gutes Stück. Die
Knickung des Ellbogens ist nach abwärts, die des Knies nach aufwärts gerichtet. Im Uebrigen ist auch die feinere Grliederung der
Extremitäten erheblich fortgeschritten. Am Oberarm gränzt sich das
Deltoidesgebiet deutlich durch seine grössere Mächtigkeit vom unteren Humerusgebiet ab. Der Vorderarm ist etwas spindelförmig
aufgetrieben, durch eine tiefe Einschnürung von der Hand abgesetzt.
Letztere hat in ihrem hinteren Abschnitte die Gestalt eines rund
1) MoLDENHAUEK, obwohl er seine Untersuchungen über die Bildung des
äusseren Ohres nicht bis auf Säugethierembryonen ausgedehnt hat, hat doch
schon die Vermuthung formulirt, dass bei diesen der Tragus aus dem ersten,
der Antitragus aus dem zweiten Schlundbogen sich entwickele.
Eück blick auf einige Grundvorgänge der äusseren Formentwickelung. 63
liehen Kissens, aus dessen Rand die Fingerchen als kurze Cylinder
hervortreten. Der Daumen, nach aufwärts gekehrt, ist durch einen
hreiten Abstand von dem bereits nach vorn stehenden Zeigefinger
getrennt.
Die beiden unteren Extremitäten sind so gestellt, dass die Füsschen sich ihrer Sohlenfläche zukehren. Auf der Grenze von Unterschenkel und Fuss markiren sich die beiden Knöchel, besonders der
äussere als leichte Vorsprünge, auch die Ferse zeichnet sich scharf.
Der Fächer, in welchem die Zehen sich ausbreiten, umfasst einen
weit geringeren Bogen, als derjenige der Finger. Die grosse Zehe,
wie der Daumen zu oberst stehend, kehrt ihr freies Ende nach vom
und ihre Wurzel, obwohl etwas weiter hinten ansitzend, als die der
zweiten Zehe, berührt letztere doch noch unmittelbar.
Zum Schluss mag noch darauf hingewiesen werden, dass die
Oberschenkel noch nicht hinreichend mächtig sind, um die Dammgegend völlig zu verdecken ; auch wenn sie völlig gestreckt werden,
bleibt der untere Theil d.er Sexualfalten nebst dem Steisshöcker von
ihnen unbedeckt. Infolge der Biegung des Knies lässt die Profilansicht von Fig. 46 nicht nur die letzteren, sondern auch das ziemlich entwickelte und an seiner Spitze ziu* Eichel angeschwollene
Sexualglied frei.
Rückblick auf einige Orundvorgänge der äusseren
Formentwickelung.
Der Entwickelungsgang des Embryo von den ersten Anfängen
ab bis zu jener Ausbildung, da das Gepräge der Art leicht erkennbar ist, setzt sich aus einer Reihe von Vorgängen zusammen, von
welchen die einen mehr genereller, andere mehr spezifischer Natur
sind und es scheint angemessen, die wichtigsten derselben noch einmal im Zusammenhange durchzugehen.
Zu den fundamentalsten Vorgängen gehört die Ausbildung jener
Quer- und Längsfalten des Keimes, welche in ihrer weiteren Ausbildung die Abgrenzung von Kopf und von Rumpf, von Stamm
64: Aufstellung von Entwickelungsnormen.
und von Parietalzone bedingen. Mit der Umlegung der vordersten dem
Embryonalgebiet angebörigen Querfalte (der vordem Keimfalte, nacb
meiner älteren Terminologie)') leitet sieb die Gliederung des
Kopfes in Vorder- und Hinterkopf ein. Von diesen beiden Abtbeilungen tritt die erstere frei bervor und ist als eine Art ausgestülpten Blindsackes aucb an ibrer faciale-n Fläcbe von Anfang ab geschlossen. Der Hinterkopf dagegen liegt zuerst als flacb ausgebreitete
Platte dem Dotter auf und participirt später, nacb Erbebung der seitlicben Keimfalten, gleich der Rumpfanlage an der Umgrenzung des
Leibesnabels ; wie der Kumpf bedarf er daber zum ventralen Scbluss
einer successiven Verwachsung seiner beiden Seitenbälften. Die
jüngstbekannten menschlichen Embryonen, wie sie auf der zweituntersten Zeile von Seite 32 zusammengestellt sind, zeigen bereits
den frei hervortretenden Vorderkopf, und von der dritten Zeile ab
macht sich an letzterem auch die scharfe Trennung von Stirntheil
und von Gesichtstbeil geltend. Die dem Hinterkopf angehörige
Herzanlage ist schon bei den jüngstbekannten menschlichen Embryonen sichtbar, während die in seiner Seitenwand auftretenden
Schlundfurchen erst von der nächstfolgenden Stufe (Lg und L 1) ab,
erkennbar sind.
Von nicht minder genereller Bedeutung als die Gliederung des
Kopfes, erscheint das Auftreten longitudinaler Körperzonen,
der Stamm- und der Parietalzone, von denen erstere das Gebiet
des Medullarrobres und der Urwirbel umfasst. Auch diese Scheidung ist auf der Stufe der Embryonen L 1 und Lg bereits eine
sehr prägnante und sie erhält sich, äusserlich erkennbar, bis in die
Periode hinein, da durch die zunehmende Entwickelung des Skelettes
und des subcutanen Gewebes das Oberflächrehef des Körpers sich
vereinfacht und einer mehr gleichmässigen Rundung der Formen
Platz macht.
Im Parietaltheile des Rumpfes sowohl, als in demjenigen des
Hinterkopfes macht sich von früh ab eine weitere Gliederung geltend,
in einen an den Stammtheil grenzenden und einen dem Amnion bez.
dem ISTabelgebiet zugewendeten Streifen. Ersterer tritt von Anfang an
als convexe Leiste über die Oberfläche empor und ich habe ihn
1) Briefe über die Körperform S. 20.
Rückblick auf einige Grundvorgänge der äusseren Formentwickelung. 65
seiner Zeit als AVolff sehe Leiste bezeichnet, man kann ihn nach
seiner Hauptleistung allenfalls auch Extremitätenleiste nennen. Der
zweite, Anfangs lateralwärts, späterhin aber medialwärts und vor der
"WolfiTschen Leiste liegende dünnere Streifen, entspricht grösstentheils Eathke's Membrana reuniens inferior, und ich habe daher vorgeschlagen, ihn den Eathke' sehen Streifen zu nennen. i) Die
WolfTsche Leiste deckt am Rumpfe nur den hintersten Abschnitt
der umschlossenen Höhle bez. das Gebiet der Umieren, wogegen der
Eathke' sehe Streifen die dünne Wand liefert, welche das Herz und
die Leber nebst einem Theil der Darmanlage umhüllt. Die obere
Tortsetzung der Wolffschen Leiste bildet am Hinterkopf den Streifen
seiner Seitenwand, der durchfurcht und in die einzelnen Schlundbogen gegliedert ist; am Vorderkopf gehören ihm noch die Oberkieferfortsätze an, und vielleicht darf man ihm selbst die Stimfortsätze noch zutheilen. Der Eathke'sche Streifen reicht nur bis zum
Eande des Vorderkopfes, d. h. bis zum Unterkieferfortsatze, welch
letzterer vom Anfang ,ab die obere Grenzlinie des Leibesnabels
bildete. Später aber löst sich der dem Hinterkopf angehörige Theil
des Eathke'schen Streifens von den Schlundbogen ab und verbleibt
mitsammt dem Herzen bei der vorderen Brustwand. Li schräger
Eichtung verläuft nach erfolgter Zusammenkrümmung des Körpers
die WolflTsche Leiste von der oberen Extremität zum untersten
Schlundbogen und bezeichnet nunmehr als Clavicularlinie die Demarkationsgrenze der beiden morphologisch ungleichwerthigen Gebiete.
Von sehr allgemeiner Bedeutung sind ferner die Verhältnisse
der Axenkrümmung. Wie alle Embryonen cranioter Wirbelthiere, so zeigt auch der menschliche schon im Zeitpunkt frühester
Bildung eine mehrfache Krümmung der Längsaxe, Hebung des Kopfes,
Einsenkung der oberen und Hebung der unteren Rumpfstrecke.
Auf diese primäre Krümmung folgt beim Menschen, wie bei allen
höheren Wirbelthieren jene secundäre, infolge deren sich der Eücken
des Embryo nach Art einer Spange zusammenkrümmt, der Kopf sich
senkt und der Beckentheil sich hebt; damit combinirt sich eine
Torsion des Körpers, welche, obwohl niemals ganz fehlend, doch in
1) Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abth. 1S81. S. 317.
His, Menselil. Embryonen. II.
66 Aufstellung von Entwickelungsnormen.
sehr verschiedenen Gradationen aufzutreten pflegt. Beim menschlichen Embryo äussert sich diese Torsion darin, dass nach erfolgter
Zusammenkrümmung des Körpers der Kopf nach rechts, das Steissende nach links abweicht.
Es erreicht beim menschüchen Embryo die Zusammenkrümmung des Körpers sehr rasch ihr Maximum und zwar beginnt dieselbe mit Hebung des Beckentheiles, auf welche dann erst die Senkung des Kopfes folgt. Bei der später eintretenden Wiederöffnung
der Körperspange rückt der Ort der unteren Umbiegungsstelle mehr
und mehr vom mittleren zum unteren Wirbelgebiet herab. Bei
Embryo « ist der tiefste Punkt (bez. der Punkt durch den sich
die Nackenhnie legen lässt) noch im Bereich der mittleren Dorsalsegmente, bei A und bei B fällt er bereits in den unteren Bauchtheil und bei den nachfolgenden Stufen rückt er in den Sakraltheil,
schhesslich fällt der Eusspunkt der Nackenlinie bei Figur 46 so
tief, dass wohl überhaupt nur noch das Steissbein von ihm getroffen wird. Auf diese Weise rücken das, untere Darmende (bez.
die Cloake) und die schon sehr fi'ühzeitig angelegten Sexualfalten
aus ihrer ursprünglichen Stellung in die definitive ein. Bei den
Embryonen or, E, A und B liegt noch eine nicht unbeträchthche
Strecke des Darmes im aufsteigenden Beckenschenkel; die äussere
Cloakenbucht ist dabei dorsalwärts gekehrt. Dann erfährt letztere
zugleich mit ihrer Umgebung eine allmähliche Drehung von nahezu
180 und wird schliesslich von dem unmittelbar an den Nabelstrang anstossenden Sexualghed überragt.
Noch viel tiefergreifend sind die bleibenden Eolgen der Stellungsänderungen des Kopfes. Nach Wiederaufrichtung des letzteren
äussern sie sich, wie ich dies schon im ersten Theil ausgeführt
habe, darin, dass das Herz, das ursprünglich als ein Organ des
Hinterkopfes angelegt worden war, von diesem, mitsammt der Wand
der umschliessenden Höhle (der Parietalhöhle i an die Brust abgegeben
worden ist. Wie auch die Bildung eines selbstständigen Halses mit
diesem Vorgang der Vornüberkrümmung und Wiederaufrichtung des
Kopfes zusammenhängt, habe ich gleichfalls schon an anderer Stelle
ausgeführt, und ich werde im nächsten Theil wieder Gelegenheit
haben, darauf zurückzukommen.
Als einer der allgemeinsten Vorgänge bei jeglicher Körperent
Kückblick auf einige Grundvorgänge der äusseren Formentwickelung. 67
Wickelung ergiebt sich das Wachsthiim und wir sind längst gewöhnt in letzterem das bestimmende Motiv der Entwickelung überhaupt zu suchen. Das Beispiel der Embryobildung bei Knochenfischen ^) zeigt, dass die ersten Gestaltungsvorgänge nicht absolut an
ein wirkliches Massenwachsthum geknüpft sind, sondern dass bei
jenen ein von der Massenzunahme unabhängiges Flächenwachsthum
d. h. eine gesetzmässig vor sich gehende Aenderung in der Substanzvertheilung in erster Linie maassgebend ist. Bei höheren Wirbelthieren compliciren sich von Anfang ab Substanzverschiebung und
Substanzzunahme, und soviel ergiebt sich jedenfalls mit Sicherheit,
dass die besondere Vertheilung der Massen- und Flächenwachsthümer
nach Ort und nach Zeit einem jeden einzelnen Entwickelungsprocess
das specifische und weiterhin sogar das individuelle Gepräge giebt,
da durch sie nicht allein die erste Gliederung, sondern auch alle
nachfolgende Gestaltung bestimmt wird.
Es kann hier nicht die Aufgabe sein, in eine subtilere Untersuchung über die besonderen Wachsthumsverhältnisse des menschr
liehen Embryo einzutreten. Büerzu müssen erst die bezüglichen
Untersuchungsmethoden geschaffen werden und jedenfalls sind zuvor
noch andere, dringendere und zur Behandlung reifere Aufgaben zu
erfüllen. Immerhin scheint es mir angemessen, der messenden Betrachtung einige jener Verhältnisse zu unterwerfen, welche einfachen
Hülfsmitteln zugänglich sind und welche dabei doch die Physiognomie des menschlichen Embryo wesentlich mit bestimmen. Dahin
gehört vor allem die Vertheilung der Flächen im Profilbilde. Ob der Kopf oder der Unterleib gross ist, das giebt dem
Profil natürlich ein völlig anderes Gepräge und leicht lässt sich
ja quantitativ bestimmen, welches der Antheil des einen und des
anderen Elementes ist.
Ich habe für einige meiner Embryonen mit Hülfe des Amslerschen Polarplanimeters Ausmessungen der Profilflächen vorgenommen
und stelle sie in nachfolgender Tabelle m zusammen. Die Ausmessung geschah meistens an den 10 oder 20 fach, bei den grösseren Embryonen auch an 5 fach, bei den kleinsten an 40 fach vergrösserten Zeichnungen; die Zahlenwerthe , in qmm, beziehen
1) Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abth. 1878. S. 209.
G8
Aufstellung von Entwickelungsnormen.
Tabelle III. lieber die Grösse der Profilflächen.
Gesammtprofil
In qmm
Kopf
Rumpf
In Proc.
Kopf Rumpf
I.XVIII
IV
LXV
LXVII
III
LVII
I
II
LXXIII
XVII
X
LXXIV
XXIX
XXXV
XLV
XXXIV
XL VI
XXI
XXXVI
XCIX
XLI
LXXVII
Lg) • •
M) . .
BB). .
Lr) . .
«). . .
R) . .
B) . .
A) . .
Hn). .
9-) . .
Mch) .
Kg 1)
Br 1).
S 1) .
Br 2).
Dr 1)
Seh 2)
7t}. . .
S 2) .
Fr) . .
Wt) .
(1.62)
2.4
2.4.5
4.9
12.2
15.2
27.4
29.4
29.8
37.3
62.0
69.7
71.5
79.8
103.3
105.0
105.7
113.5
118.0
144.8
178.0
258.0
(0.6)
0.95
1.0
2.1
4.0
4.7
9.4
9.0
10.8
14.2
30.4
29.2
30.0
40.0
53.5
51.0
54.7
57.5
55.5
62.8
80.0
146.0
(1.02)
1.45
1.45
2.8
8.2
10.5
18.0
20.4
19.0
23.1
31.6
40.5
41.5
39.8
49.8
54.0
51.0
56.0
62.5
82.0
98.0
112.0
(38.2)
42.1
44.1
42.9
32.3
30.7
34,3
30.6
36.2
38.1
49.0
41.9
42.0
50.1
51.8
48.6
51.8
50.7
47.0
43.4
44.9
56.6
(61.8)
57.9
55.9
57.1
67.7
69.3
65.7
69.4
63.8
61.9
51.0
58.1
58.0
49.9
48.2
51.4
48.2
49.3
53.0
56.6
55.1
43.4
Kückblick auf einige Grundvorgänge der äusseren Formentwickelung. 69
sich auf das unvergrösserte Profil. Es wurden zunächst Kopf und
Eumpf ausgemessen, wobei die Grenze zwischen beiden durch eine
vom Halswinkel aus zur Mitte des ISTackenhöckers geführte Linie
gezogen worden ist. Die den Rumpf überragenden Abschnitte der
Extremitäten sind in Tabelle in nicht mitgemessen und ebensowenig der ISTabelstrang, dessen Anfang sich ja ziemüch scharf abzugrenzen pflegt. Bei den vier jüngsten Embryonen ist der Gleichmässigkeit halber das Herz anstatt zum Kopf gleichfalls zum Rumpf
gerechnet und ausserdem dem letzteren das durch eine Abschnürung
markirte Wurzelstück der Nabelblase zugetheilt worden. An und für
sich sind diese Messungen bei sehr jungen Formen wegen der unscharfen Grenzen nicht sehr genau ausführbar.
Sehen wir zunächst ab von den vier obersten, durch einen
Strich abgegrenzten Zahlenreihen, so zeigen die absoluten Werthe
des Gesammtprofils von dem nur 4 mm langen Embryo a zu
dem 22 mm langen Wt eine Zunahme von 12.2 auf 258 d. h. ungefähr um das 21 fache, dabei hat der Kopf von 4 auf 146 d. h. um
das 36V2fache, der Rumpf aber von 8.2 auf 112, um nur das 13"-/3fache
zugenommen. Kopf- und Rumpfvergrösserung sind also in der angegebenen Periode in sehr ungleicher Weise fortgeschritten. Während der Kopf bei a nicht einmal ein Drittheil des Profils ausmacht, bei R sogar nur 30.7 Proc, ist er bei Wt dahin gelangt
den Rumpf um mehr denn 7 Proc. des Gesammtprofils zu überholen.
Wie er aber diesen Vorrang nicht durch die ganze nachfolgende
Entwickelungszeit hindurch zu behaupten vermag, so ist er auch
nicht unbestritten auf jenen Gipfelpunkt hingelangt. Die Colonne der
procentischen Ziffern zeigt, dass zwischen der Grössenentwickelung
von Kopf und von Rumpf eine Art von Wettlauf statt findet, indem
abwechselnd der eine Theil den anderen überholt. Schon auf dem
Wege von den jungen Stufen (M, BB, Lr) an, bis zu den Stufen a und
R hin, hatte der Rumpf einen bedeutenden Vorsprung gewonnen; denn,
trotz der Hinzurechnung des Herzens und eines Stücks der Nabelblase zum Rumpf, behauptet der Kopf bei den Embryonen M, BB
und Lr immer noch einen Antheil von 42 — 44 Proc. *), von dem er
1) Kechnet man das Herz anstatt zum Rumpf zum Kopf, dem es ja in
der That während dieser früheren Periode ausschliesslich angehört, so be
70
Aufstellung von Entwickelungsnormen.
beim UeTbergang zu « und zu R um 10 — 12 Proc. herunter fällt.
Er befindet sich nun auf dem Minimum seiner relativen Entwickelung, von dem er sich erst langsam und dann rascher wieder erhebt; bei den 8 und 8V2 mm langen Embryonen Hn und ^ beträgt
sein Antheil wieder 36 und 38 Proc, bei den 11 und 11.5 mm
langen schon 42 Proc. und bei dem 12.5 mm langen Si ist das
(ärleichge wicht zwischen Kopf und Rumpf eingetreten, i) Eine Zeitlang balanciren sich beide Werthe, wobei das Uebergewicht eher
noch auf Seiten des Kopfes fällt, dann aber tritt nochmals ein nicht
unbeträchtliches Steigen des Rumpfwerthes ein, so dass der Kopf
wieder auf 43.4 und 44.9 Proc. heruntergedrückt wird und nun erst
folgt für letzteren nach neuer Wachsthumssteigerung die Erreichung
des Maximum, mit welchem unsere Tabelle abschliesst.
Prüft man die Eormverhältnisse des Profils, während der verschiedenen Etappen des obigen Entwickelungsganges etwas genauer,
so überzeugt man sich, dass die Zunahme der Stammgebilde des
Rumpfes in ziemlich gleichmässiger Weise vor sich geht; dasselbe
gilt auch füi- das Schlundbogengebiet, sowie für das Herz. Dagegen
schreiten, einestheils das Gehirn, anderentheils die Leber ungleichmassig vor und an ihrem wechselnden Gang liegt es, dass bald der
Kopf, bald der Rumpf mehr das Uebergewicht erlangt. Die Periode,
da der Kopf sein Minimum zeigt, fällt mit der Zeit der ersten
Leberentwickelung zusammen, dann folgt mit der Entwickelung der
kommt letzterer das quantitative Uebergewicht, wie untenstehende kleine Tabelle zeigt.
qmm
Proc.
Kopf
Rumpf
Kopf
Eumpf
(Lg)
(0.91)
(0.71)
(56.6)
(43.4)
(M)
1.30
1.10
54.2
45.8
(BB)
1.35
1.10
52.9
47.1
(Lr)
2.70
2.20
55.1
44.9
1
1) Auf die dazwischen liegenden, etwas abweichenden Verhältnisse des
Embryo Mch ist schon oben hingewiesen worden. Es handelt sich um eine
meiner ältesten Zeichnungen, aber ich habe keinen Grund, an ihrer Genauigkeit zu zweifeln.
Kückblick auf einige Grundvorgänge der äusseren Formentwickelung. 71
Himhemisphären die stetige Steigung des Kopfprofils bis zur Erreichung des Gleichgewichts ; nun aber kommt eine Periode, wo die
Leber wieder mächtig sich ausdehnt, wie die runden Bäuche der
Figuren 44 und 45 deutlich genug zeigen, allein zum zweitenmal
gewinnt das Gehirn die Oberhand und führt nun zu einer mächtigen
Auftreibung des Kopfes.
Die Extremitäten sind bei obiger Tabelle nicht mit hereingezogen worden; es verlohnt sich indessen, ihr Verhalten noch kurz
zu betrachten und ich theile zu dem Zwecke ein paar Profilmessungen mit. Es bedarf keines besonderen Hinweises darauf, dass bei
der unvermeidlichen Verkürzung, in welcher jeweilen bestimmte
Abschnitte sich darstellen, die Zahlen auch hier nur zur Beurtheilung der physiognomischen Verhältnisse, nicht des wirkhchen Extremitätenwachsthums dienen können. Der Flächeninhalt an den Profilbildern beträgt in D mm bei :
Obere
Extremität
Untere
Extremität
Zusammen
in Proc. des
Gesammtprofils
n (A) 1.0
1.2
7.5
LXXB^ (Rg) 4.2
4.1
11.9
XXXV (S 1) 5.8
5.0
13.5
XL VI (Seh 2) 7.0
6.8
13.2
xcn: 11.2
10.4
15.0
LXXVn (Wt) 25.2
20.8
17.7
Die paar Zahlen illustriren die im Vergleich zum übrigen Körper
rasche Vergrösserung der Extremitäten überhaupt, sowie das unzweifelhafte Uebergewicht der oberen über die untere Extremität.
Zur Frage der Altersbestimmung und des
Befruchtungstermins.
Bei Beurtlieilung der hier in BetracM kommenden Fragen ist
es nöthig, von bestimmten leitenden Gesichtspunkten auszugehen,
falls man sich nicht völlig ins Unbestimmte verlieren mW. Meine,
schon im ersten Theil dieser Schrift (S. 166) auseinander gesetzten
leitenden Gesichtspunkte sind nun folgende:
1. Den Beginn der Entwickelmig setzen wir in den Zeitjninkt
der Imprägnation, d. h. in den Moment, da Samenelemente in das
Ei eindringen und es befruchten.
2. Der Aiistintt der Eier aus dem Ovarium ist durch die
menstruale Periode bestimmt, indess fällt das Platzen des Follikels
nicht nothwendig mit dem Beginn der Blutung zusammen, es kann
letzterem um 2 — 3 Tage vorausgehen, oder auch erst im Verlaufe
der Blutung geschehen.
3. Das Ei ist nicht in jeder beliebigen Strecke seiner Bahn
vom Eierstocke zum Utemis hin befruchtungsfähig, sondern nur in
deren Beginn, kurz nach seinem Eintritte in den Eileiter.
4. Der in die weibliche?! Sexualorgaiie eingeführte Samen muss
das Ei im oberen Theil des Eileiters erwarten und er kann hier,
ehe dasselbe eintrifft, einige Tage, vielleicht selbst Wochen lang
lebenskräftig ve7'weile7i; der Zeitpunkt der Cohabitation steht daher
in keiner directen Beziehung zum Alter der Frucht.
In fasse diese Sätze nicht etwa als unangreifbare Dogmen auf,
wohl aber als solche, die mit unseren Erfahrungen vom Wesen der
Zur Frage der Altersbestimmung und des Befruchtungstermins. 73
Zeugung am besten in Uebereinstimmung zu bringen sind.') Nach
meinem Dafürhalten muss man zunächst versuchen, ob es gelingt,
unter Beiseitelassung der Cohabitationsvariabeln das Alter der Embryonen und die Menstruationszeit in gesetzmässigen Zusammenhang zu bringen. Geht dies nicht, dann mag es wieder an der Zeit
sein, den Zeitpunkt der Cohabitation mit in Rechnung zu ziehen.
Im ersten Theil dieser Schrift habe ich mich im Sinne von
Eeicheet dafür ausgesprochen, dass als Ausgangspunkt der embryonalen Altersberechnung der Termin der ersten ausgebüebenen
Periode zu nehmen sei, wobei ich indessen schon darauf hinwies,
dass nicht alle Beobachtungen dieser Regel sich fügen. Nun können
wir während der ersten zwei Monate das Alter eines Embryo zwar
nicht auf Tage, aber doch auf Wochen genau schätzen, jedenfalls
werden wir nicht in Gefahr kommen, einen siebenwöchentlichen
Embryo für dreiwöchentlich oder einen sechswöchentlichen Embryo
für vierzehntägig zu erklären. Wir können also unter Zugrundelegung der Altersschätzung der Embryonen zu bestimmen suchen,
welchem Menstruationstermin das befruchtete Ei muss angehört
haben. In nachfolgender kleiner Tabelle habe ich die Fälle, für
welche mir brauchbare Notizen zu Gebote gestellt worden sind, zusammengeordnet und auch einige in der Literatur vorhandene Angaben beigefügt. Die Colonnen 2 und 3 geben den Eintritt der
letzten stattgehabten und den Zeitpunkt der ersten ausgebliebenen
Periode, die Colonnen 5 und 6 den Zeitabstand zwischen diesen
Terminen und dem Tage des Abortus. In der 7. Colonne habe
ich von den beiden in Betracht kommenden Zeiträumen denjenigen
als muthmasshches Alter des Embryo eingetragen, welcher der
Entwickelungsstufe entspricht. Am Fuss der Tabelle folgen dann
noch einige Notizen über die Cohabitationsverhältnisse.
1) In etwas abweichender Weise fasst Hensen in seiner Physiologie der
Zeugung die Dinge auf, da er den Einfluss der Copulation auch beim Menschen
nicht unbedingt ausschliesst, man vergleiche S. 67—75 d. a. W.
74 Zur Frage der Altersbestimmung und des Befruchtungstermins.
Tabelle III.
1
2 1 3
4
5 6
7
Fülle von
Länge
des
Embryo
mm
Eintritt
der letzten
Periode
Zeitpunkt
der ersten
ausgeblieb.
Periode
Tag des
Abortus
Zeitraum zwischen
Abortus und
letzter statt- erster ausgegehabter P. Miebener P.
Muth
massliches
Alter der
Frucht
Reichert •) .
10. Oct.
7. Nov.
21. Nov.
42 T.
14 T.
14 T.
Breuss. . . .
X
X+28T.
X+38T.
38 T.
10 T.
10 T.
AT 1
2.1
X
X+28T.
X+42T.
42 T.
14 T.
14 T.
AT 2
2.5
24. Mai
1. Juni
8 T.
8 (?) T.
VI (SR)«) . .
LXVIII (Lg)
2.2
2.15
Mitte Aug.
10. Sept.
lt.6w.Typ.
Ende Sept.
8. Oct.
14./15.0ct.
20. Oct.
ca. 60 T.
40 T.
ca. 14 T.
12 T.
ca. 14 T.
12 T.
LXV (BB). .
3.2
26. März
23. April
13./16.Mai
48 T.
20 T.
20 T.
R. Wagner .
4.5
^
X+20T.
20 T.
20 T.
III («)3). . .
4
4. Oct.
l.Nov.
-24. Nov.
51 T.
23 T.
23 T.
LVI (W). . .
(5)
5. März
26. März
21 T.
21 T.
Hensen . . .
4.5
X
X+21T.
21 T.
21 T.
XL (Stt) .. .
Ecker'') . . .
7.75
10
5./8. Juli
4. April
2./5. Aug.
2. Mai
31. Aug.
bis 3. Sept.
3. Juni
57 T.
60 T.
29 T.
32 T.
29 T.
32 T.
XXIX (Br 1)
11
24. April
22. Mai
24. Juni
61 T.
33 T.
33 T.
XLV (Br 2) .
13.6
20. Oct.
17. Nov.
22. Dec.
63 T.
35 T.
35 T.
LXXII (M 2)
13
7. Aug.
4. Sept.
10. Oct.
64 T.
36 T.
36 T.
In Betreff der C
ohabitation liegen bestimmte Angaben vor für die
FäUe:
Reichert
letzte Möglichkeit der Cohabitation Anfang Nove
mber.
LXV (BB)
Hochzeit und erste Cohabitation 4. April.
XL (Stt)
Cohabitation frühestens 17./20. Juli, laut streng
tetem jüdischem Ritus.
beobach
Ecker
letzte Cohabitation den 15. April.
XLV (Br 1
) Ehemann nach Imonatl. Abwesenheit erst Ende October |
zurückgekehrt.
l\.HLFELD,
''rau fest
1) Die Literaturc
2) L S. 140.
3) I. S. 100. Die
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4) Jcon. physich !5
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Zur Frage der Altersbestimmung und des BefrucMungstermins. 75
Selbstverständlich habe ich in obige Tabelle nur solche Fälle
aufgenommen, in denen Grund vorlag, den Embr^^o für völlig normal anzusehen. Vor Discussion der Ergebnisse ist es nöthig, sich
Mar zu machen, welche Unsicherheiten in Betracht kommen. Da
haben wir denn:
1. Die Ungenanigkeit der Angaben. Wo die Angaben
nur auf Anfang des Monats, Mitte des Monats u. dgl. lauten, da
sind Fehler von einer Woche kaum ausgeschlossen. Ich habe einige
derartige Fälle, auf die ich nachher noch zurückkommen werde, von
obiger Tabelle ausgeschlossen und nur den Fall SE stehen lassen.
Allzugrosses Gewicht darf man diesem Fall übrigens auch deshalb nicht beimessen, weil hier die Menstruation nicht nach dem
vierwöchentlichen Tjqjus verlief. Für den Fall Stt ist der Menstruationstermin in einen Zeitraum von 3 Tagen eingeschlossen.
Ich verdanke Herrn Dr. Schott in Frankfurt a. M. sehr genaue
Erhebungen über diesen Fall, die deshalb besonders werthvoU sind,
weil sie, wie Herr Dr. Schott betont, von einer unbedingt zuverlässigen Frau stammen. Da die Dauer der Abortuserscheinungen
sich auch auf 3 Tage erstreckt, habe ich in den Colonnen 5 bis 7
die Mittelwerthe der bez. Daten gewählt, wobei der mögliche Fehler
+ 3 beträgt.
2. Die Unsicherheit des Zeitpunkt.es, in welchem
das Ei aus dem Ovarium austritt. Es ist durch die Beobachtungen von Th. V. Bischoff, J. Williams, Dälton, Leopold u. A. festgestellt, dass der Austritt um 2 — 3 Tage dem Beginn
der Blutung vorausgehen, dass er aber auch im Verlaufe der
Blutung eintreten kann; der mögliche Termin des Eiaustrittes umfasst somit einen Zeitraum von nahezu einer Woche.
3. Die Unsicherheit im Absterben des Embryo. In
den meisten Fällen leitet sich der Abortus durch vorausgehende
Blutungen ein, und es ist in allgemeiner AVeise nicht auszusprechen,
ob man den Beginn der Erscheinungen oder ob man den Moment der
Ausstossung als Ende des embrj^onalen Lebens auffassen darf. In
einzelnen Fällen giebt der Erhaltungszustand der Frucht entschei
1) I. S. 140.
76 Zur Frage der Altersbestimmung und des Befruchtungstermins.
dende Anhaltspunkte, so sind z, B. in Fall Br 2 schon am 10. Dec.
die ersten Blutungen aufgetreten, die am 20. Dec. mit mehr Intensität wiedergekehrt sind. Der am 22. ausgestossene Embryo war
aber so intact erhalten, dass man ihn völlig ohne Bedenken für zu
allerletzt abgestorben ansehen durfte. In anderen Fällen macht es
der Zustand des Embryo wahrscheinlicher, dass das Absterben schon
ein oder zwei Tage vor der Ausstossung erfolgt ist.
Auch bei voller Berücksichtigung der eben erörterten Verhältnisse lässt sich aus der obigen Tabelle doch folgendes entnehmen:
In der Mehrzahl der Fälle (12 von obigen 16) weist
der Entwickelungsgrad des Embryo darauf hin, dass
der Befruchtungstermin der Phase der zuerst ausgebliebenen Periode zuzuweisen ist.
In vier von den 12 Fällen liegen zuverlässige Angaben über
die Cohabitationsverhältnisse vor, in den Fällen BB, Stt, Ecker
und Br 2. Bei BB fällt die erste Cohabitation der neu vermählten
Frau auf den 4. April. Sollte durch diese die Befruchtung des
zurückgebliebenen Eies der vorangegangenen Periode erfolgt sein,
so ergäbe dies ein effectives Alter der Frucht von S'/a Wochen,
was mit der Entwickelung der letzteren in keiner Weise vereinbar
erscheint.
Der Fall Stt ist der seit Bischoff's Arbeiten öfters besprochene einer streng dem Kitus folgenden Jüdin ; hier müsste das
befruchtete Ei, falls es auch erst zu Schluss der 5 Tage andauernden Blutung den Eierstock verlassen hätte, doch 7 — 8 Tage in den
Leitungswegen verweilt haben, ehe es befruchtet werden konnte,
eine Annahme, die Allem widerspricht, was wir von den Entwickelungsverhältnissen der Eier bei höheren Wirbelthieren (Säugethieren
und Vögeln) wissen. Nimmt man aber an, dass das bei der letzten
stattgehabten Periode ausgetretene Ei sei durch in den Eileitern vorhandenen Samen sofort nach seinem Austritte befruchtet worden,
so ergiebt sich das für seinen Entwickelungszustand unannehmbare
Alter von 8 Wochen.
In Fall Br 2 ist es zwar unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich, dass das bei der letzten Periode abgegangene Ei bereits Samen
in den Eileitern vorgefunden hat, denn es wird hier mitgetheilt, dass
der Ehemann von Ende September bis Ende October abwesend war.
Zur Frage der Altersbestimmung und des Befruchtungstermins. 77
Allfällig' Yorliandener Samen müsste sonach von 3 Wochen her
zurückgeblieben gewesen sein. In Hinsicht der Lebensdauer der
Spermatozoen bietet übrigens der EcKER'sche Fall besonderes Interesse. Hier hegt die Angabe vor, dass die letzte Cohabitation auf
den 15. April gefallen ist, also 14—17 Tage vor dem muthmasslichen Abgang des befruchteten Eies aus dem Eierstocke. Durch
die HAUsSMANisr'schen Untersuchungen ist bis jetzt constatirt, dass
innerhalb des Cervix uteri beim menschlichen Weibe die Samenfäden bis zum 8. Tage lebend sich erhalten können^) (nach Percy
sogar bis zum 9.), womit natürlich über die Lebensdauer innerhalb
der Eileiter Mchts entschieden wird. Beim Hunde hat Bischoff
6 — 8 Tage nach der Begattung bewegliche Spermatozoen im Uterus
gesehen. Beim Huhn sind die Spermatozoen noch 11 — 17 Tage nach
ihrer Einführung fähig, die Eier zu befruchten. 2) Bei Fledermäusen
verbleibt nach den Entdeckungen von Benecke ^) der Samen den
ganzen Winter hindurch im weiblichen Uterus und entfaltet seine
befruchtende Kraft erst gegen das Frühjahr. Dabei werden die
Spermatozoen dm'ch die ganze Periode des Winterschlafs hindurch
beweglich vorgefunden. Diesen eflfectiven Erfahrungen gegenüber,
denen noch die dreijährige Lebensdauer des Bienensamens beigefügt
werden kann, erscheinen mir die theoretischen Bedenken, die W.
Ejiause^) ausgesprochen hat, nicht haltbar. Es ist klar, dass die
1) Haussmann, üeber das Verhalten der Samenfäden etc. Berlin 1879.
S. 25 u. 26.
2) CosTE, Histoire du developpement I. p. 91. Nach Harvey sollen sogar
noch bis zu 20 befruchtete Eier nach Trennung vom Hahn gelegt werden können
(Exercit. de Gen. cap. 39), was nach Coste's sorgfältiger Prüfung eine Uebertreibung zu sein scheint.
3) Benecke, Zool. Anzeiger 1879. S. 304.
4) Keause, Nachträge zur allg. und mikrosk. Anatomie. Hannover ISSl.
S. 95. In dem betreffenden Passus wird als Folge meiner Auffassung von Zeitpunkt und Ort der Befruchtung angegeben, dass damit die Conceptionsfähigkeit des Weibes auf wenige Tage eingeengt werde. Dies beruht auf der Verwechselung von Begattung und Befruchtung. Der Samen kann zu jeder Zeit
der intermenstruellen Epoche eingeführt werden, die Befruchtung geschieht
aber erst in dem Zeitpunkte kurz nach Platzen eines Follikels. Als C o n c e p tion des Weibes pflegen wir aber die Aufnahme des befruchtenden Samens zu
bezeichnen. Das Weib concipirt den befruchtenden Samen, das Ei wird
78 Zur Frage der Altersbestimmung und des Befruchtungstermins.
Bewegungen der Sperniatozoen einen Stoifverbraiich bedingen, aber
a priori lässt sich kaum aussagen, wie weit der vorhandene Stoffvorrath überhaupt ausreicht. Auch ist ja die Möghchkeit nicht ausgeschlossen, dass auf Kosten der Flüssigkeiten oder selbst der Epithelbestandtheile des Eileiters ein partieller Wiederersatz stattfinden
kann.
In vier Fällen der obigen Tabelle muss das befruchtete Ei schon mit der zuletzt aufgetretenen Periode abgegangen sein. Bei den formellen Angaben ist man
nicht berechtigt, anzunehmen, dass es in diesen Fällen um accidentelle Blutungen sich gehandelt habe, vielmehr scheint man es
als Thatsache acceptiren zu müssen, dass beide Möglichkeiten bestehen, die Möglichkeit der Eibefruchtung während einer effectiv stattfindenden und die vor
einer zum Ausbleiben gebrachten Periode. Instructiv
sind besonders die Parallelfälle: so sind z. B. mein Fall BB und
der Fall a zur Seite zu stellen dem WAGNER'schen und dem Hensen'schen Fall, sowie dem Falle AV. Kein Zweifel, dass man es da mit
Embryonen nahe zusammengehöriger Entwickelungsstufen zu thun
hat, und doch ergiebt sich bei den einen zwischen Abortus und
letzter Periode ein Zeitraum von nur 3, bei den anderen ein solcher
von 7 Wochen. Aus etwas späteren Stufen sind die auf S. 53 u. 58 abgebildeten Embryonen S 2 und Seh 2 als solche zu bezeichnen, deren
Entwickelung auf die zuletzt stattgehabte Periode als Anfangstermin
zurückweist. Die Angaben sind hier nur approximative, weshalb ich
sie nicht in die Tabelle eingereiht habe. Bei Embryo Seh soll die
Periode 6 Wochen vor dem Abortus da gewesen sein; das Alter des
Embryo weist aber auf 5 — 6 Wochen hin. Bei S 2 fiel der Abortus
auf den 24. April, die letzte Periode auf Anfang März. Der Embrj-o
mag seiner Entwickelung nach wohl an die 6 Wochen alt sein.
Wir haben keinen Grund, von der Voraussetzung
abzugehen, dass der Anfangstheil der Eileiter der einzige Ort der Eibefruchtuno- ist. An dieser Stelle muss
durch letzteren befruchtet oder imprägnirt. Selbst im allergilnstigsten Fall
müssen Coneeption und Imprägnation um einen bestimmten Zeitraum auseinander liegen.
Zur Frage der Altersbestimmung und des Befruchtungstermins. 79
das Ei, falls die Befruchtung eintreten soll, den Samen
bereits vorfinden. Zeitpunkt des Eiaustrittes und Zeitpunkt
der Blutung stehen zu einander in einem losen Verbände. Geht der
Eiaustritt der zu erwartenden Blutung um mehrere Tage voraus, so
kann der Eintritt der Befruchtung die letztere sistiren, das Alter
der Frucht bemisst sich alsdann nicht nach der letzten stattgehabten,
sondern nach der ersten ausgebhebenen Periode. Eällt der Eiaustritt erst in die Zeit nach bereits begonnener Blutung, so kann die
Befruchtung durch noch vorhandenen Samen eintreten und nun bezieht sich das Alter des Embryo auf die seit Eintritt der Periode
verflossene Zeit. Bezeichnen wir den Tag des zu erwartenden oder
des wirklich eintretenden ersten Blutaustrittes mit B, so gruppiren
sich die Tage des möglichen Eiaustrittes und damit der möglichen
Befruchtung theils vor, theils nach B. Zur Unterscheidung sollen
die ersten eingeklammert sein, wir haben demnach als Tage möglicher Befruchtung des Eies:
(3), (2), (1) B 2, 3, 4,
wobei vorläufig noch der ferneren Erfahrung vorbehalten bleiben
mag, ob die beiden Grenzwerthe (3) und 4 richtig gewählt sind.
Noch übersichtlicher lassen sich die Dinge vielleicht darstellen, wenn
wir mit B den ersten Tag der letzten stattgehabten, mit Bo den Anfangstermin der ersten ausbleibenden Blutung bezeichnen, wir bekommen dann folgende Reihe, in der die ausgeschriebenen Tage die
Tage möglicher Eibefruchtung sind:
B, 2, 3, 4, 5 26, 27, 28, Bo.
Besondere Tage möglicher Conception, d. h. möglicher Aufnahme
befruchtenden Samens scheint es überhaupt nicht zu geben, d. h.
alle Tage des Monats, ausgenommen vielleicht diejenigen des Blutabganges können Conceptionstage sein. Diese Zusammenstellung
ergiebt auch auf den ersten Blick, dass, wenn wir unsere Altersrechnung nach B bez. Bo ausführen, eine Eehlerquelle stets unvermeidlich bleibt, weil wir in dem einen Eall nicht wissen, wie lange
vor der ausgebliebenen Blutung, im anderen nicht, wie lange nach
eingetretener Blutung das befruchtete Ei abgegangen ist. Der Fehler
kann bei Richtigkeit obiger Zahlen bis zu 3 bez. 4 Tage betragen.
Allein derselbe wird für die beiden Fälle in entgeorengesetztem Sinne
80 Zur Frage der Altersbestimmung und des Befruchtungstermins.
sich geltend machen, d. h. bei Bestimmung nach B wird das Alter
des Embryo im Allgemeinen etwas zu hoch, bei Zurückführung auf
Bü etwas zu niedrig geschätzt werden.
Wenn wir obigen Schlüssen zustimmen, so bleiben immer noch
einige nicht zu unterschätzende Schwierigkeiten übrig:
Es ist, wie dies Hensen hervorhebt i), schwer, sich vorzustellen,
dass ein so kleiner Körper, wie das Ei auf die TJterusschleimhaut
bez. die Blutung inhibirend wirken soll. Hierbei wird offenbar zunächst an eine refiectorisch von den Tuben und zwar am ehesten
vom unteren engen Tubenabschnitte aus angeregte Wirkung zu denken
sein. Leider wissen wir über die Veränderung des befruchteten
menschlichen Eies in den Tuben Nichts und sind daher auch nicht
im Stande etwas präcisere Ausgangspunkte einer auf die Art der
Eeizung bezüglichen Auffassung zu gewinnen. Für die Beurtheilung
dieser Dinge erscheinen jene Fälle wichtig, in denen die Periode
nach erfolgter Conception nur in abgekürzter Form auftritt, d. h.
bei denen die Hemmung sich geltend macht, ohne ganz durchzugreifen. Nach meiner Auffassung wäre in diesen Fällen die Imprägnation nur sehr kurz vor Beginn der Blutung oder vielleicht gleichzeitig mit dieser erfolgt.^)
Eine fernere Schwierigkeit liegt in dem Umstände, dass die
theoretische Aufstellung zwei Altersanfänge mit der empirischen Berechnung der Schwangerschaftsdauer in Conflikt kommt. Die beiden
EndpunlvtiC obiger, für die Befruchtungstage aufgestellten Keihe
stehen zwar nicht um volle 4, sondern im Minimum nur um
3 Wochen auseinander, immerhin ist dies noch eine bedeutende Differenz und man sollte erwarten, in den Tabellen der Gebm'tshelfer
zwei getrennte, um 3 bis 4 Wochen auseinanderstehende Maxima
zu bekommen, was bis jetzt nicht zuzutreffen scheint. Nur auf eine
Erfahrung von Leuckart kann ich hier hinweisen, obwohl ja dieselbe zu unserer Frage nur indirecte Beziehungen hat. Bei seiner
bekannten, auf den Hochzeitstag von Neuvermählten berechneten Ge
1) Physiologie der Zeugung. S. 72.
2) Hierher gehört z. B. der von Waldeyer citirte. Heidenhain, Studien
des physiol. Instituts IV. S. 55 ; ferner yergl. man die Bemerkungen von
Leuckart, a. a. 0. S. 887.
Zur Frage der Altersbestimmung und des Befruchtungstermins. 81
"burtstabelle ^) hat er zwei Maxima erhalten, die um 1 8 — 20 Tage
aiiseinanderstehen. Nach dem damaligen Stand der Frage fasste
Leuckaet die Sache dahin auf, dass das erste Maximum der Befruchtung des Eies der der Hochzeit vorangegangenen Periode entspricht, das zweite der nachfolgenden. So wie die Sache jetzt steht,
glaube ich nicht an die Befruchtung eines schon mehrere Tage vor
der Hochzeit abgegangenen Eies, das befruchtete Ei muss einem
der Hochzeit nachfolgenden Menstruationstermine angehören. Die
LEucKAET'sche Tabelle wird für unseren Zweck unverwendbar, weil
sie zwar den Zeitpunkt der ersten Cohabitation, nicht aber den der
letzten Menstruation angiebt. In der Hinsicht erweisen sich die Angaben von Hasler -) als vollständiger. In der sehr sorgfältigen Abhandlung dieses Verfassers über die Schwangerschaftsdauer findet
sich u. a. eine Tabelle von 28 Fällen, für welche neben der letzten
Periode und dem Geburtstermine auch der Tag der Conception notirt
ist. Ich entnehme dieser Tabelle diejenigen Fälle, die mir entscheidend zu sein scheinen, d. h. diejenigen, in denen der bestimmt lautenden Angabe zufolge nur eine einzige bez. nur eine einzige, auf den
Fall zu beziehende Cohabitation stattgefunden hat. Natürlich setze ich
dabei völlig richtige Angaben der Frauen voraus, in welcher Hinsicht Hasler's Mittheilungen den Eindruck guter Kritik machen.
Die Versuchung für unehelich geschwängerte Mädchen, das Unglück
auf einen einzigen Fehltritt zu beziehen, mag nahe liegen, indessen
sind in den meisten von Hasler mitgetheilten Fällen die begleitenden
Notizen derart, dass der Verdacht einer relativen Reinwaschung hinwegfällt. Ich ordne die Fälle nach ihrer Beziehung zu den beiden
Terminen B (Beginn der letzten Periode) und Bo (Termin der ersten
ausbleibenden).
Die Zahlen der beiden letzten Colonnen habe ich nach Hasler
genommen, der sie nach dem Typus der Perioden berechnet hat.
Letztere ist zwar in den meisten, aber nicht in aUen Fällen eine
vierwöchentliche gewesen. Gerade die 3 ersten Fälle haben Termine
von 30 Tagen bez. von 4 — 5 Wochen.
1) Leuckart, Artikel Zeugung in R. Wagner's Handwörterbuch. Bd. IV.
S. 885.
2) Hasler, Die Dauer der Schwangerschaft. Inaug.-Diss. Zürich 1876.
His, Menschl. Embryonen. II. 6
82 Zur Frage der Altersbestimmung und des Befruchtungstermins.
Der Tag der Conception
Dauer der Schwanger
Laufende Nr.
fällt
schaft berechnet
von
Hasler
nach Beginn
der letzten
Periode
vor den
Termin des
ersten
Ausbleibens
nach B
nach C
I
25-26
2—3(5?)
297
270
II
25
3(6?)
299
271
III
25
3 (5 ?)
293
265
XI
13
15
284
271
XXII
12
16
296
284
IV
10
18
268
258
XVIII
9
19
286
277
XIX
ca. 8
20
ca. 286
278
XV
7
21
278
274
XXIII
7
21
257
250
(unreif)
XXI
6
22
288
282
XXIV
6
22
261
255
(unreif)
XXV
6
22
261
255
(unreif)
XIV
4
24
276
272
XIII
3
25
276
273
V
V2
27 72
268
267 72
Hasler sieht, wie die meisten Gynäcologen, wohl als selbstverständlich an, dass der Erfolg einer Cohahitation die Menstruation
nicht überdauern kann. Meinerseits anerkenne ich keinen Grund zu
dieser Voraussetzung ; die Speimatozoen, die allenfalls im Uterus verweilen, werden unzweifelhaft durch die Blutung beseitigt werden,
welchen Einfluss aber die Periode auf lebende Spennatozoen in den
Ampullen der Eileiter ausüben soll, das ist mir nicht ersichthch.
Mit Eücksicht auf diese abweichende Auffassung habe ich aus Hasler's Tabelle die Fälle weggelassen, in denen Zweifel über allfällige,
der letzten Periode vorausgegangene Cohabitationen übrig gebheben sind.
Die Ergebnisse dieser Tabelle sind auffallend, und es tritt dies
besonders dann hervor, wenn man dieselben unter Weglassung der
Zur Frage der Altersbestimmung und des Befruchtungstermins. 83
3 Fälle mit unreifer Frucht zu kleinen Gruppen zusammenfasst und
für diese die Mittel, sowie die Maxima und Minima aufstellt.
Termin der Conce
ption
nach B
CS
N
Mittlere
Schwangerschaftsdauer
nach B
s
S
'S
CS
B
"a
Differenz
von
Maximum
und
Minimum
Während u. unmittelbar nach d. Blutung
V2-4 T.
3
273.3 T.
276 T.
268 T.
8T.
Einige Tage nachAufhören der Blutung
6-10 T.
5
281.2 T.
288 T.
268 T.
20 T.
Mittlere Zeit
12-13 T.
2
290.0 T.
296 T.
284 T.
12 T.
WenigeTage vor Ende
des Termins
25-26T.
3
296.3 T.
299 T.
296 T.
6T.
Sowohl die Mittelzahlen als die Maxima und die Minima zeigen
ein stätiges Ansteigen der auf den Termin B berechneten Schwangerschaftsdauer, je nachdem die Conception in den Beginn oder auf die
Mitte oder auf das Ende der Zeit fällt. Die Differenzen der beiden
Endmittel betragen 23 Tage, die der Maxima 23, der Minima sogar
28 Tage. Die Zahl von 13 guten Fällen ist noch eine sehr geringe
und es ist vor Allem wünschbar, dass die von Hasler begonnenen
Untersuchungen in einer grösseren Ausdehnung weiter geführt werden. Bei Vervielfältigung der sicheren und brauchbaren Fälle muss
es sich ja bald herausstellen, ob die in obiger Tabelle hervortretende
Zahlenfolge auf Zufall beruht, oder ob sie der Ausdruck eines gesetzmässigen Verhältnisses ist. Dabei werden auch die Cohabitationen der prämenstrualen Epoche mit in Rechnung zu ziehen sein,
deren befruchtender Einfluss einer directen Prüfung bedarf. So lange
gerade diese Seite der Frage nicht durch wissenschaftlich verwerthbare Fälle zum Abschluss gebracht ist, scheint es mir auch noch
nicht an der Zeit, die oben discutirten embryologischen Gesichtspunkte gegen die gynäcologischen abzuw^ägen. Eines nur scheint
mir zu betonen:
entweder ist die Lebensdauer der menschlichen
Spermatozoen noch weit grösser anzuschlagen, als
man sie bis dahin geschätzt hat.
84 Zur Frage der Altersbestimmung und des Befruchtungstermins.
oder das mens ohliche Ei bewahrt, Allem, was wir
sonst über die Eiveränderungen bei Thieren wissen,
zum Trotz, seine Befruchtungsfähigkeit selbst in den
tiefen Leitungswegen bez. selbst im Uterus,
oder endlich unsere Vorstellungen von der Ovulation bedürfen einer eingreifenden Correction.
Unter diesen drei Möglichkeiten scheint mir die erste immer
noch die weitaus wahrscheinlichste.
Endlich ergiebt sich laut der von mir formulirten Auffassung der
Befruchtung eine gewisse Schwierigkeit für die Beurtheilung der Verhältnisse im Uterus. Bei Befruchtung von Eiern, die vor der Bhitung das Ovarium verlassen haben, finden diese, wie dies Reicheet
in anscheinend so überzeugender Weise dargethan hat, das zu ihrer
Entwickelung vorbereitete Lager im Uterus vor. Im anderen Falle
aber wird dm'ch die Blutung nebst Epithelabstossung die Schleimhaut ulcerirt und erscheint, wenigstens während der Zeit des Blutabganges kaum befähigt dem Ei die geeignete Brutstätte zu bieten.
Vielleicht gehen auch manche befruchtete Eier zu Grunde, welche
in dieser Zeit den Uterus erreichen und die Mögüchkeit der Entwickelung kehrt für das in den Uterus befruchtet eintretende Ei
erst dann zurück, wenn ein gewisser Grad von Eestitution erfolgt ist.
Nach Leopold's ^) Untersuchungen geschieht übrigens letztere ziemlich rasch, sie schliesst sich dem Aufhören der Blutung unmittelbar
an und kann vielleicht schon einen Tag später vollendet sein. Am 8.
bis 9. Tag nach Beginn der Blutung d. h. also am 3. bis 4. nach
dem Aufhören fand Leopold die Schleimhautregeneration bereits
vollendet. Bedenkt man ausserdem, dass das Ei zum Durchlaufen
des Eileiters einen Zeitraum nöthig hat, der wohl der Dauer der
Blutung mindestens gleich kommt 2), so scheinen die Gefahren, dass
1) Leopold, Studien über die Uterusscbleimhaut. Berlin 1878. S. 29, und
Arch. f. Gynäcol. Bd. XI.
2) Bei Kaninchen beträgt die Dauer des Aufenthalts im Eileiter 3 Tage,
bei Hunden 8—10 Tage. Bischopf supponirt für den Menschen sogar eine
von 8—12 Tagen (Beweis der Reifung etc. S. 44). In der von Htrtl gemachten
Beobachtung eines Eies im unteren Abschnitt des weiblichen Eileiters waren
seit Beginn der Blutung 5 Tage verflossen (Zeitschr. f. ration. Med. 2. Folge,
Bd. IV. S. 155).
Zur Frage der Altersbestimmung und des Befruchtungstermins. 85
das in den Uterus eintretende Ei eine ulcerirte Schleimhaut antrifft,
erhehhch vermindert. Allerdings kann die nothdürftig wiederhergestellte IJterusschleimhaut unmittelbar nach Beendigimg der Periode dem eintretenden Ei kaum dieselben Yortheile bieten, wie die
geschwellte Membran kurz vor Beginn des Menstruationstermines.
Im Grunde wissen wir aber auch nicht, in welchem Zustande die
Schleimhaut sich befindet, wenn ein vor Eintritt des Menstruationstermines befruchtetes Ei dieselbe erreicht. Nehmen wir z. B. an,
das Ei sei schon 3 Tage vor diesem Termine befruchtet worden und
habe zum Durchmessen des Eileiters 5 Tage gebraucht, so ist die
Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass die Schleimhaut in der
Zwischenzeit bereits begonnen habe, wieder abzuschwellen.
Diese verschiedenen Erwägungen zeigen vor Allem, wie nothwendig es ist, fernerhin und in planmässiger Weise neues Beobachtungsmaterial zu sammeln. Dringlich erscheinen vor Allem Untersuchungen über das Vorhandensein und die Lebensdauer vou'Spermatozoen innerhalb der Eileiter des menschlichen Weibes. Consequente Untersuchungen sind anzustellen bei Frauen, die plötzlich
oder die nach rasch verlaufenden Krankheiten verstorben sind, eventuell auch bei Ovariotomirten. Dabei, wird speziell auch zu beachten
sein, ob innerhalb der Tuben lebende Spermatozoen die Menstruationszeit zu überdauern vermögen.
Wir kehren jetzt zm* obigen Alterstabelle menschhcher Embryonen zurück: deren Ergebnisse sind im Grunde nicht unbefriedigend, denn im Ganzen zeigte sich in ihr ein angemessener Parallehsmus der bestimmten Alter mit den Entwickelungsstufen. Nur für
die Früchte unter 14 Tagen ist dieser Parallelismus gestört, was
indessen bei Berücksichtigung der früher besprochenen Unsicherheiten kaum befremden kann. Am störendsten unter den 6 jüngsten
Fällen ist der zweite von Allen Thomson mit seinem auf nur
8 Tage berechneten Alter. Die beiden Fnichte von Reichert und
von Breuss stellen sich auf 14 bez. 10 Tage und die drei Embryonen Allen Thomson 1, SR und Lg auf 12—14 Tage. Am
weitesten entwickelt unter diesen 6 Früchten ist Lg, deren Embryo ungefähr auf der Stufe eines Hühnchens vom Anfang des
86 Zur Frage der Altersbestimmung und des Befruchtungstermins.
3. Tages oder auf der eines Kaninchens von 9 Tagen steht. Schätzt
man die Entwickelungsgeschwindigkeit der menschhchen Frucht nach
der von Kaninchen ab, so wird SR etwa 2 Tage jünger sein ais
Lg und die REiCHERT'sche Stufe etwa 4 Tage, Mit einem Fehler
von + 3 Tagen möchten dann wohl folgende Entwickelungsreihen
aufzustellen sein:
11 Tage Stufe Eeicheet,
13 =» =» Allen Thomson, oder Stufe SR,
15 . . Lg.
Für die nachfolgenden Stufen ergiebt sich ein sehr gleichmässiges Fortschreiten des berechneten Alters mit der Entwickelungsphase und wir können darnach folgende kleine Skala entwerfen:
2 — 2V2 Wochen Embryonen von 2.2—3 mm
2 1/2— 3 == ^ ^ 3—41/2 ^
(31/2 ^ ^ ^ 5—6 mm)
4 ^ ^^ =» 7—8 ^
4V2 ^ ' ^ 10—11 ^
5 . ^ ^ 13 »=
in welcher Tabelle der eingeklammerte Werth durch Interpolation
erhalten ist.
Es stimmen diese Daten ziemlich mit den üblichen Schätzungen von Allen Thomson, Coste, Joh. Müller, Ecker u. A., von
denen mir allerdings nicht recht ersichtlich geworden ist, auf welcher Basis sie sich aufbauen, da die älteren Forscher doch meist
nach den Conceptionstagen zu berechnen gesucht haben. Zur Altersbestimmung der Embryonen über 1 3 mm gewähren mir meine eigenen
Notizen keinen brauchbaren Anhaltspunkt und es geschieht nur im
vorläufigen Anschluss an Andere, wenn ich zu Ende des 2. Monats
den Embryonen eine Länge von 2.2 — 2.5 m zuerkenne.
ANHANG.
Notizen über die wichtigeren Präparate der Tabelle I.
Es sind zwar in den Colonnen 3 und 6 der Tabelle I einige
kurze Angaben über Erhaltungszustand und über Herkunft der von
mir benutzten Präparate mitgetbeilt , indess ist doch für manche
der Stücke eine noch etwas weiter reichende Erläuterung wünschbar, und ich gehe daher die wichtigeren Nummern nochmals nach
der Eeihenfolge der Tabelle durch.
Nr. XLIV. Im October 1880 sendet mir Herr Prof. J. J. Bischoff
in Basel eine uneröffnete Frucht, die im grössern Durchmesser 8 mm,
in einem darauf senkrechten 7 mm misst. Dieselbe ist etwas abgeflacht, an einer Stelle etwas ärmer an Zotten. Bei der Eröflfiiung
findet sich, an der einen Wand anhaftend, ein kleines, im längsten
Durchmesser 1.4 mm messendes Gebilde, das aus einem ellipsoiden
undm'chsichtigen Körper und einer demselben angefügten durchsichtigen Blase besteht. Der undurchsichtige Körper, der durch stellenweise Einfaltung der Oberfläche sich gleichfalls als hohl documentirt, misst im grösseren Durchmesser 0.85 mm, senkrecht darauf
0,6. Die durchsichtige Blase umfasst mit ihrem Rande das eine
Ende des Elhpsoides. Die Verbindung mit dem Chorion wird durch
einen sehr kurzen Stiel vermittelt, der sowohl mit dem Ellipsoid als
mit der Blase in Verbindung steht. Wie schon oben S. 32 angegeben
worden ist, so halte ich die Blase für das Amnion, das Ellipsoid
für die Nabelblase nebst Embryonalanlage und zwar muss die letztere an dem vom Amnion überwölbten Theil des EUipsoids, d. h.
88 Anhang.
also quer zu dessen Längsaxe liegen. Am entgegengesetzten Pole
haften dem Ellipsoid noch Fäden von jenem lockeren Gewebe an,
das den Raum der Fruchthöhle durchsetzt , einer dieser Fäden zeichnet sich durch derbe Beschaffenheit und durch seine Undurchsichtigkeit besonders aus. Ein endgültiges Urtheil über das Gebilde
wird sich übrigens erst geben lassen, nachdem dasselbe mikrotomirt
sein wird, was bis jetzt noch nicht geschehen ist.
wt^ "^3 xLir.
Fig. 47.
Embryonalgebilde der Frucht SLIV 20 fach vergrössert.
Nr. LXVIII. Den 11. November erhalte ich von Herrn Prof.
Th. Langhans in Bern eine eröffnete Frucht mit dem sehr kleinen,
S. 32 abgebildeten Embryo. Dieselbe stammt aus der Praxis des
Herrn Dr. Conrad, Privatdocent in Bern, der auch folgende gynäcologische Daten darüber aufgenommen hat: 22 jähr, völlig gesunde
Frau, Ipara, letzte Periode den 10. September, Abortus den 20. October. Legt man den Termin der ersten ausbleibenden Periode auf
den 8. October, so berechnet sich das Alter der Frucht auf 12 Tage.
Die Frucht ist von Herrn Dr. Conrad unverletzt und völlig frisch
in 2proc. Borsäure gelegt worden, die Dimensionen waren zu der
Zeit 17 auf 11 mm. Nach zwei Tagen kam sie an Herrn Prof. Langhans, der nun die Durchmesser der uneröffneten Frucht zu 15 und
1 2 '/2 mm bestimmt hat. An zwei einander gegenüberliegenden Stellen
war das Chorion zottenfrei, die eine Stelle mass 5 auf 2V2, die
andere 2 mm. Nach Eröffnung der Fruchthöhle wurde das Präparat
Notizen über die wichtigeren Präparate der Tabelle I. 89
in Chromsäure 0.1 Proc. verbracht, später kam es in Alkohol. Der
Embryo zeigte sich dicht vom Amnion umhüllt, durch einen kurzen
dicken Stiel dem Chorion verbunden, die Dotterblase war bei Eröffnung der Frucht eingerissen, ihr Durchmesser hatte etwa 2 mm
betragen. Herzschlauch, zwei Schlundbögen und Gehörbläschen hat
schon Herr Prof. Langhans an dem Embryo sehr deutlich wahrgenommen. Ich habe das Präparat seitdem mikrotomirt ; es ist die
jüngste meiner guten Schnittreihen und ich werde im nächsten Heft
darüber Bericht erstatten. Hier erwähne ich nur, dass die Mundbucht
gegen den Vorderdarm hin noch durch die Eachenhaut abgeschlossen war.
LXVI. Den 25. Januar 1881 sendet mir HeiT Dr. Schütz
in Hamburg eine uneröffnete Frucht. Dieselbe ist dem Uterus einer
Frau entnommen worden, welche am Abend vor der Section durch
Berstung eines Aneurysma Aortae gestorben war. Die Notizen, die
Herr Dr. Schütz mir mitzutheilen die Güte gehabt hat, lauten:
Frau M., 40 Jahr alt, hat mehrmals geboren, Kinder gesund und
noch am Leben. Vor 12 Jahren luetisch inficirt, die Section ergiebt indessen keine wesentlichen, auf diese Krankheit bezüglichen
Erscheinungen. Der Mann, Angestellter auf einem amerikanischen
Postdampfer, war zwischen Weihnachten und Neujahr zuletzt in
Hamburg gewesen. Die Zeit, während der die Periode ausgeblieben
war, konnte nicht genau ermittelt werden. Am 1 3. Januar trat die
Frau ins Krankenhaus , am 24. erfolgte der plötzliche Tod.
Das Präparat war nach Isolation der Frucht frisch in Brunnenwasser gelegt und auch in letzterer Flüssigkeit versandt worden. Als
ich dasselbe erhielt, war es durch den zweitägigen Aufenthalt im
Wasser stark aufgequollen und durchscheinend, 3 bez. 4 cm im
Durchmesser fassend. Das Innere der Frucht war schleimig und
klebte an den Instrumenten, weshalb ich das Ganze erst auf kurze
Zeit in Salpetersäure und dann in Alkohol brachte. Ich hatte das
Präparat verschätzt und beinahe vergessen, und meine Freude war
daher nicht gering, als ich bei nochmaliger Eevision nach bald
IV2 Jahren in der, auf ca. 17 mm zusammengeschrumpften Frucht
einen zierlichen Embryo von 2.2 mm mit Bauchstiel, Amnion und
Nabelblase vorfand. Da die jüngste unter den bis jetzt dem Uterus
entnommenen Früchten, die von Keicheet noch keinen Embryo
90 Anhang.
enthalten hat, so ist dieser Embryo Schi überhaupt der
jüngste unter allen denen, die bei einer Section am Ort
ihrer Bildung vorgefunden worden sind.
LXV. Herr Professor J. J. Bischoff i) in Basel, dem ich so
zahlreiche Sendungen verdanke, schickt mir den 20. Mai 1881 eine
uneröffnete Frucht, 14 mm auf 11 mm messend. An einer Stelle,
im Umfang von 4 mm, fehlen die Zotten. Ich schneide an der Stelle
ein, allein, wie sich herausstellt, ist die Wahl des Ortes ungünstig
gewesen, denn der erste Schnitt, obwohl vorsichtig geführt, trifft
Amnion und Nabelblase, welche beide verletzt werden, wogegen der
Embryo und sein Stiel intact bleiben. Der Embryo zeigt jene starke
dorsale Einknickung, die schon oben S. 38 discutirt worden ist, ferner sind an ihm 3 Schlundspalten sichtbar. Das Präparat habe ich
mikrotomirt und über einige Ergebnisse schon a. a. 0. berichtet '), im
nächsten Heft werde ich darauf zurückkommen und auch Zeichnungen der Durchschnitte mittheilen.
Das Präparat stammt aus der Praxis des Herrn Dr. A. Baadee
in Basel, der folgende Notiz mitgegeben hat: Frau H., 26 Jahr alt,
vollkommen gesund und regelmässig alle 4 AVochen menstruirt, wurde
zum letzten Mal am 26. März menstruirt, Dauer der Menses 4 Tage ;
am 4. April war Hochzeit und erste Cohabitation. Die auf den
23. April erwartete Periode blieb aus. Am 13. Mai Beginn der Blutung, die nach 2tägiger Pause am 16. wiederkekrte, an letzterem Tag
hat Herr Dr. Baader die Frucht direct dem Muttermunde entnommen.
LXVII. Herr Dr. Lomer übergab während meiner Abwesenheit im September 1881 der anatomischen Anstalt eine Frucht von
ca. 1 V2 cm. Durchmesser, die von Herrn Dr. Altmann eröffnet und
in Alkohol aufgehoben worden ist. Als ' ich das Präparat erhielt,
waren Embryo, Nabelblase und Bauchstiel intact, das Amnion in
seiner oberen Hälfte vom Embryo abgehoben. Auffallend erschienen
vor allem die mächtig klaffende Mundbucht und die scharf hervortretenden drei oberen Schlundspalten. Die Frau wurde auf die
Anamnese hin von Herrn Dr. Lomer sowohl, als von mir ausgefragt,
die Angaben, die sie uns beiden gemacht hat, differiren aber um 8
1) Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abth. 1881. S. 303 f.
Notizen über die wichtigeren Präparate der Tabelle I. 91
bis 10 Tage 'und sind daher ziemlich werthlos. Die Frau hatte am
9. September 1880 zuletzt geboren, das Kind bis Ende Juli 1881
gestillt. An diesem Termine, oder nach der anders lautenden Angabe am 9. August zeigte sich die Menstruation, weshalb die Frau
ihr Kind entwöhnte. Der Abortus ist am 6. September Nachts eingetreten, und die Frucht am folgenden Nachmittag dem Arzt übergeben worden. Obwohl letztere nicht mehr absolut frisch zur Aufbewahrung kam, so zeigte sich doch der Embryo sehr brauchbar und
ich habe ihn mit ziemlich befriedigendem Erfolge mikrotomirt.
LX. Bei einem Besuch in Basel den 15. März 1881 übergab mir
Herr Prof. Kollmann den kleineren bereits isolirten Embryo ; wie mir
der verehrte College mitgetheilt hat, so ist der Kopf schon innerhalb
des Chorion abgerissen gewesen. Der G-rösse nach schliesst sich
dieser Embryo dem LoMEß'schen ziemlich nahe an.
LVI. Herr Dr. Wünsche in Obercunnersdorf bei Löbau sendet
mir eine eröffnete Frucht von 2V2 cm auf 1.8. Die Frau sonst regelmässig menstruirt, hatte vor 3 Wochen zum letzten Male ihre Periode,
daher sie von einer Schwangerschaft nichts wusste. Das Präparat war
in Thymolwasser gelegt und so hierher gesandt worden. Ich fand das
Amnion dem Embryo nahe anliegend, sehr trüb und mit dichten
gelb gefärbten Gerinnseln erfüllt. Bei dem Versuche der Embryo von
den anhaftenden Fetzen zu reinigen, wurde er vom Chorion losgerissen und es trat jene Einbiegung des Eückens ein, welche oben
S. 39 besprochen worden ist.
LVn. Den 10. April 1881 erhalte ich dm'ch die Post aus Kussland eine Frucht mit einem der besterhaltenen Embryonen, die mir
überhaupt durch die Hände gegangen sind. Leider kenne ich den
Namen des unbekannten Spenders nicht ; die Begleitadresse, auf der
der Name gestanden hat, blieb in den Händen der Post und das
Packet enthielt keinen weiteren Nachweis. Die Frucht war, offenbar
von kundiger Hand eröffnet, der Embro fand sich dem Chorion dicht
anliegend, durch einen kurzen Stiel mit ihm verbunden. Die kurzgestielte Nabelblase war schon abgetrennt, das Amnion in seiner
oberen Hälfte eröffnet. Die Durchschnitte des Embryo und die anatomischen Reconstructionen werde ich auf einer der nächsten Tafeln
mittheilen. Ausgezeichnet schön zeigten sich die ersten Anfänge der
weissen Eückenmarkssubstanz als ein System feiner, aus den Zellen
92 Anhang.
hervortretender Eaclienfäserchen ; auch der Zusammenhang der noch
sparsamen und feinen vorderen Wurzelfasem mit den Zellen der
vorderen Rückenmarkshälfte, sowie die ersten Fasern der Formatio
arcuata sind an diesen Schnitten vortrefflich zu verfolgen.
LXI, LXII, LXIII und LXIV. Als ich im Beginn des verflossenen Jahres meinem verehrten Freunde Prof. A. Ecker in Freiburg
klagte, dass in meinem Material die Stufen zwischen 8 bis 11 mm
eine bedauerliche Lücke bildeten, war derselbe so freundlich, mir
niehrere von seinen Embryonen zur Verfügung zu stellen. Der jüngste
derselben entspricht ziemhch genau meinen Embryonen A und B
und ich habe ihn mit besonderer Berücksichtigung der Schlundbogenentwickelung mikrotomirt. Auch die drei übrigen sind diesem
Zwecke bestimmt worden. Für das Studium der äusseren Formen
sind sie weniger geeignet gewesen, weil sie bereits mit Carmin gefärbt waren, als sie mir überlassen wurden. Ich werde später Anlass haben, wieder über diese Stücke zu berichten.
XL. Den 26. October 1880 erhalte ich von Herrn Dr. Schott
in Frankfurt a./M. einen bereits eröffneten und in Alkohol aufbewahrten Abortus mit kleinem Embryo. Die Deciduen, von Blut
durchsetzt, bilden eine derbe Kapsel. Die Höhle des Chorion misst
im Lichten 21 auf 17 mm. Der Embryo, vom Amnion dicht umhüllt, liegt der Wand der Fruchthöhle unmittelbar an und zwar mit
seiner rechten Seite. Derselbe ist sehr weich und beim Abziehen
des Amnion mit der Pincette wird die obere Extremität mit losgerissen. Im Uebrigen ist die äussere Form noch sehr brauchbar
und der Embryo ist daher S. 24 mit abgebildet worden. Von Interesse sind die gynäcologischen Daten, die Herr Dr. Schott sehr sorgfältig aufgenommen hat.
Es handelt sich um eine orthodoxe und in ihren Aussagen sehr
zuverlässige Jüdin : Zwischen 5. bis 8. Juli war der Beginn der letztstattgehabten Periode gefallen. Acht Tage nach Aufhören der letzten
Blutspuren nahm die Frau das rituelle ßeinigungsbad und erst von
da ab fand Wiederaufnahme des ehelichen Verkehrs statt. Die
zwischen 2. bis 5. August erwartete Periode blieb aus, dafür traten
am 31. August die ersten Erscheinungen des Abortus ein, die am
3. September mit Ausstossung der Frucht ihr Ende erreichten.
XXVI, XLII, XXVII, XLIII u. a. Herr College Dohrn in Mar
Notizen über die wichtigeren Präparate der Tabelle I. 93
bürg hat die Güte gehabt, mir während der vei-flossenen zwei Jahre
mehrfach wiederholte Sendungen zukommen zu lassen. Die erste
Sendung vom 14. Mai 1880 bestand aus zwei jungen Früchten von
15 und von ca. 22 mm Durchmesser. Beide waren Herrn Prof.
DoHRN von Hebammen eingeliefert worden und hatten, wie ich vermuthe, eine Zeit lang ohne Flüssigkeit an der Luft gestanden, da
sie beide stark abgeplattet waren. In der einen war ein etwas plattgedrückter Embryo von ca. 5 mm Länge (XXVI), die andere enthielt
in einer wandständigen durchsichtigen Blase einen zarten gestielten
Streifen, unzweifelhaft einen jungen Embryo, dessen anatomisches
Detail aber nicht mehr genau erkennbar war. Der Embryo XLII,
in einer Frucht von 20 auf 12 mm enthalten, war vom Amnion noch
knapp umhüllt und hing durch einen kurzen Stiel dem Chorion dicht
an, diesem seine rechte Seite zukehrend. Das Präparat war etwas
weich und das Gehirn, wie sich durch die Hautdecke hindurch erkennen liess , bereits etwas zerbröckelt. Von den spätem Sendungen
des Herrn CoUegen Dohen sind mir besonders der hübsch erhaltene
Embryo XXVH und die Missbildung XLIEI von Werth und von
Interesse gewesen.
LXXLH verdanke ich der Freundlichkeit von Herrn Prof. Hensen,
der mir den Embryo bei meinem diesjährigen Besuche in Kiel aus
seiner Sammlung abgegeben hat. Derselbe lag in einem Chorion, das
im eröffneten Zustande 3.5 auf 2.5 cm mass, der Nabelstrang war
auffallend lang und dünn, das Amnion umhüUte als schlaffer Sack
den Embryo. Die äussere Form war im Ganzen gut, obwohl nicht
allzu scharf erhalten; auch war der Embryo ziemlich weich und
das untere Leibesende, das mir an und für sich durch seine relativ
geringen Dimensionen auffiel, hatte offenbar, infolge der Erweichung
gelitten, denn man konnte durch die Haut hindurch erkennen, dass
das Rückenmark am Uebergang zum Beckentheile zerbröckelt war.
Ich vermuthete wegen der Schlaffheit des Amnion und der gestreckten Beschaffenheit des Nabelstranges, dass der Embryo einige
Tage vor der Ausstossung der Frucht intra uterum abgestorben war.
XXXTT. Im Mai 1880 überlässt mir Herr Prof. Schwalbe, damals
in Jena, aus seiner Sammlung eine uner öffnete Frucht von ca. 25 mm
Dm. Beim Eröffnen zeigt der Embryo, dessen Nackenhnie sich auf
8,5 mm bestimmen lässt, einen aufgeklappten Kopf und eingerissenen
94 Anhang.
Hals, auch ist durch den Zug des Nabelstranges die Bauch- und
Brustwand eingerissen und es liegt das Herz und die Leber unmittelbar vor.
XXXVni und XXXIX. Herrn Dr. A. Budge in Greifswalde
verdanke ich die Zusendung zweier Embryonen, von denen der eine 9,
der andere 12.5 mm lang gewesen ist. Beide waren nicht ganz frisch
in die Hände des Herrn Dr. Budge gelangt, auch hatten die Extremitäten des kleineren beim Transport gelitten. Gleichwohl ist
mir dieser Embryo von grossem Werth gewesen, weil er in seiner
Gesammtform genügend brauchbar und dabei der einzige Kepräsentant der Stufe zwischen 8.5 und 1 mm gewesen ist.
X. Diesen schönen, bereits in den Briefen über die Körperform
abgebildeten Embryo hat mir im Jahre 1870 der seitdem verstorbene Herr Dr. Münch in Basel überbracht, derselbe war sehr frisch
und ich habe damals mehrere Zeichnungen danach entworfen. Auffallend war mir besonders der Umstand, dass die so deutlich hervortretenden Urwirbel von ungleicher Höhe waren; diejenigen der
unteren Cervikalregion und die des unteren Lenden- und oberen
Kreuzgebietes waren erheblich voluminöser, als z. B. diejenigen des
zwischenliegenden Rückens. Ueber manche Einzelnheiten, besonders
auch des Schlundbogengebietes hätte ich gerne das alte Originalpräparat wieder verglichen, allein wie mir Herr College Kollmann
mitgetheilt hat, so ist es in der Baseler Sammlung nicht mehr aufzufinden.
XXIX und XLV. Von Herrn Dr. Brennecke in SudenburgMagdeburg habe ich den 25. Juni 1880 und den 24. Dez. desselben
Jahres zwei Embryonen von vorzüglicher Erhaltung zugesandt erhalten. No. XXIX fand sich in der bereits eröffneten Frucht, umschlossen
von einem prallgefüllten Amnion von 16 auf 13 mm Dm. Der Embryo selbst war 11 mm lang. Der Nabelstrang war vom Amnion
in einer Ausdehnung von ca. 3 mm scheidenartig umhüllt, die
Nabelblase lang gestielt; die zu dieser hintretenden Gefässe waren
stark gewunden und bildeten zum Theil selbstständig über den Stiel
hervortretende Schlingen. Durch die Haut hindurch waren nicht
nur die Gehirncontouren und die Urwirbel zu erkennen, sondern in
1) Briefe über die Körperform. S. 194.
Notizen über die wichtigeren Präparate der Tabelle I. 95
vorzüglicher Weise auch die Venenstämme des Kopfes. Den unter
dem Nabelstrang hakenförmig zur Seite gebogenen Schwanzfaden
dieses Embryo habe ich bereits bei früherem Anlasse besprochen und
abgebildet. •)
Der zweite von obigen Embryonen (XIjV) lag in einem Chorion
von 35 auf 28 mm und war gleichfalls vortrefflich erhalten. lieber
beide Eälle hat Herr Dr. Brenneckg die Güte gehabt, mir die
gynäcol. Daten zu besorgen. Ad XXIX: die letzten Menses traten
am 24. April auf, im Mai blieb die Periode aus, am 20. Juni begann
ein Abgang blutig seröser Elüssigkeit, am 23. folgten Coagula, am
24. Juni heftigere Wehen und Abgang der Frucht. Letztere kann
unmöglich bei Beginn der Abortuserscheinungen abgestorben sein,
dagegen spricht ihr vorzüglicher Erhaltungszustand. Ad XLV: der
Fall stammt aus der Praxis des Herrn Dr. Gtähde, der an Herrn
Dr. Beennecke folgendes gemeldet hat: Letzte Periode am 20.
October; schon am 1. Dezember Frost und Kolikschmerzen (wahrscheinlich vom Darm ausgehend); am 10. Dezember leichte Wehenschmerzen, die sich nach zwei Tagen wieder beruhigten. Erst am
22. Dezember trat ohne äussere Veranlassung eine heftige Wehe
mit Ausstossung der Frucht ein. Auch hier haben die dem Abortus lang vorausgehenden krankhaften Erscheinungen das Gedeihen
des Embryo offenbar in keiner Weise zu beeinträchtigen vermocht.
XXVni. Herr Dr. Geyl in Dordrecht sendet mir den 22. Juni
1880 eine äusserlich unverletzte Frucht von elhpsoider Gestalt, 4 cm
auf 3 cm lang, sie zeigt den sehr ausgesprochenen Gegensatz von
Chorion laeve und frondosum. Die letzte Periode war am 29. März
eingetreten, der Abortus am 15. Juni, d. h. 7 Wochen nach der
ersten ausbleibenden Periode. Als Ursache des Abortus sieht Herr
G. eine hochgradige Eetroflexion an, complicirt mit Endometritis
und Endocervitis. Der Embryo war völlig erweicht und innerhalb
des uneröffineten Chorions derart zerrissen, dass die Eingeweide, Leber
und Herz bis zum Kehlkopf herauf am Nabelstrang festhingen,
während Kopf und Eumpfstamm davon getrennt waren.
LXXrV. Dies sehr schöne Präparat nebst dem zweiten eines
ca. 3 cm langen Fötus hat mir Herr Dr. C. Buge in Berlin ge
1) Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abth. 1880. S. 436.
96 Anhang.
schenkt, dessen reichhaltige Sammlung eine Eeihe von interessanten
und gut conservirten Stücken enthält. Als ich das Präj^arat erhielt
war das Chorion hereits eröffnet, 2.8 auf 2.3 cm messend. Das
Amnion umschloss den Embryo so, dass dieser höchstens um 1 mm
von ihm abstand, die Nabelblase war durch einen ca. 8 V2 mm langen
Stiel vom Körper getrennt.
XXin. Im September 1879 übergiebt mir Herr Professor J. J.
Bischoff in Basel eine eröffnete Frucht, mit zwei in demselben
Chorion liegenden Embryonen, beide sind wohl gebildet und von
gleicher Grösse; sie sind auch vom gemeinsamen Amnion umhüllt
gewesen. Gleichzeitig mit diesen beiden ist noch ein dritter Embryo ausgestossen worden, der nicht nur von einem besonderen
Chorion, sondern auch von einer besonderen Decidua reflexa umschlossen war.
XXXV, XXXVI und XXXVIL Als ich im Jahre 1875 Herrn
Prof. Er. Schmidt in Copenhagen besuchte, zeigte mir derselbe
neben manchen anderen wissenschaftlichen Schätzen einen prachtvollen, noch innerhalb seiner Häute liegenden Embryo von 12 bis
13 mm. Prof. Schmidt hatte damals die Absicht, dies Präparat
eingehend zu bearbeiten, ein Unternehmen, dessen Ausführung durch
Ueberlastung mit amtlichen Geschäften verzögert worden ist. Nach
dem Erscheinen der ersten Lieferung meiner Schrift hat mir mein,
leider bald nachher verstorbener Freund dies Präparat nebst zwei
anderen sehr schönen Stücken durch seinen damaligen Prosector
Dr. Chievitz zugesandt und zur freien Bearbeitung überlassen. Ich
habe dasselbe mikrotromirt und sorgfältig durcharbeitet und so werde
ich später noch mehrmals Anlass haben, auf dasselbe zurückzukommen. Wie von manchen anderen meiner guten Präparate, so
hat übrigens auch von diesem der verstorbene Anstaltsphotograph
Herr Th. Honikel vorzüghche Stereoscopbilder aufgenommen. Gynäcologische Notizen liegen in Betreff dieses Stückes keine vor, wohl
aber in Betreff des mit partieller Ectopia cordis behafteten Embryo
S 2 XXXVI. Die stets regelmässig menstruirte Frau hatte die letzte
Periode Anfangs März, der Abortus erfolgte am 24. April 1874.
Der Embryo war noch beinahe dm'chsichtig, als er abgegeben wm-de
und wurde von Prof. Schmidt sofort in starken Alkohol gebracht.
Notizen über die wichtigeren Präparate der Tabelle I. 97
XL VI. Herr Dr. Schütz in Hamburg, dem ich schon das interessante Stück LXVI verdanke, sendet mir den 29. Mai 1881 einen
eröjBFneten Abortus mit sehr schön erhaltenem Embryo von 13 '/2 mm.
Die Mutter, Ilpara, 21 Jahr alt, eine kräftige Frau, an Vaginitis
behandelt, hatte vor 6 Wochen zum letzenmal die Regel gehabt. — ■
Das Amnion bildet einen Sack von 18 auf 15 mm und steht vom
Embryo bereits um mehrere Millimeter ab. Die Hautdecken sind
noch durchscheinend und lassen besonders das Detail der Hirngiiederung sehr schön erkennen.
XLI. Diesen Fig. 45 abgebildeten schönen Embryo hat mir im
August 1880 Herr Dr. Feiedländer Prosector am städt. Krankenhaus in Berlin zu übersenden die Güte gehabt; er war bereits aus
den Häuten herausgenommen als ich ihn erhielt und am Kopf, wohl
in Folge des Transports, ein wenig verletzt.
Gleichfalls ohne Häute, aber in gut erhaltenem Zustand sind
mir die beiden Embryonen LI und LVIII von den Herren Dr.
Schmidt in Lindenau und Dr. Meyer in Hoyerswerda eingesandt
worden. Vorzüglich ist auch der aus einer Extrauterinschwangerschaft stammende kleine Fötus LXXVII, den mir Herr Prof. Weigert
übergeben hat, sowie der noch mit seinen Häuten versehene Fötus
LXXVni, den ich Herrn Dr. Leopold verdanke.
Von dem Embryo XI besitze ich nur noch eine ältere Profilzeichnung, er war mir seiner Zeit durch Herrn Dr. Greppin in Basel
überbracht worden.
Aus der Sammlung der aufgehobenen chirurgischen Akademie
in Dresden stammen endlich zwei eröfihete Uteri gravidi, von denen
der eine einen Embryo von 15, der andere einen solchen von 25 mm
enthält; besonders der erstere (XXXIV) ist ein vorzügliches, noch
mit Amnion und ISCabelblase versehenes Stück, dessen Natur als
Sammlungspräparat ich gelaubt habe auch für die Zukunft respectiren zu müssen.
His, Henschl. Embryonen. IL
98 Anhang.
Notizen über die beolbacliteteii Missbildungen.
Wie ich dies schon S. 12 hervorgehoben habe, so sehe ich es nicht
als meine Aufgabe an, die Missbildungen, denen ich begegnet bin,
eingehender zu bearbeiten, ich würde durch ein solches Unternehmen meine verfügbare Arbeitskraft ungehörig zersplittern und ich
gebe daher hier nur eine kurze, von einigen orientirenden Abbildungen begleitete Aufzählung der Stücke.
xci.
Fig. 48-50.
XCn und XLni. Zwei dem Chorion unmittelbar aufsitzende
Knötchen. lieber das eine ältere Präparat habe ich keine andere
Aufzeichnung, als dass die Frucht von einer Leipziger Hebamme
eingeliefert worden ist. Das zweite Präparat ist mir (26. November 1880) von Herrn Prof. Hohen aus Marburg eingesandt worden.
Das Chorion das noch im Lichten 28 auf 14 mm mass, zeigte innerhalb eines geschlossenen Amnion das kleine Fig. 49 abgebildete
Knötchen, das mit einem kleinen Endknopf versehen erscheint.
XCL Diese Form, etwas complicirter als die beiden vorigen,
zeigt einen beträchtlich voluminöseren, eingeschnürten Körper; von
der zwischen beiden Hälften befindlichen Kinne geht ein kurzer Stiel
zum Chorion ; ihr sitzen auch einige kleinere Knötchen an, eine Art
von Kranz bildend.
Notizen über die beobachteten Missbildungen.
99
Unter dem Nammen atrophischer Formen hahe ich einige
Bildmigen zusammengestellt, die bei allen sonstigen Verschiedenheiten doch darin mit einander übereinstimmen, dass zwar der Em
JJÜÜLVUIL.
XCHL;
Fig. 51-59.
bryo seiner allgemeinen Gestalt nach deutlich angelegt, aber abnorm
verbildet und jedenfalls weit unter der dem Choriondurchmesser entsprechenden Gresammtgrösse ist.
7*
100
Anhang.
XCV. Ist ein kleines ziemlicli weiches Gebilde von nur 2.3 mm
Länge, das die verschiedenen Aljschnitte Kopf, Beckenende und selbst
Andeutung von Extremitäten eben noch erkennen lässt und das
durch einen kurzen Stiel dem Chorion verbunden ist.
Die nun folgenden Nummern LXXI, LXIX, LXXXVIII, XCHI
und LXXVI verdanke ich zum Theil der Güte auswärtiger Collegen,
der HeiTcn Dr. Landsberger in Posen, Dr. Schott in Frankfurt,
Dr. Rissmann in Sudenburg- Magdeburg und Prof. Flemming in
Kiel. Eine gemeinsame Eigenthümlichkeit der Embryonen liegt
in dem Zurückbleiben der Kopfentwickelung und in der auffallenden
Krümmung des Oberkörpers. Letzterer ist bei den meisten dieser
Stücke in beinahe rechtem AVinkel vom Eücken nach vom abge
ISXXVE.a
:oT[ii. i.
Flg. 60—61.
Embryo XXXVH im Profil und von vorn.
bogen, wobei der Kopf, anstatt seine Gesichtsfläche der Brust zuzuwenden , frei nach vorn hervortritt. ^ Bei allen diesen Formen
findet sich ferner jene auffallende Oefifnung des Mundes, die wir
früher (S. 40) als einen Charakter jüngerer Entwickelungsstufe vor
Eintritt der Nackenbeuge kennen gelernt hatten. Im IJebrigen
zeigen die Stücke unter sich mancherlei Abweichungen in Beziehung
auf die relative Grösse der einzelnen Körperabschnitte, in Beziehung
auf das Hervortreten gesonderter Schlundbogen und in Beziehung
1) Solche winklig gebogenen Embryonen sind auch anderen Beobachtern,
schon begegnet ; so finde ich eine hierher gehörige Form in dem Aufsatz von
DoHRN in der Monatsschr. f. Geburtskunde. 1863. Bd. 21. Taf. II, 20 und 21 ;
ebenso bei Panum, Nordisk med. Arch. I. Taf. I, 2.
Notizen über die beobachteten Missbildungen.
101
auf sonstige Einzelnheiten. Besonders auffällig ist Nr, XCIII wegen
der eigenthümlichen, der Stirn anhaftenden Quasten.
Fig. 63-65.
Nr. L gehört, obwohl der Grösse nach über der vorigen Form
stehend, auch in deren Nähe. Besonders auffallend ist hier der tiefe
102
Anhang.
Einsclinitt der Rautengrube und die im Verhältniss zur Entwickelungsstufe auffallende Aufrichtung des Kopfes und weite Oeffnung
des Mundes.
Auch Embryo XXXI, den mir Herr Prof. Ahlfeld gegeben
hat, ist zwar in der Entwickelung nicht hinter den Häuten zurückgeblieben, zeigt aber die abnorme Aufrichtung des Kopfes mit
gleichzeitig weiter Oeffnung der Mundspalte; es war bei diesem
Embryo der vordere Theil des Gehirns zu einer sehr dünnwandigen,
vom dahinterliegenden Abschnitte scharf sich absetzenden Blase aufgetrieben.
Des Embryo XXXVH habe ich schon früher Seite 14 gedacht, weil derselbe trotz abnormer Bildung doch vorzügliche Beschaffenheit der histologischen Elemente gezeigt hat und dabei in
der Körpergrösse der Eihäuten entspricht. Auch hier fehlt die gehörige, der Entwickelungsstufe entsprechende Zusammenkrümmung
des Oberkörpers; die Stirn ist abnorm kurz, das Herz völlig
quer gelagert und die beiden TJnterkieferfortsätze in der Mitte unvereinigt, ein unpaares Zwischenstück erscheint zwischen dieselben
eingeschoben.
Notizen über die beobachteten Missbildunsen.
10?
Eine höchst sonderbare Gruppe bilden die vier Embryonen, die
ich in der Tabelle als Cy lind er formen zusammengestellt habe^
(XC, XLYJIl, LXXXIX und LXXXY). Alle vier haben das gemein,
dass sie verhältnissmässig gross (11.3 — 13.7 mm) und dabei doch in
ihrer Gliederung völlig zurückgeblieben sind. Drei derselben sind
beinahe völlig gestreckt, nur einer etwas mit dem Kopf vomübergebogen. Dabei ist der Kopf kaum mit Andeutung eines Auges, einer
Mundbucht oder einer Nasengrube versehen. Schlundbosren fehlen
Tis. 67.
ganz und gar und die Extremitäten erscheinen nur als knollige runde
Vorsprünge des im übrigen walzenförmigen Kumpfes. Auffallend ist
femer die Wiederkehr von Stirnquasten bei XI.
Von den Fällen der letzten, gemischten Kubrik meiner Tabelle
habe ich nur XCIV als vorzüglichen Eall einer Spina bifida und
den Eall LIX abgebildet. Dies letzte Präparat verdanke ich Herrn
Dr. Leopold. Nach den vorhandenen Angaben musste der Embryo volle 4 Monate alt sein, womit die Grösse selbstverständlich
104 Anhang. Notizen über die beobacliteten Missbildungen.
nicht stimmt. Die letzten Menses der Frau, einer Vpara, waren nämlich den 23. — 30. Nov. 1880 erfolgt, die Ausstossung am 19. April
1881. Das Chorion mass 5 auf 4'/2 cm, war zottenarm und an
seiner Innenfläche vom Amnion unmittelbar bekleidet. Auffallend
ist an diesem Embryo die aufgerichtete Stellung des Kopfes, die weite
Oeffnung des Mundes, die tiefe Einsenkung der Kauten- und der
Nackengrube , die gespreizte Stellung der Extremitäten. Das Präparat wurde zur genaueren Untersuchung an Herrn Prof. E. Klebs
in Zürich abgegeben.
Den an und für sich sehr interessanten Fall einer Ectopia
hepatis LXXXVII habe ich nicht abgebildet, da derselbe schon
der Grösse nach aus dem Bereich der in dieses Heft behandelten
Formen herausfällt. Die Leber, nebst der grösseren Menge der Gedärme befindet sich bei diesem Präparate innerhalb des entsprechend
aufgetriebenen Nabelstrangs.
Druck von J. B. Hirschfeld in Leipzig.
ANATOMIE
MENSCHLICHER EMBRYONEN
VON
WILHELM HIS.
ni.
ZUR GESCHICHTE DER ORGANE.
MIT 156 ABBILDUNGEN IM TEXT
UND ATLAS (TAFEL IX — XIV u. I*.)
LEIPZIG,
VERLAG VON F. C.W.VOGEL.
1885.
A
i
Das Uebersetzungsrecht ist vorbehalten.
Die Nachbildung der Figuren bedarf der Genehmigung
des Verlegers.
Inlialtsverzeichniss.
Seite
Einleitung: 1
Benutztes Material 7
Allg'emeine Gliederung- des Eing-eweiderohres 12
Mundbucht, Vorderdarm, Mitteldarm und Hinterdarm 12
Profilconstruction des Eingeweiderohres 13
Frontalconstruction des Eingeweiderohres 22
Der Mundrachenraum und seine Zugänge 26
ÄUgeineine Gestaltung 26
Der primitive Mund 30
Der primitive Gaumen, die Bildung der äusseren Nase, der Oberlippe,
des Zwischenkiefers und der Vorgebilde des deßnitiven Gaumens 33
Das Nasenfeld und die Bildung der Nasenliöhle 45
Septum narium, seitlicher und mittlerer Stirnfortsatz 49
Die äusserliclie Entwickelung des Unterlciefers und der Inframaxil
largegend 56
Die Vorderhand des Mundrachenraumes und deren Umbildung . . 60
Verhalten der Änfangsstufen 60
Mesobranchiales Feld, Tuberculum impar und Furcula .... 60
Fundus branchialis und Sulcus arcuatus 62
Crista terminalis 64
Bildung der Zungenanlage, der mitlleren Schilddrüsenanlage und des
Kehlkopfeingan ges 64
lieber die Herkunft der Zungenmusculatur 72
Sublingualplatte und Sublingualhöhle 75
Die Innervation des Mundrachenraumes 77
Deutung der Theile im ausgebildeten Mundrachenraum 79
Plica triangularis und Fossa supratonsülaris 82
Die Kopfnerven und ihre Beziehungen zu den Gliedern des Kopfes 86
Heber die Herkunft der Kopfmusculatnr 91
Heber die Entstehung der Speicheldrüsen und der ersten Zahuaulage 94
IV Inhaltsverzeicliniss.
Seite
Bildung der Scliilddrüseuaulag-e 97
Ductus thyreoglossus 97
Ductus lingualis und Ductus thyreoideus 100
Die primäre Anlage der Tliymus 103
Sinus praecervicalis 106
Halskiemenfisteln 108
Literarische Auseinandersetzung zu den vorangegangenen Abschnitten 111
Die BildongsgescMclite des Halses 115
Das Herz 129
Die Grundform des embryonalen Herzens 129
Trennung der einzelnen Äbtheilungen 135
Das Endothelrohr des Herzens 141
Die zum Herzen hinführenden Gefässstämme, der Si7ius U7id Saccus
reuniens und die Porta vestibuli 143
Die Area interposita, die Eustachi' sehe Klappe und die Spina vestibuli 149
Der Ohrkanal und die Bildung der Ostia venosa 152
Das Sepium aorticum 160
Die Verbindung der Scheidewände des Herzens 162
Die Scheidung der beiden Vorhöfe 167
Die Einmündung des Sinus coronarius und die Lungenvenen . . . 169
Muskel- und Bindegewebsantheil der Herzwand, Epicardium imd
Faserringe 171
Die Beziehungen des ausgebildeten Herzens zum embryonalen . . 173
Historische Notizen betreffend die Lehre vofi der Herzent/vickelung 178
Die Aortenbogen 185
Carotis externa und interna 186
Aa. vertebrales und A. basilaris 193
Rückbildung der Aorta descendens dextra 194
Aortenenge und Aortenspindel 196
Die Bildung der Aorten wand 198
Ton der Umlbildang der zum Herzen führenden grossen Venenstämme 200
Venae omphalomesentericae und Lebervenen 202
Venae umbilicales 204
Vena ascendens oder V. Aeanzii 206
Vena Portae 206
Die Formentwiclreluug des äusseren Ohres . . . 211
Bauchstiel und Nahelstraug 222
Nachtrag zu Seite 80 227
Erklärung der Tafeln 229
EINLEITUNG.
Mit diesem dritten Heft hatte ich das seit mehreren Jahren
in Veröffentlichung hefindliche Werk zu einem vorläufigen Ahschluss
zu bringen gehofft. Indessen ist mir dies nicht möglich gewesen,
und ich muss mich diesmal damit begnügen, statt einer vollen
Organgeschichte nur Theile einer solchen zu geben. Die Fülle des
zu verarbeitenden Stoffes ist eben eine ungemein grosse, und ein
jeder Theil verlangt, wenn seine Geschichte vom Anbeginn aufgenommen und befriedigend durchgeführt werden soll, eine besondere monographische, von vielen Abbildungen unterstützte Darstellung.
Die Menge der Zeichnungen, die sich allmählich in meinen Mappen
angehäuft haben, ist denn auch eine verzweifelt grosse geworden
und sie bereitet mir nachgerade mehr Sorgen, denn Freude, da es
mir immer schwieriger erscheint, derselben publicistisch Herr zu
werden und auch nur die wichtigeren der Figuren zur Eeproduction
zu bringen. So habe ich mich zur Herausgabe des Heftes in seiner
gegenwärtigen Form entschlossen, weil ich erwarten durfte, durch
Ordnung von einem Theil des Stoffes wieder Luft zur Bearbeitung
des noch übrigen zu gewinnen. Manche von den fehlenden Abschnitten hoffe ich, falls mir die Kraft bleibt, in einem Schlussheft,
im Laufe der nächsten Jahre nachliefern zu können. Anderes mag
jüngeren Forschern vorbehalten bleiben.
Für die einzelnen System- und Organgeschichten bin ich in
erster Linie bestrebt gewesen, die grundlegenden Vorgänge
der Formentwickelung klar zu stellen; an diese können spätere,
auf das Detail gehende Untersuchungen leicht wieder anknüpfen.
His, Menschl. Emloryonen. III. 1
2 Einleitung.
Daneben aber habe ich dem Ineinandergreifen der verschiedenen Entwickehmgsvorgänge besondere Aufmerksamkeit gewidmet
und ich habe die räumlichen, die zeitlichen und, soweit als möglich,
auch die causalen Beziehungen der einzelnen Organentwickelungen
zu einander nach Kräften zu verfolgen gesucht. Schon die Thatsache, dass innerhalb der jeweiligen Körpergrenzen der Raum von
den vorhandenen Theilen stets ausgefüllt bleibt, ergiebt mit Nothwendigkeit, dass die Formentwickelung der Theile durch deren wechselnde Nachbarbeziehungen wesentlich beeinflusst werden muss. Noch
bedeutsamer aber für das Ineinandergreifen ganzer Reihen von Entwickelungsvorgängen erweisen sich jene Einflüsse, welche über grössere Körperstrecken zugleich sich ausdehnen, die Zusammendrängung
oder die Streckung bestimmter Bezirke und vor allem jene Veränderungen der Gesammtform, welche aus der Zusammenbiegung
und der Wiederaufrichtung der Körperaxe hervorgehen.
Wenn man die Ueberschriften der Capitel durchgeht, die in
diesem Heft vereinigt sind, so machen sie vielleicht den Eindruck
einer etwas bunten Reihe; auch bin ich in Verlegenheit gerathen,
als ich den mitgetheilten Stoff in grössere Capitel zusammenfassen
wollte. Man wird indessen gewahr werden, dass die behandelten
Fragen meistentheils untereinander verflochten sind. AVenn z. B.
mitten in die übrigen Abschnitte ein Capitel von den Kopfnerven
und dann wieder eins über die Bildung des Halses eingeschaltet
erscheinen, so sind diese eingeschobenen Capitel doch an ihrem Platze,
weil sie die zum Verständniss anderer Dinge nothwendigen Gesichtspunkte eröffnen. Eine streng nach Systemen durchgeführte Behandlung der Körperentwickelung wird stets nur ein sehr lückenhaftes
Bild von dem Ineinandergreifen der Entwickelungsvorgänge gewähren und daher nicht im Stande sein, zu einem eingehenden
Verständniss der letzteren hinzuführen. Die meisten Abschnitte des
Heftes behandeln die Geschichte des Kopfes und Halses, indessen
ist weder diese Geschichte erschöpfend durchgeführt, noch sind andere
Abschnitte ausgelassen, und so wäre es vielleicht am richtigsten gewesen, ich hätte das Heft mit der Aufschrift: „Aufsätze zur Geschichte der Körperorgane" betitelt.
Einen selbständigen Abschnitt des Werkes bildet übrigens die
Erklärung der Tafeln, ich habe daselbst die Entwickelung der
Einleitung. 3
äusseren Körperform recapitiüirt und das im zweiten Heft hierüber
Gesagte nach verschiedenen Sichtungen hin ergänzt.
An einigen Stellen bin ich genöthigt gewesen, Meine anatomische Excurse einzuschieben, so bei der Zunge, bei der Tonsillengrube, beim Herzen und beim Aortenbogen. Es stellt sich nämlich
heraus, dass anatomische Eigenthümlichkeiten der Theile auch von
den allerausführlichsten Beschreibungen oftmals unbeachtet bleiben,
falls diese nicht von genetischen Gesichtspunkten aus entworfen sind.
Es bedarf wohl kaum der besonderen Erwähnung, dass nummemreiche Schnittreihen auch diesmal die Basis meiner Arbeit bilden.
Laut der unten mitgetheilten Tabelle sind es zwischen 4 — 5000
Schnitte, die mehr oder minder sorgfältig durchgearbeitet werden
mussten. In den Tafeln XI und XII, die schon vor mehreren
Jahren lithographirt worden sind, habe ich für einige der jüngeren
Embryonen (Lg, BB, Lr und R) zusammenhängende Schnittreihen
reproducirt. Im TJebrigen bin ich aus naheliegenden Gründen vom
System einer Massendarstellung von Schnittbildem zurückgekommen
und ich habe mich für die späteren Stufen auf die Wiedergabe
einzelner Schnitte oder Schnittstücke beschränkt. Dafür aber habe
ich mich um so mehr bemüht, möglichst durchgearbeitete Reconstructionsbilder der verschiedenen Stufen herzustellen.
Die von mir angewandte constructive Methode ist, wie ich ja
nicht verhehlen will , eine recht mühsame und umständliche. Schon
auf den jüngsten Stufen verlangt ein einziger Embryo zu seiner Bewältigung eine Wochen, selbst Monate dauernde, unausgesetzte Arbeit,
und die zur Durcharbeitung der Schnitte eines Embryo von 5 bis
6 Wochen nöthige Zeit lässt sich nur nach Jahren bemessen. Dabei
schliesst die Methode das Vorkommen von Zweifeln oder Fehlern
im Einzelnen nicht unbedingt aus, denn es spitzt sich zuweilen
eine Entscheidung auf einen oder auf wenige Schnitte zusammen,
welche durch irgend einen Zufall ein unklares Ergebniss liefern.
Indem aber ein jedes Ergebniss durch alle übrigen controllirt wird,
ist die wachsende Garantie geboten, für die schliessliche Eliminirung aller Zweifel und Fehler. Vor allem giebt die Methode jene
Klarheit und Sicherheit räumlicher Anschauung, ohne welche eine
Anatomie des Embryo ebensowenig, als eine solche des Erwachsenen
denkbar ist. Es ist meines Erachtens dringend an der Zeit, dass
1*
4 Einleitung.
die embryologisclie Literatur von dem geistlosen System ausschliesslicher Schnittbeschreibungen sich endgültig frei macht und wieder
zur Betrachtung der Gesammtform zurückkehrt. So bequem jenes
System für den Autor sein mag, so unerträglich ist es für den
Leser, so wenig ausreichend für eine Wissenschaft der Torrn. Auf
welch traurigem Standpunkte müsste z. B. noch heute die Anatomie
des Menschen stehen und wie mühsam wäre deren Studium und
Vortrag, wären wir darauf angewiesen, anstatt der Formbeschreibungen des Körpers und seiner Organe nur Beschreibungen von
Durchschnittsbildern zu geben. Mag die Kenntniss der Durchschnittsbilder allenfalls genügen zur Beurtheilung von Fomen allereinfachster Art, wie etwa einer Kugel oder eines Cylinders, so kann
sie doch schon bei sehr massiger Abweichung von rein geometrischer
Gestaltung nicht mehr ausreichen. So würden wir uns schon von
der Gesammtform einer Extremität aus der blossen Schnittbetrachtung nur grob annähernde Vorstellungen zu bilden vermögen. Allen
verwickelten Formen gegenüber erweist sich jene als höchst unzureichend, wo nicht geradezu als irreführend. Noch heute, nach vieljähriger Beschäftigung mit embryonalen Schnitten und mit deren
Wiederaufbau, wage ich es nicht, mir aus der Schnittbetrachtung
allein eine Gesammtvorstellung von der wirklichen Form zu machen
und bei jeder neuen Construction erfahre ich wieder die eine oder
die andere unerwartete Ueberraschung. Die Formableitungen, die
man sich beim Durchmustern von Schnittreihen im Kopf zurechtzulegen pflegt, erweisen sich eben bei sorgfältiger Nachprüfung nur
allzu oft als unzureichend oder als hinfällig.
Nach meinem Dafürhalten sind sonach solche Arbeiten als
methodisch unvollkommen und damit als wissenschaftlich nicht beweiskräftig anzusehen, welche bei Feststellung complicirter anatomischer Formen auf die blosse Schnittbetrachtung sich beschränken,
ohne auf deren Grund die exacte Keproduction der Form zu unternehmen. Es gilt dies nicht nur für das embryologische Gebiet,
sondern unter Anderem auch für das der nervösen Centralorgane.
Auch hier wird die Forschung erstreben müssen, gute Integrationsmethoden einzuführen, soll sie anders dahin gelangen, wirklich anschauliche Bilder vom Verhalten der einzelnen Massencomplexe und
Faserbahnen zu schaffen. Uebrigens freue ich mich anzuerkennen,
Einleitung. 5
dass unter den jüngeren Forschern wenigstens Einzelne die Nothwendigkeit von Integrationsmethoden einselien, und ich begrüsse in
der Hinsicht insbesondere die Arbeiten von Born. Mit seiner vervollkommneten Methode der Plattenmodellirung hat dieser Autor ein
sicherlich vielseitig brauchbares Forschungsmittel in Gang gebracht,
und hoifentlich wird sein Beispiel gute Nachfolger finden.')
Es ist wohl noch kaum an der Zeit zu untersuchen, ob überhaupt und inwieweit Born's Plattenmodellirung vor der Constructionsmethode den Vorzug verdient. Letztere wird, wie auch Born anerkennt, durch jene nicht überflüssig, und es scheint mir vorläufig,
dass für Eruirung feinerer Details und insbesondere auch für die
gleichzeitige Darstellung verschiedener, räumlich sich durchsetzender
Gebilde die Construction das ergiebigere Hülfsmittel ist. Da übrigens
eine Methode die andere nicht ausschliesst, so werden die beiden
voraussichtlich für manche Verhältnisse sich controllirend ergänzen.
1) Bei meinen Arbeiten über die Entwickelung des Hühnchens habe ich
vor Jahren die Herstellung der Formen durch Zusammenfügung ausgeschnittener Wachsplatten auch versucht und damals verschiedentlichen Nutzen aus
der Methode gezogen. Indessen bin ich doch bald zu der durch den Tasterzirkel
controllirten freien Modellirung übergegangen, bei welcher übrigens in jedem
Falle gewisse Hauptprofile als Ausgangspunkt des Modellaufbaues genommen
worden sind. Durch die jetzige vollkommenere Schnitttechnik und durch Born's
Einführung von Wachstafeln gegebener Dicke hat die synthetische Modellirmethode an Vorzügen jedenfalls sehr gewonnen. Ich habe nach Born's Angaben
einige Modelle herzustellen gesucht, möchte aber nach meinen Erfahrungen doch
hervorheben, dass Born zu weit geht, wenn er glaubt, seine Methode müsse
auch in den Händen Ungeübter sichere Resultate geben. Born unterschätzt,
wie dies gewandten Künstlern oft geschieht, die eigene Geschicklichkeit und
Erfahrung. Die Schwierigkeit liegt bei der BoRN'schen Methode darin, dass
ein Nachmodelliren der aufeinandergeschichteten Wachstafeln nicht zu vermeiden ist. Sowie man aber an dem weichen Materiale modellirt, verlieren
die ausgeschnittenen Scheiben ihre Bedeutung als maassgebende Originalien,
und man muss eben wieder auf Zirkelmessungen und auf die übrigen Hülfsmittel der freien Modellirung zurückgreifen. Ein zuverlässigeres Material liefert
in der Hinsicht die Holzpappe, die man im Handel in jeder gewünschten Dicke
beziehen und mittels der Laubsäge beliebig fein ausschneiden kann. Aus
diesem Material bestehen z. B. die schönen geologischen Modelle, welche auf
Prof. Heim's Anregung von verschiedenen seiner Schüler hergestellt und durch
die Firma J. Wurster & Cie. in Zürich in den Handel gebracht sind. Solche
Pappmodelle von embryonalen Organen habe ich mir auch herzustellen versucht, und ich habe ihnen keinen anderen Vorwurf zu machen, als dass das
Aussägen der Scheiben sehr zeitraubend ist. Dem kann allenfalls durch Zuhülfenahme eines Technikers abgeholfen werden.
C Einleitung.
In Betreff der Abbildungen habe ich mich zwei völlig verschiedenartigen Anforderungen gegenübergestellt gesehen : einestheils verlangen die zarten Formen des embryonalen Leibes eine Wiedergabe
von möglichst vollendeter künstlerischer Ausführung, anderntheils
aber besteht das Bedürfniss nach recht zahlreichen und wissenschaftlich übersichtlichen Figuren. Absolut genommen schliessen sich die
beiden Forderungen nicht aus, aber in der Praxis stösst ihre Vereinigung auf viele Schwierigkeiten. Ich habe mir dadurch zu helfen
gesucht, dass ich den Doppelweg von Tafeln und von Textfiguren
eingeschlagen habe. Für die Tafeln IX, X, XIII, XIV habe ich
meine älteren Zeichnungen unzerlegter Embryonen durch einen sehr
sorgfältigen Künstler Herrn PaUkSch umzeichnen lassen, und indem dabei die Präparate, oder wofern diese nicht mehr vorhanden
waren, deren Photographien auf das gewissenhafteste und unter eingehender Discussion jeder Einzelheit benutzt worden sind, dürfen
die Umzeichnungen den Werth selbständiger und dabei sehr verbesserter Originalien beanspruchen. Herr Pausch hat dann unter
meinen Augen die Zeichnungen auf den Stein übertragen und ich
hoffe, dass die Tafeln nunmehr auch strengen Anforderungen genügen werden. Je mehr man sich übrigens in diese Dinge hineinarbeitet, um so strenger werden die Anforderungen, und so habe
ich von den schon im Jahre 1881 lithographirten Tafeln die eine
(die nunmehrige Tafel XII) zur Hälfte, eine andere ganz wegschleifen
lassen, ebenso haben mich die Unvollkommenheiten meiner älteren
Tafel I veranlasst, diese frisch lithographiren zu lassen.
Was die Textfiguren betrifft, so machen die wenigsten derselben künstlerische Ansprüche, und man wird unschwer erkennen,
dass ich mancherlei Versuche gemacht habe, die geeignetsten Wege
der Reproduction ausfindig zu machen, indem sich im vorliegenden
Hefte mit einigen Holzschnitten Zinkographien von verschiedenster
Form und Ausführungsweise vereinigt finden.
Der königlich sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften habe ich an dieser Stelle besonderen Dank dafür auszusprechen, dass sie mir die Anstellung des Herrn Pausch während
einer längeren Frist bewilligt hat.
Benutztes Material.
Meine ersten systematisch durchgeführten mikrotomischen Zerlegungen ganzer menschlicher Embryonen datiren ungefähr bis zum
Jahre 1876 zurück. Die Kunst, ganze Embryonen zu mikrotomiren,
war nun aber zu jener Zeit noch nicht entfernt auf der Stufe, die
sie in den letzteren Jahren erreicht hat. Meine älteren Eeihen
sind zum Theil auf 0.25 oder ü.2, zum Theil auf 0.1 mm Schnittdicke angelegt. Letzteres Maass hatte ich insbesondere als Norm
für die im ersten Hefte behandelten Embryonen angenommen. Seitdem bin ich zu den ALTMANN'schen Mikrotomirmethoden und mit
deren Hülfe zu Schnittdicken von 0.025 und 0.02 mm übergegangen.
Noch weiter herunter zu gehen ist für anatomische Zwecke vorläufig
kaum von Nutzen. Der durch die feineren Schnitte gewonnene
Vortheil liegt nicht allein auf Seiten des viel ergiebigeren histologischen Studiums der Schnitte, sondern auch darin, dass dabei eine
viel präcisere topographische Reconstruction möglich wird. Dabei
muss allerdings für den Vortheil ein sehr schwerer Nachtheil in
den Kauf genommen werden. Bei der jetzigen Methode der Paraffinimprägnation schrumpfen nämlich die Embryonen um wenigstens
10 — 15Proc. ihrer verschiedenen Durchmesser ein und man kann
daher nicht mehr, wie bei den älteren Methoden, die absoluten
Maasse der Keconstructionsbilder mit denen des intacten Embryo
in Uebereinstimmung bringen. Glücklicherweise scheint die Zasammenziehung der mit Paraffin dm-chtränkten Präparate eine ziemlich gleichmässige zu sein, denn die Schnitte pflegen keinerlei Verschiebungen zu zeigen, welche man auf Rechnung einer ungleichmassigen Schrumpfung setzen könnte. Auch habe ich gefunden.
8 Benutztes Material.
dass Constructionsbilder, welche auf das Maass der directen Zeichnungen zurückvergrössert worden sind, mit diesen sich meistens in
erfreulicher Uebereinstimmung befunden haben.
In Betreff der günstigsten Schnittrichtung ist es kaum möglich,
beim gleichen Embryo allen Wünschen gerecht zu werden. Bei
manchen meiner Präparate habe ich Kopf und Rumpf nach verschiedenen Eichtungen zerlegt, es hat dies unter Umständen gewisse
Vortheile besonders bei Embryonen, deren Kopf in Wiederaufrichtung begriffen ist. Am zweckmässigsten wird in solchen Fällen der
Eumpf von unten herauf senkrecht zu seiner Längsaxe geschnitten ;
ist man an der Kopfgrenze angelangt, wird das Object im Mikrotom
in die für den Kopf gewünschte Schnittrichtung gedreht. Dabei
giebt die Trennungsfläche eine sehr präcise Reconstructionsbasis für
den Kopf, die oft um so erwünschter ist, als die äussere Gehirncontour nicht immer einen für die Messung brauchbaren Ausgangspunkt liefert.
Ich gebe unten eine tabellarische Aufzählung der von mir
mikrotomirten Embryonen und verweise in Betreff ihrer äusseren
Gestaltung auf das zweite Heft und auf die Erklärung der Tafeln
IX, X, XIII und XI Y. Die fett gedruckten Nummern habe ich constructiv durchgearbeitet. Von den Censuren vorzüglich und gut in
Tabelle der mikrotomirten normalen Embryonen.
Bezeichnung
•=• Länge des
1 Embryo
Schnittrichturg
Schnittdicke
in mm
u
am
<
II
Sonstige
Bemerkungen
Jün(
jere Stad
lien vor Eintritt der Nackenbeuge.
LXVIII (Lg)
2.15
quer
0.02
150
vorzüglich
C (Rf)
s
0.02
80
=
V (L)
2.4
=
0.066
34
gut
incl. Stiel
IV iM)
2.6
=
0.1 u. 0.066
24
=
LYI (BB)
3.2
'
0.02
190
=
LYII (Lr)
4.2
=
0.025
200
incl. Stiel
Benutztes Material.
Bezeichnung
in mm
Schnittrichtung
Schnittdicke
in mm
<
CO
-3 =*
Sonstige
Bemerkungen
Embryonen nach Eintritt der Nackenbeuge.
Embryonen von 4—6 mm. |
• . (BI)
4.25
quer
0.02
245
vorzüglich
ni (ec)
4
Ä
0.1
27
=
LVII (R)
5
=
0.05 u. 0.025
192
=
Kopf getrennt
(^Y)
5
frontal
0.02
75
Kopf allein
Embryonen von 7—8 mm.
LXI (Eck 1)
I(B)
7
7
quer
0.025
0.1
146
59
gut
vorzüglich
unt. Ende nicht
geschnitten
II (A)
7.5
'
0.1
116
"
Kopf getrennt
Embryonen von 8—11 mm.
LXII (Eck 2)
8.5
quer
0.025
272
XVII {&)
8.5
=
0.1
74
gut
XXXIX (Bge)
9
sagittal
0.3
28
(Pr)
10
quer
0.02
370
gut
Embryonen von 11 — 13 mm.
XXIX (BrI)
11
quer
0.1
58
hat im Einguss durch zu
starke Schrumpf, gelitten
LXXIV (Rg)
11.5
'
0.025
360
gut
XXXV (S 1)
12.5
0.1
126
^
XIX ix)
12.8
frontal
0.2
50
s:
(A)
quere
0.2
80
Kopf fehlt
m
sagittal
0.25
12
weich
(i)
=
0.25
36
'
Embryonen von 13—15 mm.
XLV (Br2)
13.6
quer
0.2
39
vorzüglich
XLVI(gch2)
13.8
'
0.02
762
"
Kopf separat
Embryonen von 15—22 mm.
XXXVI (S 2)
15
quer
0.2
50
gut
XX (ß)
17
=
0.2
60
=
(Lhs)
17
frontal
0.025
386
vorzüglich
Kopf allein
XXV iQ)
16.5
sagittal
0.3
7
weich
. . (Zw)
quer
0.02
730
vorzüglich
XVI (g)
22
SS
0.2
155
s:
10 Benutztes Material.
der 6. Colonne besagt die erstere, dass die Schnitte für histologisches Detail sehr günstig waren, während die mit gut bezeichneten
Präparate den Bedingungen einer anatomischen Verwerthung genügt
haben. Zuerst leidet bei ungenügender Conservirung jeweilen das
Centralnervensystem ; das Gehirn und das Rückenmark werden faltig
und mehr oder weniger unregelmässig verzerrt. Solche Präparate
können für die übrigen Organe noch völlig brauchbar sein. Unter
Umständen ist es sogar möglich, die allgemeine Form des Gehirns
trotz faltiger Beschaffenheit seiner Wandungen mit genügender Sicherheit zu reconstruiren.
Ich habe gesucht, jedem einzelnen Stück möglichst viel anatomisches Detail abzugewinnen, allein es ist klar, dass nicht an
jedem Stück Alles erreichbar sein kann, und dass sich die auf gleicher
Stufe stehenden theilweise ergänzen müssen. Besonders günstig
hat es sich gefügt, dass mir seit Erscheinen des ersten Heftes
mehrere sehr junge Embryonen übergeben worden sind (Lg, Rf, BB,
Lr, R, Bl und Pr). Sie haben mir erlaubt, die früher gewonnenen
Grundlagen erheblich zu erweitern und theilweise auch zu verbessern. Auf einige in den älteren Tafeln enthaltene (insbesondere
den Embryo M betreffende) Fehler werde ich an geeigneten Stellen
des Textes zurückkommen.
Einige etwas weiche Stücke (d, i und q) habe ich behufs der
Skelettbearbeitung sagittal geschnitten, im Uebrigen aber fast ausschliesslich auf Querschnitte mich beschränkt. Die Reihen mikrotomirter pathologischer Formen, sowie einige unvollkommene Schnittreihen sind von der umstehenden Tabelle ausgeschlossen worden.
Obige Tabelle enthält von neuen, in Heft II S. 7—10 noch
nicht aufgeführten Embryonen nur die Nummern Rf, Bl, Pr, Lhs
und Zw. Hiervon ist Rf auf Taf. IX Fig. 4 abgebildet. Das Präparat
war verletzt, als es in meine Hände kam; ich verdanke dasselbe der
Gefälligkeit von Herrn Dr. Rolf, damals Assistenzarzt an der hiesigen gynäkologischen Klinik. Der Embryo Bl ist mir durch Herrn
Dr. V. SuRY aus Basel zugesandt worden; er war stark zusammengekrümmt, ähnlich Embryo «, aber etwas grösser als dieser. Embryo
Pr, Taf. XIII Fig. 4 abgebildet, stammt aus dem Uterus einer Suicidirten; den Embryo Lhs hat mir Herr Dr. Lohse dahier (siehe
Tafelerklärung) übergeben und Embryo Zw gehört einem Paar sehr
Benutztes Material. 11
wohlconservirter Zwillinge an, über deren Grösse und Gestaltverhältnisse Fig. 24 von Taf. X Aufschluss giebt.i)
1) Seitdem ich Obiges geschrieben habe, hat H. Fol die constructive
Bearbeitung eines menschlichen Embryo von 5.6 mm Nackenlänge veröffentlicht
(Revue mMicale de la Suisse Romande 15. April 1884 und Recueil zool. Suisse
Bd. I. p. 357). Fol's Embryo entspricht in Grösse und Form meinem Embryo R,
in Betreff dessen ich auf Tafel XII und XIII verweise. Fol hält mir vyiederholte Standreden über die Unzweckmässigkeit meiner dicken Schnitte, indessen hätte er aus meinen im Jahre 1881 erschienenen Mittheilungen zur
Embryologie (Archiv f. Anat. u. Physiol., anat. Abth. 1881. S. 421) entnehmen
können, dass ich seit dem Erscheinen meines ersten Heftes gleichfalls mit
der Technik fortgeschritten und zur Führung feinerer Schnitte gelangt war
und mit Hülfe solcher Constructionen vorgenommen hatte. Uebrigens sind
dicke Schnitte nicht unbedingt zu verwerfen, denn sie ergeben oft Gesammtanschauungen von Organbeziehungen, welche die aus dünnen Schnitten gewonnenen Constructionsbilder in erwünschter Weise ergänzen.
Allgemeine Gliederung des Eingeweiderohres.
Den Zugang zum Eingeweiderohr bildet die als ectodermaler
Blindsack angelegte Mundbucht. Durch das frülizeitige Schwinden der dünnen Eachenhaut öflFnet sich die Mundbucht in das eigentliche, vom Endoderm ausgekleidete Eingeweiderohr, und für die
spätere Betrachtung erscheint eine Trennung um so weniger durchführbar, als weder eine anatomische noch eine histologische Spur
die durchgreifenden Grenzhnien beider Bildungen bezeichnet.')
Seit Remak pflegt man das Eingeweiderohr in Vorder d arm,
M i 1 1 e 1 d a r m und H i n t e r d a r m zu gliedern. -) Die Unterscheidung
1) Die Arcus palatoglossi, welche man als Grenze der Mundbucht herbeizuziehen versucht hat, stehen, wie dies später noch ausgeführt werden
soll, in keinerlei Beziehung zu den Grenzen des primitiven Mundbuchtgebietes.
2) Die oben genannten Ausdrücke sind nicht immer in gleichem Sinn
gebraucht worden. Die Bezeichnung „Vord erdarm" hatte Remak etwas
enger gefasst, als jetzt üblich ist, da er seine „Kopfdarmhöhle" in „Schlundhöhle und Vorderdarm" trennte. Jene umfasst das Gebiet der Schlundbogen
bez. das spätere Pharynxgebiet, dieser erstreckt sich über Oesophagus und
Magen bis ins Duodenum (Unters, über Entwickl. d. Wirbelth. S. 19 u. 49).
KöLLiKER gliedert in „Munddarm, Mitteldarm und Afterdarm", den Mitteldarm wiederum in „Vorderdarm, Mitteldarm im engeren Sinne und in Enddarm". Zum „Vorderdarm" rechnet Kölliker nur Pharynx und Oesophagus,
zum „Mitteldarm" Magen, Dünn- und Dickdarm, zum „Enddarm" das Rectum.
Mund- und Afterdarm sollen ectodermale Auskleidung besitzen und ersterer
bis zu den Arcus palatoglossi reichen (Entwickelungsgesch. 2. Aufl. S. SlO und
Grundriss. 2. Aufl. S. 341).
Für Remak war bei der Unterscheidung der drei Hauptabschnitte deren
ursprüngliches Verhältniss zu den beiden Darrapforten maassgebend gewesen,
wogegen Kölliker Rücksicht auf das Vorhandensein eines Gekröses und
einer besonderen umgebenden Höhle genommen hat. Den RsMAK'schen Gesichtspunkt halte ich, erabryologisch betrachtet, für durchgreifender.
Allgemeine Gliederung des Eingeweiderohres.
13
basirt auf dem Gegensatz der bereits gescblossenen Köhrenstücke
zu dem noch offenen Theil, und sie ist für die jüngeren Stufen
völlig zweckmässig. Bei der fortschreitenden Verschiebung der beiden
Darmpforten ändert sich indessen das Verhältniss der drei Abschnitte
zu einander, für das
fortgeschrittenere Kohr
sind die Bezeichnungen
von unerheblichem
Werth und sie werden
besser durch die bleibenden Namen ersetzt.
Will man indessen auch
da noch den Vorderdarm vom Mitteldarm
trennen, so halte ich
Eemak's Auffassung für
die berechtigte, wonach
Pankreas und Leberanlage dem Vorderdarm
zugetheilt werden. Eine
bestimmte Grenze des ^'
Hinterdarms ist schwer
zu bezeichnen. ^„
Um die fortschreitende Gliederung des
Eingeweiderohres übersichtlich darzustellen,
gebe ich zunächst einige
Profilbilder, bei welchen
die Röhrenwand vernachlässigt und nur die
Röhrenlichtung dargestellt ist. Eig. 1 ist dem jüngsten von mir mikrotomirten menschlichen Embryo Lg entnommen.') Es tritt hier der Gegensatz der
drei primitiven Abtheilungen noch in voller Schärfe hervor, indem
Fig. 1.
Eingeweiderohr des Embryo Lg, 40 fach vergrössert. Die
punktirten Stricbe bezeichnen die mediane Nahtlinie.
Mb Mandbucht, F Fornix, Dpf vordere Darmpforte,
Lb Leberanlage , Nb Nabelblase , Md Mitteldarm,
Bs Bursa, All Allantoisgang.
1) Man vergleiehe auch Taf. IX Fig. 6 u. 7.
14 Allgemeine Gliederung des Eingeweiderohres.
der Vorder- und der Hinterdarm als ventralvvärts geschlossene Röhren
sich darstellen, während der Mitteldarm in seiner ganzen Länge
mit den Nabelblase communicirt. Dieser erscheint demnach nach
Wegnahme der Nabelblase als eine offene Rinne; Vorder- und
Hinterdarm erstrecken sich als blind endigende Gänge in das Kopfund in das Beckenende des Körpers hinein.
Der weitaus grössere Theil des endodermalen Eingeweiderohres
beginnt bekanntlich mit rinnenförmiger Anlage und schliesst sich
weiterhin durch eine mediane Naht vom allgemeinen Endodermsack, bez. von der Nabelblase ab. Hiervon abweichend ist die Bildungsweise von dem obersten Ende des Kopfdarmes und vom Beckendarm. Diese beiden blind auslaufenden Stücke des Rohres sind bei
der Umlegung der vorderen und der hinteren Keimfalte als taschenförmige Ausbauchungen des Endodermraumes entstanden und besitzen an ihrer ventralen Wand keine Nahtlinie. Der Vorderdarm
besteht demnach aus zwei genetisch verschiedenen Abschnitten, einem
kurzen oberen und einem langen unteren. Der obere, den wir als
Eornix bezeichnen können, entbehrt der Sutur und er liegt innerhalb des frei überragenden Vorderkopfes, bez. in dessen Gesichtstheil. Der untere, median verlöthete Abschnitt dagegen zieht sich
hinter dem Herzen herab, durch den Bereich des Hinterkopfes bis
in den Halstheil des Rumpfes hinein, i)
Der dem Beckenende angehörige Blindsack, die Cloake oder
Bursa pelvis ist nicht unerheblich länger als der Fornix. Während aber der letztere ein geschlossener Endabschnitt des von der
Nabelblase sich abtrennenden Endodermrohres ist, gilt von der Bursa
nicht dasselbe. Aus dem ventralen Ende derselben entwickelt sich
eine enge Fortsetzung des Rohres und geht als Allantoisgang
in den Bauchstiel über, innerhalb dessen sie sich auf eine längere
Strecke über das eigentliche Körperende hinaus fortsetzt.
Auch der Allantoisgang ist durch Abschnürung aus dem allgemeinen Endodermsack entstanden und hat sich an seiner ventralen
Seite durch eine mediane Naht geschlossen. Seiner Bildung nach
muss er als die Fortsetzung des S-förmig gebogenen Eingeweiderohres aufgefasst werden, und das wirkliche Ende des letzteren liegt
1) Man vergleiche „Unsere Körperform" S. 20ff., sowie die Fig. 16 u. 23.
Allgemeine Gliederung des Eingeweider obres. 15
demnach niclit im Körper, sondern ausserhalb desselben im Bauchstiel. Allerdings werden wir später constatiren, dass der Bauchstiel
seiner morphologischen Bedeutung nach gleichfalls als eine Fortsetzung des Körpers sich erweist und dass er, nach ähnlichen Principien wie der Eumpf, zu einem compacten Gebilde sich schliesst. •)
Die Rachenhaut ist bei Embryo Lg noch vorhanden und erstreckt sich von der Wölbung des TJnterkieferfortsatzes aus zur Decke
des Mundrachenraumes. Von den beiden spitz auslaufenden Buchten, zwischen welche sie sich hier eindrängt, wird die vordere zur
RATHKE'schen Tasche , die hintere zur SEESSEL'schen Nebentasche.
Im unteren, der Darmpforte zugewendeten Theil des Vorderdarmes markirt eine aus der Seitenwand hervortretende Leiste die
erste und unvollkommene Scheidung vom Respirations- und vom
Digestionstractus. Weit selbständiger prägt sich schon jetzt die
Leberanlage aus; sie besteht aus einem hohlen Gang und aus einer
diesem aufgesetzten compacten Zellenanhäufung. Der Gang zweigt
sich vor der vorderen Darmpforte und unterhalb des Herzens ab
und steigt von da aus steil zur compacten Anlage empor. Die unmittelbar über der Darmpforte liegende Strecke des Vorderdarmes
entspricht der späteren Magenanlage.
Die Gliederung des Vorderdarmes zeigt sich schon bei Embryo BB
(Fig. 2) erheblich weiter fortgeschritten. Die Mundbucht öffnet sich
nunmehr frei in das endodermale Eingeweiderohr. Als Rest der
früheren Rachenhaut findet sich nur noch ein zwischen die Rathkesche Tasche und die SEESSEL'sche Nebentasche eingeschobener Vorsprung. In der Seitenwand des Rohres bilden die Schlundbögen
eine Reihenfolge von selbständig hervortretenden Wülsten. Die Leiste,
welche den vorderen respiratorischen vom hinteren digestiven Röhrenabschnitt scheidet, nimmt ihren Anfang unterhalb der dritten Schlundfurche. In diese Gegend haben wir somit die Stelle des späteren
Kehlkopfeinganges zu verlegen. Das untere Ende der respiratorischen Furche bildet als Lungenanlage einen kurzen nach vorn
gerichteten Blindsack, und liegt dicht hinter dem unteren Ende des
Vorhofes, in dessen Gekröse theilweise sich hineindrängend. Die
nun folgende Strecke des Eingeweiderohres bleibt in sagittaler Rich
1) Zu vergleichen das Capitel „Bauchstiel und Nabelstrang"
16
Allgemeine Gliederung des Eingeweiderohres.
timg imgetbeilt und ist daher relativ weit, sie wird zur Magenaulage. Im Uebrigeu hat sich die geschlossene Strecke des Vorderdarmes verlängert, und die Ahgangsstelle des Leberganges ist theilweise schon in das Rohr mit einbezogen. Auch am Hinterdarm hat
die geschlossene Strecke an
Ausdehnung zugenommen: die
Bursa ist von bemerkenswerther
Länge, ihr blindes Ende ist
steil nach unten, die Abgangsstelle des Allantoisganges gerade
Fig. 2.
Darm vom Embryo BB. Vergrösserung 40.
liT BATHKE'ache Tasche , ST SEESSEL'sche
Tasche, t//i Unterkiefer, A' Kehlkopfeingang,
Lg l.unge, Mg Magen, JV6 Nabelblase, B liursa
pelv., W WoLFr'scher Gang, AH AUantoisgang.
Fig. 3.
Eing^weiderohr von Lr. Vergrösserung 30.
Ch Chorda dorsalis, ük Unterkiefer, St Steiss
spitze des Körpers. Uebrige Bezeichnungen
wie oben.
nach vorn gerichtet. Etwa in der halben Höhe der Bursa münden
jederseits die WoLFF'schen Gänge in den ventralen Theil ihrer
Seitenwand ein.
Aehnliche Verhältnisse wie für BB ergiebt die Construction auch
Allgemeine Gliederung des Eingeweiderohres.
17
für Lr, nur ist hier der Schluss des RohrSs noch weiter fortgeschritten und der Beckentheil hat bereits begonnen, sich aufzurichten.
Die nun folgenden Stufen von «, Bl und E, zeigen den Embryo
stark zusammengekrümmt und demnach auch sein Eingeweiderohr
so gebogen, dass der Fornix nach abwärts, die Bursa nach oben gekehrt erscheint. Der Mitteldarm geht rasch seinem Schluss entgegen
und es erhält sich als offene Strecke nur noch die dünne Abgangsstelle des Darmstieles (Duct. omphalo-entericus).
Fig. 4.
Eingeweiderohr von R. Vergröss.20. Äd Schilddrüse, Zg Zunge, Ep Epiglottis, P Pankreas,
Ds Darmstiel, übrige Bezeichnungen wie oben.
Fig. 5.
Eingeweiderohr von B. Vergrösserung 15.
(Das Pankreas an dieser Figur ist aus der
Nachbarfigur interpolirt.)
In dieser Periode der Entwickelung legt sich auch die Zunge
an und mit deren Bildung erfährt der Mundrachentheil des Vorderdarmes eine erhebliche Verengerung. Unter der Zungenanlage liegt
die mittlere Schilddrüsenanlage, als eine anfangs noch offene
G-rube, die sich dann weiterhin (Fig. 5) vom Mundraüm abschliesst.
Hinter der Zungenanlage folgt diejenige der Epiglottis und
auf diese der Kehlkopfeingang sowie Trachea und Lungenanlage. Die Trennung des Respirationsrohres schreitet von unten
His, Menschl. Embryonen. III. 2
18
Allgemeine Gliederung des Eingeweiderohres.
nacli oben hin fort. %uf der Grenze von Hals und von Kopftheil
macht der Trennungsvorgang Halt und es bleibt hier eine Communicationslücke als Kehlkopfeingang übrig.
Während der Oesophagus von der Lungenanlage und Trachea
sich trennt, tritt auch die obere Magengrenze schärfer hervor, die
untere dagegen hebt sich infolge der allmählichen Verjüngung des
Kohres weniger deutlich ab. Das Duodenum charakterisirt sich
vor allem durch die Abgangsstelle des Leberganges und des
Pankreas. Auch macht dasselbe eine dorsalwärts gerichtete Ausbiegung, welche durch alle späteren Stadien hindurch constant wiederkehrt. Ohne scharfe Grenze
geht das Duodenum in die
lange, ventralwärts ausgebogene Strecke des Mesenterialdarmes über, von deren Scheitel der Darmdottergang abgeht.
Die Bursa erstreckt sich
durch das ganze emporgehobene Beckenstück des
Körpers und sie erscheint
von beträchtlicher Länge.
Der Allantoisgang verlässt
dieselbe fast senkrecht über
der Darmeinmündung und
verläuft dann eine Strecke
weit parallel mit dem Darm
in die Höhe, bevor er sich
abbiegt und in den Bauchstiel eintritt. Die beiden
Urnierengänge erreichen
die Seitenwand der Bursa etwa im ersten Drittel ihrer Länge; vor
denselben ist jederseits ein kurzer Blindsack erkennbar, die erste
Anlage der Nieren.
Die Abgliederung neuer Organe vom Eingeweiderohr findet von
nun ab einen vorläufigen Abschluss und die Veränderungen der nächstfolgenden Stufen beziehen sich auf ein stärkeres Hervortreten einzelner
Fig. 6.
Eingeweiderohr vom Embryo Pr.
Vergrösserung 15.
Allgemeine Gliederung des Eingeweiderohres.
19
Abtheilungen und auf theilweise TJmlagerungen derselben. Das Mundrachen- und das Kelilkopfgebiet auf später versparend, bemerken wir
zunächst die zunehmende Entwickelung der Lungenanlage. Schon
von früh ab biegt sich das untere gespaltene Ende des Eespirationsrohres dorsalwärts um und es umgreift weiterhin die Speiseröhre
von beiden Seiten her. Bald wächst dies Ende in getrennte Sprossen
aus, die dann weiterhin neue, secundäre Seitensprossen treiben. Dabei
kann man feststellen, dass der Verzweigungsunterschied, welcher
zwischen den Bronchien der rechten und der linken Lunge besteht,
RH
Fig. 7.
Eingeweiderohr Tom Embryo Sl. Vergröss. 12,
Cc Coecum, Sg Sexualglied.
Fig. 8.
Eingeweiderohr vom Embryo Seh. Vergröss. 10.
schon in einer sehr frühen Anlage vorgebildet erscheint. Im Laufe
der fünften Entwickelungswoche schreitet die Grliederung des Eohres
rasch voran, wie die Eiguren 7 und 8 zeigen.
Bemerkenswerth erscheint bei Vergleichung der Figuren 4 — 8 die
zunehmende Längenentwickelung von Trachea und von Oesophagus.
2*
20 Allgemeine Gliederung des Eingeweiderohres.
Bei Fig. 4 ist die Länge des letzteren ungefähr gleich der Magenlänge, bei Fig. 7 und 8 beträgt sie etwa das Dreifache der letzteren.
Mit der relativ so bedeutenden Verlängerung des Oesophagus combinirt sich ein Herabsteigen des Magens. Bei Fig. 4 und 5 steht
sein unteres Ende noch hoch über der Abgangsstelle des Darmstieles,
bei Fig. 7 hat es sich letzterem bereits genähert und bei Fig. 8 ist
es fast bis zu dessen Niveau herabgetreten. Der Fundus senkt sich
dabei verhältnissmässig mehr als der Pylorustheil , wodurch die
ursprünglich steile Magenstellung immer mehr zu einer schrägen
sich umgestaltet. Immerhin tritt auch die Pylorushälfte des Magens
so weit herab, dass sie theilweise unter den Anfang des Duodenum
zu stehen kommt, und so zeigen die Figuren 7 und 8, dass das
untere Magenende mit einem aufwärts gekrümmten Bogen in das
Duodenum übergeht und das Pankreas jetzt hinter dem Magen sich
befindet.
Gleich unterhalb der Einmündungssteile von Lebergang und
Pankreas beginnt die Schleife des Mesenterialdarmes. Die Basis
dieser Schleife wird mit Herabrücken des Magens immer kürzer, ihre
Längenausdehnung immer grösser. Schon von Pr (Fig. 6) ab beginnt
der Schleifenscheitel den eigentlichen Bauchraum zu verlassen, um
in die Höhle des Nabelstranges hervorzutreten, und während der
nachfolgenden Perioden nimmt das den Körper verlassende Darmstück an Länge immer mehr zu. Dabei zeigt die Darmschleife
von der Zeit des Heraustretens an eine Torsion, ihr unterer Schenkel
kreuzt den oberen und legt sich auf dessen linke Seite.
Das ursprüngliche Motiv für das Hervortreten des Mesenterialdarmes ist unzweifelhaft in dessen Verbindung mit der Nabelblase
zu suchen. Schon ehe der Mitteldarm geschlossen ist, macht sich
die Zugwirkung in einer ventralwärts gerichteten Ausbiegung seiner
Axe bemerkbar, und nach erfolgtem Schluss spricht für die Andauer des Zuges der Umstand, dass der Darmstiel, so lange er
überhaupt vorhanden ist, vom Ende der durch den Nabel hervortretenden Schleife abgeht. Uebrigens bildet sich der Darmstiel als
eigentlicher Ductus frühzeitig zurück. Bei Embryo Seh und, so weit
ich aus den etwas ungünstigen Schnitten erschliessen kann, schon
bei S 1 besteht kein vom Darm abgehendes Epithelrohr mehr, nur
im Nabelstrang finden sich noch Beste eines solchen. Die Con
Allgemeine Gliederung des Eingeweiderohres. 21
tinuität der Nabelblase mit dem Darm wird nun blos noch durch
die Yasa omphalo-mesenterica erhalten und diese bilden den Faden,
der bei makroskopischer Präparation als Ductus omphalo-entericus
gedeutet zu werden pflegt. — Je mehr der Darm aus der Nabelöffnung hervortritt, um so schmaler wird die Basis der Schleife und
um so länger natürlich sein Gekröse.
Das Gebiet des Mesenterialdarmes ist auf den frühen Fötalstufen der Entwickelung ein weit ausgiebigeres als später. Gleich
unterhalb des Pankreas beginnend,, erstreckt sich dasselbe bis weit
in den Dickdarm herab. Das Coecum, das ich von der Stufe von
S 1 ab aufzufinden vermag, liegt in einem weit vorgeschobenen Theil
der Darmschlinge und ausserhalb der eigentlichen Leibeshöhle im
Nabelstrang. Zu der Zeit reicht der Mesenterialdarm vom unteren
Ende der Pars descendens duodeni ab bis zur späteren Flex. coli
sinistra, er umfasst also ausser Jejunum und Ileum einerseits noch
die Pars inferior duodeni, andererseits das Colon ascendens und
transversum. •)
1) Das Hervortreten des Colons in den Nabelstrang ist eine, seit den
Arbeiten J. Fr. Meckel's wohl bekannte Thatsache. Die Vorgänge secundärer
Verlöthung, welche unter Anderem auch zur definitiven Festheftung des Colon
ascendens führen, sind neuerdings besonders sorgfältig von Toldt studirt
worden in seiner Arbeit über Bau und Wachsthumsveränderungen der Gekröse des menschlichen Darmkanals (Wien 1879). In einem einzelnen Punkte
befinde ich mich mit letzterem Autor in Differenz, insofern als Toldt (1. c.
S. 9) den Anfang der Mesenterialdarmschleife in die spätere Flexura duodenojejunalis verlegt, ich aber an die Grenze der Pars descendens duodeni. Zu
meiner Auffassung bestimmt mich einestheils die directe Beobachtung des
embryonalen Darmes, denn diese ergiebt, dass bei den Embryonen der fünften
bis sechsten Woche die Schleife in der rechten Körperhälfte fast senkrecht
unterhalb der Einmündungssteile des Pankreas ihren Anfang nimmt (Fig. 13
und 14). Anderntheils aber stütze ich mich auf den Befund an einer Leiche,
bei welcher schon die Pars inferior duodeni mit einem Gekröse ausgestatte
gewesen ist. Die von einem circa 12 jährigen Knaben stammende Leiche, an
welcher die primären Gekrösverhältnisse grossentheils sich erhalten haben,
hat nämlich folgenden Befund gezeigt: die Pars descendens duodeni ist in
gewöhnlicher Weise der hinteren Bauchwand angeheftet, dann aber geht sie
rechts vom dritten Lendenwirbel und medialwärts vom unteren Ende der
rechten Niere in ein freies mit Gekröse versehenes Darmstück über, das ohne
weitere Grenzen in das Jejunum sich fortsetzt. Die Strecke der Wirbelsäule
(bez. der grossen Gefässstämme), die sonst von der Pars inferior duodeni überschritten wird, ist vom Bauchfell glatt überzogen und ebenso bildet dieses
einen ununterbrochenen Ueberzug vor der gesammten unterhalb der rechten
22 Allgemeine Gliederung des Eingeweiderohres.
Am Beckenende des Eingeweiderohres scheidet sich die anfangs
so mächtig angelegte Bursa mit zunehmender Entwickelung immer
mehr in ein hinteres und ein vorderes Eohr, bez. in das Rectum
und in den Urogenitalschlauch. Bei Fig. 7 ist das Gebiet der
Bursa schon sehr kurz geworden, bei Eig. 8 ist es kaum noch andeutungsweise vorhanden. Die WoLFF'schen Gänge und die Merenanlage bleiben nach vollzogener Trennung der Bursa mit deren
vorderem Schenkel in Verbindung. Frühzeitig zeigt der Allantoisgang in seinem Anfangstheil eine Ausweitung als erste Anlage einer
Harnblase. Die Merenanlage wächst hinter dem WoLPF'schen
Gang ziemlich rasch in die Höhe und zeigt bald eine Spaltung zunächst in zwei und weiterhin in mehrere Endsprossen. Bemerkenswerth ist noch der Umstand, dass zwischen dem Ende der Bursa
und der Steissspitze des Körpers ein Einschnitt entsteht, der anfangs nicht vorhanden gewesen war. Im Grunde dieses Einschnittes
bildet sich die Afteröffnung aus (An. Fig. 8),
Zur Ergänzung der eben gegebenen Uebersicht lasse ich noch
einige Frontalprojectionen folgen. Bei deren Beurtheilung ist zu
beachten, dass einzelne Strecken des Rohres wegen der Krümmung
des Körpers verkürzt sein werden. Je nach der Schnittrichtung
aber und der Lage der Theile vertheilt sich bei den verschiedenen
Constructionen die Verkürzung verschieden und für die Abschätzung
der relativen Längen der einzelnen Abschnitte dürfen die gegebenen
Ansichten nur sehr behutsam und unter Zuhülfenahme der Profilprojectionen benützt werden.
Die Betrachtung des Kopfdarmes für später versparend, halte
Niere liegenden Bauchwand. Es ist nämlich das Colon ascendens
völlig frei und es besitzt ein Gekröse, das eine Länge bis zu
16cm erreicht. Die Wurzel des Mesocolon ascendens liegt in der Mittellinie vor dem unteren Rande des zweiten Lendenwirbels. In eben dieser
Gegend läuft auch das Mesenterium des Dünndarms aus, dessen Wurzelgebiet somit, gegenüber dem normalen Yerhältniss, sehr zusammengedrängt erscheint. Das Colon descendens ist, wie gewöhnlich, der hinteren Bauchwand
angeheftet und das Ende des Mesocolon liegt vor der Flexura coli sinistra.
Das S romanum, anstatt frei in den Beckenraum herabzuhängen, ist über dem
linken Darmbein dadurch festgehalten, dass es eine Strecke weit mit dem
Colon descendens verlöthet ist. Yon Bauchfelltaschen findet sich die Bursa
ileocoecalis wohl entwickelt und ausserdem eine kleine, rechts von der Wirbelsäule liegende Bursa duodenalis.
Allgemeine Gliederung des Eingeweiderolires.
23
ich mich zunächst nur an den Eumpftheil des Eingeweiderohres.
Schon in einer sehr frühen Zeit, noch ehe das Eohr von der Nabelblase sich abgeschnürt hat, biegt
sich dessen Axe abwechselnd
nach links und nach rechts von
der Medianfläche des Körpers.
50 zeigt der unterhalb der
Lungenanlage hervortretende
Magen schon bei Embryo BB,
noch deutlicher aber bei dem
Fig. 9 dargestellten Embryo Lr,
eine Axenwendung nach links,
während der Mitteldarm eine
merkliche Ausweichung nach
rechts beschreibt. Letztere ist
bedingt durch die rechtsseitige
Stellung der Nabelblase, und
in gleicher Weise tritt der
Allantoisgang in den rechts vom
Körper austretenden Bauchstiel.
Dieselbe Ausbiegung der Magenanlage nach links und der
Mitteldarmanlage nach rechts
kehrt auch auf nachfolgenden
Stufen vrieder; ziemlich rein
äussert sie sich noch bei Embryo Bl (Fig. 10), allein es ist
unschwer, dieselbe auch bei Pr
(Fig. 11), bei Eg (Fig. 12), bei
51 (Fig. 13) und selbst bei Seh
(Fig. 14) wiederzufinden, denn
noch bei letzterer Figur fällt
weitaus der grössere Theil des
Magens auf die linke, der grössere Theil aber des Darmes auf die rechte Seite von der Mittellinie.
Während nun ab er bei jüngeren Embryonen, wie z. B. noch bei Bl,
1) Man vergleiche Briefe über unsere Körperform. S. 78.
Fig. 9.
Frontalprojection vom Embryo Lr. Vergröss. 36.
Ok Oberkiefer, OE.v obere, UEx untere Extromität, Bs Bauchstiel. Uebrige Bezeicbnangen
■wie oben. •
24
Allgemeine Gliederung des Eingeweiderohres.
Z&$r.
Fig. 10.
Eingeweiderohr Tom
Embryo Bl. Vergr. 30.
JJA
Fig. 11.
Desgl. vom Embryo Pr.
Vergr. 15.
Fig. 12.
Desgl. vom Embryo Rg.
Vergr. 12.
Fig. 13.
Eingeweiderohr vom Embryo S 1.
Yergr. 10.
Fig. 14.
Desgl. vom Embryo Seh 2. Vergr. 10.
Cl Colon, Gb Gallenblase. Uebrige Bezeichnungen wie oben.
Allgemeine Gliederung des Eingeweiderohres. 25
der gesammte Magen in die linke Körperhälfte fällt, ändert sich
dies mit fortschreitender Entwickelung. An der oben schon berührten Senkung des Magens nimmt das Pylorusende geringeren
Antheil als der Fundus, mit Bezug auf letzteren erfährt es daher
eine relative Hebung und dabei verschiebt es sich gleichzeitig nach
rechts herüber (Fig. 12, 13u. 14). Zwei Einknickungen, die hierbei
das Eohr erfährt, sind die Bedingungen zur Bildung der Antra pylorica (mediale und laterale).
Nachdem der Magen in seine Schrägstellung eingerückt ist,
kommt das Duodenum nach hinten und rechts von dessen Pylorusende zu liegen. Es setzt sich mit seinem absteigenden Theil direct
in die Nabelschleife des Mesenterialdarms fort, deren anfangs einfacher Bogen bis in den dritten Monat hinein an Verwickelung
immer mehr zunimmt.
Der Mundrachenraum und seine Zugänge.
Allgemeine Crestaltung,
Das Eingeweiderolir des Kopfes umfasst das Gesammtgebiet der
späteren Mund- und Pharjnxliöhle nebst dem oberen Kehlkopfabschnitt bis in die Höhe des Ringknorpels. Es ist von Anfang ab
eine breit angelegte Spalte, sein Querdurcbmesser verjüngt sieb
von oben nach abwärts, erst nur massig, dann aber beim Anschluss
an den Eumpfdarm sehr rasch. Der letztere ist absolut enger als
der Kopfdarm, und während bei diesem der grösste Durchmesser
quer gerichtet ist, verläuft er bei jenem sagittal. (Man vgl. Taf. Xu
Lg, Schnitt 40—98 für den Kopfdarm, 106 u. f. für den Eumpfdarm
und Taf. XI BB, Schnitt 4.3-6.8 für den Kopfdarm, 6.1 u. f. für
den Eumpfdarm.) Die flache Grundform des Mundrachenraumes und
dessen trichterförmige Verjüngung beim Uebergang in Speiserohr und
Trachea sind somit schon in der frühesten Anlage vorgebildet.
Die Eückwand des Mundrachenraumes liegt vor der ventralen
Gehirnfläche und vor den beiden Aortae descendentes. Yor den
letzteren erhebt sie sich zu zwei niedrigen Längsleisten, die wir als
die hinteren Aorten leisten bezeichnen können. Dazwischen
findet sich anfangs (bei Lg) eine einfache Furche, späterhin (bei
BB u. f.) eine mediane Längsleiste. Die Vorderwand des Mundrachenraumes ist der Parietalhöhle zugekehrt, an ihr inseriren sich
der Aortenbulbus und das Gekröse des Herzvorhofes. Die niedrige
Seitenwand dagegen sieht frei nach aussen und sie zeigt die Gliederung in schräggestellte, durch Furchen von einander getrennte Wülste,
die Schlundbogen. Bei Lg sind deren zwei, bez. drei, von der
Stufe von BB ab aber vier unterscheidbar.
Der Mundraclienraum und seine Zugänge; allgemeine Gestaltung. 21
Fig. 15.
Frontalconstruction des Mundraclienraumes
von Rf. Vergr, 50. Man sieht im Durclisclinitt den Unterkiefer, nebst dem 2. und
3. ScMundbogen, sowie die Aortenbogen l und 2.
Fig. 16.
Frontalconstruction der Mundraclienhöhle vom
Embryo E. Vergr. 30. Dieselbe zeigt unterhalb des frontal getroffenen Oberkiefers die
Schlundbogen 2—4, sowie die Durchschnitte der
Aortenbogen 3 — 5.
Fig. 17.
Frontalconstruction des Mundrachenraum.es
Ton Bl, Vergr. 30. Das Bild zeigt die Aortenbogen 2 — 5, und es lässt die Medialwärtsschiebung der unteren Schlundbogenwülste
erkennen.
Fig. IS.
Desgleichen vom Embryo Eg. Vergr. 12.
Der Oberkiefer ist perspectivisch , der Unterkiefer im Durchschnitt zu sehen.
28 Der Mundrachenraum und seine Zugänge; allgemeine Gestaltung.
In ihrer reinsten Entvvickelung zeigen sich die Schlundbogen
bei Embryonen vom 3— 4 mm NL., kurz vor und unmittelbar nach
Entwickelung der Nackenkrümmung. Die die Wülste trennenden
Furchen sind, innen, wie aussen, tief eingesetzt und von ungleicher Länge, am längsten die erste, am kürzesten die vierte. Zwischen der Seitenwand und der Eückwand des Mundrachenraumes
verläuft eine Längsfurche, in welcher die inneren Schlundspalten
schräg auslaufen ; die Schlundwülste jedoch besitzen einen mehr oder
minder ausgesprochenen Anschluss an die hintere Aortenleiste, indem die Grenzfurche da abgestumpft ist, wo die Aortenbogen in
das absteigende Sammelgefäss übergehen.
Wenn einmal vier Bogenpaare unterscheidbar sind, so bilden
diese, im Frontalschnitt gesehen, zwei nach abwärts convergirende
Eeihen. Die vierten Bogen stehen sich näher als die dritten und
diese näher als die zweiten, wogegen der zweite Bogen unter dem
ersten kaum zurücksteht. Dies Verhältniss, schon bei Embryo BB
erkennbar, wird in der Folge immer ausgeprägter. Dazu kommt,
dass die Bogen später auch hinsichtlich ihrer Mächtigkeit differiren,
indem der vierte schwächer ist als der dritte, dieser schwächer
als der zweite.
Die Verbindung zwischen je zwei Bogen wird durch eine Verschlussplatte gebildet, welche an ihren dünnsten Stellen nur
aus zwei Epithellagen besteht. An dieser Platte begegnen sich im
Allgemeinen die äussere und die innere Furche. Unterhalb des
vierten Bogens aber besteht nur eine unvollkommene Correspondenz
zwischen äusserer und innerer Furche, jene bildet einen nur niedrigen
Einschnitt, diese dagegen eine relativ grosse blind auslaufende Bucht,
welche jederseits neben dem Kehlkopfeingang liegt.
Schon von der vierten Entwickelungswoche ab beginnen die
Schlundbogen sich gegen einander zu verschieben. Aehnlich den
Zügen eines Fernrohres rücken sie in der Weise über einander,
dass, von aussen gesehen, der vierte Bogen zuerst vom dritten und
dieser weiterhin vom zweiten umgriffen und zugedeckt wird, wogegen an der inneren, dem Bachen zugewendeten Fläche der vierte
Bogen sich über den dritten, der dritte über den zweiten lagert.
Demgemäss ist die relative Länge des Mundrachenraumes bei den
vorgerückteren Embryonen geringer, als bei den jüngeren; bei Rg
Der Mundrachenraum und seine Zugänge; allgemeine Gestaltung. 29
z. B. sehr viel geringer als bei R oder bei BB. Vom zweiten Bogen
ab bis zum Keblkopfeingang erfährt die Höhle eine treppenförmig
abgesetzte Verjüngung. Auf den Stufen von BB und selbst noch
bei E sind die einzelnen Absätze gleich der Höhe eines ganzen
Schlundbogens nebst der zugehörigen Verschlussplatte, bei den nachfolgenden Stufen wird die Höhe der Treppenabsätze immer geringer.
Das Gebiet der Schlundbogen und Schlundfurchen gehört der
Parietalzone des Hinterkopfes an und zwar dessen medialer Strecke,
welche die Fortsetzung der WoLFP'schen Leiste bildet. Die beiden
Blätter der Mesodermschicht , welche weiterhin die Parietalhöhle
zwischen sich fassen, sind hier noch ungeschieden, und es legt sich
der betreffende Substanzstreif, „das Wurzelstück der Parietalplatte" i),
wie ich ihn an anderem Orte genannt habe, um den Seitenrand
der Schlundhöhle herum und erfährt da die Segmentirung in einzelne Streifen (man vergl. z. B. Taf. XII Lg, Fig. 56—72). Sowie
das Eingeweiderohr den Hinterkopf verlässt, wird es von der seitlichen Körperoberfläche durch einen breiten Abstand getrennt und
bald schiebt sich zwischen beide die trennende Spalte der Leibeshöhle ein.
1) Vergl. ArcMv f. Anat. u. Physiol., anat. Abth. 1881. S. 305.
Der primitire Mund.
Bei jüngeren Embryonen ist der Mundeingang ein weites fünfeckiges Loch, nach oben vom Stirnwulst, seitlich von den Oberkieferfortsätzen, nach unten von den vereinigten Unterkieferbogen begrenzt.
(Taf. IX Eig. 4, 12 und 13.) Alle die genannten Bildungen springen
convex gegen die Lichtung vor, und diese läuft demnach in fünf
Binnen aus, von denen vier paarig sind, die fünfte unpaar. Es
schneidet nämlich das oberste Binnenpaar
jederseits zwischen Oberkiefer und Stirnwulst ein, als sogenannte Augennasenrinne; das zweite Paar dagegen, zwischen Ober- und Unterkiefer, bezeichnet
den Ort der späteren Mundwinkel, die
fünfte, unpaare Einne trennt die beiden
Unterkieferhälften von einander.
Das Gebiet der definitiven Mundspalte
ist weit niedriger, als das der primitiven
Oefihung. Es entspricht annähernd einer
Bogenlinie, die von dem einen Mundwinkel quer zum anderen herüber geführt
wird. Ueber dieser Linie liegt am primitiven Mundloch ein viereckiger, darunter
ein dreieckiger Baum, welche beide in der
Der obere Baum, zwischen den Oberkiefern
liegend, füllt sich durch den in ihn hereinwachsenden mittleren
Stirnfortsatz aus, der untere Baum aber dadurch, dass (von der
fünften Woche ab) die Eurche zwischen den beiden Unterkieferhälften
sich ausgleicht.
Die Mundöffinung führt zunächst in einen Baum, welcher unter
der Vorderhirnbasis und über der oberen Fläche des Unterkiefer
Fig. 19.
Vorderansicht Tom Embryo Lg.
Const. Vergr. 40.
Folge ausgefüllt werden.
Der primitive Mund. 31
bogens gelegen ist, daran schliesst sich in nahezu rechtem "Winkel
der Theil der Mundrachenhöhle an, welcher vor dem Hinterhirn und
hinter dem Aortenbulbus des Herzens liegt und welcher beiderseits
von den Schlundbogen eingefasst ist. (Taf. IX, Fig. 6 — 10). Bei
Embryo Lg schiebt sich zwischen beide Abtheilungen des Mundrachenraumes die sogenannte Rachenhaut ein, welche, von der
Wölbung des Unterkieferbogens ausgehend, schräg nach hinten und
oben sich erstreckt und im Winkel zwischen der RATHKE'schen und
der SEESSEL'schen Tasche sich inserirt. Nachdem die Rachenhaut
geschwunden ist, bezeichnet ein die beiden genannten Taschen trennender Yorsprung die frühere Insertionslinie (Fig. 8, 9, 10 und 13
von Taf. IX und Fig. 1—3 S. 13 und 16).
Man pflegt nun den vor der Rachenhaut liegenden, ectodermal
ausgekleideten Raum, die sogenannte Mundbucht, als die Anlage
der späteren Mundhöhle zu betrachten, den dahinter hegenden endodermal angelegten Yorderdarm dagegen als Anlage des Pharynx.
Diese Darstellung kann, wie ich dies schon im ersten Hefte') auseinandergesetzt habe, unmöglich richtig sein, denn die Zunge bildet
sich hinter dem durch die Rachenhaut begrenzten Gebiete. Die
Arcus palatoglossi aber, von denen man angenommen hat, dass sie
der Gegend der früheren Rachenhaut entsprechen, gehen, wie wir
nachher zeigen werden, aus dem zweiten Schlundbogenpaar hervor.
An der Bildung des späteren Mundhöhlenbodens betheiligt sich nicht
nur der der Mundbucht zugewendete Theil des Unterkiefers, sondern
auch dessen nach dem Yorderdarm zugekehrte Rückseite, sowie das
Zwischengebiet der zweiten Schlundbogen. Andrerseits aber rückt
die der primitiven Mundbucht entstammende RATHKE'sche Tasche
in das Pharynxgebiet und es ergiebt sich hieraus, dass die Abgrenzung von Mund- und Rachenhöhle mit der Rachenhaut nicht in Beziehung gesetzt werden darf. Die Gaumenbildung tritt, wije dies
später gezeigt werden soll, als secundärer Yorgang auf, zu einer
Zeit, wo die primäre Mundbuchtscheidung längst verwischt ist.
Behufs klarer Uebersicht der bezüglichen Yerhältnisse verweise ich
auf das S. 32 folgende Mundraumprofil vom Embryo Seh. Hier ist
der Eingang zur RATHKE'schen Tasche noch offen. Denkt man sich
von da aus zur IJnterkieferwölbung eine Linie gezogen, so entspricht
1) S. 52.
32
Der primitive Mund.
der vor und über dieser Linie liegende Eaum dem Gebiete der
früberen Mundbucbt. Die Zunge aber fällt hinter und unter diese
Linie. Die Trennungslinie des Mundraumes vom Bachen ist durch
die Gaumenleiste bezeichnet, welche an der Eigur zwischen Unterkiefer und Zunge frei sichtbar und durch eine ausgezogene Linie
bezeichnet ist; weiter nach abwärts ist die Linie punktirt, da hier
die Leiste von der Zunge verdeckt ist. Es kreuzt sich die
Gaumenhnie mit der Rachenhautlinie unter einem spitzen
Winkel und es ergiebt sich, dass von der Mundhöhle nur
der Vorraum und die Decke in das frühere Mundbuchtgebiet
fallen und dass aus letzterem auch noch der Nasenrachengang
und ein Theil der Pharynxdecke mit entstehen. Die Nasenhöhle hat mit dem Mundraum ursprünglich keine Gemeinschaft, da sie aus den
nach aussen hin offenen Nasengruben
sich entwickelt.
Es ist zu beachten, dass selbst in
dieser verhältnissmässig weit vorgerückten Entwickelimgsperiode die Spitze
der Zunge nach oben, der Eücken
schräg nach rückwärts gekehrt ist.
Flg. 20. Dabei reicht die Zunge noch eine gute
Medianer Constructionssclmitt der Mund- -, r-,
raciieniioMe vom Embryo Seh. Vergr. 18. Strecke Über dcu Gaumenbcreich herauf,
Uk Unterkiefer, Zg Zunge, ÄrRATHiiE'
sche Tasche, ö Gaumenieiste, iVA Nasen- ia sio ragt Ms beinahe iu die Höhe
bohle, Z Zwischenkiefer. "^ °
des Augapfels. Beim Zusammenschieben der beiden Gaumenfortsätze muss die Zunge aus ihrer hohen
Stelle herabgedrängt werden, wobei auch der Unterkiefer sich senken
wird. Die dem Schädel des Neugeborenen zukommenden Eigenthümlichkeiten, die Niedrigkeit des Gesichtes und das Hervortreten der
Stirn,, sind beim sehr jungen Fötus dadurch gesteigert, dass zu der
Zeit der Gaumen noch offen ist und die Zunge bis zur nächstfolgenden Grenzwand, d. h. bis zur Schädelbasis heraufreicht.
Der primitire Graumen,
die Bildung der äusseren Nase, der Oberlippe, des
Zwisclienkiefers und der Vorgebilde des definitiven
Oaumens.
Der zwischen beiden Oberkiefern liegende obere Theil der primitiven Mundöffnung wird bei weiter fortschreitender Entwickelung
von den drei Stirnfortsätzen ausgefüllt, welche ihrerseits die beiden
Nasenhöhlen zwischen sich fassen. Letztere treten in Verbindung
mit dem Mundrachenraum, während die Stirnfortsätze mit dem Oberkiefer verwachsen. Die Nasenhöhlen entstehen, in später zu beschreibender Weise, aus den flachen Nasengruben und sie nehmen
dabei die Form zweier Spalten an, die mit einem schrägen Schlitz
nach vorn und nach unten hin sich öffnen. Unter einer jeden dieser
Spalten bildet sich, vermöge einer directen Verbindung des mittleren
Stirnfortsatzes mit dem Oberkieferfortsatz, eine Querbrücke und es
haben nun dieselben je zwei getrennte Oeffnungen, das nach vorn
gekehrte äussere Nasenloch und die nach abwärts sehende
primitive Choane. Die Brücke, welche sich durch Verbindung
des mittleren Stirnfortsatzes mit den beiden Oberkiefern gebildet
hat, und welche die Mundspalte von oben her begrenzt, bezeichnen
wir nach Duks y als primitiven Graumen. i) Dieser umf asst
die Anlage der Oberlippe und der unmittelbar dahinter liegenden
Theile. Zum definitiven Gaumen ergänzt er sich in der Folge
durch das Auftreten und die Vereinigung der Processus palatini der
Oberkiefer.
Der die beiden Nasengruben von einander trennende mittlere
Stirnfortsatz hat, von vorn her gesehen, die Gestalt eines breiten
Substanzstreifens mit gewulsteten Seitenrändern und eingesunkenem
Mittelstück (Tafel XIV Figur 6.). Jeder von den beiden Seitenwülsten erscheint als die Fortsetzung eines gewölbten Bogens
1) DüBSY, Entwickelung des Kopfes S. 146.
Eis, Menschl. Embryonen. III.
34 Der primitive Gaumen.
welcher am seitlichen Stirnfortsatz (als späterer Nasenflügel) beginnt, und die Nasenöffnung von oben her umgreift. Der Bogen
läuft in einen kugeligen Vorsprung aus, den ich als Processus
globularis bezeichnen will. ') Die beiden Processus globulares
biegen sich etwas zur Seite und verengen von unten her den Zugang
zur Nasenspalte.
Das eingesunkene Mittelstück des Stirnfortsatzes, die Area infranasalis, ist erheblich niedriger, als die beiden Fortsätze, sein
unterer Saum bildet darnach einen von diesen überragten concaven
Ausschnitt. Ueber der Area infranasahs und höher noch als die
beiden Nasenöffnungen liegt ein breites dreieckiges Peld, das nach
oben hin bis zu den Hemisphären heraufreicht, nach abwärts durch
einen, die beiden Nasenbogen verbindenden Querwulst begrenzt wird.
Es mag die Area tri angularis heissen.
Auf der in Pig. 6 dargestellten Stufe ist der primitive Gaumen
noch nicht geschlossen, eine breite, zur Nasenöffnung emporsteigende
Purche trennt den Processus globularis von dem am meisten vorgetriebenen Ende des Oberkieferfortsatzes. Der seitliche Stirnfortsatz ruht mit seinem unteren Ende auf dem Oberkiefer, von dem
er noch durch eine quere Spalte getrennt erscheint. Pig. 7 zeigt
die Dinge schon um einen Schritt weiter: die Nasenöffnung ist
wesentlich verengt, der Oberkieferfortsatz jederseits an den Processus
globularis herangeschoben. Der Querwulst der Nase treibt sich als
vorspringende Kante, Nasenkante, unter der Area triangularis
hervor und charakterisirt sich bereits deutlich als Gebiet der zukünftigen Nasenspitze, während die Area triangularis selbst
den Nasenrücken zu bilden bestimmt ist. Unterhalb der
Nasenkante tritt die Area infranasalis schräg zurück und läuft, über
der Mundöffnung mit einer Querlinie aus, von welcher die Processus
globulares in fast rechtem Winkel sich absetzen (man vergl. auch
Pig. 23, S. 38).
1) Es ist dies der „innere Nasenfortsatz" von Köllikek. Da der Fortsatz mit der Nasenbildung Nichts zu thun hat, ist letztere Bezeichnung irreführend, eher dürfte man von einem „Lippen- oder Zwischenkieferfortsatz"
reden ; ich habe dem im Text gebrauchten Namen als einem unverfänglichen
den Vorzug gegeben.
Der primitive Gaumen.
35
Fig. 21.
Die Nase, in ihrer Umgrenzung deutlich erkennbar, ist noch
einmal so breit als hoch, und die Nasenlöcher stehen weit auseinander. Nachdem der
primitive Gaumen sich
geschlossen hat, ändert
sich dies Verhältniss, die
Nase wird schmäler und,
indem der mittlere Stirnfortsatz seitlich comprimirt wird, geht der absolute Abstand beider Nasenlöcher binnen 1 V2 bis
2 Wochen bis auf zwei
Drittel, ja bis auf die
Hälfte seines früheren
Maasses herab. Die Darstellung dieses Verhaltens findet sich in den
Eig. 7, 8, 9 von Taf. XIV,
die alle bei derselben
Vergrösserung gezeichnet
sind. Laut den Messungen beträgt der Abstand
beider Nasenlöcher von
einander: bei dem. ca.
5 Wochen alten Embryo Fig. 22.
CT-r /-TT a\ i n V> ■ Durclischnitte durch den primitiven Gaumen vom Embryo Scli.
li i-Clg. DJ ]./ mm; Oei Der mittlere Stirnfortsatz ist punktirt, der Oberkieferf. lie
1 jf TiT 1 ij. -n gend schraffirt. Bei dem etwas liöher liegenden Schnitt 21
dem 7 W OChen alten Jljm- erkennt man hinter dem Oberkiefer den vom Schnitt ge_ , -_,. , troffenen Thränengang. Vergr. 18.
bryo Lhs (Fig. 7) 1.2 mm;
bei dem noch etwas weiter entvdckelten Embryo ti (Eig. 8) 0.8 mm.
Durchschnitte durch den eben gebildeten primitiven Gaumen
zeigen den mittleren Stirnfortsatz als eine im Zickzack gebrochene
Platte, wie dies die obenstehenden Eiguren 21 und 22 zu erläutern
vermögen.
In meinen Briefen über die Körperform i) habe ich seiner Zeit
1) S. 204 u. f.
36 Der primitive Gaumen.
gezeigt, dass der mittlere Stirnfortsatz auch beim Vogelembrjo erheblich zusammengeschoben und verschmälert wird und dass seine
Umbildung schliesslich zur Hervortreibung der Schnabelspitze führt.
Derselbe Grundvorgang bedingt beim menschlichen Embryo die Hervortreibung der Nase, zugleich aber leitet sich dadurch der mediane
Schluss der Oberlippe und der Schluss des Zwischenkiefers ein.i)
Das Mittelstück der Lippen und der Zwischenkiefer
entstehen durch Vereinigung der be iden Processus gl obulares. Diese treten unterhalb der Area infranasalis zusammen
und verwachsen mit einander in der Mittellinie. Die Area wird, sowohl von der Lippenbegrenzung als von der Gaumenfläche abgedrängt und nimmt an deren Bildung keinen Antheil. Ihr unterster
Abschnitt wird vollständig überdeckt und in die Tiefe geschoben,
was von ihrem oberen Theil frei bleibt, erhält sich als untere Fläche
des Septum narium und als Philtrum. An dem in Fig. 9
Taf. XIV abgebildeten Kopf sind die beiden Proc. globulares in der
Mittellinie eben zusammengetroffen; ihre Grenze wird durch eine
Furche bezeichnet, die nach oben hin gegen das Philtrum, nach
abwärts gegen die Mundöffnung sich ausweitet.
Der an der Oberlippe zwischen beiden Proc. globulares vorhandene Einschnitt persistirt bei manchen Säugethieren (besonders auffällig bei den Nagern); beim Menschen bleibt er nicht bestehen.
Hier zeigt die Oberlippe bekanntlich einen medianen zäpfchenartigen
Vorsprung, der sich beim Spitzen des Mundes besonders scharf hervorwölbt. Diese Bildung, die man als Uvula labialis bezeichnen
könnte, tritt schon ziemlich früh auf und zwar in Verbindung mit
1) Die Bedingungen für die Zusammendrängung der mittleren Gesichtstheile sind beim Vogel- und beim Säugethierkopf nicht ganz dieselben. Bei
jenem bilden die mäcbtigen Augäpfel, bei diesem die hervorwachsenden Oberkieferfortsätze das Hauptmotiv der Gesichtsumbildung. Der von den Augäpfeln ausgehende Druck wirkt am Vogelkopf in transversalem, bez. in schräg
von hinten her gerichtetem Sinn; der mittlere Stirnfortsatz weicht nach vorn
und abwärts aus, sein unterer Saum wird als ^ Schnabelspitze am weitesten
vorgeschoben und die Nasenlöcher werden schliesslich nach oben gerichtet. —
Die Einwirkung der Oberkieferfortsätze dagegen beim Säugethierembryo macht
sich schräg von unten her geltend. Der am meisten vorgedrängte Theil des
mittleren Stirnfortsatzes ist nicht dessen unterer Saum, sondern eine hochliegende Strecke desselben, die Nasenkante, und indem diese steil emporgestülpt wird, behalten die Nasenlöcher ihre Richtung nach vorn.
Der primitive Gaumen. 37
dem rothen Lippenrande. Beim Fötus aus der Mitte des dritten
Monats (41/2 — 5 cm S. S. 1.) steigt, von der Innenfläche der Lippen
ausgehend, ein wulstiger Saum hinter dem früheren Lippenrand herab.
Dieser Saum, der rothe Lippensaum, bleibt durch eine ausgeprägte Grenzfurche vom primären Rande getrennt und, indem er
den Einschnitt des letzteren ausfüllt, zeigt er in der Mitte seine
grösste Höhe und schärft sich nach beiden Seiten hin zu, mit
sanftem Schwung in die Innenfläche der Lippe zurückbiegend.
Der Schluss des primären Gaumens geht demjenigen der Oberlippe voraus. Fig. 7 Taf. XIY zeigt den Oberkieferfortsatz mit dem
mittleren und seitlichen Stirnfortsatz bereits verbunden, dagegen sind
die beiden Processus globulares noch durch einen ziemlich breiten
Zwischenraum getrennt. In besonders deutlicher Weise zeigt diese
Figur die schüsseiförmige Vertiefung der Area infranasalis.
Eine nothwendige Ergänzung zu den äusseren Ansichten des
Lippen- und Kiefergebietes bilden die vom Mundraum her gewonnenen. Um solche zu erhalten, habe ich bei einer Anzahl von
Embryonen den Kopf, von den Mundwinkeln aus nach rückwärts,
mit scharfem Skalpell gespalten und die obere Hälfte von der unteren
abgehoben.
Die dem Mundraum zugekehrte Oberfläche des mittleren Stimfortsatzes zeigt vor Schluss des primitiven Gaumens eine Dreigliederung ähnlich wie die Vorderfläche. Vom Rand der Area infranasalis aus erstreckt sich eine mediane, anfangs ziemlich breite
Furche nach rückwärts, die an der Rachendecke flach ausläuft. Der
vordere Eingang zur Furche wird von den beiden Processus globulares begrenzt und diese setzen sich weiterhin in zwei rundliche
Leisten fort, die ich als Laminae nasales bezeichnen will. Sie
bilden die mediale Wand für das hintere Ende der Nasenfurche.
Leicht divergirend treten sie zur Rachendecke und endigen unter
rascher Höhenabnahme vor dem vorderen Ende des Oberkieferfortsatzes (Fig. 23).
Schräg von hinten und aussen her treten an den mittleren Stirnfortsatz die beiden Oberkieferfortsätze heran. Die Grundgestalt derselben ist die eines stumpfen Keiles und an jedem der beiden Fortsätze besteht eine ziemlich ausgesprochene Scheidung zwischen dem
Wangen- und dem Mundhöhlentheil. Jener überragt diesen mit einem
■38
Der primitive Gaumen.
gerundeten Wulst, dem Lippenwulst und umgreift ihn in einer
winkelig gebroclienen Linie. Das vordere Ende des Wangentheiles
kommt als kugeliger Vorsprung neben den Processus globularis zu
liegen und bildet so die laterale Wand der Nasenfurcbe. Der Mundhöhlentheil des Oberkiefers endet neben der Lamina nasalis mit einer
gleichfalls gerundeten Ecke und er begrenzt das hintere Ende der
Nasenfurche. Eine schräge Kante an seiner nach innen sehenden
Oberfläche trennt eine medialwärts und eine dem Mundboden zugewendete Facette von einander.
Nachdem der primitive Gaumen geschlossen ist, rücken die beiden Processus und zugleich die vorderen Enden der Laminae na
Fig. 23.
Decke des primitiven Mundraumes
vom Embryo CIL Vergr. 12.
Fig. 24.
Decke der Mundhöhle nach ScWuss
des primitiven Gaumens. Vergr. lü.
sales zusammen bis zur schliesslichen Begegnung. Die trennende
Spalte wird immer enger und tiefer, bis sie sich dann endlich ausfüllt und nur noch eine seichte Oberflächenfurche hinterlässt. Die
divergirenden Enden der beiden Laminae bilden jederseits einen das
.hintere Nasenloch umgreifenden Bogen. Der verschmelzende Theil
derselben wird in der Folge zum hinteren Rand des Septum narium.
An der Bildung des Zwischenkiefers ist derselbe nicht betheiligt,
dieser bildet sich ausschliesslich aus den Processus globulares. An
der unteren Fläche der letzteren entsteht eine frontale Furche, die
erst nur schwach angedeutet ist, dann aber an Tiefe zunimmt und
die nun den Lippentheil des Wulstes vom Kiefertheil trennt. Etwas
später (Fig. 26) tritt noch eine weitere Parallelfurche auf, welche den
Beginn der Zahnbildung einleitet.
Der primitive Gaumen.
39
Der MundhöMentheil des Oberkiefers oder der innere Kieferwulst, wie wir ihn kürzer nennen können, rückt seinerseits gleichfalls gegen den Processus globularis heran und verschmilzt mit dessen
Zwischenkiefertheil. Dabei wird das hintere Nasenloch von dieser
Verwachsungsstelle mit überbrückt. Mittlerweile entwickelt sich die
früher erwähnte schräge Kante des inneren Kieferwulstes in immer
ausgeprägterer Weise. Sie gestaltet sich allmählich zu einer selbständig hervortretenden Leiste, dem Processus palatinus des
Oberkiefers. Eine von hinten nach vorn sich zuspitzende dreieckige
Fig. -25.
Ansicht der Mundhöhlendecke nach
Verschmelzung der Laminae nasales. Vergr. 10.
Fig. 26.
Mundhöhlendecke mit Anlage der Gaumenfortsätze,
Vergr. 10.
Grube scheidet diesen Fortsatz vom Alveolartheil des Kiefers. Je
mehr der Fortsatz sich ausbildet, um so mehr rückt die mediale
Facette des Kieferwulstes zurück und wird von unten her unsichtbar.
Der Kand der beiden Processus palatini verläuft im Allgemeinen
schräg nach vorn, indess besteht eine starke Convergenz der Verlaufsrichtung nur für den hinteren Theil ihrer Länge, im vorderen
Theil sind die Kanten schwach convergent oder selbst parallel gerichtet. Diese vorderen Strecken sind es, die im Beginn des dritten
Monates mit einander und mit den Zwischenkiefern zusammentreffen
und so das Graumengewölbe schliessen. Im Kreuz der vier Verbindungsnähte erhält sich als offene Stelle das Foramen incisivum. Aus den unverbunden bleibenden hinteren Strecken der
beiderseitigen Gaumenfortsätze gehen die Arcus palatopharyngei
hervor.
40 Der primitive Gaumen.
Ich darf diesen Abschnitt kaum schliessen, ohne mit einigen
Worten der lebhaften Discussion zu gedenken, die vor Kurzem
zwischen P. Albrecht und Th. Kölliker über die Bildung des
Zwischenkiefers und über die morphologische Bedeutung der Hasenscharten und verwandten Bildungen entbrannt ist. In seiner sorgfältigen Arbeit über das Os. intermaxillare *) hat Th. Kölliker gezeigt, dass mittelst geeigneter Methoden bei menschlichen Embryonen
vom Ende des zweiten Monats der knöcherne Zwischenkiefer isolirt
werden kann. Der herkömmlichen Vorstellung entsprechend, erweist sich dieser als eine jederseits einfache Anlage, die dann nach
kurzer selbständiger Existenz mit dem knöchernen Oberkiefer verschmilzt. Diese Angaben haben zu einem Conflict mit Albrecht
geführt, welcher seinerseits mit grosser Bestimmtheit 2) dafür eingetreten war, dass jederseits zwei Zwischenkiefer sich bilden, ein
medialer und ein lateraler, von welchen jeder der Träger von je einem
Schneidezahn sein soll. Albrecht ist zunächst durch pathologische
Beobachtungen zu seiner Auffassung hingeleitet worden, und es sind
für ihn eine Anzahl von Präparaten maassgebend gewesen, in denen,
bei vorhandener Kieferspalte, der laterale Band der Spalte innerhalb
eines gesonderten Knochenstückes einen Schneidezahn enthalten hat.
Die Kieferspalte, so deutet Albrecht seine Beobachtungen, liegt
nicht zwischen Zwischenkiefer und Oberkiefer, sondern zwischen dem
inneren und dem äusseren Zwischenkiefer. Wofern aber das innere
Stück zwei Schneidezähne enthält, ist dies als ein atavistisches Yorkommniss zu deuten , als ein Anklang an hexaprotodonte Vorfahren
des Menschen. Zur Bekräftigung seiner Auffassung hat Albrecht
seinen pathologischen Beobachtungen noch solche über die Gaumenbildung des Ornitorynchus beigefügt. Auch ist ihm neuerdings durch
H. V. Meyer eine bedeutsame Unterstützung zu Theil geworden, indem dieser Forscher, gleich Albrecht, Spuren einer interincisiven
Sutur an zahlreichen Kinderschädeln nachzuweisen vermocht hat. 3)
1) Ueber das Os intermaxillare des Menschen und die Anatomie der Hasenscharte und des Wolfsrachens. Halle 1882.
2) Die Hauptschrift Albkecht's ist: Sur les 4 Os maxillaires, le bec de
lievre etc. Bruxelles 1883. Zahlreiche frühere und spätere Publicationen
Albrecht's finden sich in Jedermanns Händen und bedürfen hier keiner besonderen Aufführung.
3) Der Zwischenkieferknochen und seine Beziehung zur Hasenscharte.
Der primitive Gaumen. 41
Soweit sich nun die eben erwähnte Discussion nur auf die
Knochenanlagen bezieht, steht sie meiner Arbeit ziemlich fern, indem diese da aufhört, wo die Knochen anfangen. Allein es ist bei
der Discussion auch auf die embryologischen Anlagen zurückgegriffen
worden, und Albeecht hat die Behauptung aufgestellt, dass nur
der mediale Zwischenkiefer aus dem mittleren, der laterale aber aus
dem seitlichen Stimfortsatz entstehe. In Betreff der Oberlippe erklärt Albrecht rundweg, dass sie jederseits aus drei besonderen
Lippen hervorgeht, einer inneren Zwischenkieferlippe, einer äusseren
Zwischenkieferlippe und einer Oberkieferlippe. Die innere Zwischenkieferlippe bildet sich aus dem inneren, die äussere aus dem äusseren
Nasenfortsatz. Beide Fortsätze vereinigen sich unterhalb des Nasenloches direct mit einander, und durch den seitlichen Stimfortsatz
bleibt der Oberkieferfortsatz vom mittleren völlig getrennt.') Ueber
diese Behauptungen ist natürlicherweise nicht zu discutiren, dieselben
stehen mit dem, was man jederzeit gesehen hat und was man noch
jederzeit sehen kann, in directem Widerspruch, und sie sind wohl
blos erklärbar aus einer absoluten Unkenntniss Albrecht's in embryologischen Dingen. 2) Im TJebrigen möchte ich aber besonders
betonen, dass die Reconstruction embryologischer Vorgänge aus
osteologischen Beobachtungen ein im Princip unzulässiges Verfahren
ist. Die Bildung der Knochenkerne ist ein völlig secundärer Process
und es ist zur Zeit sehr discutirbar, ob überhaupt und inwieweit
zwischen ihm und der Gliederung der primitiven Anlagen gesetzHche
Beziehungen bestehen. —
Was nun die Lippen- und Kieferspalten betrifft, so ist bei der
Discussion ihrer Entstehung die embryologische Unterlage bis dahin
Zeitschrift für Chirurgie. H. v. Meter zeigt sich geneigt, auch die embryologischen Folgerungen von Albeecht anzunehmen, immerhin spricht er sich
mit der nöthigen Zurückhaltung hierüber aus.
1) Centralblatt für Chirurgie 1884. Nr. 23 Beilage.
2) Albrecht hat noch verschiedene ähnliche Ausflüge aus dem osteologischen in das embryologische Gebiet unternoromen, so hat er in einer seiner
Mittheilungen die RATHXE'sche Tasche geleugnet, in einer anderen die Chorda
dorsalis bis in die Nasenscheidewand vordringen lassen. Es verfügt Albrecht
bei seiner ungewöhnlichen dialectischen Begabung über eine sehr scharfe
wissenschaftliche Waffe, aber er wird sich schliesslich überzeugen müssen,
dass ihm dieselbe, am falschen Orte angewendet, ins eigene Fleisch hineinschneidet.
42 Der primitive Gaumen.
eine ungenügende gewesen, weil Niemand eine ausreichende Kenntniss von der normalen Bildungsweise der Lippen und der Kiefer
besessen hat. Die Thatsache, dass diese Theile eine mediane Verwachsung erfahren, bildet bei der Beurtheilung der vorkommenden
Abnormitäten ein neues Moment, dessen Verwerthung zukünftigen
Bearbeitern wohl empfohlen sein mag. Offen gestanden erwarte ich
indessen auch von der Anwendung des verbesserten Entwickelungsschemas keine endgültige Lösung der obschwebenden Fragen, denn
ich glaube, dass eine solche nur aus der Untersuchung embryonaler
Missbildungsfälle geschöpft werden kann. Es ist zwar ein weit verbreitetes Bestreben teratologischer Forscher, die -einzelnen, am ausgebildeten Individuum vorkommenden Missbildungen mit Hülfe bestimmter, meistens der thierischen Entwickelungsgeschichte entnommener Schemata erklären zu wollen. Allein dieses Bestreben wird
in sehr zahlreichen Fällen nothwendig scheitern müssen, denn, wo
einmal in der Natur Abweichungen von der Norm sich finden, da
wird der Beginn dieser Abweichungen und das compensatorische
Ineinandergreifen derselben aus dem blossen Endergebniss meistens
schwer zu entwirren sein.
Bis jetzt sind mir zwei jüngere Fötus mit Wolfsrachenbildung
durch die Hände gegangen. Den einen habe ich schon vor 7 oder
8 Jahren mikrotomirt und an ihm ein einseitiges Zurückbleiben der
Gaumenplatte des Oberkiefers zu constatiren vermocht (Fig. 27);
bei dem zweiten Fall (Fig. 28),. der noch unzerschnitten daliegt, ist
der mittlere Stirnfortsatz erheblich verkümmert. Derselbe läuft in
einen ungetheilten rundlichen Yorsprung aus, welcher vom Oberkieferfortsatz jederseits durch einen breiten Abstand getrennt erscheint. Dem entsprechend ist auch die Nasenspalte sehr kurz und
auf der linken Seite ist sie durch eine zwischen seitlichem und mittlerem Stirnfortsatz entstandene Verwachsungsbrücke zu einem eigentlichen Nasenloch geschlossen. Ohne in eine fernere Analyse des
noch näher zu untersuchenden Falles einzutreten, hebe ich zwei
Punkte als von allgemeinem Interesse heraus. Erstens die Verkümmerung und die mangelnde Gliederung des mittleren Stirnfortsatzes.
Infolge der Kürze des Stirnfortsatzes hat die Mundöffinung noch einen
früh embryonalen Charakter beibehalten : über der eigenthchen, die
Winkel verbindenden Mundspalte liegt ein viereckiges, von den bei
Der primitive Gaumen.
43
Fig. 27.
Querschnitt durch die Mundhöhlendecke eines ca. 21/2 m
Fötus mit ungleicher Entwickelung der Gaumenfortsätze
des Oberkiefers. Vergr. 7.5.
den Oberkieferfortsätzen begrenztes Loch, gleicb demjenigen, wie wir
es etwa bei Lg (S. 23) oder bei BB (Taf. IX Fig. 12) vorgefunden
hatten. Dabei zeigt der mittlere Stirnfortsatz keine Processus globulares und keine Area infranasalis, und demnach werden auch alle
Speculationen, welche
an diese Theile an
knüpfen, im vollsten
Sinne des Wortes, in
der Luft stehen. Zweitens besteht an dem
vorliegenden Kopf, als
Ausnahme, jener
Schluss des Nasenloches, welchen Albrecht als allgemeine
Regel hatte aufstellen
wollen, der Schluss
durch Verwachsung
des seitlichen mit dem
mittleren Stimfortsatz.
Es zeigt dies, dass bei
partiellen Verkümmerungen und Vorbildungen der Anlagen
Theile unter sich verwachsen können, die
sonst getrennt bleiben
und umgekehrt. Wir
müssen eben, meines
Erachtens, bei derartigen Anlässen darauf
gefasst sein, oftmals völhg unerwarteten Combinationen der Theile
zu begegnen und haben uns jedenfalls sehr mit jenen Erklärungen
in Acht zu nehmen, die auf blosser Anwendung einer gegebenen
Schablone beruhen.
Für ganz besonders bedenklich aber halte ich bei Deutung der
Kiefermissbildungen die Hereinziehung atavistischer, an die Zahl der
Fig. 28.
Defecte Lippen- und Gaumenhildung bei einem ca. 3 m
Fötus. Vergr. 7.5.
44 Der primitive Gaumen.
Zähne anknüpfender Betrachtungen. Die Verwachsung der weichen
Primäranlagen geht, bei normaler Entwickelung, der Bildung der
Zahn- wie der Knochenanlagen um einige Zeit voraus. Nun entstehen die ersten Zahnanlagen als Wucherungen bez. als Faltungen
des Mundhöhlenepithels und es ist der normale Verlauf ihrer Bildung
unzweifelhaft an den normalen Ablauf der vorangegangenen Entwickelungsphasen geknüpft. Sind aber die Primäranlagen verkümmert
und in ihrer Verwachsung gestört, so sind offenbar auch die Bedingungen für die Entstehung der epithelialen Zahnkeime andere geworden, und wir dürfen uns nicht wundem, wenn in einem solchen
Fall die entstehenden Zähne nach Zahl, Anordnung und Grösse von
der Norm abweichen.
Das Nasenfeld und die Bildung der Nasenhöhle.
Schon bei sehr jungen Embryonen zeigt der Vorderkopf jederseits vom Stirnwulst eine das spätere Nasenhöhlengebiet umfassende
schräge Facette, das Nasenfeld. Wo die äussere Besichtigung über
das Vorhandensein und über die Ausdehnungen des Feldes anfangs
noch Unklarheiten lässt, da geben die Durchschnitte durchaus deutliche Anschauungen. Es liegt dasselbe vor der Uebergangsstelle des
Hemisphärenhirns in die Augenblase und es ist hier die Ectodermplatte frühzeitig verdickt (Lg Taf. Xu, 30 ; BB Taf. XI, 2 und 3 ; «
Taf. Vni, 5—8).
Bei weiterschreitender Entwickelung sinkt der Boden des Nasenfeldes muldenartig ein, während die Eänder sich wulstig emporwölben. Hierdurch tritt das Ganze selbständig aus der Umgebung
hervor und zugleich erfährt auch der zwischen beiden Nasenfeldem
liegende mittlere Stimfortsatz eine schärfere Umgrenzung. Das deutlichere Hervortreten einer Nase fällt in die Zeit bald nach Eintritt
der Nackenkrümmung. Bei Embryo R (Taf. XTTT Fig. 1) besitzt das
Nasenfeld eine birnförmige Gestalt und es scheidet sich nunmehr
in die jAKOBSON'sche ') und in die eigentliche Nasengrube.
Die JAKOBSON'sche Grube liegt an der Wurzel des Nasengebietes,
sie ist ziemlich tief und von einem ringförmigen Wall umgeben;
letzterer hängt mit dem Wall der eigentlichen Nasengrube zusammen,
und diese liegt als flache Vertiefung neben der Stirnfläche des Kopfes.
1) Das frühe Auftreten der jAKOBSon'schen Grube bei Säugethierembryonen
hat DüBSY erkannt. Entwickel. d. Kopfes S. 130.
46
Das Nasenfeld und die Bildung der Nasenhöhle.
Demnächst tritt nun das ganze Nasenfeld durch zunehmende
Erhebung der Ränder rüsselartig aus der übrigen Kopfwölbung empor,
wobei Boden und Ränder der Riechgrube in eigenthümlicher Weise
sich verbiegen. Die dabei entstehende Fläche ist wohl, was die Weichheit ihrer Formen betrifft, am ehesten mit der Innenfläche einer
Auster zu vergleichen und es ist schwer, dieselbe in Bild und
Wort wiederzugeben. Beifolgende, nach einer Originalphotographie
gemachte Skizze mag die Hauptverhältnisse veranschaulichen, ') Am
unteren Ende des Nasengebietes
liegt die von einem dicken, fast
kreisrunden Wall eingefasste JaKOBSON'sche Grube. Mit der Nasengrube ist dieselbe durch eine
sehr seichte Furche verbunden,
auch hängt ihr Wall unmittelbar zusammen mit dem Randwulst, welcher um die Nasengrube
herumläuft.
Denkt man sich den Randwulst
der Nasengrube vom Jakobson'schen Organ getrennt, so bildet derselbe eine Schleife mit einem medialen und einem lateralen Schenkel.
Der laterale Schenkel zeigt eine
leichte S-Form, d. h. er besitzt
eine der Grube zugekehrte untere
Einbiegung, auf die weiter oben eine convexe Ausbiegung folgt. Die
nachfolgende Entwickelung ergiebt, dass diese Biegungen die Bildung
Fig. 29.
Nase des Embryo A. Vergr. 30. Nach einer
Photographie gezeichnet. JO jAKOBSON'sche
Grube, P. g. Processus globularis.
1) Dasselbe Object habe ich auch schon auf Taf. VII Fig. A4 darzustellen
versucht, indessen ist jene Figur noch etwas zu schematisch. Das, was dort
mit R (Riechgrube) bezeichnet ist, ist die JAKOBSos'sche Grube. Dieselbe Verwechselung haben vor mir auch andere Beobachter begangen, und es kommt
mir in der Hinsicht besonders die Figur 463 von Kölliker's Entwickelungsgeschichte (2. Aufl. S. 768) verdächtig vor, die die Riechgrube als tiefes, von
einem ringförmigen WaU umgebenes Löchelchen darstellt. Laut Duesy's Nachweis (1. c. 133) ist auch die von Rathke bei der Natter als Riechgrube beschriebene Grube nur das JAKOBsoN'schen Organ.
Das Nasenfeld und die Bildung der Nasenhöhle. 47
des seitlichen Stirnfortsatzes einleiten. Dieser entsteht nämlich aus dem Substanzstreifen, der vom jAKOBSON'schen Organ aus
bis zur oberen Ecke sich erstreckt, und dessen gegen die Grube vorragende Ausbiegung bezeichnet den Ort der späteren Spitze.
Der die Kiechgrube medialwärts umgreifende Schenkel des Eandwulstes zeigt in seiner vorderen Hälfte einen convexen Vorsprung,
das Profil des Processus globularis. AVeiter unten folgt eine vor dem
JAKOBSON'schen Organe befindliche Einkerbung. Der Boden der
Nasengrube ist von einigen Ealtenzügen durchsetzt, in deren Beschreibung ich mich indessen, ohne ein etwas breiteres Beobachtungsmaterial, nicht gern einlassen mag. Am bedeutsamsten scheint mir
eine Falte zu sein, welche von der Einkerbung aus schräg nach
oben sich erstreckt.
Die lateralwärts offene Nasengrube wandelt sich ziemlich rasch
um in die lateralwärts geschlossene Nasenhöhle. Diese Umwandlung
hängt mit einer Eeihe sonstiger Vorgänge zusammen, und wir müssen
zu deren Verständniss suchen, uns eine etwas allgemeinere Uebersicht
zu verschaffen: Bei jüngeren Embryonen liegt das Nasenfeld zum
weit überwiegenden Theil im Bereich des Vorderhirns, und dies gilt,
wie die Figuren 11 — 14 der Tafel IV zeigen, noch vom Embryo A.
Verbindungslinien, durch den hinteren Eand beider Nasenfelder gezogen, schneiden tief ins Gehirn ein, und die durch den vorderen Eand
gelegten Linien überragen nur um Weniges das Gehirn (Fig. 28).
Indem nun die Kopfentwickelung fortschreitet, rückt das Nasenfeld mitsammt dem dazwischen liegenden Substanzstreifen mehr und
mehr nach vorn und nach abwärts und es verlässt allmählich den Hirnbereich. Beifolgender Durchschnitt des Kopfes von Pr (Fig. 29) zeigt
noch etwa die Hälfte, der Schnitt von ^ (Fig. 3ü) nur noch ein
Drittel der Nasengrube neben dem Gehirn liegend, und in der Schnittreihe von S 1 (Fig. 31) ist mit wenigen Ausnahmen überall der Grund
der Nasenhöhle vor dem Gehirn befindlich.
Je mehr die zwei Nasenfelder nach vom sich verschieben, um
so geringer wird auch ihr gegenseitiger Abstand. Bei S 1 z. B. ist
der quere Abstand beider Nasengruben absolut geringer, als bei Pr
und bei d-. Die gegenseitige Annäherung der beiden Nasengruben
geht einher mit einer doppelseitigen Faltenbildung in dem dazwischen
liegenden Gebiete des mittleren Stirnfortsatzes. Eine solche Falten
48
Das Nasenfeld und die Bildun;? der Nasenhöhle.
Fig. 30
Querschnitte durch die Nasengruben der
Embryonen A, Pr und Q-. Vergr. 7.5.
Fig. 33.
Durchschnitte durch die Nasenhöhlen vom Embryo S 1.
Vergr. 12.5. sSt seitl. Stirnfortsatz, Olc Oberkiefer, HMoe
hintere Oeffnung in den Mundrachenraum oder primitive Choanen.
bildung findet man in ihren
ersten Anfängen schon an
den oben citirten Figuren
der Taf. IV und dann in zunehmendem Maasse an den
Schnitten von Pr, von & und
von S 1. Bei der letzteren
Reihe zeigt der durch das
obere Ende der Nasenfurche
gelegte Schnitt a am mittleren Stirnfortsatz eine seichte
Medianfurche und zwei niedrige Seitenleisten. Weiter
nach abwärts wird die Medianfurche immer tiefer, die
beiden Seitenleisten immer
höher und steiler, bis sie
dann schliesslich am hinteren
Ende der Riechgrube rasch
abfallen.
Wir sind den eben betrachteten neben der Nasenhöhle herlaufenden und diese
medianwärts begrenzenden
Leisten im vorigen Abschnitt
bereits begegnet, aber wir
hatten dort deren verschiedene Strecken mit verschiedenen Namen belegt und sie
als Randwulst der Nasenöffnung, als Processus globulares und als Laminae nasales
aufgeführt. Alle die genannten Bildungen gehören derselben Sagittalfalte an, die,
von der häutigen Hirnkapsel
abgehend, einen freien Rand
Das Nasenfeld und die Bildung der Nasenhöhle. 49
der GesicMsfläohe, einen anderen dem Eachenraum zukehrt und an
der Grenze beider, als Processus globularis, eine vorspringende Ecke
bildet. Die Bezeichnung als Lamina nasalis kann in erweitertem Sinn für die Gesammtleiste Verwendung finden. Jede Lamina nasalis bildet die mediale Wand ihrer Nasengrube, die beiden
sind anfangs durch eine breite Furche von einander geschieden,
dann aber wird diese enger, die beiden Laminae treten in der Mittellinie zusammen, verschmelzen unter einander, und soweit sie nicht
zur Lippen- und zur Zwischenkieferbildung verwendet werden, entwickeln sie sich zum Septum narium. Das Septum entsteht demnach auch seinerseits durch eine mediane Verbindung von zwei ursprünglich getrennten Anlagen.
Die früherhin offenen Nasengruben werden zum Theil durch die
umgelegten Ränder der Laminae nasales überlagert. Weit ausgiebiger
aber erfolgt ihr Schluss durch eine Hervorschiebung ihres hinteren
Randes. In Gestalt eines breiten Lappens legt sieh dieser über die
Aussenfläche der Grube und deckt dieselbe zu. Dieser Lappen ist
der seitliche Stirnfortsatz, sein wulstiger Rand wird zum
Nasenflügel. ' ) Auf der Stufe von {y und von S 1 läuft die Nasenfurche in zwei Rinnen aus, eine mediale, von der Lamina nasalis
überlagerte und eine laterale, vom seitlichen Stirnfortsatz bedeckte;
letztere ist breiter sowohl, als tiefer denn die erstere (Fig. 33 a u. b).
An der Begrenzung des unteren Endes der Nasenfurche betheilt
sich der Oberkieferfortsatz. In die mediale Wand wird das JakobsoN'sche Organ mit einbezogen.
Bei den Umlagerungen, welche das Nasenfeld und dessen Derivate erfahren, kommt ausser den veränderten Beziehungen zum Gehirn auch die veränderte Stellung zum Mundrachenraum sehr wesentlich in Betracht. Die primäre Stellung der Nasengrube ist eine
ziemlich steile und das untere Ende der Grube liegt jederseits noch
ein ganzes Ende vor dem Eingang in die Mundhöhle (Taf. XIII
Fig. 1). Würde sich zu der Zeit die Grube ohne Aenderung ihrer
Stellung zur Höhle schliessen, so käme die hintere Näsenöffnung
1) Auch hier hat Dursy richtig erkannt, dass sich die Nasengrube durch
Hervorschieben ihres hinteren Begrenzungssaumes schliesst. Er spricht von
einem „Nachvornwachsen" des Saumes, während es sich nach meiner Auffassung um eine Faltenbildung in der Kopfwand handelt.
His, MenscU. Embryonen, in. 4
50
Das jSTasenfeld und die Bildung der Nasenhöhle.
noch ausserhalb des Mundraumes zu liegen. Die spätere Stellung
der Nasenhöhle über der Mundhöhle kann daher nur vermöge einer
ausgiebigen Verschiebung der Theile zu Stande kommen. Als Anhaltspunkt zur Vergleichung gebe ich beistehend die Vorderkopfcontouren des Embryo A und des Embryo Br2. Als Einheitsmaass
ist bei beiden Figuren der Abstand vom Augenmittelpunkt zur Nasenwurzel gewählt, dabei ergiebt sich ziemliche Uebereinstimmung
im Abstand vom Auge zum Unterkiefer und wenig verschiedene
Maasse für die Ausdehnung der Nasengrube. Die Vergleichung beider Contouren ergiebt als Fortschritt der vorgerückten Stufe 1. bedeutende Hebung des Stirntheiles des Kopfes, entsprechend der fortgeschrittenen Entwickelung der Hemisphären; 2. Hervortreten eines
Nasenrückens und Bildung
eines keilförmigen Zwischenstückes, einer Pars ethmoidalis, zwischen der Gehirnbasis und dem vorderen Ende
der Nasenhöhle ; 3. zufolge der
unter Nr. 2 erwähnten Veränderungen erfährt das vordere Ende der Nasenhöhle eine
Senkung, damit combinirt sich
aber eine Hebung des hinteren
Endes, derart, dass nun dieses
in die Höhe des Augenprofils
emporsteigt; 4. ist der anfangs weit oben liegende Processus giobularis herabgerückt ; der aus
ihm hervorgehende Zwischenkiefer bildet in grösserer Ausdehnung
den Boden der Nasenhöhle. Zugleich aber ist der Processus giobularis durch seine Betheiligung an der Oberhppenbildung Bestandtheil der Mundhöhlendecke geworden. Diese ist demnach um ein
gutes Stück weiter nach vorn vorgeschoben denn früher, und auch
der Oberkieferfortsatz hat sich durch Verlängerung seines vorderen
Endes an der neuen Sachlage betheiligt.
Aus den beistehenden Contourskizzen und noch deutlicher aus
dem Profil von Seh Fig. 36 ergiebt sich, dass die primitive Nasengrube nicht nur die Anlage der Pars olfactoria, sondern diejenige
Fig. 34 und 35.
Yorderkopf vom Embryo Br 2 und von A. Die
JNasenliöhle ist senkrecht schraffirt.
Das Nasenfekl und die Bildung der Nasenhöhle.
51
der ganzen Nasenhöhle umfasst. Sowie der seitliche Schluss der
Grube erfolgt ist, zeigt der enstandene Hohlraum im Wesentlichen
eine Grundform, die für die Nasenhöhle die bleibende ist. Von der
vorderen Oeffnung aus führt ein kurzer Eingangstrichter in eine hohe
Spalte, die oben von der Pars ethmoidalis überwölbt ist und in
deren Decke der N. olfactorius sich einsenkt. Jenseits von dessen
Insertionsstelle nimmt die Höhle rasch an Höhe ab und läuft in
einen niedrigen Gang aus, den
Nasenrachengang, welcher
lateralwärts von den Laminae
nasales in den hinteren Nasenlöchern sich öffnet. Dieser Gang
führt an einer rechtwinkeligen
Ecke der Schädelkapsel vorbei,
welche ihrer Lage nach der
Kante des späteren Keilbeins
entspricht. Wenn danach die
Gaumenfortsäze des Oberkiefers
in der Mittelebene zusammentreffen, so wird anfangs nur ein
unverhältnissmässig kurzer Theil
bei Bildung des Nasenbodens
Verwendung finden, nur die
Strecke nämlich, welche die
inneren Nasenlöcher überragt, ^. „„
° Flg. 36.
der grössere Rest geht in Bil- Promconstmction vom Emtryo Sch. Die Zunge ist
nicht mit in der Zeichnung aufgenommen, um
dunfif des Velum nalatinum auf. ^^^ Seltenwand des Mundrachenraumes sichtbar zu
° " machen. iV^.o N.olfact., iV^A Nasenhöhle, B.T'Rath
Im weiteren Verlaufe der Ent- ^f ^«tmeÄef p?JtroceIs'3ohuL' m^^^
Wickelung tritt die Nase mehr ""teilafll^n^K^seS^ralf.tze'r'TrÄ""
aus dem Gesicht hervor und
der Mundraum erweitert sich. Dabei wird nun auch die Flächenentwickelung des Gaumens eine andere und der Oberkieferantheil
desselben kommt mehr zu seinem Reclite.
Ich komme mit einigen Worten auf den mittleren Stirnfortsatz als Ganzes zurück. Von dem Zeitpunkt ab, da die beiden Nasengruben als schräge, allmählich sich vertiefende Flächen
am Vorderkopf wahrnehmbar werden, charakterisirt sich auch das
4*
52 Das Nasenfeld und die Bildung der Nasenhöhle.
dazwischen liegende Mittelfeld als Gebiet des zukünftigen Stirnfortsatzes (Taf. yill Fig. 5-9, Taf. XI BB Fig. 2—3 und Lr Fig. 6—8).
Dasselbe schmiegt sich anfangs dem Vorderhirn noch ziemlich nahe
an, sein Querschnitt erscheint im oberen Theile convex, unten dagegen beim Anschluss in die Mundgrubendecke concav. Am Uebergang des convexen Theiles in den concaven liegt ein leichter Vorsprung, die erste Andeutung einer Nasenkante. Je schärfer nun in
der Folge die Nasengruben sich ausprägen, um so mehr entwickeln
sich deren aufgeworfene Bänder zu selbständigen Wülsten. Jede
der beiden Gruben erscheint nun von einem nach abwärts offenen
Bogenwulst umfasst. Der Theil des Bogenwulstes, welcher dem
mittleren Stirnfortsatz angehört, biegt sich noch eine Strecke weit
unter dem vorderen Theil der Grube weg und endet dann mit
raschem Absätze als Processus globularis (Taf. VII A 4 und B 3).
So stehen die Dinge am Schluss des ersten Monates. In der
Zeit liegt der mittlere Stirufortsatz dem Vorderhirn innerhalb der
Medianebene fast unmittelbar an, die ISTasengruben dagegen sind von
diesem seitlich abgerückt, wobei indessen ihre Profilprojection noch
grösstentheils mit derjenigen des Gehirns sich deckt (Taf. IV Fig. 10
bis 14). Von nun ab rücken, wie dies oben gezeigt wurde, die Nasengruben mehr und mehr aus dem Gehirnbereich heraus und zugleich
vergrössert sich der Abstand zwischen der Hemisphärenbasis und
der Kopfwand. Es bildet sich ein Nasenrücken, die Nasenkante
prägt sich dabei schärfer aus und der Stirnfortsatz entwickelt sich
zu einer selbständig das Gehirngebiet überragenden Anlage.
Fassen wir den Process der Nasenbildung nach seiner wahren
Bedeutung zusammen, so können wir sagen, es entsteht der Complex
der drei Stirnfortsätze als eine aus der ursprünglichen Hautkapsel
des Gehirns hervortretende Sagittalfalte. Die Falte ist anfangs sehr
breit angelegt; sie verschmälert sich in der Folge, und ihr Scheitel
entfernt sich dadurch mehr und mehr von der Basis. Die Biechgruben, indem sie in die Seitenwand der Falte mit einbezogen sind,
gleiten zunächst in schräger Bichtung nach vorn und kommen dann,
durch das Schmälerwerden der Faltenbasis, in immer geringereu Abstand von einander zu liegen.
Gleichzeitig mit der sagittalen entsteht eine quere Falte, und
wie jene in ihrem letzten Endergebniss zur Bildung des Nasen
Das Nasenfeld und die Bilduns; der Nasenhöhle.
53
rückens, so führt diese zur Bildung der Nasenkante und der Nasenspitze. Schon von Anfang ab besteht das Mittelstück der Sagittalfalte aus einem oberen, die Nasengruben überragenden und einem
unteren, zwischen diese eingeklemmten Abschnitt. Während jener
convex sich vortreibt, erscheint der letztere concav eingesunken. Auf
der Grenze beider Abschnitte bildet sich als eine bogenförmig angelegte Querfalte die Nasenkante. Je mehr die Basis der Sagittalfalte sich verschmälert, um so weiter wird ihr oberer Abschnitt hervorgetrieben, um so tiefer aber der untere zurückgedrängt und unter
den oberen einbezogen. Man kann sich mit Hülfe von einem Stück
Fig. 37.
Faltenschema zur Veranscliaulicliung der Nasenbildung.
Die ausgezogenen Linien bedeuten die dem Beschauer
zugewendeten, die punktirten Linien die ahgewendeten
Falten.
steifen Papieres die geschilderten Hergänge und ihr Ineinandergreifen
leicht veranschaulichen. Bricht man das Papier in der beistehend
vorgezeichneten Weise, so ist man im Stande, auch den seitlichen
Schluss der Nasengrube und die Hebung von deren hinterem Ende
als Folgen des sagittalen Faltungsprocesses zu verstehen. Stellen
nämlich die beiden unteren Eckfelder die Nasengruben vor, so ergiebt eine Zusammenschiebung des Blattes in transversaler Richtung
eine zunehmende Verdeckung jener Felder durch einen von hinten
und oben her kommenden, dem seitlichen Stirnfortsatz entsprechenden
54
Das Nasenfeld und die Bildung der NasenhöUe.
Streifen. Ebenso zeigt das Schema die Bildung der Laminae nasales
und ihre Vereinigung zum Septum.
Bei obiger Betrachtung ist als faltenbildende Schicht nur die
Ectodermbekleidung des Vorderkopfes in Betracht zu ziehen, die Ausfüllungsmasse, welche die entstehenden Zwischenräume einnimmt,
ist in diesen frühen Perioden viel zu weich, um selbständig in die
Eormenbildung eingreifen zu können.
Nachdem der mittlere Stirnfortsatz auf dem Höhepunkt seiner
embryonalen Entwickelung angelangt ist (etwa im Beginn der sechsten
Woche), lassen sich an ihm naturgemässerweise drei Zonen unterscheiden, eine oberste, welche die beiden Nasenhöhlen überragt, eine
mittlere, welche zwischen die beiden Höhlen eingeschoben ist und
Ko. jjuSt.
s.St.
mv. Gfi
Fig. 38.
Frontalconstruction des mittleren Stirnfortsatzea vom
Embryo Seh. Vergr. 15. N.o Nerv, olf., m.St u. s.St
mittlerer und seitliclier Stirnfortsatz, Ok Oberkiefer,
Nh Nasenhöhle. Der Ort der vorderen Nasenoffnung
ist hell ausgespart, derjenige der hinteren dunkel bezeichnet. Dl Thränengang , P. g Processus globularis,
0. f Gaumenleiste.
eine untere, welche die Höhlen vom Mundraum trennt (Fig. 34).
Diese drei Zonen können als Pars ethmoidalis, als Pars internasalis oder Septum und als Pars intermaxillaris bezeichnet werden (Fig. 36 und Fig. 38).
Die Pars ethmoidahs bildet einen Keil mit hinterer Zuschärfung,
ihre obere Fläche ist der Gehirnbasis zugekehrt, die vordere Fläche
sieht als Area triangularis frei nach vorn. Die untere Fläche setzt
sich unmittelbar in das Septum fort. Zwei dicke ISTn. ethmoidales
treten durch den hinteren Theil der Pars ethmoidalis und inseriren
sich beiderseits in die Decke der entsprechenden Nasenhöhle.
Das Septum erscheint nach Vereinigung seiner beiden Seiten
Das Nasenfeld und die Bildung der NasenhöLle. 55.
hälften als eine dicke, senkrecht stehende Substanzplatte, von annähernd vierseitiger Umgrenzung. Der obere Eand hängt mit der
Pars ethmoidalis, der hintere mit der Pars sphenoidalis des Schädels
zusammen. Der vordere Band ist frei, als Pars infranasalis der
früheren Beschreibung, und der untere Eand trägt den durch Verschmelzung der Processus globulares entstandenen Zwischenkiefertheil. Nach hinten läuft das Septum zwischen den beiden hinteren
Nasenöffnungen mit schräg gestelltem Eande frei aus.
Die Pars intermaxillaris des mittleren Stirnfortsatzes entsteht
durch die Herab drängung und die mediane Verschmelzung der beiden
Processus globulares. An ihrer oberen Fläche nimmt sie das Septum auf, ihre vordere und ihre untere Fläche sind frei und auch
ihre hintere Fläche ist so lange frei, als nicht die Verbindung mit
den Processus palatini des Oberkiefers eingetreten ist.
Die äusserliclie Entwickelung des Unterkiefers
und der Inframaxillargegend.
Bei jüngeren Embryonen ist, wie wir oben salien, die Mundöffnung ein weit klaffendes Loch (man vergl. z. B. Taf. VI Fig. I A
und Taf. IX Fig. 2—5). Einestheils hängt dies mit dem Fehlen des
mittleren Stirnfortsatzes zusammen, anderntheils aber mit der Stellung des in dieser Zeit schräg herabhängenden Unterkiefers. Dieser
ist da, wo er vom Oberkiefer sich scheidet, schmal, läuft aber dann
in eine wulstige Verdickung aus, welche mit der entsprechenden der
anderen Seite der Mittellinie zusammentrifft. Mit dem Eintritt der
Nackenkrümmung erfährt die Mundöffnung dadurch eine erhebliche
Einengung, dass das nach vorn und medialwärts gerichtete Endstück
des Unterkiefers sich emporhebt und zum Theil vor den Oberkiefer
zu liegen kommt (man vergl. Taf. I Fig. 2 , Taf. VIII Fig. « 3 und
Taf. IX Fig. 1). Im Profil gesehen, hat jetzt die Mundspalte eine
schräge ansteigende Eichtung, von vorn gesehen, bildet sie eine nach
oben convexe Bogenlinie.
Die eben beschriebene Aenderung in der Stellung des Unterkiefers findet ihren Grund darin, dass beim Eintritt der Nackenkrümmung das Schlundbogengebiet des Hinterkopfes zusammengeschoben wird und dabei wird das Endstück des Kieferbogens durch
den Druck der dahinterliegenden Theile gegen die offene Mundlücke
hingedrängt. Bei diesem Mechanismus des Mundschlusses wird es
verständlich, weshalb alle jene Missbildungen, bei denen die Nackenkrümmung ungenügend sich ausbildet, in übereinstimmender Weise
ein weit klaffendes Maul zeigen (man vergl. Heft 11 S. 99 und 100,
besonders die Figuren LXXVI, L und XXXI).
Die äusserl. Entwickelung des Unterkiefers und der Inframaxillargegend. 57
Da, wo die kugelig gewölbten Endstücke der beiden Unterkieferbogen sich begegnen, bleibt zwischen ihnen eine Furche übrig, die
anfangs sowohl an der äusseren, als an der dem Mundraume zugewendeten Oberfläche tief einschneidet. Von der fünften Woche ab
beginnt die Furche , sich auszufüllen und jetzt besteht der Unterkiefer, insoweit er an die Mundspalte anstösst, aus einem quer gestellten Mittelstück und zwei schräg ansteigenden Seitenstücken. Ich
bezeichne diese Abschnitte als Mittelkiefer und als Seitenkiefer. An den beiden auf Taf. XIV Figur 6 u. 7 abgebildeten
Köpfen ist der Mittelkiefer noch mit einer verticalen Furche versehen, die indessen bereits im Schwinden begriffen ist. An den
Seitenkiefern zeichnet sich nunmehr die Lippe als selbständiger, vom
unteren Kiefersaum abgesetzter Wulst. Sehr deutlich tritt diese Trennung auch an den Profilansichten hervor (Taf. XTTT Fig. 5, 6 und 7
und XIV Fig. 5). Hier hatte ich im vorigen Heft die beiden Abtheilungen als Lippen- und als Kinnwulst unterschieden, i) Indessen
ist letztere Bezeichnung nicht ganz glücklich gewählt, denn der im
Profil sichtbare Wulst entspricht mehr dem Kieferwinkel als dem
Kinn. Letzteres scheidet sich von dem im Profil wenig hervortretenden Mittelkiefer ab. Von den Seiten her dringt nämlich die
Lippenfurche in diesen ein und trennt einen convex ausgebauchten
unteren Wulst vom oberen, die Mittellippe bildenden Saum (Taf. XIV
Figur 8).
Mit der zunehmenden Ausbildung der Oberlippe ändert sich
auch die Form der Unterlippe. Ihr Mittelstück hebt sich zu einer
stumpfen Spitze empor (Fig. 8 und 9), während die Seitentheile eine
einfache Querrichtung annehmen. Zum Theil wird jetzt auch die
Unterhppe von der Oberlippe überragt und zugedeckt.
Unterhalb des Unterkiefers entwickelt sich als besondere Fläche
die Inframaxillargegend, zu deren Verständniss wir wieder auf
die früheren Stufen zurückgreifen müssen.
Während die Seitenwand des Hinterkopfgebietes die bekannte
Gliederung in den Schlundbogen erfährt, ist die Vorderwand desselben anfangs vom Herzen und von der dasselbe umgebenden
Parietalhöhle eingenommen. Der Aortenbulbus inserirt sich unmittel
1) Heft II S. 56.
58 Die äusserl. Entwickelung des Unterkiefers und der Inframaxillargegend.
■bar vor dem Unterkiefer (Taf. IX Fig. 6), dessen freie vordere Höhe
demnach zu der Zeit eine sehr geringe ist (Fig. 39). Die Insertionsstelle des Aortenhulbus rückt aus ihrer primitiven Stellung mehr
und mehr nach abwärts ; aus dem Bereich der Unterkieferbogen
heraus kommt sie in die Etage des zweiten und weiterhin des
dritten Schlundbogenpaares. Dabei trennt sich auch der zugehörige
Theil der Parietalhöhle vom Kopfe los, und die Insertionslinie ihrer
Wand rückt gleich der Bulbusinsertion nach abwärts. Zwischen
dieser Insertionslinie und dem wulstig hervortretenden Unterkiefer
entsteht nun die Inf ramaxillar fläche als ein nach vorn gewendetes dreieckiges Feld (Taf. XIV Fig. 6 und 7). Oben wird dasselbe durch den Mittelkiefer, seitlich durch
die schräg ansteigenden Seitenkiefer und
weiterhin noch durch die wulstig vortretenden Enden des zweiten Schlundbogenpaares eingefasst. Der dritte Schlundbogen pflegt, wenn einmal das Inframaxillargebiet zur Ausbildung kommt,
als äusserlich abgegrenzte Bildung schon
verschwunden zu sein. Im Uebrigen ist
dasselbe glatt und es greifen weder
Schlundbogen noch Schlundfurchen auf
dasselbe über. Es existirt somit an der
Vorderfläche des Hinterkopfes ein zwischen die Bogensysteme eingeschobenes
Zwischenfeld, welches unter Herabdrängung des Aortenhulbus und der Parietalhöhle sich ausgebildet hat. Auch an der Innenfläche des Mundrachenraumes treffen, vom Unterkiefer abgesehen, die Schlundbogen
ursprünglich nicht in der Mitte zusammen, sondern sie bleiben
durch ein von vorn nach rückwärts breiter werdendes mesobranchiales Feld von einander getrennt, wie dies im nächsten Abschnitt
weiter ausgeführt werden soll. ')
Fig. 39.
Frontalconstruction des
Embryo Lg.
1) Scbon bei früherer Gelegenheit wurde , in Uebereinstimmung mit
DuESY, hervorgehoben, wie unhaltbar die auch in Modellen reproducirte Darstellung von Ecker ist (Jcones phys. Taf. XXIX Fig. 1), wonach Wülste und
Spalten vorn aneinander anschliessen. Arch. f. Anat. u. Physiol. ISSl. S. 309.
Die äusserl. Entwickelung des Unterkiefers und der Inframaxillargegend. 59
Bei Fig. 6 u. 7 von Taf. XIY laufen an der Grenze des Inframaxillargebietes der Seitentheil des TJnterkieferbogens und der zweite
Schlundbogen in zwei rundliche Höcker aus. Der obere dieser
beiden Höcker bezeichnet den Winkel des Unterkiefers, der untere
dagegen wird späterhin grossentheils überdeckt ; was von demselben
frei bleibt, finden wir im Ohrläppchen erhalten.
Die Vorderwand des MundraclieDraunies und
deren Umbildung.
Verli alten der Anfangsstufeii.
Bei den jungen Embryonen Lg und Rf zeigt die Vorderwand
des Mundrachenraumes folgende Gestaltung: von beiden Seiten ber
treten die Scblundbogen als drei Paare von flachen Wülsten nach
vorn hin, ohne sich indessen in der Mittellinie zu erreichen. Am
nächsten rücken sich die beiden Unterkieferbogen; erheblich breiter
bleibt der Abstand des zweiten und noch grösser der des dritten
Wulstpaares. Zwischen den Enden der drei
Paare von Erhebungen bleibt sonach ein
dreieckiges nach abwärts sich verbreiterndes
Feld übrig, das wir als mesobranchiales
Feld bezeichnen können. Soweit als dieses
Feld reicht, liegt vor demselben die Parietalhöhle der Wand des Mundrachenraumes an,
auch fällt in seinen Bereich die Insertionsstelle des Aortentruncus, die bei Embryo Lg noch in der Höhe vom ersten und
zweiten Schlundbogen liegt. Dieser Insertionsstelle entsprechend, findet sich im oberen
Theil des Mesobranchialfeldes ein kleiner
rundlicher Vorsprung, den ich als Tuberculum impar bezeichnen
will (Taf. XII Lg Fig. 56 und 60). Unterhalb dieser Stelle ist der
Boden des Mundrachenraumes von einer niedrigen, zwischen ihn und
die Parietalhöhle eingeschobenen Platte gebildet (1. c. Fig. 64 — 90),
innerhalb deren in der Folge die Wurzelstücke der unteren Gefäss
Fig. 40.
Vorderwand des Mundraclieniau
mes vom Embryo Lg. Vergr. 50.
Die Figur zeigt das Tuberculum
impar und die Furcula.
Verhalten der Anfangsstufen. 61
bogen zur Entwickelung kommen. In der unteren Hälfte des Mesobranchialfeldes wölbt sich der Boden zu einem zweiten, umfänglicheren Vorsprung empor, der den Eaum zwischen den unteren
Seitenwülsten einnimmt. An seinem oberen Ende ist dieser Yorsprung ungetheilt, weiterhin aber zerfällt er durch eine mediane,
von oben nach abwärts tiefer werdende Eurche in zwei Leisten,
welche sich in den Rumpftheil des Eingeweiderohres hinein fortsetzen. Hiernach bezeichne ich den Vorsprung als die Gabel oder
Eurcula. Es entsteht die Furcula durch ein Ueb ergreifen der dem
Eumpfvorderdarm eigenthümlichen Längsgliederung in das Gebiet
des vorwiegend quergegiiederten Kopfdarmes.
Nachdem durch Ausprägung der dritten und der vierten Furche
auch der vierte Schlundbogen sich abgegliedert hat (bei Embryo BB
Eig. 41), liegt die Furcula medialwärts von den kurz angelegten vierten
Bogenwülsten, und sie greift noch eine Strecke weit zwischen das
dritte Paar ein. Im Uebrigen ist die Area mesobranchialis dadurch
etwas schmäler geworden, dass sich die verschiedenen Wülste verlängert und näher gegen die Mittellinie herangeschoben haben.
Betrachten wir statt der Wülste die Furchen, so ergiebt sich
folgendes Verhalten: eine mediane Furche trennt die sich entsprechenden Enden der zwei obersten Bogenpaare und die obere Hälfte
des dritten Paares. Aus ihrem Grunde erhebt sich das Tuberculum
impar, nach beiden Seiten hin hängt sie mit der ersten und zweiten
Schlundfurche zusammen. Am tiefsten ist die Medianfurche unmittelbar hinter dem Tuberculum impar, da wo sie die vordersten
Seitenfurchen aufgenommen hat und die Enden der zweiten Bogenwülste von einander trennt. Dahinter wird sie seichter und, indem
sie auf den Scheitel der Furcula stösst, trennt sie sich in zwei neben
dieser herlaufende divergirende Schenkel. Sonach hängt die dritte
Seitenfurche nur noch mittelbar, die vierte aber gar nicht mehr mit
dem medialen Schlitz zusammen. Es läuft die vierte Furche in
eine tiefe Bucht aus, welche zwischen dem unteren Ende der Furcula
1) Für Embryo M geben die Fig. 4u. 5 von Taf. VI eine ziemlicli klare
Anschauung des Mesobranchialfeldes. Das Tuberculum impar und die Furcula sind daran allerdings nicht erkennbar, ersteres würde in Fig. 4, letztere
in Fig. 5 zu suchen sein.
62 Die Yorderwand des Mundrachenraumes und deren Umbildung.
und dem Anfaügstheile der Rumpfwand vorhanden ist, und die vorläufig der Fundus branchialis heissen mag.
Das die Vorderwand des Mundrachenraumes bildende MesobrancMalfeld umfasst laut der gegebenen Bescbreibung zwei von einander
getrennte Erhebungen, das Tuberculum impar nebst der Eurcula und
ein dieselben umgebendes Thalgebiet. Letzteres stellt sich als eine
hufeisenförmige oder noch correcter ausgedrückt als eine dreistrahlige
Furche dar, die ich den Sulcus arcuatus nennen will. Nach
beiden Seiten hin in die Schlundspalten auslaufend , endet der Sulcus
arcuatus nach abwärts im Fundus branchialis, und wir können an
ihm das nach oben sehende Mittelstück und die beiden nach abwärts sehenden Seitenhörner unterscheiden.
Bevor wir die weitere Entwickelung der bis dahin betrachteten
Bildungen verfolgen, erscheint es zweckmässig, einen Blick auf das
Verhalten der Aortenbogen zu werfen. Es stehen diese zu den
Wulstungen der Mundrachenwand in sehr naher Beziehung, so dass
ihr Verlauf aus jenen zu erläutern ist und umgekehrt. Dabei ist
allerdings im Auge zu behalten, dass die der Schlundbogenbildung
zu Grunde liegenden Faltungen der inneren und der äusseren Kopfwand der primäre Vorgang, das Hereinwachsen der Gefässe in die
frei werdenden Räume der secundäre Vorgang sind. Dies gilt auch
von menschlichen Embryonen und so finde ich z. B. bei Lg (Fig. 40)
einen dritten Bogenwulst, bevor ein correspondirendes Gefäss vorhanden ist. Sind aber einmal Gefässe da, so ist, wie sich leicht verfolgen lässt, deren Caliber von bestimmendem Einfluss auf die Entwickelung der umgebenden Wülste. Es gilt dies wenigstens von
der Entwickelungsperiode, während der die Schlundbogen überhaupt
als selbständige Bildungen hervortreten; späterhin löst sich ja die
Beziehung zwischen den Gefässen und den primitiven Bogen, erstere
schliessen sich theilweise, theils rücken sie in ganz andere Stellungen ein und letztere machen ihrerseits selbständige Entwickelungen durch.
Bei Embryo Lg und bei Rf sind erst zwei Gefässbogen vorhanden,
von denen der obere in den Unterkieferfortsatz von vorn und unten
her eintritt; in demselben nach rückwärts laufend, steigt er etwas in
die Höhe und durchsetzt noch eine Strecke weit den Oberkieferfortsatz, bevor er seine Endbiegung ausführt (Taf. IX Fig. 7).
Verhalten der Anfangsstufen.
63
Bei Embryo BB, bei welchem alle vier Schlundbogen angelegt sind, entsendet der Aortentruncus fünf Gefässschleifen, von
"welchen die zwei oberen und die drei unteren je mit einem gemeinsamen Anfangsstück beginnen. Die Insertionsstelle des Truncus liegt
zu der Zeit im Zwischengebiet zwischen zweiten und dritten Bogen,
etwas oberhalb des Endes der Furcula. Von hier aus verbreiten
sich die fünf Zweige strahlig, der erste und der zweite steigen in
die Höhe, der vierte und der fünfte wenden sich nach abwärts und
nur der dritte verläuft annähernd in der Ebene der Insertionsstelle.
Das gemeinsame Wurzelstück des ersten und des zweiten Gefässbogens oder die Carotis externa liegt jederseits lateralwärts von
Fig. 41.
Vordeiwand des Mundraclienraunies Tom
Embryo BB. Yergr. 60. Tnberc. impar,
Furcula und Fundus branchialis.
Fig. 42.
Vordeiwand des Mundrachenranmes vom
Embryo BB mit eingezeichneten Arterien
logen. Vergr. 60.
der Medianfurche. Die Trennung erfolgt nahe am oberen Band des
zweiten Schlundbogens und von da ab erreicht das oberste Gefäss
zunächst den unteren Rand des Unterkiefers, während das zweite
dem Verlauf seines Wulstes folgt. Der dritte Gefässbogen entspringt
etwas oberhalb der Eurcula und verläuft eine Strecke weit innerhalb des Mesobranchialfeldes , ehe er seinen Wulst erreicht. Der
vierte und der fünfte Bogen entspringen mit einem gemeinsamen
Anfangsstück, welches dem oberen Saum der Eurcula folgt, bevor es
sich in seine beiden Endäste trennt. Vom Theilungswinkel ab tritt
der vierte Gefässbogen quer über zu seinem kurz angelegten Schlund
64 Die Vorderwand des Mundrachenraumes und deren Umbildung.
wulst, während der fünfte Bogen, dem Furculasaume folgend, nach
abwärts steigt und medianwärts vom Fundus branchialis das Eingeweiderohr umgreift. Derselbe liegt hier in einer Leiste eingeschlossen, welche den Fundus branchialis vom Eingang in den
Rumpfdarm trennt. Man könnte diese aus der Furcula hervorgehende Leiste als fünften Schlundbogen bezeichnen, wollte man
sich dazu verstehen, einseitige, blos nach der inneren Seite hin ausgebildete Bogen anzuerkennen ; da ich es indessen für unzweckmässig
halte, ein schon unzweifelhaft dem Eumpf angehöriges Gebilde unter
die sonst dem Kopf angehörigen Schlundbogen zu zählen, so verzichte ich auf jene Bezeichnung und nenne die den Fundus medianwärts begrenzende Leiste Crista terminalis.
Mit dem fünften Gefässbogen ist die Reihe der primären Gefässanlagen noch nicht erschöpft, denn ein vom fünften Bogen sich
abzweigendes Stämmchen tritt jederseits neben bez, vor der Anlage
des Respirationsrohres als A, pulmonalis nach abwärts. Von diesem
Gefäss, das bei Embryo BB kaum in seinen ersten Anlagen besteht,
wird späterhin nochmals die Rede sein.
Bildung der Zuiigenanlage , der mittleren Seliilddrüseiiaiilage und des Kehlkopf einganges.
Die übersichtliche Gestaltung der Stufe von BB giebt den natürlichen Ausgangspunkt für die Betrachtung der weiteren Entwickelungsverhältnisse. Das Gebiet, wie es zur Zeit vorliegt, umfasst die
Anlagen für Unterkiefer, Zunge und Kehlkopfgebiet und diejenigen der
Schilddrüse, Als allgemeinen Gestaltungsvorgang haben wir schon
in einem früheren Capitel die successive Uebereinanderschiebung der
Schlundbogen kennen gelernt (S. 28), ein zweiter Vorgang von gleichfalls allgemeiner Art ist das Hereintreten der Schlundbogenwülste
gegen die Mittellinie hin, und an diesen Vorgang knüpft sich die
erste Bildung der Zungen- und diejenige der mittleren Schilddrüsenanlage.
Bei Embryo Lr ist der zwischen den Schlundbogenwülsten liegende Raum noch etwas enger, als bei BB, im Uebrigen ist die
Bildung d. Zungen-, d. mittl. Schilddrüsenanlage u. d. Kehlkopfeinganges. 65
Gestaltung der Gegend keine wesentlich andere geworden, wogegen
auf der Stufe der Embryonen «, Bl und R ein entscheidender Fortschritt sich eingeleitet hat.
Ich gehe zunächst das Constructionshild für Embryo R, womit
man die Durchschnitte von Taf. XII und das Profil von Taf. XIII
Eig. 3 vergleichen mag. Die bedeutendste Aenderung dieser Stufe
gegenüber den vorausgegangenen
liegt darin, dass das zweite und
das dritte Paar von Schlundwülsten
in der Mittellinie zusammengerückt
sind und sich theilweise mit einander verbunden haben. Die mediane Verbindung ist keine durchgreifende, das zweite Wulstpaar
bleibt nach oben durch eine klaffende Lücke geschieden (Taf. XII
Eig. 107 u. lOS), auf deren Grund
flpT nrimärp MnnrlViöhlpnhnflPTi nnrl ^°'^®'^ ^®* Mundraclieaiaume., vom Emljiyo E.
Uer pimidie iU.LinununienUÜUeU UUU Constr. Vergr. 32. ra Unterkiefer, //— FOrd^ m n „ i • T T\ nungsziffern der Schlund- bez. der Aortenboaren,
das Tuberculum impar liegen. Da, t. i Tuberc. impar, f Furcuu, /a KebikSpfl
wo die von den Seiten her kom- emgang.
menden Wülste zusammengetroffen sind, überbrücken sie eine zweitheilige Höhle, welche nach oben offen ist, nach abwärts blind
endigt (Taf. XIÜ Eig. 3). Die Höhle (auf Fig. 43 punktirt angegeben) ist die Anlage für das Mittelstück der Schilddrüse.
Die medialen Enden der dritten Schlundbogen treten in schräger
Eichtung nach oben hin. So treffen sie nicht allein unter einander
zusammen, sondern sie begegnen auch den darüber liegenden Wülsten des zweiten Paares und verwachsen mit ihnen sehr bald.
Hierdurch entsteht eine gemeinsame Leiste von der Gestalt eines
schrägen Kreuzes, die Anlage der Zungenwurzel. Das Mittelstück der Leiste ist am schmälsten und es ist in den Kaum zwischen dem Tuberculum impar und der Eurcula eingeschoben. Lateralwärts wird die Anlage breiter und sie gabelt sich beiderseits in
einen oberen, dem zweiten, und einen unteren, dem dritten Schlundbogen angehörigen Schenkel, die durch eine breite, medialwärts
seicht auslaufende Furche von einander geschieden sind. Der obere
His, Menschl. Embryonen. III. 5
66 Die Vorderwand des Mundrachenraumes und deren Umbildung.
Schenkel ist die Anlage des Arcus palatoglossus, und als
solcher bildet er die Grenze zwischen dem eigentlichen Mund- und
dem Pharynxraum. Die auf ihn folgende Furche bezeichnet den
Ort, wo sich späterhin die Tonsille bilden wird. Letztere entwickelt sich im Bereich der zweiten Schlundspalte, dagegen ist der
an die Zungenwurzel herantretende Seitentheil des dritten Bogenwulstes keineswegs dem Arcus palatopharyngeus gleich zu setzen,
denn dieser geht, wie dies S. 32 u. fi".
gezeigt worden ist, aus der von
den Schlundbogen unabhängig entstandenen Gaumenleiste hervor.
Diese bildet sich weit später als
die Schlundbogenwülste; vom Oberkiefer aus, an dem sie ihren Anfang nimmt, verlängert sie sich
nach rückwärts über den zweiten
Schlundbogenwulst hinaus und verliert sich zuletzt in der Seitenwand des Pharynxgebietes. Die
Kreuzungsstelle der Gaumenleiste
mit dem zweiten Schlundbogenwulst fällt in das Velum palatinum, die dahinter liegende Fortsetzung
derselben ist eben der Arcus palatopharyngeus.
Mit den letzten Bemerkungen habe ich in der Zeit weit anticipirt und ich kehre zur Beschreibung der Stufen von R und von Bl
zurück. Es wird hier, wie wir sehen, die untere Grenze des eigentlichen Mundraumes durch die zweiten Schlundbogenwülste bezeichnet.
Nach oben wird derselbe von den beiden TJnterkieferbogen eingefasst,
deren mediale Enden durch einen tiefen Einschnitt von einander
sich absetzen. Inmitten des Mundraumes erhebt sich das Tuberculum impar, welches sich nach oben hin dem Einschnitt der beiden
TJnterkieferbogen, nach abwärts aber demjenigen der Zungenwurzel
einpasst. An ihm vorbei führt eine Spalte in den oben erwähnten
Blindsack der mittleren Schilddrüsenanlage. Den Grund der letzteren bildet der primäre Mundhöhlenboden, ihre Decke besteht aus
dem Verwachsungsstück der zweiten Schlundbogen.
Unterhalb der Zungenwurzel wird die Mitte des Raumes von
Fig. 44.
Boden des llnndracUenraumes vom Embryo Bl.
Ccnstr. Vergr. 30.
T Tuberc. impar, darunter die Zungenwurzel.
Bildung d. Zungen-, d. mittl. Schilddrüsenanlage und d. Kehlkopfeinganges. 67
der Furcula eingenommen, die, wie man nunmehr wohl ohne Weiteres erkennt, die Anlage der Epiglottis und der Plicae aryepiglotticae umfasst. Sie ist oben breit, wird dann etwas schmäler und gewinnt schliesslich wieder an Querdurchmesser bei ihrem
Uebergang in die Cristae terminales. Der mediane Einschnitt erstreckt sich jetzt bis zum oberen Rande, ist hier aber seicht; nach
abwärts geht er in eine erheblich tiefere und zugleich auch breitere
Furche über, die den Eingang zum Kehl köpf räum bezeichnet.
Jederseits von der Furcula liegt ein Spaltraum, der nach oben
hin vom dritten Schlundbogenwulst abgegrenzt, von den Seiten her
vom vierten Wulst eingeengt wird und der nach abwärts im Fundus
branchialis endigt. Die beiden Spalten sind die Seitenhörner des
früheren Sulcus arcuatus und sie sind von dessen Mittelstück durch
die Dazwischenschiebung des zweiten und dritten Bogenpaares abgetrennt worden. Aus denselben bilden sich die von Böen entdeckten
seitlichen Schilddrüsenanlagen, ihr unterer Abschnitt entspricht dem späteren Sinus pyriformis.
Aus den bisher constatirten Verhältnissen ergiebt sich in Betreff der verschiedenen Kehlkopfstücke folgende Disposition der Anlagen : die Epiglottis entsteht aus dem Mittelstück der Furcula, die
Phcae aryepiglotticae aus deren Seitenrändern, in der Crista terminalis bildet sich der Giessbeckenknorpel , in den vierten Schlundbogen die Cartilago thyreoidea, der davon eingefasste Spaltraum
wird zum Sinus pyriformis, und der Eingknorpel endlich entsteht im
Eumpfgebiete unterhalb der Cristae terminales.
Noch einige Worte über das Verhalten der Arterien in dieser
Zeit: Es ist bei Embryo R der Insertionspunkt des Aortentruncus
bis ungefähr vor die Mitte der Furcula hinab gerückt. Die Carotis
externa oder das verbundene Wurzelstück der früheren Gefässbogen
I und n umgreift jederseits die mittlere Schilddrüsenanlage, sie
entspringt mit dem dritten Bogen aus einem gemeinsamen, als Carotis communis zu bezeichnenden Stamm. Der vierte und der fünfte
Bogen verhalten sich ähnlich wie früher, und letzterer folgt auch
jetzt dem Rand der Furcula nach abwärts bis zur Crista terminalis hin.
Aehnlich wie auf der zuletzt betrachteten Entwicklungsstufe
68 Die Vorderwand des Mundraclienraumes und deren Umbildung.
verhalten sicli Mundboden- und Zungenanlage bis in den Beginn
der 5. Woche hinein. Von den Constructionen, die ich gemacht
habe, theile ich eine neue Construction von Embryo B,') eine solche
von Embryo Eck und diejenige von Pr mit. Bei allen diesen Eiguren
findet man die kreuzförmige Anlage der Zungenwurzel wieder, bei
allen überlagert das Mittelstück
dieser Anlage die unpaare Schilddrüsenanlage, bei allen schiebt sich
ferner zwischen den getheilten
Unterkiefer und die Zungenwui'zel
das Tuberculum impar.
Das Tuberculum impar bildet
zu der Zeit eine flache Erhebung
des Mundbodens ; nach beiden Seiten hin setzt es sich durch eine
massig tiefe Eurche ab (man vergleiche Taf. II Eig. 38 und Taf. IV
Eig. 23 — 26), wogegen es von der
medianen Kinne des Unterkiefers
durch einen scharfen Einschnitt getrennt ist. Die Breite des Gebildes und seine Länge nehmen anfangs langsam, dann aber rascher
zu (Eig. 48); bei Pr umfasst es schliesslich ein ausgedehntes Eeld,
dessen Bedeutung nunmehr auch klar genug zu Tage tritt. Es ist
dies Eeld die Anlage für den gesammten, der Mundhöhle
Fig. 45.
Aorten'bog'eii vom Embryo E, auf die vordere
Mundraclienwand bezosreu. Yerffr. 32.
1) Ich habe im ersten Heft Taf. VIII Fig. a, 6 und Taf. VII B 4 zwei
Constructionen des Mundrachenraumes gegeben, die beide der Verbesserung
bedürftig sind. Erstere ist dadurch ungenau ausgefallen, dass ich einen zu
kleinen Maassstab angewendet habe. Dadurch kam ich zu der irrthümlichen
Verbindung der Schildrüsenanlage mit der Kehlkopfspalte. Bei meinen neuen
nach 40 fach vergrösserten Schnitten ausgeführten Constructionen vom Embryo a
habe ich Bilder bekommen, die sich im Wesentlichen dem vom Embryo R
Fig. 43 anschliessen. Ich verzichte auf eine Mittheilung der Figur, da sie
der grösseren Schnittdicke halber nicht so genau ausgeführt werden kann, als
die von R.
Die obige Construction für Embryo B differirt von der auf Taf. VII gegebenen dadurch, dass die Uebergänge der Seitenwand genauer durchgeführt
sind; auch habe ich diesmal die Schnitte 38 — 40 einfach gezählt^ während ich
sie dort aus den Heft I S. 16 angeführten Gründen verdoppelt hatte. Die Verdoppelung der drei Schnitte hat aber zu einer offenbar ungebührlichen Streckung
der Zungenanlage, bez. des Tuberculum impar geführt.
Bildung d. Zungen-, d. mittl. Schilddrüsenanlage u. d. Kehlkopfeinganges. 69
angehörigen Theil der Zunge, den Zungenkörper, wie
wir ihn zusammenfassend bezeichnen wollen.
Es giebt vielleicht das richtigste Bild vom Tiiberc. impar, wenn
man dasselbe als eine Blase auffasst, die sich in dem Winkel zwischen den beiden vorderen Schlundbogenpaaren vom Mundhöhlen
Fig. 46. Fig. 47.
Vordere Mundraclienwand der Emtryonen B und Ect. Bei letzterem war die Herzgegend verletzt
und daraus erklärt sich, dass hier die hinteren Schlundhogen weniger zusammengeschoben sind,
als sonst der Entwickelnngsstufe entspricht. Bei beiden Figuren ist der Ort der mittleren Schilddrüsenanlage punktirt angegeben. Vergr. 18.
Fig. 48,
Vordere Mundrachenwand vom Embryo Pr. Vergr. 30. Ulc Unterkiefer, // — IT Schlundbogen
wülste, 3. — 5. Aortenbogen, ^r. N. trigeminus, E.III, i^. N. facialis, 6. N. glossopharyngeus, X. N.
laryngeus superior, Vg. Kest des N. vagus, S.p Sinus praecervicalis.
boden aus erhoben hat und deren Ausdehnung mit fortschreitender
Entwickelung sich vergrössert. Der vordere Rand des sich ausdehnenden Gebildes schiebt sich weiterhin als Zungenspitze über
den Unterkiefer weg und setzt sich durch eine einspringende Furche
von ihm ab. Der hintere Eand aber wird seinerseits von der Zungenwurzel überlagert und gabelig umgriffen.
70 Die Vorderwand des Mundraclienraumes und deren Umbildung.
Es entsteht somit die Zunge aus einer oberen und einer unteren
Anlage. Erstere kommt zu Stande durch die Emporwölbung des
mesobranchial gelegenen primären Mundhöhlenbodens, die untere
oder Zungenwurzelanlage durch das Zusammentreffen der Wülste
vom zweiten und dritten Schlundbogenpaar. Beide Anlagen verwachsen miteinander längs einer V-förmig gebrochenen Linie und
jenseits von der Grenze der Zungen wurzel kommt es in der Folge
zur Bildung der Papulae vallatae und foliatae, denen durch
den Nerven des dritten Schlundbogenpaares, den IST. glosso-pharyngeus
dicke Zweige zugeführt werden.
Die Spitze der V-förmigen Nahtlinie trifft mit der medianen
Naht der Zungenwurzel zusammen. Als unverbundene Lücke erhält sich hier das Eoramen coecum. Die mittlere Schilddrüsenanlage liegt vor dem medianen Theil der Zungenwurzel und davon
bedeckt. Das Foramen coecum aber ist der letzte Rest jener Spalte,
welche ursprünglich von der Zungenoberfläche her in die Schilddrüsenanlage geführt hat. Bei Embryonen aus der zweiten Hälfte
des zweiten Monats (so bei Lhs und bei Zw) steht das Foramen
coecum in Verbindung mit einem feinen Epithelgang, der bis in
das Niveau des Zungenbeins verfolgbar ist. Zuweilen erhält sich
dieser Ductus lingualis offen, und ich besitze zwei Präparate
von erwachsenen Zungen, bei denen der Gang in einer Länge von
27-2 cm durchgängig ist und in der Nähe vom Zungenbeinkörper
endigt.
Embryo Pr bildet den TJebergang der embryonalen Vorstufen
zu den bleibenden Formen des Mundrachenraumes, und von da aus
lassen sich die Anschlüsse nach beiden Richtungen hin verfolgen.
Zungenkörper und Zungenwurzel sind bei Pr zu einem Ganzen verbunden. Ersterer hat an Breite gewonnen, sitzt aber immer noch
flach auf seiner Basis auf. Durch die Zungenwurzel ist die Epiglottis gegen den Kehlkopfeingang zurückgedrängt. Heber derselben
erkennt man bereits die beiden Valleculae und die Andeutung
der Plicae glosso-epiglotticae. Die mediane von den drei Falten
gehört dem Mittelstück der Zungenwurzel an, die beiden seitlichen
dagegen dem hinteren Saume der dritten Schlundbogenwülste.
1) KöLLiKER, mikrosk. Anat. II. 2. S. 21 giebt an, Gänge bis zu 5—6'"
(I2V2— lörnm) Länge beobachtet zu haben.
Bildung d. Zungen-, d. mittl. Schilddrüsenanlage u. d. Kehlkopfeinganges. 7 1
Der vierte Schlundbogenwulst hat keine Beziehungen zur Zunge,
dagegen legt er sich an das Wurzelgehiet der Furcula und verwächst
damit. Später schiebt sich eine Fortsetzung seiner Bestandtheile
Fig. 49. Fig. 50.
Durchscknitte vom Emtoyo Pr. Beide Sclmitte sind etwas unsymmetrisch.. Fig. 49 zeigt links
■den dritten Schlundbogenwulst von der Furcula getrennt, rechts damit verlmnden. Bei Fig. 50
kehrt dasselbe Verhältniss für den vierten Schlundbogenwulst wieder. Bei Fig. 49 sind rechts die
dritte und die vierte innere Schlundspalte überbrückt, bei Fig. 50 nur die vierte. Gh Gehörhlase, A. b Arteria hasUaris, A. d Aorta descendens, A. a Aorta ascendeus, V. j Vena jugul.,
///, /Fu. r 3., 4. u. 5. Aortenhogen (hez. Schlundhogen), /"Furcula, /r* Kehlkopf,
N. gl Nerv, glosso-pharyngeus. Vergr. 20.
vor der letzteren vorbei und führt zur Bildung der Cartilago thj
reoidea (Heft I. S. 57).') Dem vierten Schlundbogen entstammt auch
der K laryngeus superior, und
zwar liegt er ursprünglich nahe
am unteren Rande desselben.
Die spätere Plica nervi larjngei
kann demnach als Orienti
rungsmarke in diesem Gebiete
dienen.
Wenn die Embryonen eine
gewisse Grösse erreicht haben,
ist man im Stande den Mundhöhlenboden makroskopissh zu präpariren, und so gelingt es, etwa
vom Beginn des zweiten Monats ab, directe Anschauungen mit Constructionsbildern zu combiniren. Als Beispiele gebe ich die Con
Fig. 51.
Mundrachentoden vom Embryo S 1
Constr. Vergr. IC.
1) Die Zutheilung der Cartilago thyreoidea an den vierten Schlundbogen
findet sich schon in einer Arbeit von Callender ausgesprochen, auf die mich,
anlässlich einer an der Freiburger Versammlung der Naturforscher geführten
Discussion, Herr College Fükbringer aufmerksam gemacht hat (Phil. Transact.
1872. T. 161. p. 119. On some of the subaxial arches in man.).
7 2 Die Vorderwand des Mundrachenraumes und deren Umbildung.
struction vom Embryo S 1 , sowie die directe Ansicht einer Zunge
eines Embryonen von 20 mm Nl.
Mit der zunehmenden Entwickelung erhebt sich der Mundhöhlentheil der Zunge mehr und mehr über seine Basis und trennt
sich schliesslich von dieser durch eine einspringende Einne. Dabei erhält sich aber di6 Y-förmige
Furche, die die Grenze der Zungenwurzel bezeichnet, sehr lange,
und sie kann sogar noch mehr
oder minder tief in den Seitenrand
einschneiden, obwohl an letzterem
der Anschluss an die vorderen
; Schlundbogen immer weicher wird.
""■s^äal" Am Zungenkörper entwickelt sich
Fig. 53. vorübergehend eine mediane
Znnge eines Embryo von ca. 20mm Nacken- t „'„i« „„ ;i„ „ o^^n„ „t, -j
länge, directe Zeichnung. Leisto, au deren Stelle aber weiter
hin eine breite, bis zur Zungenwurzel sich erstreckende Furche entsteht. Die ersten Papillen finde ich
gegen Ende des zweiten Monats, bei Embryo Zw. Weiterhin wird
der Zungenrücken länger, während die Zungenwurzel eine relative
Verkürzung erfährt. Die Epiglottis bewahrt ihre zurückgedrängte
Stellung über dem Kehlkopfeingang, die hintere Wand des letzteren
erscheint bei Fig. 52 von vier Wülsten, den beiden Plicae aryepiglotticae und den beiden Cartil. arytaenoideae gebildet.
lieber die Herkunft der Zungenmusculatur.
Eine Sonderung der einzelnen Fasercomplexe der Zunge ist
vom Beginn der 6. Woche ab möglich. Die Züge sind zu der Zeit
noch keineswegs sehr scharf gezeichnet, aber doch immerhin ihrer
Bedeutung nach grossentheils erkennbar. Als Beispiel gebe ich
einen Querschnitt durch den Zungenkörper von Seh. Unter der
Schleimhautanlage folgt hier eine breite Flächenzone, die das Gebiet des späteren M. longit. sup. umfasst, darunter liegt, jederseits
von einem dicken, zellenreichen Septum linguae, eine viereckig abgegrenzte Schicht transversal gestellter Muskelfasern. Die voll entwickelte Schicht nimmt kaum die halbe Zungenbreite ein, eine seit
Ueber die Herkunft der Zungenmusculatur. 73
liehe Fortsetzung derselben ist indessen schon jetzt bis in die Nähe
der Zungenoberfläche verfolgbar.
Unter der Transversusschicht liegt der Stamm des K hypoglossus, medialwärts von diesem ein schmaler Streifen mit verticaler
Faserung, der als Genioglossusstrahlung zu deuten ist und der mit
einem etwas tiefer liegenden Feld zusammenhängt. Lateralwärts
vom Hypoglossus findet sich ein Zellenhaufen mit gleichfalls ansteigender Faserung, den ich für den M. longit. inf. halte, und daneben ein dem Hyoglossus zuzuweisendes Feld.
Zeigt das eben beschriebene Bild eine unzweifelhafte Sonderung
der einzelnen Muskelcomplexe , so sind doch auf der anderen Seite
mancherlei Abweichungen von
der späteren Norm vorhanden. ^^
Auffallend erscheint vor Allem y.,
die relative Mächtigkeit des ,v^ ^
N. hypoglossus. Es hängt dies ,r^^
mit dem allgemeinen Entwicke
lungsverhältniss zusammen, ^ — ^
wonach zu der Zeit die Ner- Durchsclmitt durcli Mundraum land Zungenkörper
■n .^ 11 1 ..-,, vom Embryo Seh. Vergr. 30. Jf. / Nerv, ling., S.l
Ven allenthalben Unverhalt- und S. m Snlcus sublicls und submaxillarls,
, , . CM Cartil. Meckeli.
mssmässig viel massiger angelegt sind, als die Muskeln. So sind denn auch die Zungenmuskeln
durchweg noch schwach, während die Nervenstämme einen breiten
Kaum einnehmen.
Ausserdem aber erscheint es beachtenswerth, dass jene Durchwachsung verschieden gerichteter Faserzüge, wie sie später in der
mittleren und oberen Zungenetage besteht, zu der Zeit noch nicht
vorhanden ist. Die spärlichen Genioglossusfasern reichen kaum bis
zur unteren Grenze des Transversus, ohne diesen Muskel zu kreuzen, und auch die übrigen Muskeln, die Mm. longitudinalis inf.,
hyoglossus und weiter hinten der styloglossus sind nur in ihren tiefen
Abschnitten gesondert wahrzunehmen. Ausser einigen Transversusfasem sind keine die Oberfläche erreichenden Muskelzüge erkennbar. Es' scheint mir dies dahin zu deuten , dass die verschiedenen
Muskeln nicht vom Anfang ab in ihrer Gesammtausdehnung angelegt sind. Ein Theil derselben wächst von bestimmten Anfangspunkten aus erst allmählich weiter , und so treten z. B. die Fasern
74 Die Yorderwand des Mundrachenrauraes und deren Umbildung.
des Genioglossus m. E. erst im Verlauf späterer Zungenentwickelang
in die Etage des M. transversus und noch später in die des longitudinalis superior ein. Noch am Schluss der 7. Woche bei Embrjo
Lhs ist die Entwickelung der Muskeln kaum weiter fortgeschritten
als bei Seh.
Für die Annahme einer schrittweise vor sich gehenden Entwickelung der Zungenmusculatur gewährt das Studium früher Stufen
noch unmittelbarere Anhaltspunkte. Bei Embryonen vom Ende des
1. Monats (Bl, Eck, Pr) ist die Vorderwand des Mundrachenraums
sehr gefässreich. Dabei besteht aber ein auffallender Gegensatz
zwischen den den Schlundbogen entsprechenden Seitenabschnitten
der Mundwand und dem mesobranchialen Zwischenfeld. Letzteres
besitzt ein sehr lockeres Gefüge und enthält, abgesehen von Blutgefässen, nur weitmaschige Zellennetze, wogegen in den Seitenwülsten
das Gefüge erheblich dichter ist. Die Anlage des Zungenkörpers
fällt durchweg in den Bereich der locker gefügten Wand. Für den
früher ausgesprochenen Vergleich dieser Anlage mit einer vom Boden
sich abhebenden Epithelblase liegt sonach im Charakter des überbrückten Gewebes ein directes Motiv vor. Im Bereich des zweiten
und dritten Schlundbogens wird das locker gefügte Mesobranchialfeld durch die sich begegnenden Wülste von der Mundhöhle abgedrängt und es liegt nach Abschluss der mittleren Schilddrüsenanlage vor dieser letzeren und um sie herum.
Während der Zungenkörper als lockere Masse sich anlegt, fällt
die Zungenwurzel dem Gebiete dicht gefügter Anlagen zu. In ihr
scheidet sich vom Schluss der fünften Woche ab das knorpelige Zungenbein aus, dessen Form die Grundform der Zungenwurzel wiedergiebt. Aus dem Material des zweiten Schlundbogenwulstes entstehen die Mm. styloglossus und palatoglossus, aus dem des dritten
der M. hyoglossus. Diese Muskeln, deren Hauptgebiet auch später
noch in die Zungenwurzel fällt, schieben sich, wie ich annehmen
muss, von ihren primären Ausgangspunkten aus in den Zungenkörper vor, dessen Seitenabschnitte sie schrittweise durchwachsen.
Für eine dem Zungenkörper eigenthümliche Production halte
ich die Mm. transversus und longitudinalis superior. Schon auf den
Stufen von Bl constatire ich in der Mitte des Zungenkörpers eine
vorwiegend transversale Anordnung der Zellenmaschen und unter
üeber die Herkunft der Zungenmusculatur.
75
der Oberfläclie eine dichtere Zusammendrängung der Elemente.
Letztere sind wohl zum Theil Bindegewehszellen und als solche
wesentlich für die Schleimhautanlage bestimmt, unzweifelhaft aber
sind auch reichlich Muskelzellen darunter, die später im M. longitudinahs sup. ihre Verwendung finden.
Bei Embryo Pr und seinen Zeitgenossen findet sich unter (bez.
vor) dem lockeren Mittelfeld der Zunge eine compactere Zellenplatte,
Fig, 54.
Sclinitt 113 Tom £11111170 Pr. Vergr. 25. Die mittlere Erhebung des Mundbodens
bezeichnet den Ort der Zunge. Es folgen sich von oben nsich abwärts das Epithel,
eine dichtere Zellenschicht, die lockere Schicht, die Sublingnalplatte, die Sub
lingualhöhle, eine untere Schlussplatte und die Parietalhöhle mit dem
Aortentruncus.
X
Fig. 55. Fig. 56.
Schnitte durch den Mundboden vom Embryo Bl. Vergröss. 25. Der Schnitt 55 geht durch
den 1,, Schnitt 56 durch den 2. u. 3. Schlundbogen. An diesem ist die Muskelwand des Aortentruncus noch nicht von der übrigen myogenen Platte geschieden. Bei Fig. 55 dagegen ist
die Trennung erfolgt, die myogene Platte zeigt Faltungen und ihr mittlerer Theil erhebt
sich zur Sublingnalplatte.
die ihrer Lage nach den Muskeln des Mundhöhlenbodehs entspricht,
und die ich als Sublingualplatte bezeichnen will. Die Geschichte
dieser Platte führt in directer Linie zurück zu derjenigen des Aortenbulbus und der Parietalhöhle.
Der Aortenbulbus erstreckt sich, wie wir wissen, ursprünglich
bis zum Unterkiefer und er ist mit der Yorderwand des Mundrachen
76 Die Vorderwand des Mundrachenraumes und deren Umbildung.
raumes unmittelbar verbunden. Die Zellenschicht, aus welcher die
Muskelwand hervorgeht, die myogene Platte, wie ich sie der
Kürze halber wohl nennen darf '), umgiebt das Endothelrohr anfangs
nur an seiner freien Fläche, von da aus biegt sie sich zur Seite
und lässt den befestigten Theil des Eohres unbekleidet. Bei weiterschreitender Entwickelung aber legt sie sich auch um die dorsale Mäche
des Aortenschlauches herum und schliesst hier das Kohr in einer medianen Naht ab (Fig. 56). Ihre seitliche Fortsetzung bildet zunächst
eine zwischen Aortenbulbus und Mundboden eingeschobene Querplatte und läuft dann unter allmählicher Verjüngung in die Wand
der Parietalhöhle aus.
In der Folge löst sich der Aortentruncus von seiner Basis los
und entfernt sich von letzterer, indem er frei in die Parietalhöhle
hervortritt. Allein auch die letztere emancipirt sich weiterhin von
der Mundrachenwand; die Furche, welche diese von der Wand der
Parietalhöhle trennt, wird immer tiefer und schneidet schliesslich
quer durch. Dabei rückt die myogene Platte der Epitheldecke voraus und sie schliesst den Kaum, in welchem der Aortenbulbus sich
befunden hatte, zu einer viereckigen Höhle ab, den sie von allen vier
Seiten umfasst. Es ist diese von der Parietalhöhle abgetrennte S u b lingualhöhle nur vorübergehend vorhanden. Theils durch Hereinwachsen des N. hypoglossus, theils durch Hereindringen von
Bindegewebszellen und wohl auch durch Zusammenschiebung ihrer
AVand füllt sie sich bald aus und ist schon auf den Stufen von
Eg und S nicht mehr vorhanden. Nach Ablösung der Parietalhöhle
ist die Yorderwand der Sublingualhöhle freigelegt, und sie begrenzt
nunmehr die Inframaxillarfläche (S. 58).
Die oben beschriebenen Vorgänge schreiten von oben nach abwärts, d. h. vom Unterkieferwinkel aus nach dem zweiten Schlundbogengebiete vor. Am gleichen Embryo (z. B. bei Bl) sind daher
verschiedene Phasen gleichzeitig wahrzunehmen, höher oben die fortgeschrittenen, weiter unten die Anfangsphasen. Die myogene Wand
der Sublingualhöhle liefert das Material für die Muskeln des Mundbodens. Aus der Decke der Höhle, der Sublingualplatte , wie wir
sie oben genannt haben, entwickelt sich der M. genioglossus und
1) Cardiogene Platte hatte ich sie a. a. 0. genannt. Arch. f. Anat. u.
Physiol., anat. Abth. 1881. S. 305.
Die Innervation des Mundrachenraumes. 77
woU auch der M. longitudinalis inferior. Von der Seitenwand bin
ich versucht, den M. geniohyoideus abzuleiten, aus dem Boden gehen
wohl der M. mylohoideus und der vordere Bauch des Digastricus
hervor. Das Detail dieser Neubildungen vermag ich nicht durchzuführen, weil die Uebergangspräparate Rg und S 1 mir keine entscheidenden Bilder gewähren (die von Rg deshalb, weil sie nicht gut
genug conservirt sind, die von Sl wegen der zu dicken Schnitte).
Als unzweifelhaft ergiebt sich vor Allem das Hervorgehen des Genioglossus aus der Sublingualplatte, denn schon bei Pr erheben sich
aus der letzteren Zellenzüge, welche in den Zungenkörper hineinreichen.
Wie die Zunge nach Wurzel und Körper aus zwei ursprünglich
getrennten Anlagen hervorgeht, welche sich der Länge nach an einander anfügen, so ist sie auch der Dicke nach auf zwei Anlagen zurückzuführen , eine oberflächlichere und eine tiefer liegende '), von denen
jene die Etagen von Longitudinalis superior und Transversus, diese
dagegen die von Genioglossus und von Longitudinalis inferior umfasst. Die tiefe Zungenanlage stammt aber ihrerseits aus derselben
Zellenplatte, aus welcher auch die Media des Aortenbulbus hervorgeht, ein Ergebniss, das auf den ersten Bhck etwas auffallend erscheint. Immerhin darf die nahe Beziehung des Aortenbulbus zur
Zungenanlage nicht allzu unerwartet sein, denn schon die äusserliche
Betrachtung ergiebt, wie dies im ersten Heft (S. 54) hervorgehoben
wurde, dass sich die Zungenanlage an derjenigen Stelle der Mundrachenwand nach einwärts verwölbt, an welcher von aussen her der
Aortenbulbus anliegt.
Die Imiervation des Mundrachenraumes.
Zu Ende des ersten Monats sind die grösseren Kopfnerven soweit angelegt, dass die drei Trigeminusäste, der N. facialis, der N.
glossopharyngeus und der N. vagus als breite Stämme erkennbar
■sind, und zwar tritt der zweite Trigeminusast in den Oberkiefer,
1) Es bedarf weiterer Untersuchungen, inwieweit Gegenbaue's Befunde in
Betreff einer „Unterzunge" bei Säugetbieren mit obigen entwickelungsgeschichtlichen Ergebnissen in Beziehung stehen (Morphol. Jahrb. Bd. IX. S. 428).
78 Die Vorderwand des Mundrachenraumes und deren Umbildung.
der dritte in den Unterkiefer, der N. facialis in den zweiten Schlundbogen, der Glossopharyngeus in den dritten und ein Zweig des K
vagus, der N. laryngeus sup., in den vierten. Der N. hypoglossus ist
zu der Zeit auch schon angelegt (Heft I. S. 47 und Taf. IV 35—38),
ich vermag ihn indessen nicht weiter als bis in die Nähe des Halswinkels zu verfolgen.
Noch bei den Embryonen Rg und S 1 ist die Mundinnervation
wenig fortgeschritten, immerhin finde ich hier den N. hypoglossus
unter der Zungenwurzel vorbei
bis in den Beginn des Zungenkörpers hineinreichend. Dagegen ist bei Embryo Seh die
Innervation der Zunge und des
Mundhöhlenbodens in ihren
Grundzügen angelegt. Etwas
über dem MECKEL'schen Knorpel spaltet sich der N. lingualis
vom N. mandibularis ab, jener
verläuft medialwärts, dieser lateralwärts vom Knorpel. DerN.
lingualis tritt alsdann unter dem
seitlichen Mundhöhlenboden
weg bis in die Basis des Zungenkörpers, in die er einstrahlt.
Die Zweige desselben reichen bis zur Zungenspitze, und sie bilden in
einiger Entfernung von der Oberfläche, unterhalb der Schleimhautanlage, eine besondere Schicht. Unter sich ziemlich gleich an Caliber
und auch gleichmässig vertheilt, kommen sie an Durchschnitten in
Gestalt eines hellen Perlenkranzes zur Anschauung.
Der N. glossopharyngeus erreicht die Wand des Rachenraumes
in der Höhe des Kehlkopfeinganges und wendet sich dann lateralwärts vom grossen Zungenbeinhorn nach oben. Er liegt der inneren
Rachenfläche näher als das Zungenbein und sein Verlauf zeichnet
sich an jener durch eine wohl abgegrenzte Längsleiste ab. Am
oberen Rand der Zungenwurzel zerfällt der Nerv in eine Anzahl von
Zweigen, die auch ihrerseits ziemlich gleichen Calibers sind und unter
der Oberfläche die Richtung nach dem Zungenkörper einschlagen.
18.
Fig. 57.
Zungennerven vom Embryo Seh. Vergr
V, IX, XII sind die OrdnungszüFern der Nerven
Der N. vagus wird vom Hypoglossus umgriifen und
zeigt sich im Querschnitt M, SlECKEL'scher Knorpel,
weiter hinten sieht man das Zungenbein, dessen
oberer Theil, das C. minus senkrecht, dessen grosses
Hörn quer schraffirt ist. Das Mittelstück des Zungenbeins ist noch unvollkommen differenzirt, ebenso
dasjenige des MECKEL'schen Knorpels.
Deutung der Theile im ausgebildeten Mundrachenraum. 79
Es sind dies die Nervenästchen für die Papulae vallatae und foliatae.
Die Papillen selbst sind vorläufig noch nicht vorhanden und die
Aestchen scheinen noch ebensowenig als diejenigen des N. lingualis
die Epithelschicht der Zunge zu erreichen.
Der N. hypoglossus ist zu der Zeit der längste unter den Zungennerven. Nachdem er seinen Bogen um den Vagus herum vollführt hat, steigt derselbe, ventralwärts vom Zungenbein und vom
K glossopharyngeus , in das Zungengebiet empor. Bei seinem Eintritt in den Zungenkörper kommt der Nerv etwas mehr medialwärts zu liegen, und man findet ihn nun als dicken Stamm zwischen
den Anlagen der Mm. genioglossus, longit. inf. und transversus. Von
da aus zertheilt er sich bald in seine weiteren Zweige.
Deutung der Theile im ausgebildeten Blundraclienraum.
Die übliche Beschreibung der Zunge verlegt die Grenze von
Rücken und Wurzel an die Papillae vallatae. Die Zeilen der letzteren
nämlich sollen nach dem Foramen coecum hin convergiren, und dahinter soll das Gebiet der Balgdrüsen seinen Anfang nehmen. So
ausgedrückt ist indessen die Darstellung ungenau und sie bedarf
einer über mehrere Punkte sich erstreckenden Correction.
Als völlig sicher kann anerkannt werden, dass das Foramen
coecum auf der Grenze von Zungenrücken und Zungenwurzel liegt.
In der Zunge des Foetus liegt das Foramen coecum im Winkel
einer V-förmigen Furche, welche nach vorn offen ist und deren Enden
die Eichtung gegen den Vorderrand der Arcus palatoglossi einschlagen. Dieselbe bezeichnet die eigentliche Grenze zwischen Zungenkörper und Zungenwurzel. Diese V-förmige Grenzfurche ist auch
noch an der Zunge des Erwachsenen vorhanden und ihre beiden
Schenkel pflegen in der Länge von 1 — 1 V2 cm nach vorn hin verfolgbar zu sein. Hinter derselben liegen die Balgdrüsen, davor aber
Papillen. Oftmals ist sie sehr tief eingesetzt, in anderen Fällen
seicht; aber auch da, wo sie weniger tief ist, erkennt man sie als
eine schräge Grenzlinie, längs deren die wulstige, mit Balgdrüsen
besetzte Schleimhaut der Zungenwurzel an die papillentragende des
Zungenrückens anstösst. Manchmal ist das Foramen coecum ver
80
Die Vorderwand des Mundraclienraumes und deren Umbilduncr.
wachsen und sein Ort nur als Winkel der Grenzfurche erkennbar.
In anderen Fällen aber findet man am Ende der scharf abgesetzten
Furche ein Loch von unerwarteter Tiefe. Beim Durchsuchen einer
Anzahl von Zungen habe ich zwei gefunden, welche ein Foramen
coecum von 23 — 24 mm, drei andere, die ein solches von 15—16
mm dargeboten haben. '
Die Zeilen der Papulae vallatae fallen nicht in die
Grenzlinie der Zungenwurzel, sondern jenseits davon in das
Fig. 58.
Zunge, eines Fötus vom 6. Monat.
Die Figur zeigt aucli die Plica
triangularis und die dahinter liegende TonsillenbucM (s. S. 82).
Fig. 59.
Zunge eines Erwaclisenen.
Gebiet des Zungenrückens. Zwischen ihnen und der Grenze liegt
eine 5—8 mm breite Zone, welche durch ihren Papillengehalt noch
deutlich ihre Zugehörigkeit zum Zungenrücken beurkundet. Auch
fällt der Convergenzpunkt der beiden lateralen Zeilen von den Papulae
vallatae nicht in das Foramen coecum, sondern bis zu 10 — 12 mm
weiter nach vorn. Meistens gehen auch beide Zeilen in sanft geschwungenem Bogen in einander über. Zwischen dem Arcus papillaris,
wie wir die vereinigten Zeilen nennen können, und dem Sulcus
Deutung der Theile im ausgebildeten Mundrachenraum. 81
terminalis pflegen in der Mittellinie noch einzelne unpaare Papillen
zu liegen, um so mehr, je flacher der Papillenbogen; ich habe deren
bis zu vier gezählt.
Als ein besonderes Attribut des Foramen coecum pflegt man
eine sehr tief eingesetzte Papille aufzufassen, die ich zur Unterscheidung als Sollt ärpapille bezeichnen will. Es ist dies die
hinterste von den unpaaren Papillen, durch ihre Länge vor allen
übrigen ausgezeichnet. Dieselbe tritt in der That häufig aus dem
Foramen coecum hervor, allein sie steht zu diesem in keiner nothwendigen Beziehung. Sehr oft, vielleicht in der Mehrzahl der Fälle
liegt sie nämlich vor dem Foramen, durch einen Zwischenraum von
1 bis 2 Millimetern davon getrennt; da wo sie aber aus letzterem
hervortritt, ist sie dessen vorderer Wand eingepflanzt, als ob sie ursprünglich vor dem Loch gestanden hätte und nachträglich in die
Grube wäre hineinbezogen worden. Wofern das eigentliche, durch
seine Lage im Winkel der V-förmigen Grenzfurche charakterisirte
Foramen coecum verwachsen ist, kann die im Umfang der Solitärpapille befindliche Grube leicht zu einer Verwechselung mit dem
Foramen Anlass geben.
Wenn die vom Foramen coecum ausgehende Furche die Grenze
der eigentlichen Zungenwurzel bezeichnet, so gehören die Papillae
vallatae dem aus dem früheren Tuberc. impar hervorgegangenen
Zungenkörper an. Die Anerkennung dieser Thatsache hat mich, wie
ich nicht verhehlen will, einige Ueberwindung gekostet, denn es
hatte mir, als ich diese Fragen zu behandeln begann, besonders einleuchtend geschienen, dass die beiden Hauptanlagen der Zunge auch
verschieden innervirt seien. Man konnte sich vorstellen, dass die
Zweige des von unten heraufwachsenden K glossopharyngeus an der
Grenze der Zungenwurzel Halt machen, indem sie die Papillen vor
sich hertreiben, und dass die Lingualisinnervation ihrerseits über das
gesammte Gebiet der oberen Anlage sich erstrecke. Der Beobachtung
zufolge überschreitet nun aber der Glossopharyngeus die Zungenwurzel, und seine Zweige greifen auf die obere Zungenanlage über.
Letzterer entstammen die Papillae vallatae und foliatae ebensowohl,
als alle übrigen, frei hervortretenden Papillen; die Zungenwurzel
selbst erzeugt keine grösseren Papillen, sondern nur Balgdrüsen.
Die Entstehung der letzteren leitet sich durch Faltungen der Schleim
His, MenscM. Embryonen, lll, 6
82 Die Vorderwand des Mundrachenraumes und deren Umbildung.
haut ein, welche heim Fötus vom Schluss des dritten Monats schon
wohl ausgeprägt und im Allgemeinen parallel der Zungenaxe gestellt sind.
Mit Eücksicht auf die primitiven Anlagen ergiebt sich für die
Theile des entwickelten Mundrachenraumes folgende Ableitung: dem
ersten Schlundbogen entspricht der Unterkiefer, dem zweiten der
Arcus palatogiossus und das anstossende Tonsillengebiet, dem dritten
der Uebergang der seitlichen Pharynxwand in die Zungenwurzel bez.
die Strecke über der Eintrittstelle des N. glossopharjngeus in die
Zunge, dem vierten Bogen endlich entstammt die Plica nervi laryngei.
Der Zungenkörper und der Boden der Mundhöhle sind nicht aus
Schlundbogenwülsten hervorgegangen, sondern aus einem von den
ersten beiden Bogenpaaren umschlossenen Zwischenfeld. Aehnliches
gilt von der Epiglottis und von den übrigen Gebilden des Kehlkopfeinganges.
Der Gaumen als eine ursprünglich vom Oberkiefer ausgehende
und von da nach rückwärts sich verlängernde Leiste kreuzt (s. o. S. 66)
den zweiten und dritten Schlundbogenwulst, sowie die entsprechenden
Furchen. Die Reste der ersten Schlundfurche erhalten sich einestheils im Tubeneingang, anderentheils im hintersten Theil der Unterzungenfurche. Reste der zweiten Schlundfurche sind die RosenMüLLER'sche Grube und die Tonsillenbucht. ') Wenig markirt sind
die Reste der dritten Furche, ihr gehört der Raum vor der Plica n.
laryngei an; aus der vierten und aus deren Appendix, dem Fundus
branchialis, ist der Sinus pyriformis hervorgegangen.
Die Tonsillenbucht bedarf noch einer besonderen Erläuterung, weil auch hier die herkömmlichen Lehrbuchbeschreibungen
zur Charakterisirung des Gebietes nicht ausreichen. Beim Fötus
vom 4. oder 5. Monat bildet der vordere Gaumenbogen den freien
Rand einer dreieckigen Falte, deren Spitze in das Velum ausläuft,
während die Basis sich breit in den Seitenrand der Zunge inserirt.
Der hintere Rand dieser Plica triangularis überragt eine Bucht,
1) Mit der Ableitung der RosENMüLLEK'schen Grube aus der zweiten
Scblundfurche stimmt auch deren Lagebeziehung zur Carotis interna. Dies
aus dem dritten Aortenbogen hervorgegangene Gefäss liegt bekanntlich hinter
jenem Theile des Pharynxraumes.
Deutung der Theile im ausgebildeten Mundrachenraum.
83
welche dem früheren Zwischenraum zwischen dem zweiten und dem
dritten Schlundbogenwulst entspricht und welche von einer Fortsetzung
der Schleimhaut ausgekleidet ist (Fig. 58 S. 80). i) Die Auskleidung
dieser Bucht schwillt in der Folge an und gestaltet sich durch Auftreten von adenoidem Gewebe zur Tonsille um, ein Vorgang, der schon
vor der Geburt eingeleitet erscheint. In den meisten Fällen erfährt
die Schleimhaut eine so allgemeine Faltung und Schwellung, dass
Fig. 60.
Plica triangulariä und Fossa snpratonsillaris vom Erwachsenen.
Spuren der früheren Bucht kaum noch in den wenig charakteristischen Tonsillenhöhlen übrig bleiben. Allein auch dann wird man beim
Erwachsenen meistens noch das Gebiet der früheren Plica trian
1) KöLLiKEK sagt von der Tonsillenanlage : „im fünften Monat ist jede
Tonsille ein glattes Säckchen mit spaltenförmiger Oeifnung und einigen kleinen
Nebenhöhlen, dessen mediale Wand fast wie eine Klappe erscheint." Was
hier Kölliker als eine klappenartige Bildung auffasst, ist meine Plica triangularis.
84: Die Vorderwand des Mundrachenraumes und deren Umbildung.
gularis als eine den vorderen Theil der Tonsille bedeckende glatte
riäche zu erkennen vermögen. In anderen, nicht allzu seltenen
Eällen erhält sich indessen die ursprüngliche Disposition der Q-egend
in wenig veränderter Form als eine bleibende, d. h. man findet eine
wohl ausgeprägte Plica triangularis und eine nicht minder ausgeprägte, über der Tonsille befindliche Bucht. Seitdem ich angefangen
habe, im Präparirsaal auf diese Dinge zu achten, sind mir eine
ganze Anzahl mehr oder minder charakteristischer Präparate durch
die Hände gegangen. Von einem derselben gebe ich vorstehende
Skizze. Hier ist die Plica an ihrem hinteren Eande völlig frei, und
sie überdeckt theilweise die Tonsille. Letztere besitzt an ihrer freien
Oberfläche eine Höhe von ca. 22 mm, sie erreicht das obere Ende
des Interstitium interarcuarium nicht, vielmehr liegt hier die weite
Oeffnung einer geräumigen Höhle, in welche ich eine federkieldicke
Sonde auf 1 '/2 cm Tiefe einschieben kann.
In einem anderen Fall habe ich bei gleichfalls freiem hinteren
Saum der Plica triangularis zwar eine grosse Tonsille vorgefunden,
allein dieselbe hat auch hier nur den unteren Theil des betreffenden
Eaumes eingenommen, und über ihrem wohlabgegrenzten oberen
Ende hat eine tiefe, von glatter Schleimhaut ausgekleidete Bucht
gelegen. Bei minder scharfer Localisirung der, Tonsille wird eine
entsprechende Bucht meistens noch daran erkennbar sein, dass unter
den anscheinenden Tonsillengruben eine obere besonders hoch heraufreicht. Die Bucht verdient ihres typischen Verhaltens wegen als
Fossa supratonsillaris in die anatomische Beschreibung dieser
Gegend mit aufgenommen zu werden. ') In Betreff ihrer Ausbildung
gilt dasselbe, wie von der EosENMüLLER'schen Grube. Auch diese
letztere zeigt sich ja äusserst wechselnd in ihrer Weite und
Tiefe, je nachdem die adenoide Wucherung ihrer Schleimhautauskleidung den ursprünglich offenen Kaum mehr oder minder stark ausgefüllt hat.
1) Unter den Abbildungen, die ich verglichen habe, zeigt eine von Sappet
im Traite d' Anatomie 3. Aufl. Bd. IV. p. 134 mitgetheilte eine sehr deutliche
Plica triangularis und Fossa supratonsillaris. Der den Gaumen behandelnde
Text spricht nicht davon (S. 51), dagegen heisst es in der Figurenerklärung:
„Pilier anterieur du volle du palais, de figure triangulaire, ä base inferieure,
recouvrant le tiers anterieur de l'amygdale."
Deutung der Theile im ausgebildeten Mundrachenraum. 85
Die Eiclitung der Fossa supratonsillaris führt schräg nach
hinten und oben hin. In einigen Fällen besonders guter Ausbildung
habe ich nach Ablösung der Schleimhaut gefanden, dass sich die
Grube eine Strecke an die Rückfläche des M. levator palati angeschmiegt hat. Hinter ihr liegt unter allen Umständen der M.
palatopharyngeus , und dieser Muskel trennt die Fossa supratonsillaris von der RosENMüLLER'schen Grube. Im Uebrigen führt die
verlängerte Richtung derselben auf jenen Ausschnitt des obersten
Schlundschnürers hin, welcher die RosENMüLLER'sche Grube von
unten her umgreift.
Die Kopfnerven und ihre Bezieliiiugen zu den
Gliedern des Kopfes.
Wie zu den Arterienbogen, so haben die primitiven Glieder des
Kopfes bestimmte Beziehungen zu den auftretenden Nervenstämmen,
ein jedes derselben wird zum Träger eines Hauptnervenstammes.
Von den drei Aesten des N. trigeminus tritt der erste in den Stirntheil
des Kopfes ein, der zweite in den Ober-, der dritte in den Unterkiefer. Der N. facialis gelangt in den zweiten, der N. glossopharyngeus in den dritten Schlundbogen ; in den vierten Schlundbogen endlich geht ein Zweig des N. vagus, der spätere N. laryngeus superior. Der übrige Theil des Vagusstammes steigt hinter dem vierten
Schlundbogen vorbei in den Kumpf herab, den Weg gegen die von
ihm zu versorgenden Eingeweide einschlagend (Fig. 4S S. 69).
In schematischer Einfachheit stellt sich beim menschlichen Embryo das Verhältniss am Schluss des ersten Monats dar, und ich
gebe zur Erläuterung das Bild vom Embryo Pr mit den einconstruirten Nervenstämmen. In beinahe gestrecktem Verlauf gehen
die dicken Nervenstämme von ihren Ganglien aus nach den betreffenden Kopfsegmenten hin. Innerhalb der letzteren sind sie auf
kurze Strecke verfolgbar und hören dann plötzüch auf.
Die einfachen Beziehungen der Nervenstämme zu den Ghedern
des Kopfes weisen auch auf einfache Grundbedingung der Zusammengehörigkeit hin. In der Hinsicht ist vor allem zu beachten,
dass der Zeitpunkt, in welchem die primitive Gliederung des Kopfes
sich eben vollendet hat und in ihrer typischen Form vorliegt, zusammenfällt mit dem Termin des Hervorwachsens der Nervenstämme.
Längs einer Bahn geringsten Widerstandes vordringend, gelangt
ein jeder von den grossen Stämmen auf kürzestem Wege in das zunächstliegende Kopfglied hinein, und wenn er dann bei seinem weiteren Fortschreiten auf locale Ausbreitungshindernisse stösst, treten
Die Kopfnerven und ihre Beziehungen zu den Gliedern des Kopfes. 87
Abweiciiungeii von der ursprünglichen Richtung und Theilungen des
Stammes ein. In gleicher Weise folgen ja auch die Aortenbogen,
indem sie in die Schlundwülste eintreten, den Bahnen geringsten
Widerstandes. Yon der Anheftungsstelle des Aortenbulbus aus dringen
Gefässe überall durch, wo sie Raum finden. Offene Bahnen treffen
sie aber nur da, wo die ectodermale und die endodermale Epithelschicht der Wand klaffend auseinander weichen; da wo dieselben am
Furchengrund sich begegnen, ist die Entstehung von Gefässen von
vornherein ausgeschlossen, i) Dabei werden sämmtliche disponible
Bahnen benutzt, denn selbst in die vor dem Respirationsrohr herab
sich erstreckende Lücke tritt jederseits ein besonderer Stamm als
A. pulmonalis ein.
Einige von den Kopfnerven haben zu den primitiven Gliedern
des Kopfes keine directen Beziehungen. Ausser den höheren Siunesnerven sind dies die Augenmuskelnerven, der N. accessorius und der
N. hypoglossus. Die Geschichte der Augenmuskelnerven und des
Accessorius erlaube ich mir vorläufig bei Seite zu lassen, da meine
Präparate über die Anfangsstufen ihrer Entwickelung kein Urtheil
gestatten. Was dagegen den N. hypoglossus betrifft, so ist leicht zu
sehen, dass er zur primären Kopfgliederung in keiner directen Beziehung steht, da er die hinteren Bogensysteme der Reihe nach
kreuzt. Sein Hauptausbreitungsgebiet ist die von den Schlundbogen
umgriffene Inframaxillargegend, und nur in secundärer Weise geht
er auch auf solche Muskeln über, die, wie die Mm. styloglossus
und hyoglossus, den Schlundbogen selbst entstammen. Hinsichtlich
seines Austrittes aus dem MeduUarrohr verhält sich der N. hypoglossus wie eine vordere Spinalwurzel. Seine Fasern treten vom
Kern aus direct zur ventralen Markfläche und verlassen diese in
einer schräglateralen Richtung (Taf. IV Fig. 36 bis 38). Später,
wenn zwischen Gehirn und Schädel ein breiterer Zwischenraum entstanden ist, verliert sich die Divergenz der Ausstrahlung für den
intracraniellen Theil der beiden Hypoglossusstämme, aber sie erhält
sich für die den Schädel durchsetzende Strecke, und es führt die
Bahn direct zur Aussenseite des N. vagus und dieser entlang gegen
den einspringenden Halswinkel hin. Da erfolgt dann später die
1) Monogr. der Hühnchenentwickelung S. 42.
88 Die Kopfnerven und ihre Beziehungen zu den Gliedern des Kopfes.
Theilung in das Stück, welches an den Schlundbogen vorbei nach
dem Inframaxillargebiet einschwenkt, und in den Ramus descendens.
Die ursprünglich so einfache Anordnung der primären Nervenstämme gewinnt an Complication einmal dadurch, dass das Verzweigungsgebiet der Stämme immer mehr sich ausdehnt, dann aber
auch durch die Umlagerung der Schlundbogen und durch die Aenderungen in der Biegung des Hirnrohres. Fig. 62 zeigt die Kopfnerven von Embryo Seh und aus dem Vergleich mit Fig. 61 ergiebt
sich, dass die früher beinahe gestreckt verlaufenden Schlundbogennerven , der R. III n. trigemini, der N. facialis, der N. glossopharyngeus und der N. laryngeus superior durchweg stark ausgeprägte
Fig. 61.
Kopfaerven vom Embryo Pr. Vergr. 36.
Bogenlinien mit rückwärts gekehrter Convexität beschreiben. Im
Wesentlichen zeigen nunmehr die Stämme eine Verlaufsrichtung,
die der bleibenden entspricht. Wir haben den dem Unterkiefer folgenden Bogen vom Lingualis und Mandibularis, welche beiden Nerven
durch den MECKEL'schen Knorpel von einander geschieden sind. Wir
haben ferner den hinter dem Ohr vorbeiführenden Bogen des Facialis,
sowie den späteren Arcus tonsillaris des N. glossopharyngeus.
Es folgt aus der in früheren Abschnitten wiederholt erörterten
Uebereinanderschiebung der Schlundbogen, dass der dem 4 Bogen
angehörige N. laryngeus sup. am meisten medialwärts zu stehen
kommt, und dass auch der N. glossopharyngeus nicht allein weiter
nach hinten, sondern auch mehr nach innen liegt, als der N. fa
Die Kopfnerven und ihre Beziehungen zu den Gliedern des Kopfes. 89
Cialis. Der N. giossopharyugeus tritt, der Richtung des zugehörigen
Schlundbogenwulstes gemäss in die Zungenwurzel ein. Der Facialis dagegen hält sich an den Aussenwulst seines Bogens und participirt demnach (abgesehen natürlich von der Chorda) nicht an der
Innervation der Zunge.
Gerade das Beispiel des N. facialis kann besonders deutlich
zeigen, wie nebensächlich die Beziehung der Nerven zu den Schlundbogen und überhaupt zu den primitiven Kopfgliedern ist. Während
nämlich dieser Nerv den aus dem zugehörigen Schlundbogenwulst
Fig. 62.
Kopfnerven vom Embryo Scli. Const. Vergr. 18.
hervorgegangenen Theil der Zunge vermeidet, treten seine Ausstrahlungen späterhin innerhalb der unter dem Ohr weglaufenden Verbindungsbrücke in das Unterkiefer- und Oberkiefergebiet und schliesshch sogar in dasjenige der Stirnfortsätze ein. Wann diese letztere
Ausbreitung erfolgt, habe ich bis jetzt nicht genauer verfolgt. Jenseits des Pes anserinus, welcher bei Embryo Seh. schon vorhanden
ist, habe ich die Stämmchen bald aus dem Gesicht verloren.
Ein anderes Beispiel dafür, dass die Nerven bei ihrer Ausbreitung der primären Körpergliederung nur bedingungsweise sich anschliessen, liefern die oberen Halsnerven. Ihren natürlichen Ausbreitungswegen folgend, gelangen diese einerseits an den Hinterkopf,
90 Die Kopfnerven und ihre Beziehungen zu den Gliedern des Kopfes.
von dem sie in weiter Ausdehnung Besitz ergreifen, andererseits aber
zur Brustwand herab, vor der sie als Nn. supraclaviculares gleichfalls weit über ihr zugehöriges Segmentgebiet hinaus vordringen.
Ich fasse noch einmal die gewonnenen Gesichtspunkte zusammen :
Indem die Nerven theils vom Medullarrohr, theils von den Ganglien aus peripheriewärts auswachsen, folgen sie den Bahnen geringsten
Widerstandes. Das Auswachsen schreitet in der einmal gegebenen
Richtung vor, so lange nicht kleinere oder grössere Widerstände Ablenkungen oder Stammtheilungen herbeiführen. Dem entsprechend
ist der Anfangsverlauf ein gestreckter oder ein schwach gebogener.
Insoweit nun die primäre Kopf- und Rumpfgliederung auch die
Richtung der disponiblen Bahnen bestimmt, werden die auswachsenden Nerven der Segmentirung sich anschliessen , um so mehr, da
die Zeit der schärfsten Segmentausprägung mit der Zeit der ersten
Nervenausbreitung grossentheils zusammenfällt. Indessen sind für
einzelne Nerven schon die ersten Ausbreitungsbedingungen von der
Segmentirung unabhängig. Andere treten secundär mit ihren Endzweigen aus dem Segmentgebiet heraus, in das ihr Hauptstamm
anfangs eingetreten war. In letzterer Hinsicht erscheint es bedeutungsvoll, dass in Folge der stattfindenden Umlagerung Stämme,
die ursprünglich eine gestreckte Richtung besessen hatten, stärkere
Biegungen erfahren, wobei die Richtung des im Auswachsen begriffenen Endabschnittes eine von der ursprünglichen Hauptrichtung
des Stammes abweichende wird.
Noch komme ich mit einigen Worten auf den oben angedeuteten Einfluss der Hirnbiegung auf die Richtung der Kopfnervenstämme zurück. Die Vergleichung der Figuren 61 und 62 ergiebt,
dass von der Stufe vom Pr ab zu derjenigen vom Seh das Hirnrohr eine weit stärkere Biegung erfahren hat. Der Nackenkrümmung
entsprechend, hat sich zwischen Hirn und Rückenmark ein tiefer
Einschnitt gebildet, während andererseits die Brückenkrümmung das
Uebergangsgebiet vom Nach- und Hinterhirn weit herabgeführt hat.
Diesem Verhältniss entspricht, dass für die hinteren Kopfuerven
der Anfangstheil der Stämme viel gestreckter erscheint, als für den
dritten Trigeminusast und den N. facialis; jene sind emporgehoben,
diese herabgedrängt worden.
lieber die Herkunft der Kopfmiisciilatiir.
Indem ich hier den Versuch anreihe, die Kopfmuskeln auf ihre
Herkunft zu deuten, muss ich von vornherein erklären, dass ich den
Versuch nur mit einiger Reserve unternehme. Ein abschliessendes
Urtheil wird nur von der directen Beobachtung der einzelnen Umbildungsvorgänge zu erwarten sein, die ich zur Zeit noch nicht zu
liefern im Stande bin. Immerhin liegen schon jetzt mancherlei
Unterlagen vor, die wenigstens einen vorläufigen Versuch rechtfertigen.
Im Vorderkopf ist die Entwickelung der Musculatur gegenüber
der so bedeutenden des Medullarrohres nur unbeträchtlich. Die
drei Stirnfortsätze mit dem Oberkieferfortsatz produciren ausser den
Augenmuskeln nur die dünne vom Facialis innervirte Gesichtsmusculatur nebst dem M. buccinatorius. Eine kräftigere Muskelentwickelung beginnt erst mit dem Uebergang zum Hinterkopf: dem
Unterkieferfortsatz gehören die drei grossen Kaumuskeln, die Mm.
temporalis, masseter und pterygoideus internus an, während der M.
pterygoideus externus aus jenem zwischen Ober- und Unterkieferfortsatz eingeschobenen Verbindungswulst zu entstehen scheint, welcher den primitiven Mundwinkel begrenzt (man vgl. z. B. Taf. XIII
Fig. 5). Der dem Unterkieferfortsatz zunächst angehörige Ram. III
n. trigemini überschreitet, abgesehen vom K auriculotemporalis,
sein Gebiet mit zwei Aesten, einestheils mit dem R. lingualis, anderntheils mit dem R. mylohyoideus, welche beiden Nerven zu Theilen
des Mesobranchialgebietes hintreten.|
Unabhängig vom Unterkieferfortsatz entwickeln sich die Muskeln
des Mesobranchialgebietes, die Muskeln des Zungenkörpers und des
92 Ueber die Herkunft der Kopfmusculatur.
Mundhöhlenbodens. Ein Theil derselben sind echte Eingeweidemuskeln, d. h. sie entwickeln sich aus der Muskelschicht, welche
die ventrale Wand des Vorderdarmes bekleidet hatte, die übrigen
entstammen der musculösen Seitenwandschicht der Parietalhöhle.
Zu den ersteren gehören wahrscheinlich (s. o. S. 76) die Mm. geniogiossus und longit. inferior, zu den letzteren der geniohyoideus,
mylohyoideus und digastricus. Derselben Quelle, wie die letztgenannten Muskeln, entstammen auch die unteren Zungenbeinmuskeln, die Mm. sternohyoideus, sternothyreoideus , thyreohyoideus,
sowie der obere Bauch des omohyoideus. Der M. sternocleidomastoideus aber bildet sich in dem verdickten Streifen, der an der Umschlagsstelle des ventralen TJnterkieferandes in die Parietalhöhlenwand gelegen ist (Fig. 54). Der Muskel entstammt somit der primitiven Kopfanlage. Sein dem Kopf bleibend angehöriger Partner
ist der M. digastricus, und zwar muss dessen Anlage ursprünglich
in ihrer ganzen Länge dem Sternocleidomastoideus beigeordnet gewesen sein. Denkt man sich nämlich den Unterkiefer auf dem
Brustbein ruhend, so sind diese beiden Muskeln in ihrer ganzen
Länge parallW zu einander gestellt. Der vordere Bauch des Digastricus entspricht alsdann der unteren Hälfte des Sternocleidomastoideus, der hintere Bauch seiner oberen.
Die Musculatur der unteren drei Schlundbogen beginnt hinter
dem Ohr und liegt im Allgemeinen in der Tiefe. Als unzweifelhafte Abkömmlinge des zweiten Schlundbogens sind die Mm. palatoglossus und styloglossus , sowie der Levator palati moUis zu betrachten, während der Tensor noch zum Unterkieferbogen zu zählen
ist. Der M. stylopharyngeus gehört dem dritten Bogensystem an,
es ergiebt sich dies aus seiner nahen Beziehung zum K glossopharyngeus und aus seiner tiefen Insertion. Vielleicht ist auch der
M. palatopharyngeus aus derselben Quelle abzuleiten; derselbe kreuzt
zwar das Gebiet der zweiten Spalte, allein dies ist möglicherweise
durch eine secundär entstandene Verbindung des Muskels mit dem
Gaumen zu erklären. In Betreff der Stellung des M. hyoglossus
kann man etwas zweifelhaft sein, seine Beziehung zur Zunge selbst
und zum Zungenbein spricht sehr dafür, dass er dem dritten Bogen
zugetheilt werde, und nur seine Entfernung von den übrigen Gebilden des letzteren mae' etwas stutzig- machen. Indessen ist dabei
lieber die Herkunft der Kopfmusculatur. 93
folgendes Verhältniss ins Auge zu fassen; an allen Schlundbogen
bildet sich mit zunehmender Entwickelung eine winkelige Knickung,
durch welche das ventrale Bogenende eine andere Sichtung annimmt
als das dorsale. Diese Knickung äussert sich in der gebrochenen
Form des Unterkiefers, in der Beziehung des vorderen Gaumenbogens zur Zunge und in der Verlaufsweise des N. glossopharyngeus.
Gerade am dritten Bogen tritt die Knickung sehr früh und in einer
schon äusserlich wahrnehmbaren Weise ein (Tafel I Fig. 2). So
scheint es. Alles in Allem, doch richtig, den M. hyogiossus als Product des ventralen Stückes des dritten Bogens aufzufassen, während
der M. stylopharyngeus dem dorsalen Stück entstammt. Dem dritten Bogen möchte endlich noch der oberste Schlundschnürer zuzuweisen sein, während die beiden unteren Schnürer, wenigstens tlieilweise, das Gebiet des vierten Bogens mit umfassen. Inwieweit sich
die beiderseitigen Gebiete decken, lasse ich noch als offene Frage
stehen. Dass die zwei oberen Schlundschnürer, gleich den davorliegenden Theilen, der primären Kopfanlage angehören, halte ich
für unanfechtbar, allein auch der dritte scheint mir nach seiner
breiten Insertion am Schildknorpel mehr der primären Kopf- als
der primären Eumpfanlage zuzugehören. Die Grenze des primären
Kopfes fällt ja auf den unteren Schildknorpelrand, und dieser wird
vom unteren Schnürer nur um Weniges nach abwärts überschritten.
Die fächerförmige Faserausbreitung in allen drei Schlundschnürern
erklärt sich nach einem Blick auf irgend eine unserer Embryonentafeln von selbst, es kehrt eben in den drei Fächern die Grundform
des primitiven Halskeiles wieder, von der in einem späteren Abschnitte noch ausführlicher die Rede sein wird.
lieber die Entstellung der Speicheldrüsen- nnd
der ersten Zalinanlagen.
Indem der Zungenkörper sicli entwickelt, bildet sich jederseits
von ihm eine flache Erhebung des Mundbodens, welche anfangs
einen ziemlich breiten Eaum einnimmt (Fig. 54 und 55). Die beiden Seitenleisten sind sowohl vom Zungenkörper, als vom Unterkiefer durch eine einspringende Furche abgesetzt, nach rückwärts
enden sie vor der Zungenwurzel. Je mehr die Zunge über ihre Basis
sich emporwölbt, um so mehr werden die neben ihr liegenden
Leisten gegen den Unterkiefer herangedrängt und dabei vertiefen
sich die sie begrenzenden Furchen. Besonders gilt dies von der
medialen, von der Zunge direct überdeckten Furche. Diese beginnt
nun durch Yerwachsung ihrer oberen Eänder vom Mundraum sich
abzuschliessen. Schon bei Embryo Seh läuft das hintere Ende der
Furche in ein blind endigendes Epithelialrohr aus, die Anlage der
Glandula submaxillaris. Bei Zw ist die Drüsenanlage umfänglicher geworden und gelappt. Der WnARTON'sche Gang aber verlängert sich von hinten nach vorn dadurch, dass der offen gebliebene
Theil der Spalte immer mehr überbrückt wird, bis dann schliesslich
nur noch die vordere Oeffnung frei bleibt. Der N. lingualis muss
selbstverständlich unter der Spalte vorbeitreten, um in die Zunge
zu gelangen, und so erklärt sich auch das definitive Verhältniss der
Umgreifung des WnAETON'schen Ganges durch den Nerven.
Die Anlage der Glandula subungualis bildet sich erheblich später, als diejenige der Gl. submaxillaris. Noch bei Embryo Zw
ist sie nicht vom Mundraum abgelöst. Dieselbe geht, wie ich ver
Ueber die Entstehung der Speicheldrüsen- und der ersten Zahnanlagen. 95
muthe, aus der an den Unterkiefer anstossenden lateralen Furche
des Mundbodens hervor, die, wie Fig. 64 zeigt, allmählicli sehr
Fig. 63.
Durchschnitt der Zange und des Mundbodens vom Embryo S 1. Vergr. 15.
Zq Zunge, Sm Submaxillarrinne, N. l Nerv, ling., N.Xtl N. hypogl.
\ ^v-^ "^^ ' V-A n
ö c ö ;,- ff
,^
Fig. 64.
Durchschnitt durch die Mundhöhle TOm Embryo Seh. Vergr. 20.
Zg Zunge, D. s Ductus submasillaris, S. l Sulcns subungualis, -iV. l Nerv,
lingualis, i\^. m Nerv, mandibularis, i^./ Nerv, facialis, C. J/ Cart. Meckeli.
ijl/jillL'i^
c^P
Fig. 65.
Schrägschnitt durch die Mundhöhle vom Embryo Zw. Vergr. 18.
Abtrennung des Submasillarganges. S. 2 Septum linguae, K.l Kerv. ling.,
XII N. hypogl , CM Cart. MbckeIjI, N.m Nerv, mandibularis , Ol. sm
Glandula submaxillaris, S. l Sulcus subungualis, Z Zahnanlage,
P Parotisanlage.
eng und tief geworden ist. Ueber den genaueren Hergang der
Drüsenbildung erlaube ich mir nicht, speciellere Vermuthungen zu
formuliren.
96 Ueber die Entstehung der Speicheldrüsen- und der ersten Zahnanlagen.
Die Gl. Parotis legt sich gleichfalls später an als die Suhmaxillardrüse, früher jedoch, als die Subungualis. Bei Embryo Zw
ist sie eben erkennbar als eine noch unter der Wange liegende,
solide Zellenknospe. Es geht diese Anlage aus jener tiefen Furche
hervor, welche den Unterkiefer vom Oberkiefer scheidet, und zwar
hat sie, soweit ich bis jetzt ersehe, ihren Ausgangspunkt an einer
Stelle, an der die fragliche Furche eine plötzliche Aenderung der
Eichtung erfährt.
Bei Embryo Zw macht sich auch die erste Einleitung zur Zahnbildung bemerkbar. Sowohl der Oberkiefer, als der Unterkiefer
zeigen an ihrer freien Oberfläche bereits offene Gruben, deren Grund
sich eben zum Papillenwulst emporzuwölben beginnt und deren epitheliale Auskleidung bereits erheblich verdickt ist.
Bildung der ScMlddiilsenanlage.
Die Bildung der mittleren Schilddrüsenanlage ist in einem der
vorangegangenen Abschnitte bereits erörtert worden. Indem die
Zungenwurzel durch medianes Zusammentreffen der zweiten und
der dritten Schlundbogenwiilste sich anlegt, wird ein Theil des primären Mundhöhlenbodens überbrückt und in eine von der Zungenwurzel bedeckte blinde Bucht einbezogen. Diese Bucht schliesst
sich weiterhin dadurch zur gesonderten Höhle ab, dass der Zungenkörper an die Zungen wurzel heranrückt und mit ihr sich verbindet.
Die also abgegrenzte mittlere Schilddrüsenanlage ist eine zweitheilige
Epithelblase und sie steht durch einen engen Gang, den Ductus
thyreo gl ossus, mit der Zungenoberiiäche in Verbindung (Taf. II
Fig. 41 und Taf. XD Fig. 106).
Diese zuerst auftretende mittlere Anlage hat man lange Zeit
für die einzige gehalten, zu ihr kommen aber laut den neuen Befunden von Wölfler, Stieda und Böen noch zwei Seitenanlagen
hinzu, welche Born von dem Epithelbelag der vierten Schlundtasche
ableitet. Den Befund der seitlichen Schilddrüsenanlagen kann ich
völlig bestätigen, wogegen ich für die Ableitung derselben eine etwas
andere Darstellung geben muss, als Born. Die seitlichen Schilddrüsenanlagen entstehen dadurch, dass sich der untere, neben dem
Kehlkopfeingang hegende Theil des primären Rachenbodens von der
Haupthöhle abschliesst und zu einem selbständigen, dem Kehlkopf
seitlich anhegenden Epithelial gebilde umwandelt.
Der Vorgang leitet sich schon auf der Stufe von Pr ein. Hier
ist der frühere Sulcus arcuatus (S. 62) durch das Einwärtswachsen
der dritten und der vierten Schlundbogenwülste grossentheils über
His, Mensclil. Embryonen. UI. 7
98
Bildung der Schilddrüsenanlage.
brückt worden, und es findet sich nunmehr jederseits von der Furcula eine Spalte, deren pharyngeale Zugänge zwar noch offen sind,
deren Grund aber grossentheils verdeckt ist. Bei Pr erstreckt sich
das obere Ende des bedeckten Spaltraumes eine Strecke weit vor
dem dritten Bogenwulst herauf und schliesst dann als blinde Tasche
ab. Der vierte Bogen aber überbrückt völlig frei die untere Fortsetzung der Spalte, die dann schliesslich im Fundus branchialis
offen ausläuft. (Bei Fig. 48 S. 69 ist die Ausdehnung der überdeckten Spalte punktirt angegeben.)
Die Isolation des fraglichen Raumes schreitet von oben nach
abwärts vor. Es schliesst sich zunächst die zwischen dem dritten
und dem vierten Wulst gelegene Verbindungsspalte und etwas später
auch diejenige, die unter dem vierten Wulst vorhanden war. Bei Embryo Sl Fig. 66 u. 72 ist diese
letzte Verbindung zwischen
dem Sinus pyriformis und der
seitlichen Schilddrüsenanlage
noch vorhanden. Die seitliche
Schilddrüsenanlage biegt sich
stark nach vorn, sie ist durch
Einschnitte in mehrere hohle
Knospen getheilt. Mit dem
Mittelstück hat sie sich zur
Zeit noch nicht verbunden.
Letzteres liegt vor den seitlichen Anlagen und etwas tiefer als diese, und es hängt durch den
langen, schräg vor dem Kehlkopf herabsteigenden Ductus thyreoglossus mit der Zungenoberfläche zusammen. Als Ganzes betrachtet
bilden die drei Schilddrüsenanlagen schon bei Embryo Sl einen
Bogen, welcher den Kehlkopf und das obere Ende der Trachea hufeisenförmig umgreift.
Bei Embryo Seh sind die Seitenanlagen und das Mittelstück der
Schilddrüse zusammengerückt, und jene haben sich vom Pharynx
nunmehr vollständig emancipirt. Dabei sind sie erhebhch voluminöser, als das Mittelstück und die spätere Grundform des Organes
ist auch in diesem Punkte schon vorausbestimmt (Fig. 76 S. 125}.
Die Hufeisenform der Schilddrüse findet sich in einer Zeit an
Flg. 6G.
Profilconstruction der Schilddrüsenanlagen und der
Thymus vom Embryo S I. Yergr. 25.
m. S und s. <S mittl. und seitl. Schilddrüsenanlage,
Th Thymus, Zg Zunge, F.c Foramen coecum, £p
Epiglottis, Kk Kehlkojif, T?- Trachea, Oe Oesophagus, D Ductus thyreoglossus. Der eigentliche Kehlkopfraum und die Trachea sind quer schraffirt.
Bildung der Schilddrüsenanlage. 99
gelegt, da noch gar keine geschlossenen Epithelräume vorhanden sind.
Sie ist nämlich durch die Form des Sulcus arcuatus bedingt, wie
dies ein Blick auf Eigur 41 ohne Weiteres erkennen lässt. Dieser
Sulcus ist es ja, dessen Epithelboden zur Schilddrüsenanlage wird,
aus dessen oberem Theil das Mittelstück, aus dessen unterem die
beiden Seitenstücke hervorgehen. Dabei bleibt ein schmaler Streifen
des Sulcus unverwendet, indem sich im Bereich der dritten Schlundbogenwülste die mittlere Anlage der Schilddrüse von den seitlichen trennt.
Bei der Darstellung des Mundrachenraumes, wie sie in der
citirten Figur 41 gewählt ist, d. h. bei aufgerichtetem Kopf, wendet
der Sulcus arcuatus seine Convexität nach oben, während die Schilddrüse einen nach abwärts convexen Bogen bildet. Allein es ist klar,
dass diese anscheinende Differenz dahin fällt, sowie wir uns vergegenwärtigen, dass bei Embryonen vom Schluss des ersten Monats der
Kopf gegen die Brust herabgebeugt ist. Bei dieser natürlichen
Stellung der Theile wird in der Frontalprojection die Schilddrüse
stets einen nach abwärts convexen Bogen bilden. Dies Verhältniss
müsste nach Hebung des Kopfes eine Aenderung erfahren, wenn die
mittlere Schilddrüsenanlage zugleich mit dem Kopf emporgehoben
würde. Allein bei der Hebung des Kopfes bleibt dieselbe in der
Tiefe liegen, während die Zunge ihrerseits emporsteigt. Indem die
mittlere Schilddrüsenanlage ihre Stellung unterhalb und vor den
beiden seitlichen, sowie die Stellung zu den Carotidenwurzeln beibehält, wird der Abstand zwischen ihr und ihrer ursprünglichen
Bildungsstätte erheblich grösser. Dazu kommt nun aber noch hinzu,
dass, bevor die Kopfhebung eine ausgiebigere geworden ist, die
gesammte Schilddrüse zugleich mit dem Kehlkopf eine Rückwärtsdrängung in das Halsgebiet herein erfahren hat. Schon bei den
Embryonen Kg und S 1 geht ein den Kopf abtrennender Schnitt vor
dem Kehlkopf und vor der Schilddrüse vorbei.
Bei dem Auseinanderrücken der mittleren Schilddrüsenanlage
und der Zungenwurzel erhält sich durch längere Zeit hindurch ein
feiner epithelialer Gang, der am Foramen coecum frei ausmündet.
Dieser verlängerte Ductus thyreolingualis, dessen Verlauf ich in
Fig. 66 für S 1 dargestellt habe, ist auch bei Zw nachweisbar. In
der Folge pflegt er unterbrochen zu werden und ganz oder theilweise
7*
100
Bildung der Schilddrüsenanlage.
zn obliteriren. Indessen sind selbst bei Erwachsenen Pälle nicht
selten, wo der Gang fast in seiner ganzen Ausdehnung sich erhalten
hat. Ich habe oben der Zungen gedacht, in denen das Poramen
coecum in einen 1 1/2 bis 2 '/2 cm langen Kanal hereinführt. Dieser
Kanal, den ich den Ductus lingualis nenne, endigt in den Fällen
exquisiter Ausbildung in der Höhe des Zungenbeinkörpers über dem
Ligam. hypoepiglotticum.
In fünf, mir vorliegenden Präparaten, welche einen längeren
Zungenkanal zeigen, besteht gleichzeitig ein mittleres Schilddrüsen
horn. Dasselbe ist in
den fünf Pällen übereinstimmend gebaut, es
ist nämlich in seinem
unteren Abschnitte drüsig, dann aber setzt es
sich nach oben hin in
ein häutiges Rohr fort,
welches für eine Sonde
leicht passirbar ist und
das, hinter dem Zungenkörper vorbei, bis in
die Höhe von dessen
oberem Rand hinaufsteigt. Hier endigt dasselbe unterhalb des
Ligam. hj^othyreoideum
medium. Dies Rohr, das
man wohl unbedenklich
als Ductus thyreoideus bezeichnen darf,
endigt in der Mittellinie, und zwar auch
dann, wenn das Cornu
medium, wovon es abgeht, seitlich von der Mitte befindlich ist. In den
beiden Präparaten, in welchen der Zungengang seine volle Länge bewahrt hat, rückt er dem Ductus thyreoideus bis auf einen Abstand
von kaum 5 mm entg-egen. Zu einer directen Berührung beider
ün
rig. 07.
Ductus tbyreoideus und seine Beziehung zum Ductu
gualis. Präparat vom Erwachsenen. Vom Zungenliein ist ein
Streifen entfernt worden, das Lig. hj'poepiglotticum zeigt sich,
als dunkler, die heiden Enden verbindender Streifen. Darüber
ist zwischen den beiden Mm. genioglossi das untere Ende des
D. lingualis sichtbar. Vor dem Lig. thyreohyoideum medium
liegt der vom Comu medium der Schilddrüse abgehende
Ductus thyreoideus, in welchen eine Sonde eingeführt ist.
(Aus Versehen beim Zeichnen des Stockes ist an der Figur
rechts und links vertaascht.)
Bildung der Schilddrüsenanlage. 101
Gänge kommt es indessen nicht, da die Ligamenta hyoepiglotticum
und thyreohyoideum sich dazwischen einscliieben.
Es bedarf wohl kaum eines näheren Beweises dafür, dass die
beiden eben beschriebenen Gänge die Reste des ursprünglichen, vom
Foramen coecum bis zur mittleren Schilddrüse herabreichenden Ductus thyreoglossus sind. Ich vermuthe, laut obigen Präparaten, dass
in einzelnen Fällen der Gang in seiner ganzen Länge offen bleiben
kann, bis zu dem Zeitpunkte, wo mit der Entwickelung der derben
Zungenbeinbänder ein Motiv zur Trennung sich einstellt. In Zukunft wird darauf zu achten sein, ob sich ein Cornu medium der
Schilddrüse stets mit einem Canalis lingualis combinirt, oder ob die
eine Bildung unabhängig von der anderen vorhanden sein kann. Ebenso wird es die Sache weiterer Untersuchungen sein, inwieweit der
Canalis lingualis der Ausgangspunkt besonderer Geschwulstbildungen
sein kann.
Während in den oben beschriebenen Fällen der ursprüngliche
Ductus thyreoglossus in zwei Theile zerfallen ist , hinterlässt er zuweilen auch eine grössere Zahl von Theilstücken. Als solche intermediäre Beste des Ganges sind nämlich jene um das Zungenbein
herum liegenden unpaaren Drüschen zu deuten, auf deren Vorkommen Verneuil und neuerdings Zuckerkandl und Kadyi aufmerksam gemacht haben (Glandula suprahyoidea, praehyoidea u. s. w-O
Ein von Kadyi abgebildetes Präparat-) zeigt z. B. eine Kette von
vier, durch Zwischenräume getrennten accessorischen Schilddrüschen,
deren eines über dem Zungenbein, die drei anderen unterhalb desselben gelegen sind. Hier muss somit der Ductus thyreoglossus,
einschliesslich der beiden Endstationen, in 6 Theilstücke zerfallen
sein, deren jedes vom anderen durch einen Abstand getrennt geblieben ist.
Nachdem sich die drei Schilddrüsenanlagen von ihren primären Bildungsstätten abgelöst haben , beginnt die Parcellirung ihrer
Substanz sich einzuleiten. Bei Seh bilden die seitlichen Anlagen
noch grossentheils zusammenhängende Streifen; eine Ablösung ein
1) Literaturangabe bei Herten im Archiv für Anat. u. Physiol., anat.
Abth. 1879. S. 483.
2) Ebendaselbst S. 318. Fig. 2.
102 Bildung der Schilddrüsenanlage.
zelner Stücke macht sich indessen da bemerkbar, wo die seitlichen
Anlagen der mittleren begegnen, und auch die Substanz der letzteren zeigt sich auf Durchschnitten in mehrere Stücke zertheilt. Bei
Zw sind zwar auch noch Gruppirungen der Zellen um längliche Spalten herum vorhanden, daneben aber zahlreiche rundliche Complexe,
die den Habitus eigentlicher Acini tragen. An jeder Zelle ist nunmehr ein leicht tingirbarer körniger Abschnitt von einem hellen
(colloiden) geschieden, dabei lagern sich die Elemente so, dass die
die Kerne tragende körnige Zone derselben die Peripherie des Aci■ nus bez. des Zellenrohres bildet, wogegen der helle Antheil nach einwärts gekehrt ist. Ein Zwischengewebe zwischen den Acini existirt
zu der Zeit noch nicht.
Die primäre Anlage der Thymus.
Seitdem Kemak den Gedanken ausgesprochen hat, dass die
Thymus möglicherweise eine aus den Schlundspalten hervorgegangene
Abschnürungsdrüse des Vorderdarmes seiO, ist bis in die neueste
Zeit herein immer wieder die Annahme zur Geltung gelangt, dass
die Thymus und die Schilddrüse in ähnlicher Weise sich anlegen, imd
so hat auch Born die eine dieser Drüsen durch Abschnürung der
dritten, die andere durch Abschnürung der vierten Schlundtasche
abzuleiten versucht.
Der histologische Charakter der ausgebildeten Thymusdrüse
scheint, wenn man zunächst blos das adenoide Gewebe derselben
ins Auge fasst, gegen eine epitheliale Herkunft des Organes zu
sprechen, und es ist zu beachten, dass schon Remak, in Rücksicht
auf die Verwandtschaft der Thymus mit der Milz und den Lymphdrüsen, an deren Entstehung aus dem mittleren Keimblatt mit gedacht hat.
Die Thymusdrüse enthält nun aber, neben dem adenoiden Gewebe, in den concentrischen Körpern 2} Bestandtheile von entschieden
epithelialem Charakter. Dieser Umstand in Verbindung mit dem
acinösen Aufbau der Thymusdrüse hatte mich schon seit längerer
Zeit zur Vermuthung gebracht, dass wohl die Thymus als epitheliales Organ sich anlegen möge, und dass späterhin die Anlage von
adenoidem Gewebe umwachsen und verdrängt werde, wobei ihre
Reste als concentrische Körper persistiren. Seitdem Kölliker bei
1) Remak, Untersuchungen. S. 41, sowie besonders S. 123 u. 124.
2) Den Versuch, die concentrischen Körper für bindegewebige Bildungen
auszugeben, halte ich für verunglückt.
104 Die primäre Anlage der Thymus.
zweiwöchentlichen Kaninchenembryonen die Thymusanlage als ein
in der That epitheliales Hohlgebilde nachgewiesen hat, hat meine
Annahme von der Bedeutung der concentrischen Körper, wie mir
scheint, sehr an Gewicht gewonnen, auch hat sich, seitdem ich dieselbe im ersten Heft ausgesprochen habe, Stieda dafür erklärt. ') Es
ist die spätere Thymus, um einen Ausdruck der Mineralogen zu gebrauchen, eine Pseudomorphose des primären Organes. "Wir können
uns ein Bild von dem Hergang machen, wenn wir etwa beispielsweise annehmen, es würden in den Tonsillen die Epithelbuchten geschlossen und ihr Inhalt in einzelnen Gruppen zerklüftet. Auch da
wäre die definitive Organisation des Gebildes auf die primäre Faltung der Epithelfläche zurückzuführen, und es würden die primär
vorhandenen Theile durch die umgebenden schliesslich grösstentheils
verdrängt und verdeckt erscheinen.
Die Annahme des Satzes, dass die concentrischen Körper die
Reste der primären Drüsenanlagen sind, führt aber sofort zu der
weiteren Folgerung, dass die primäre Thymus nicht eine endodermale
Bildung sein kann, sondern dass sie aus derselben Anlage stammen
muss, wie die Epidermis. Die concentrischen Körper nämlich bestehen, wie dies vor vielen Jahren zuerst Ecker und dann ich selbst
nachgewiesen haben^), aus theils kernhaltigen, theils kernlosen Schüppchen, welche mit Epidermisschüppchen die grösste IJebereinstimmung
zeigen, auch finden die Körper hinsichtlich ihres Aufbaues eine unmittelbare Parallele in den concentrischen Körpern der Cancroidgeschwülste. Da ich nun aber gefunden habe, dass bei Säugethierembryonen die Schlundspalten niemals durchbrechen, so ist auch zu
erwarten gewesen, dass sich der Ursprung der primären Thymus auf
äussere Furchen wird zurückführen lassen. Diese Erwartung findet
in der Beobachtung ihre volle Bestätigung:
Die primäre (epitheliale) Thymusanlage entsteht aus
der Auskleidung der vierten, dritten und theilweise
noch der zweiten Schlundfurche, sowie aus dem Ueberzug der zugehörigen Wülste dadurch, dass auf der
1) Man vergleiche Heft I. S. 56 und Stieda, Unters, etc. S. 30.
2) Ecker in R. Wagnek's Handwörterb. IV. 116 und Ic. phys. Taf. VI.
Fig. 4, und His in Zeitschr. für wissensch. Zool. Bd. IX. S. 348 und Taf. XXIX.
Figur 23.
Die primäre Anlage der Thymus.
105
Grrenze von Kopf und von Hals diese Theile in die Tiefe
geschoben und von der Oberfläche abgetrennt werden. ')
In einem früheren Abschnitte (S. 26) ist der Nachweis geführt
worden, dass die Schlundbogenwülste sich übereinander verschieben,
derart, dass der dritte Wulst den vierten, und der vierte den dritten
von aussen her überlagert und zudeckt. Während das Profil der
Embryonen a und E, noch vier offen liegende Wülste zeigt, sind
bei A, bei B und bei Pr deren nur noch drei und auf den nachfol
Fig. 68.
DurchscLDitt durch den Hinterkopf vom
Embryo Kg. Vergr. l?. Die arabischen
Ziffern bezeichnen die Aoitenbogen 2— 5.
Th Thymuf anläge, Kk Kehlkopf.
Fig. 69.
Frontalconstruction des llundrachenraumes und des
Sinus praecervicalis vom Embryo Kg. Vergr. 12.
genden Stufen von Rg, S 1 u. s. w. nur noch zwei sichtbar. Bei
dieser Uebereinanderschiebung der Bogenwülste gelangt der zweite
soweit nach rückwärts, dass er schliesslich bis dicht an die Extremitätenwurzel herantritt (Taf. XIV Fig. 1 und 3).
x\ls Folge des eben erwähnten Vorganges ergiebt sich die Bildung einer tiefen Bucht, welche vom Halswinkel ausgehend, zwischen
1) Eine Notiz hierüber habe ich bei der Versamml. d. Schweiz, naturf.
Gesellschaft in Zürich (medic. Section) gegeben; siehe Compte rendu im OctoberNovemberheft der Archives des sciences etc. Genf 1883.
106
Die primäre Anlage der Thymus.
dem Kopf und der seitlichen Halswand einschneidet, und die ich
den Sinuspraecervicalis nennen will. Sie bezeichnet den ersten
Anfang zur Thymusbildung. Der Grund der Bucht ist schon hei
den Embryonen A und B vorhanden und ihr Eingang zeigt sich in
der Profilansicht als eine hinter dem dritten Schlundbogenwulst befindliche dreieckige Lücke (Taf. I Fig. 1 und 2). Bei Pr ist dieser
Eingang etwas enger geworden (Taf. XIII Fig. 4) , allein auch hier
ist er vom dritten Bogenwulst begrenzt und der umschlossene Raum
gabelt sich nach der vierten und nach der dritten Spalte hin (Fig. 48).
Fig. 10.
Profil vom Embryo Eg mit eingezeichnetem Sinus praecervicalis. Vergr. 10. Der offene Eingang
ist q^uerschraffirt, die tedeckten Buchten sind punttirt. Die Kuppel der Parietalhöhle ist darch
eine unterbrochene Linie angegeben, darunter liegen Truncus pulmonalis und Aortae.
Bei Embryo Rg ist auch die zweite Furche in den Sinus mit
einbezogen und der zweite Wulst bildet nunmehr den vorderen Rand
seines Einganges. Den hinteren Rand desselben bildet ein dem Hals
angehöriger Wulst, auf dessen Bedeutung ich später zurückkommen
werde. Während der Eingang der Bucht auf der Grenze von Hals
und von Kopf befindlich ist, ist deren Grund von der seitlichen
Halswand umschlossen. Dies zeigt sich am auffallendsten im Profilbild, allein es findet auch an Frontalconstructionen und an Durchschnittsbildern seine Bestätigung. In Figur 70 ist der Sinus praecervicahs in das Profil des Embryo eingetragen, von seinen drei
Schenkeln greifen der hinterste und der mittlere, d. h. die Reste der
vierten und der dritten Aussenfurche in den Hals über und nur der
Die primäre Anlage der Thymus.
107
kurze vordere Schenkel liegt auf eine kleine Strecke im Kopfgebiet.
Dasselbe ersieht man aus dem Durchschnitt Figur 68. Hier führt
der von aussen her offene Theil des Sinus nach der zweiten und dritten
Spalte hin, während ein Stück der vierten Spalte anscheinend isolirt
im Halsabschnitte liegt. Fig. 69, bei welcher der Kopf aufgerichtet
gedacht ist, zeigt den Zusammenhang sämmtlicher Räume in einer
Frontalconstruction.
Fig. 71.
Profil von Sl mit eingezeiclineter Thymus und Thyreoidea. Vergr. 10. Die Thymus ist quersciiraffirt, die Thyreoidea seckrecht. An letzterer sind die heiden Anlagen noch unvereinigt, die
mittlere ist an ihrer Verbindung mit dem Foramen coecnm kenntlich, die Contouren des Vorderdarmprofils sind punktirt angegeben. Man erkennt die Zunge mit dem Foramen coecam, sowie
Kehlkopf, Trachea und Oesophagus. Auch das obere Ende der Parietalhöhle ist durch eine
punktirte Linie angegeben und ein Stück der Aorta eingezeichnet.
Bei Embryo S 1 hat sich der Abschluss des Sinus praecervicalis
eingeleitet. Noch existirt eine äussere, den früheren Zugang andeutende Grube, aber sie endigt blind und ihre Epithelauskleidung
läuft in einen dünnen Zellenfaden aus, an den sich erst in der
Tiefe wieder ein trichterförmig ausgeweiteter, zu der Höhlung des
Grundes hinführender Gang anschliesst. Dabei erscheint das Epithel
nunmehr verdickt, stellenweise als Wulst gegen die Lichtung vortretend, und letztere nimmt dabei eine auf dem Durchschnitt halbmondförmige Gestalt an (Fig. 72).
108
Die primäre Anlage der Thymus.
Die von der Oberfläche abgeschnürte Thymusanlage liegt, wie
die Frontalconstruction ergiebt, als ein gebogener Streifen lateralwärts von Pharynx und Kehlkopf (Fig. 73). Die obere Hälfte des
W^^ff^^^^
')
\?)
'mm
1
Fig. 72.
Durchsclinitt durch den Kehlkopf und die
l'hymusanlage vom Embryo Sl. Vergr. 20.
Ph Pharynx, /f Kehlkopf,- P. a Plicae aryepiglotticae, IX, X, XI, XII Nummern der Kopfnerven , C Carotis, V. j Vena jugularis.
Streifens überragt die Schilddrüsenanlage, der untere Theil dagegen
verläuft neben diesen und parallel
mit ihr, und zwischen beiden Bildungen drängen sich die Stämme
der Carotiden hindurch.
Auf das äussere Profil projicirt,
nimmt die Thymusanlage auch hier
den Winkel hinter dem zweiten
Schlundbogen ein und sie liegt
etwas schräg und im Winkel gebogen. Ihr unteres Ende reicht bis
in die Höhe des vierten Aortenbogens herab. Hier ist das Organ
am dünnsten, während es in halber Höhe seine grösste Mächtigkeit
erreicht. Die Aussengrube liegt ziemlich hoch und ist an Fig. 66
S. 98 durch einen dunklen Strich angedeutet.
Im weiteren Verlauf der
Thymusentwickelung nimmt
das Organ eine gestreckte
Form an und sein unteres
Ende gleitet vor den grossen
Gefässstämmen tiefer herab.
Schon bei Seh ist es in
den Brustraum hereingerückt
^'s* ^^* und bei Zw liegt es vor der
Profilconstruction der Schilddrüsen- u. Thymusanlagen
vom Embryo Sl. Vergr. 20. TA Thymusanlage, ra. Äd TheilungSStellO der Aorta. —
n.s.Sd mittl. u. seitl. Schilddrüsenanlage, ^(7 Zungen- °
Wurzel, S.p Sinus pyriformis, Oberfläche des Halses T\\a o\nV\ TiänfonrlaTn 7!ollon
mit abgehendem Stiel der Gl. thymus, J. au. ^.ci Aorta -^^^ ^^^^ naUienaeU ZieüCn
ascendens und descendens, C Carotis. erfüllen dlo UrSprÜnglich VOl'
handene Lichtung in zunehmendem Maasse. Bei Zw machen die
meisten Durchschnitte den Eindruck einer compacten Masse, und
nur hier und da begegne ich noch einer kleinen runden Lücke, die
als Rest der früheren Lichtung zu deuten ist.
Die eben entwickelte Geschichte der Thymusanlage führt uns
unmittelbar zur Frage von den sogenannten seitlichen Hals
Die primäre Anlage der Thymus. 109
fisteln. Seit der Arbeit von Ascherson pflegt man die am Hals
auftretenden Kanäle auf offen gebliebene „Kiemenspalten" zurückzuführen, und einzelne Autoren sind sogar soweit gegangen, Fisteln
zu unterscheiden, die der 2., der 3. oder der 4. Spalte angehören
sollen. Die Beschreibungen der Fälle lauten im Allgemeinen dahin,
dass die Fistelöffnungen dicht vor dem Eande des M. sternocleidomastoideus liegen, meistens in der Nähe seines unteren Endes,
zuweilen jedoch auch höher, bis zur Zungenbeinhöhe. Dieselben
pflegen in einen schräg aufsteigenden Kanal hereinzuführen. In
einem bei einem Neugeborenen beobachteten Fall konnte Kehn i)
den Grang hart am Schildknorpelrande vorbei, zwischen dem M. biventer und dem N. hypoglossus hindurch, zur Rückfläche des M.
palatopharyngeus verfolgen, wo derselbe blind endigte. In anderen,
am Lebenden beobachteten Fällen ist man im Stand gewesen, durch
Injection schmeckender Substanzen in den Fistelgang Geschmacksperception im Rachen hervorzurufen, ja in einem von Lesser beschriebenen Fall vermochte der Patient vom Mund aus eine gekrümmte Stricknadel in den Fistelgang einzuführen und durch die
äussere Oeffhung wieder hervorzuziehen; auch war da der Kanal,
wenigstens in jüngeren Jahren, so weit gewesen, dass beim Schlucken
Flüssigkeiten und selbst Speisetheilchen durch denselben durchzudringen vermochten. 2)
Es ist klar, dass die Unterlagen für die Deutung der fraglichen
Missbildung ungenügend sein mussten, so lange man über das Verhalten der Schlundspalten und über die Art ihres Schlusses keine
genaue Kenntniss besessen hat, allein auch an der Hand besserer
Einsicht wird man doch auf verschiedene Schwierigkeiten stossen,
die nur durch erneute Bearbeitung der betreffenden Fälle lösbar erscheinen. Folgende Gesichtspunkte erscheinen mir dabei beachtenswerth :
1. Zunächst tritt die Thatsache in den Vordergrund, dass die
Existenz einer Halsfistel für einen gewissen Zeitabschnitt des embryonalen Lebens, für die Zeit nämlich vom Beginn bis gegen das Ende
der 5. Woche, ein normales Vorkommniss ist. AUein diese normale
1) ViECHow's Archiv. Bd. 62. S. 269.
2) Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. II. S. 320.
110 Die primäre Anlage der Thymus.
Fistel führt nicht in den Pharynx herein, sondern in den blind endigenden Sinus praecervicalis oder mit anderen Worten in das Innere
der epithelialen Thymusanlage. Wenn nun die pathologische Fistel,
anstatt in der Richtung nach abwärts gegen die Thymus hin zu verlaufen, stets nach oben sich wendet, so ist nicht unwahrscheinlich,
dass die Existenz einer solchen Fistel mit Abweichungen in der
Thymusbildung sich compliciren wird.
2. Da normalerweise ein Durchbruch der Schlundspalten nach
dem Pharynx hin nicht erfolgt, so sind die Fälle besonders bemerkenswerth, in denen durch Einspritzung schmeckender Substanzen
oder durch Sondirung die Communication der äusseren Oeffnung mit
dem Pharynx nachgewiesen worden ist. Ich habe eine Zeit lang daran
gedacht, es könnte in solchen Fällen die Communication durch kräftige
Sondirungsversuche künstlich erzeugt worden sein. Allein eine derartige Erklärung, die denn doch kaum für alle Fälle anwendbar sein
möchte, reicht nicht sehr weit. Ganz unabhängig davon, ob eine
innere Oeffnung da ist oder nicht, ist nämlich vor allem zu erklären,
weshalb der Gang nach oben, statt in der Richtung nach der Thymus hinführt. So muss man denn, wie mir scheint, die Möglichkeit
direct ins Auge fassen, dass der Sinus praecervicalis ausnahmsweise
in den Pharynx durchbrechen kann. Tritt aber dieser Fall ein, so
kann dies zur Fixation eines inneren Sinusabschnittes führen, dadurch aber die Senkung der Gesammtanlage verhindern und die
ursprünglich ansteigende Richtung des Ganges zu einer bleibenden
machen. Hinsichtlich einer inneren Durchbruchsstelle besteht ein
gewisser Kreis von Möglichkeiten, je nachdem die 2., 3. oder 4.
Spalte durchbrochen wird. Für die zweite Spalte ist die Stelle in
der RosENMüLLER'schen Grube oder in der Fossa supratonsillaris
zu suchen, für die dritte Spalte über der Plica nervi laryngei, für
die vierte im Sinus pyriformis. Auf einem Durchbruch der zweiten
Spalte scheint mir ein von Virchow abgebildeter Fall zu beruhen,
bei welchem eine unter dem Ohr eingeschobene Sonde in der Fossa
supratonsillaris zum Vorschein kommt.
1) ViRCHOw's Archiv. Bd. 32. Taf. XII.
l
Literarische Auseinandersetzung zu den vorangegangenen Abschnitten. 111
Literarische Auseinandersetzung zu den Torangegangenen
Absclinitten.
Seit Herausgabe meines ersten Heftes sind mehrere grössere
Arbeiten über die Bildung der Schilddrüsen-, der Thymus- und der
Zungenanlage erschienen, zu welchen ich vor Schluss dieses Abschnittes Stellung zu nehmen habe.
Den Beginn hat A. Wölfler mit einer sorgfältig durchgeführten
Abhandlung eröffnet. ') Wölfler ist auf den Gedanken gekommen,
die Bildungsgeschichte der Schilddrüse an sagittalen Schnitten von
Embryonen zu studiren, und es haben ihn seine Untersuchungen zum
Ergebniss geführt, dass die den früheren Autoren bekannte median
gelegene Schilddrüsenblase mit Epithellagern in Verbindung steht,
welche sich in der seitlichen Halswand befinden und von denen
Wölfler glaubt nachweisen zu können, dass sie von der Auskleidung
der ersten Yisceralspalte abstammen. Die Ableitung der Schilddrüsenanlage aus der ersten Schlundspalte hat sich als unhaltbar
herausgestellt, wie denn auch zur Beurtheilung der bezüglichen Verhältnisse die Verwendung blosser Sagittalschnitte nicht ausreicht.
Dagegen fällt Wölfler unstreitig das Verdienst zu, die Existenz
seitlicher Schilddrüsenanlagen zuerst mit voller Sicherheit nachgewiesen und deren weitere Geschichte bis zur Bildung der Acini und
des Gefässgerüstes verfolgt zu haben.
Bald nach Wölfler und ohne dessen Arbeit zu kennen, hat
auch Stieda die ältere Lehre von der Schilddrüsenbildung angegriffen."-) Während sich aber jener mit der bestehenden Auffassung
dadurch zu versöhnen gesucht hat, dass er die mediane Schilddrüsenanlage als Vereinigungsstelle der beiden seitlichen anerkennt, liegt
für Stieda der Schwerpunkt der Frage darin, ob die Anlage des
Organes eine unpaare oder eine paarige sei. 3) Er entscheidet sich
für das Letztere und glaubt nachweisen zu können, dass das Mittelstück der späteren Drüse aus den Seitentheilen hervorwächst. ^) In
1) A. WöLFLEEr, üebcr die Entwictelung und den Bau der Schilddrüse.
Berlin 1880.
2) Stieda, Untersuchungen über die Entwickelung der Gl. thymus, Gl.
thyreoidea etc. Leipzig 1881.
3) 1. c. S. 5. 4) 1. c. S. 17.
112 Literarische Auseinandersetzung zu den vorangegangenen Abschnitten.
einem Nachtrag berührt Stieda noch ausdrücklich meine eigene
Beobachtung über eine mediane Schilddrüsenanlage beim menschlichen Embryo (Heft I S. 56 und Taf. 11 Fig. 41) und spricht seine
Zweifel darüber aus, ob das von ihm bei mir gesehene Doppelbläschen
mit der Schilddrüse etwas zu thun hat.i) Stieda hat seine Beobachtungen an etwas vorgerückteren Säugethierembryonen angestellt
(an Schweinen von 18 mm) und er giebt sehr gute Darstellungen für den
bis dahin noch unbekannten Zusammenhang der seitlichen Schilddrüsenanlagen mit dem Pharynx. In Betreff der Thymus bestätigt
Stieda die Existenz einer epithelialen Anlage und findet, dass dieselbe mit unzweifelhaftem Kiemenspaltenepithel in Verbindung steht.
Die mittlere Schilddrüsenanlage ist Stieda entgangen, weil seine
Untersuchung bei zu späten Stufen anhebt; auch giebt dieser Umstand
in Verbindung mit der mangelnden körperlichen Verarbeitung der
Schnitte Stieda's Ergebnissen einen etwas unfertigen Charakter, und
es erklärt sich daraus, weshalb er die Frage offen gelassen hat,
welche von den Spalten bei der Bildung von Thyreoida und Thymus
betheiligt sei.
Wesentliche Fortschritte verdanken wir der Arbeit von Böen -),
welcher Forscher nicht allein die Aufgabe weiter gefasst hat, als seine
beiden Vorgänger, sondern der auch mit viel präciseren Methoden
gearbeitet hat. Böen ist es zunächst gelungen, den Nachweis dreier,
ursprünglich getrennter Schilddrüsenanlagen zu führen. Die mittlere
derselben ist die bekannte vom Boden der Mundhöhle abgeschnürte
Bildung, die beiden seitlichen treten hinter den vierten Kiemenbogen auf als zwei den Kehlkopf umgreifende Ausstülpungen der
Schlundspalte. Sie haben anfangs durchaus das Ansehen einfacher
Drüsen und ihre kolbenförmigen Enden neigen sich einander zu.
Diese Bildungen lösen sich bei älteren Embryonen von der Schlundwand und verbinden sich mit der mittleren Anlage. Aus der dritten
Kiemspalte lässt Böen, gleichfalls durch einen Ausstülpungsprocess,
die epitheliale Thymus hervorgehen.
In letzterer Hinsicht diflferire ich, wie man sehen wird, von
Böen nicht unerheblich, insofern ich die Thymus nicht von einer
1) 1. c. S. 35.
2) Ueber die Derivate der embryonalen Schlundbogen (Archiv f. mikrosk.
Anatomie. 1SS2. S.'271).
Literarische Auseinandersetzung zu den vorhergegangenen Abschnitten. 113
inneren Schlundtasctie , sondern aus dem von aussen hereintretenden Sinus praecervicalis ableite. Dagegen besteht zwischen Born's
Darstellung der Schilddrüsenbildung und der meinigen keine sehr
tiefe Differenz. Dadurch, dass ich auf frühere Stufen zurückgegangen
bin, ist es mir gelungen, die gemeinsame Beziehung zwischen der
mittleren und den seitlichen Anlagen aufzufinden und zu zeigen,
dass die Gesammtanlage aus dem früheren Boden des Mundrachenraumes hervorgeht. Bei der Darstellung von Born musste es befremden, dass die beiderlei Anlagen aus anscheinend ganz verschiedenartigen Bildungen, einerseits dem vorderen Mundboden, andererseits
der hintersten Schlundspalte entstehen sollten. Kein allzu grosses
Gewicht möchte ich darauf legen, dass ich die seitliche Schilddrüsenanlage aus dem Sulcus arcuatus ableite, Born dagegen aus der
vierten Schlundspalte. Einmal giebt Born seine Ableitung nur als
eine wahrscheinliche, andererseits aber zeigt ein Blick auf meine
Eigur 41 S. 63, dass das hintere Ende des Sulcus arcuatus mit der
vierten Schlundspalte zusammenfliesst.
Die Zungenbildung geschieht nach Born in der Weise, dass ein
dem TJnterkief erbogen entstammender, von ihm Schaltstück genannter
Wulst sich mit den zweiten Schlundbogen verbindet. Ich selbst
hatte im ersten Heft die BetheiUgung der Unterkieferbogen an der
Zungenbildung in Abrede gestellt 'j oder höchstens eine Betheiligung
des unteren Grenzabschnittes zugegeben. Auf diesem die Betheiligung
des TJnterkief erb ogens verneinenden Standpunkte bleibe ich heute
noch stehen, gleichwohl betrifft die Differenz zwischen Born und
mir mehr den Wortlaut der Darstellung, als die Sache. Es ist nämlich unzweifelhaft, dass mein Tuberculum impar mit Born's Schaltstück identisch ist, von dem es ausdrücklich heisst "^), dass dasselbe
zwischen den Unterkieferfortsätzen der ersten Kiemenbogen und den
nach hinten convergirenden Enden der zweiten gelegen ist. Nachdem ich in obiger Darstellung den Nachweis geführt habe, dass
das mesobranchiale Feld, welchem das Tub. impar angehört, sowohl
nach seinem morphologischen Yerhalten, als nach seiner Structur von
den Bogenwülsten zu unterscheiden ist, wird vielleicht auch Born
kein allzu grosses Gewicht mehr auf die Abbildung seines Schalt
1) 1. c. S. 54. 2) 1. c. S. 312.
His, Menschl. Embryoiieii. IIL
114 Die primäre Anlage der Thymus.
Stückes vom Unterkieferbogen legen. In gleicher Weise fällt meines
Erachtens die Frage dahin, ob die Epiglottis dem dritten oder dem
vierten Schlundbogen zuzuweisen sei, auch sie entwickelt sich zwischen den Bogenwülsten und hat vom Anfang ab nichts mit denselben gemein.
In einem diametralen Gegensatz befinden sich Böen und ich
in Betreff der Theilnahme des dritten Bogenpaares an der Zungenbildung. BOEN stellt eine solche absolut in Abrede, ich halte sie
ebenso absolut aufrecht. Boen's eigene Zeichnungen, Fig. 7 und 8,
zeigen die dritten Bogenwülste als hintere Abgrenzung der Zungenwurzel und sie begegnen sich hier, gleichwie bei meinen eigenen
Figuren, in einem dreieckigen vor der Epiglottis befindlichen Felde.
In der That ist es schwer die Betheiligung der dritten Bogenwülste
an der Zungenbildung in Abrede zu stellen, wenn man bedenkt,
dass diese Wülste die Träger der Nn. glossopharjngei sind und dass
ihnen ja auch die grossen Hörner des Zungenbeins angehören, beides
Bildungen, deren Zugehörigkeit zur Zunge doch keines Beweises bedarf.
Die Bildungsgescliiclite des Halses.
Die Bildung des Halses gehört zu den für die Körpergestaltung
allerein greif endsten Vorgängen, und es erscheint daher zweckmässig,
ihr an dieser Stelle einen besonderen Abschnitt zu widmen.
Der ausgebildete Hals erhebt sich frei über Brustkorb und
Schultergürtel, und er findet seine untere Grenze in der vorspringenden Knochenlinie des letzteren, in Clavicula, Acromion und Spina
scapulae. Vom Eumpf unterscheidet sich derselbe durch das Fehlen
einer die Eingeweide umschliessenden Höhle, eines Cölomes, wie
der neuere Ausdruck lautet. Die topographische Anatomie theilt den
Hals ein : in den Nacken , in die seitliche und in die vordere Halsgegend, wobei der Nacken bis zum vorderen Rande des M. cucullaris,
die seitliche Halsgegend von da aus bis zum M. sternocleidomastoideus gerechnet wird. In rein anatomischer Hinsicht ist diese Eintheilung vortrefflich, für die embryologische Betrachtung wird es
aber nöthig sein, den Begriff des Nackens etwas enger, den der
seitlichen Halsgegend etwas breiter zu fassen.
Dem Nacken im engeren Sinn weise ich jene Theile zu, welche
aus der ursprünglichen Stammzone des Keimes hervorgegangen sind :
das Rückenmark, die acht Halsnerven und Halsganglien, die dazwischen liegenden sieben Halswirbel und die zugehörige, von den
Rami posteriores innervirte Längsmusculatur. In der Tiefe des Halses
werden die Mm. cervicalis ascendens, transversalis cervicis und trachelomastoideus , etwas oberflächlicher die Mm. splenii die embryologische Nackengrenze bezeichnen, wogegen der Levator scapulae
und der M. cucullaris nach meinem Dafürhalten nicht mehr echte
Nackenmuskeln, sondern von der Seite her secundärerweise in ihre
8*
116 Die Bildungsgeschichte des Halses.
Lage eingerückt sind. Für diese Auffassung spricht beim Cucullaris,
ausser der Innervation, der Umstand , dass der Muskel medianwärts
•durch eine Sehne unterbrochen ist.
Während die ursprüngliche Grenze zwischen dem Nacken und
dem seitlichen Halsgebiete durch das Verhalten des M. cucullaris
mehr oder weniger verwischt ist, wird die vordere Grenze des letzteren durch den medialen Rand des M. sternocleidomastoideus sehr
präcis bezeichnet. Dieselbe verläuft vom Proc. mastoideus aus, schräg
nach vorn absteigend zum Sternoclaviculargelenk. Die Fasern des
Muskels folgen im Allgemeinen derselben Richtung, sie breiten sich
indessen nach abwärts etwas fächerförmig aus und dasselbe gilt für
die Mm. scaleni, welche sich zum M. sternocleidomastoideus wie
eine kürzere, die tief gelegenen Endpunkte verbindende Wiederholung
verhalten. Da überdies dieselbe Faserrichtung auch im Halstheile
des M. cucullaris wiederkehrt, so ergiebt sie sich als gemeinsamer
Charakter der aus der parietalen Keimzone hervorgegangenen Seitenmusculatur des Halses. Abweichend verhalten sich nur der M. levator scapulae und der hintere Bauch des Omohyoideus, zwei Muskeln,
welche durch ihre Insertion an stark verschiebbaren Skelettstücken
aus der Gruppe der übrigen herausgelöst erscheinen.
Das typische Bild für den Aufbau der seitlichen Hals wand
gewährt die Gruppe der drei Scaleni. Hiernach ist jene als ein Dreieck
aufzufassen, dessen Basis auf dem Brustkorb aufruht, dessen Spitze
dem Kopf zugewendet ist und dessen längste Seite nach vorn sieht.
In diesem Dreieck folgen die vordersten Fasern dem schräg abfallenden vorderen, die hintersten dem steilen hinteren Bande, sie bilden
somit im Ganzen einen von der Spitze des Dreiecks zur Basis hin
sich ausbreitenden Fächer. Dem gegenüber ist bei der Nackenmusculatur die Hauptrichtung eine nach vorn schräg ansteigende.
Die Ränder der beiden Mm. sternocleidomastoidei umschliessen
die vordere Halsgegend, in welcher die Halseingeweide liegen,
Kehlkopf, Trachea, Schilddrüse und Oesophagus,' von einigen dünnen Muskelplatten bedeckt und von Nerven und Gefässstämmen
begleitet. Darüber liegt die Inframaxillargegend, deren obere Grenze
dem Unterkiefer entlang, vom Kinn bis unter das Ohr heraufreicht.
Diese Gegend ist nicht mehr dem Hals zuzurechnen, sondern dem
Kopf, und ihre untere Grenze erstreckt sich vom Schildknorpel
Die Bildungsgeschichte des Halses. 117
aus schräg nach aufwärts, gegen den Processus mastoideus. Die
Inframaxillargegend bildet somit einen nach abwärts gerichteten
stumpfen Winkel, und sie sowohl als die vordere Halsgegend bestehen aus je zwei in der Mittellinie zusammenstossenden Dreiecken.
Im Nachfolgenden Tverde ich, der obigen Darlegung gemäss, zu
unterscheiden haben :
den die Axengebilde umschliessenden Nacken,
das Seitendreieck des Halses,
die vordere Halsgegend und
die Inframaxillargegend.
Als Kehle ist die Grenzlinie der beiden letzteren Gegenden
zu bezeichnen.
Die eben aufgeführten Regionen des Halses werden in der angegebenen Reihenfolge am Embryo unterscheidbar: zuerst die Axialgebilde, dann das seitliche Halsdreieck und zuletzt- die vordere Halswand. Die Emancipation der letzteren aber hängt mit derjenigen
der Inframaxillargegend genau zusammen.
Sobald überhaupt die Urwirbel angelegt sind, kann man mit
deren Hülfe nachzählen, wie weit die axiale Anlage des Halses sich
erstreckt, und dabei findet man sich überrascht durch deren im
Verhältniss zu anderen Theilen äusserst tiefe Stellung. Mag man
für die jüngsten Embryonen Lg und BB (Taf. IX Eig. 6 — 10) allenfalls annehmen, es seien die obersten zwei bis drei Urwirbel noch
nicht unterscheidbar gewesen, weil sie sich am Querschnitt nicht
genügend charakterisirt haben i), so ist doch sicher, dass bei jenen
Embryonen die untere Grenze der Halswirbelsäule 2) bis unter das
Niveau des Leberganges und bis in dasjenige des Nabelblaseneinganges herabgereicht hat. Noch bei Embryo Lr (Taf. IX Fig. 14)
1) In den angegebenen Figuren ist die obere Grenze der Urwirbelsäule
laut deren an Querschnitten leicht erkennbarem Verhalten bestimmt worden.
Für die umgeknickten Strecken konnten die Urwirbel direct abgezählt werden,
und für die bei Lg nur etwa drei Urwirbel umfassende obere Strecke musste
interpolirt werden.
2) Ich werde mir erlauben, den Ausdruck Halswirbelsäule auch da zu
gebrauchen, wo es sich um die Urwirbel handelt, indem ein Missverständniss
kaum zu befürchten ist. Die Haisurwirbelsäule zählt natürlich acht Segmente.
118 Die Bildungsgeschiclite des Halses.
hat sich diese Beziehung erhalten, und es liegen hier Tor der Halswirhelsäule die Anlagen der Lungen, des Magens und der Leber,
welche Theile ihrerseits wiederum vom Herzen überlagert sind.
Fragen wir uns, ob man bei Embryonen dieser Stufe von
einem Hals reden darf und was dazu zu rechnen sei, so ist klar,
dass wir uns vor allem darüber zu verständigen haben, welche
Attribute des Halses wir als die wesentlichen ansehen wollen. Die
Attribute des ausgebildeten Halses bestehen bekanntlich darin, dass
derselbe ein, zwischen dem Kopf und dem Eumpf frei sich erhebender, höhlenloser und mit einer bestimmten Reihe von Eingeweiden
ausgestatteter Körperahschnitt ist. Legen wir aber bei der Begriffsbestimmung des Halses das Hauptgewicht auf das Fehlen der Höhle
und auf das Vorhandensein einer freien Vorderfläche, so besitzt der
jüngere Embryo keinen Hals, sondern er besteht, bei dieser Begriffsfassung, nur aus dem Kopf und dem Eumpf. Sehen wir dagegen
ab von der Höhle und rechnen zum Hals Alles, was vor den acht
Urwirbeln liegt, bez. was demselben Metamerenkreis angehört, wie
diese, so ertheilen wir dem jüngeren Embryo einen Hals von unverhältnissmässig grosser Ausdehnung, und derselbe umschliesst alsdann einen guten Theil der Organe, die späterhin dem Brust- und
dem Bauchraum zukommen.
Eine dritte Möglichkeit besteht darin, dass wir auf eine freie
Vorderfläche verzichten und im embryonalen Hals diejenigen Theile
zusammenzufassen suchen, welche im späteren Halsgebiete vereinigt
sind. Annähernd lässt sich dies erreichen, wenn wir vom oberen
und vom unteren Ende der Halswirbelsäule aus zwei Linien nach
der primitiven Kehle, d. h. nach dem Einschnitt zwischen dem Unterkiefer und der Parietalhöhlenwand hinziehen. Bei Embryo Lr z. B.
umgeben die beiden Linien in Verbindung mit der Rückenlinie ein
schräges, die Parietalhöhle eben noch streifendes Dreieck, in welchem
fast lauter dem späteren Hals angehörige Theile enthalten sind.
Diese letzte Begriffsfassung für den embryonalen Hals halte ich
für die zweckmässigste, und sie lässt sich noch etwas präciser gestalten, wenn man die vom oberen Halsurwirbel ausgehende Linie nach
der unteren Ecke des zweiten Schlundbogens und erst von da aus
zur primitiven Kehle hinführt und wenn man ausserdem die untere
Begrenzungslinie im Bogen hinter der Parietalhöhle vorbeileitet. Da
Die Bildungsoreschichte des Halses.
119
durch wird der Halsbezirk oder der primitiveHalskeil, wie wir
ihn nennen können, anstatt von drei, von vier Seiten eingefasst, er
stösst in einer gebrochenen Linie an den Kopf, in einer etwas eingebogenen an den Rumpf und nur die hintere oder Nackenseite desselben ist frei. Die Anlage des Kehlkopfes fällt mit in den Bereich
des also umgrenzten Halskeiles , wogegen die Anlagen der Lungen,
des Magens und derLeber davon
ausgeschlossen sind. Die mit
ausspringendem Winkel an den
Kopf anstossende Grenzlinie besteht aus dem Stück, das vom
ersten Urwirbel zur Ecke des
zweiten Schlundbogens sich erstreckt, und aus einem zweiten,
das von hier aus, dem zweiten
Schlundbogen und dem Unterkiefer entlang, zur primitiven
Kehle tritt. Dies letzte Stück
bezeichnet die Strecke, längs
deren späterhin der Kopf von
seiner Unterlage sich ablösen
und eine vordere Halswand sich
bilden wird. Ich bezeichne es
als den Vorderrand des primitiven Halses. Unsere nächste
Aufgabe geht nun dahin, zu
zeigen, wie der dem Rumpf von
hinten her angelagerte primitive
Halskeil über das Höhlengebiet des letzteren sich erhebt und wie
er dann weiterhin durch Trennung vom Inframaxillargebiete eine
freie vordere Mäche bekommt.
Bei dem jüngsten von meinen construirten Embryonen Lg
(Fig. 6 und 7 Taf. TK.) steht die Kuppel der Parietalhöhle höher
als die Glehörblase und auch bei BB (Fig. 9 bis Uj überragt sie
das obere Ende der Urwirbelsäule noch um ein gutes Stück. Bei
Lr ist die Höhenausdehnung der Höhle derjenigen der Halswirbelsäule annähernd gleich, bei R (Taf. XHI Fig. 3) fällt der höchste
Fig. 74.
Profil vom Embryo Lr mit eingezeiclinetem Halskeil. Vergr. 3ü.
Die Lungenanlage ist mit einem * bezeichnet, die
Kehlkopfanlage ist ventralwärts vom 4. Schlundbogen durch eine punktirte Linie abgegrenzt. Die
Leberanlage erkennt man am Uebergang zur Nabelblase, der dahiiiterliegende Röhrenabschnitt ist
die Magenanlage.
120 Die Bildungsgeschichte des Halses.
Punkt der Höhle in das Niveau des 4. Halsurwirbels, bei Embryo A
(Taf. VII Fig. A 1) ungefähr in das des fünften und bei Embryo Seh
ist er kaum noch in der Höhe des 7. Halswirbels.
Das Verhältniss der Parietalhöhlenkuppel zur Halswirbelsäule
ändert sich somit von früh ab und durch geraume Zeit hindurch,
und zwar geschieht dies in der Weise, dass einestheils die Höhlenkuppel sich senkt, anderntheils die Wirbelsäule heraufrückt. Beide
Vorgänge combiniren sich mit einander und beide hängen zusammen
mit der fortschreitenden Entwickelung der embryonalen Nackenkrümmung.
Die Senkung der Parietalhöhlenkuppel ist ein leicht verständlicher Vorgang. Solange der Kopf des Embryo aufgerichtet ist, ist
der vor dem Unterkiefer liegende Theil der Höhle am höchsten gelegen, dann aber, wenn sich der Kopf und mit ihm der Unterkiefer
vornüberneigt, verschiebt sich auch der Ort der Kuppel. Bei Embryo ß z. B. (Taf. XIII Fig. 3) liegt dieser dem vierten Schlundbogen gegenüber, d. h. es ist jetzt eine Stelle die höchste geworden,
welche bei BB nur in halber Höhe gestanden hatte und die von der
damaligen Kuppel weit überragt war.
Wenn die Nackenkrümmung ihr Maximum erreicht hat, was
ja schon im Laufe der vierten Woche der Fall ist, so besteht kein
weiterer Grund mehr zu einem Herabsteigen der Parietalhöhlenkuppel. Gleichwohl ändert sich auch jetzt noch das Verhältniss
zwischen dieser und der Halswirbelsäule, zugleich aber auch dasjenige der Hals Wirbelsäule zu den davorliegenden Eingeweiden, zu
den Anlagen von Lunge, Magen und Leber. Es beruht dies auf
einem Emporsteigen der gesaramten Halswirbelsäule, einem Vorgang,
der einer etwas eingehenderen Erörterung bedarf.
Bei jüngeren Embryonen beschreiben die Längsaxen des Medullarrohres, der Urwirbelsäule, des Eingeweiderohres und diejenige
der Körperhöhlen Bogenlinien, die unter sich gleichartig und, abgesehen von einigen besonderen Abweichungen, nahezu parallele sind
(man vergl. die Figuren von Taf. IX, sowie Taf. XIII Fig. 3). Den
längsten Bogen beschreibt das Medullarrohr, den kürzesten die Rückwand der vereinigten Leibeshöhlen. Die verschiedenen Bogensysteme
stehen hinsichtlich ihrer Biegung in gegenseitiger Solidarität, denn es
ist klar, dass die äusseren Bogen sich nicht strecken können, ohne
Die Bildungsgeschichte des Halses. 121
die inneren mit zunehmen , und dass diese hinwiederum bei eintretender Streckung die äusseren vor sich hertreiben müssen. Bei der
Zusammenspannung der verschiedenen Bogensysteme kann deren
gleichläufige und regelmässige Krümmung nur so lange erhalten bleiben, als ihr Längenwachsthum gleichmässig fortschreitet. Sowie
dies nicht mehr der Fall ist, setzen die vorhandenen Verbindungen
sowohl nach der einen als nach der anderen Seite hin gewisse Ausdehnungswiderstände, welche schliesslich zur Folge haben, dass einzelne Bogenstrecken sich emancipiren und selbständige Krümmungen
beschreiben, i) Solche Eigenbiegungen beschreibt das Eingeweiderohr besonders in seinem Magen- und Darmtheil, das MeduUarrohr
aber in seinem Hals- und Gehirnabschnitt. Die mittlere Axe dagegen, diejenige der Chorda dorsalis beschreibt keine Eigenbiegungen,
ihre Krümmung bleibt zwar nicht überall gleich stark oder auch nur
gleich gerichtet, aber sie bewahrt doch überall und bis in späte
Perioden ihren sanft geschwungenen Charakter bei, und so bildet
die Chorda eine Art von neutraler Axe zwischen den dahinter und
den davor liegenden Gebilden.
Der Hals und Gehirntheil der Medullarrohres erheben sich über
ihrer Basis zu einem Doppelgewölbe, dessen drei Fusspunkte in der
Zwischenhirnbasis, in der Brücke und im Halsrückenmark, dessen
Scheitel im Mittelhirn und im Nackenhöcker gelegen sind. Von den
beiden Gewölben interessirt uns an dieser Stelle nur das hintere.
Seine Ausbildung beginnt schon in der vierten, erreicht aber ihren
Höhepunkt im Verlaufe der fünften und sechsten Woche. In dieser
Zeit bilden verlängertes Mark und oberes Halsmark mit einander
einen spitzen Winkel und der Nackenhöcker tritt auch nach aussen
auf das schärfste hervor (man vergl. die Tafeln X Fig. 16—20 und
Taf Xin und XIV). Während nun aber die Fusspunkte des vorderen Gewölbes dauernd zusammengerückt bleiben, die Brücke daher jederzeit bis fast an den Boden des dritten Ventrikels heranreicht, öffnet sich der Winkel des hinteren Gewölbes nachträglich
wieder und die Folge davon wird in der zunehmenden Abflachung
des Nackenhöckers auch äusserlich sichtbar (Taf. X Fig. 21 — 25).
1) In dem Sinne hatte ich bei einem früheren Anlass Totalfalten und
Eigenfalten des Keimes unterschieden (Monogr. d. Hühnchenentwickel. S. 143).
122
Die Bildungsgeschichte des Halses.
Als eine bleibende Folge der hinteren Gewölb- bez. der Nackenhöckerbildung ergiebt sich die Entfernung des oberen Rückenmarksstückes
von den Abschnitten des Eingeweiderohres, denen es von Anfang
ab zugetheilt war, von dem Oesophagus und der Trachea.
Die spinalen Ganglienanlagen nehmen insofern an der Gewölbbildung des Medullarrohres Theil, als auch sie bis in den Winkel
zwischen Halsmark und Medulla oblongata heraufrücken. AVeit sanfter bleibt dagegen der Bogen, welchen die Chorda nebst der sie umgebenden Wirbelkörpersäule beschreibt, auch steht noch bei Embryo
Seh der oberste Halswirbel ein ganzes Ende tiefer als die obere Rücken
Fig. 75.
Profil vom £1111)170 Seh.
marksgrenze (Fig. 77). Immerhin hat die Nackenhöckerbildung auch
für die Chorda und deren Umgebung die Folge, dass sich diese Theile
steiler aufrichten und dadurch über ihr früheres Niveau emporsteigen.
Wenn dann in der Folge der Kopf unter Oeffnung des Nackenwinkels
sich hebt, so streckt sich die Wirbelsäule derart, dass ihr oberes
Ende vor dasjenige des Rückenmarks zu stehen kommt.
Fassen wir diese Verhältnisse noch einmal zusammen, so schiebt
sich beim Eintritt der Nackenkrümmung zunächst das Halsmark
nebst den zugehörigen Ganglien über die ihm entsprechende Eingeweide- und Höhlenzone empor und ihm folgt weiterhin die Halswir
123
iDelsäule, welche von da ab dem Bereicli der Höhlen bleibend entrückt ist. Indem der Nacken in der angegebenen Weise sich emporhebt und vom Eumpf, hinter dem er anfangs versteckt gewesen
war, emancipirt, tritt auch die Seitenwand des Halses allmählich
in die ihr zukommende Stellung ein. Ihre Basis nähert sich der
horizontalen Richtung, ihre dem Kopf zugewendete Seite fällt
schräg nach vorn ab, und sie erscheint nunmehr wie ein dem Nacken
nach vorn angesetztes dreikantiges Prisma, dessen vorderer Rand
über der Brust ausläuft. Unter den Figuren meiner Tafeln eignet
sich Taf. XIV Fig. 1 am ehesten zur Veranschaulichung der bezüglichen Verhältnisse, weil da die Nackensegmente äusserlich erkennbar sind. Die keilförmige Grundgestalt der Halsanlage ist noch wie
seiner Zeit bei Lr vorhanden, allein der Durchschnitt des Keiles und die
Stellung seiner Seiten sind nunmehr andere geworden. Der vom
Kinn bis hinter das Ohr reichende Saum, den ich oben als den
Vorderrand des Halses bezeichnet habe, zeigt jetzt eine massige
Neigung nach vorn. Bei weiterschreitender Entwickelung wird
dessen Richtung eine viel steilere, wie dies aus den Figuren 22 bis
25 von Tafel X zu ersehen ist. Indem sich nämlich der Kopf hebt,
bekommt auch das Ohr eine höhere Lage und daraus ergiebt sich
als weitere Folge die Aufrichtung des vorderen Halsrandes.
Bei den Embrj^onen der untersten Zeile von Taf. X hat der
vordere Halsrand seine Verbindung mit dem Kinn bereits aufgegeben,
er charakterisirt sich nunmehr als ein von der Brust ausgehender
und hinter dem Ohr auslaufender Wulst. Lage und Richtung
des vorderen Halsrandes stimmen mit denjenigen des
M. sternocleidomastoideus überein.i)
Demgemäss können wir schon bei sehr j iingen Embryonen, wie
z. B. bei Lr oder bei BB im vorderen Halsrand den Ort bezeichnen,
der dem später auftretenden M. sternocleidomastoideus entspricht.
1) In einer soeben erscheinenden Arbeit (Archiv f. Anat. u. Physiol., auat.
Abth. 1885. S. 15) bezeichnet Feoriep als Kopfnickerwiüst eine Leiste, welche
hinter der Schulter abgeht und hinter den letzten Schlundbogenwülsteu ausläuft. Dieselbe liegt unmittelbar vor der Reihe der Urwirbel. Die Lage und
Richtung der Leiste zeigen genügend, dass dieselbe mit dem Kopfnicker Nichts
zu thun hat. Will man sie jetzt schon auf einen Muskel beziehen, so kann
dies nur der CucuUaris sein.
124 Die Bildungsgeschichte des Halses.
Andererseits aber vermögen wir noch im ausgebildeten Körper mit
Hülfe des Muskels zu bestimmen, wie weit seiner Zeit der primitive
Halskeil sich erstreckt hat.
Der Vorderrand des primitiven Halses verläuft, wie wir gesehen
haben, dem Unterkiefer und dem zweiten Schlundbogen entlang nach
rückwärts, und in dieser Ausdehnung ist der Kopf mit seiner Unterlage verwachsen. Die Trennung vollzieht sich vom Beginn des zweiten Monats ab dadurch, dass zwei tiefe Falten zwischen der Parietalhöhle und dem Mundboden einschneiden, die sich schliesslich in
der Mittellinie begegnen. Die Trennung beginnt an der Spitze des
inframaxillaren Dreiecks und schreitet von da gegen die Basis fort
(man vergl. oben S. 56). Dem frei werdenden Inframaxillardreieck
entspricht als unteres Gegenstück die von den Mm. sternocleidomastoidei eingefasste vordere Halsgegend. Bei dieser ist es der
über der späteren Incisura sterni liegende Winkel, der zuerst frei
wird. Diesem Winkel hat früherhin das Kinn aufgelegen, und wir
werden somit im Stande sein, an uns selbst die primitive Stellung
der Theile nachzuahmen , wenn wir bei möglichster Senkung des
Kopfes das Kinn auf das Sternum aufstützen.
Ein strenger Beweis für die ursprüngliche Verbindung der Inframaxillar- und der vorderen Halsgegend lässt sich dadurch geben,
dass man für einen Embryo aus der Zeit der beginnenden Knorpelentwickelung die Skelettstücke in ihrer natürlichen Lage aufzeichnet. Eig. 76 giebt für Embryo Seh eine frontale, Eig. 77 eine sagittale Construction. Das Brustbein ist zu dieser Zeit noch nicht geschlossen, aber das, was in Verbindung mit der obersten Eippe davon
da ist, bezeichnet genügend sicher den Ort des späteren Manubrium.
Der MECKEL'sche Knorpel steigt bis beinahe zur Höhe des oberen
Brustbeinrandes herab, er liegt indessen noch etwas vor diesem, da
er ja nicht im Kinn ausläuft. Um an diesen Eiguren Lage und
Richtung des M. sternocleidomastoideus zu bestimmen, kann man
das Eoramen stylomastoideum benützen, dessen Lage an den Durchschnitten leicht zu ermitteln ist und das ich an beiden Eiguren eingetragen habe. Der Ort des Proc. mast. wird etwas seitlich davon
zu legen sein. Zieht man nun vom Ort des Manubrium sterni aus
nach dem des Processus mastoideus eine Linie , so deckt sich dieselbe bei Eig. 76 beinahe vollständig mit dem Bild des MECKEL'schen
Die BiklungSÄescliichte des Halses.
125
Knorpels und bei Fig. 77 verläuft sie hinter diesem und völlig parallel
mit ihm.
Die letztere Figur zeigt auch, dass die Kuppel der Parietalhöhle
durch den Vorderrand des Halses vom Kopf abgedrängt ist und dass
Fig. 76.
Frontalconstruction des Skeletts für Embryo Seh. Vergr. 18.
/f Hammeranlage , M MECKEL'scher Knorpel, Zb ZuDgenbein,
F Foramen stylomastoidum, Sd Schilddrüse, Th Thymus, St Ster
num , 1 R erste Eippe.
Fig. 77.
Profilconstrnction desselben Embryo.
sie jetzt nur um Weniges den Brustkorb überragt. Indessen liegt der
definitive Aortenbogen noch über der oberen Brustapertur. Die beiden
Mm. sternocleidomastoidei und, in etwas tieferer Schicht, die Mm.
scaleni begrenzen die Pforte, durch welche das Herz und die am
126 Die BilduDgsgeschiclite des Halses.
Kopf entstandenen grossen Gefässstämme ihren Eückzug nach der
Brust hin bewerkstelligen. Bei der schrägen Begrenzung dieser
Pforte wird die durch sie hindurch führende Bahn vorn am kürzesten sein und am tiefsten anfangen.
Bei meiner bisherigen Darstellung habe ich den Vorderrand des
primitiven Halskeiles hinter dem zweiten Schlundbogen auslaufen
lassen, ohne die beiden hinteren Bogen zu berücksichtigen. Da nun
aber diese zum primitiven Kopf mit hinzugehören, so bedarf mein
Verfahren noch einer besonderen Begründung. Diese finde ich darin,
dass die hinteren Schlundbogen vom Beginn des zweiten Monats ab
in die Tiefe rücken und keine äusserlich wahrnehmbare Spur hinterlassen. Der dem Hals angehörige M. sternocleidomastoideus reicht
im ausgebildeten Körper nicht allein bis nahe an das Ohr heran,
er überdeckt sogar den aus dem Schädel austretenden, dem zweiten
Bogengebiete angehörigen N. facialis. Die dem dritten Schlundbogen entstammenden Theile, der M. stylopharyngeus, der N. glossopharyngeus und die Carotis interna sind weit von der Oberfläche
abgerückt.
Insoweit also die hinteren Bogen überhaupt in die Tiefe gedrängt werden, wird man bei einer äusserlichen Regionenbestimmung
von ihnen absehen müssen. Dazu kommt aber noch hinzu, dass ein
Theil ihrer Producte direct dem Halse zufällt. Die Ueberlagerung,
welche die hinteren beiden Bogenwülste erfahren, geschieht nicht
ausschliesslich durch den davor liegenden zweiten Bogen, sondern
zum Theil auch von hinten bez. vom Hals her, dessen Vorderrand
den Sinus praecervicalis mit abschliessen hilft. Wie dies u. A. Fig. 68
S. 105 bestätigt, so wird danach der Kehlkopf verhältnissmässig
früh dem Halskeil einverleibt, und dasselbe gilt von den in seiner
Nähe liegenden Anlagen von Schilddrüse und Thymus. Bei Embryo
Seh findet man die letztgenannten Theile schon eine ganze Strecke
weit hinter dem vorderen Halsrande liegend. Von Nerven streift der
Stamm des N. hypoglossus auf sehr kurze Strecke das Halsgebiet
und zwar an der Stelle, wo er den Ramus descendens abgiebt. In
TJebereinstimmung damit hat Rehn in seinem Fall von Halsfistel
den Kanal zwischen dem M. digastricus und dem N. hypoglossus
hindurch verfolgen können.
Bei der Entscheidung über die Definition dessen, was man
Die Bildungsgeschichte des Halses. 127
beim Embryo zum Hals rechnen soll, habe ich mich bis dahin
durch die Kücksicht auf die spätere Entwickelung leiten lassen.
"Wesentlich abweichend muss sich die Darstellung gestalten, wenn
man darauf ausgehen will, die Theile zusammenzufassen, welche
gleichen metameren Zonen angehören. Eine derartige, ihr selbständiges Interesse darbietende Darstellung muss z. B. den M. sternocleidomastoideus noch unter die Kopfmuskeln rechnen, da sich
derselbe aus einem Substanzstreifen entwickelt, welcher sich ursprünglich dicht vor dem Unterkiefer und vor dem zweiten Schlundbogen befunden hatte (s. oben S. 118). Ja es wird bei Verfolgung
dieses Gesichtspunktes zugleich mit dem Herzen auch ein Theil der
Brustwand dem Kopfgebiet zuzuweisen sein, während ein anderer
Theil davon der Halszone zufällt.
Ohne diese Verhältnisse hier erschöpfend behandeln zu wollen,
verweise ich auf Figur 74 Seite 119, bei welcher man vom Kopf
und vom Kumpf aus unschwer die ventrale Verlängerung der metameren Abtheilungen ergänzen kann. Dabei ergiebt sich, dass ein
Theil der späteren Seitenwand des Halses ursprünglich Bestandtheil der Kopfwand gewesen sein muss, und dass letztere noch
ein gutes Stück mit in das Gebiet der späteren Brustwand übergreift. Bei der Bildung des Halses steigt zunächst der Nacken
hinter der Seitenwand empor und zum Schluss hat sich dann die
letztere aufzurichten. Die metameren Zonen werden daher mit
fortschreitender Entwickelung eine zunehmende Schrägstellung erfahren, welche in der Verlaufsweise der Nerven und vor allem in
der Faserrichtung der seitlichen Halsmusculatur ihren bleibenden
Ausdruck findet. Dazu gesellen sich aber weitere Verwickelungen
der Verhältnisse, die dadurch bedingt sind, dass bestimmte, zuerst an der Oberfläche gelegene Bezirke in die Tiefe gedrängt
werden. Dahin gehören zunächst die bereits erörterten Bezirke
der beiden hinteren Schlundbogen. Allein dasselbe gilt auch von
einem Abschnitt der ursprünglich vorderen Kopfwand, denn, wie wir
in einem der vorigen Capitel sahen, so wird ein Theil derselben
zur Bildung der Zunge und des Mundhöhlenbodens verwendet. Bei
früheren Anlässen wurde von mir die Ansicht vertreten '), dass die
1) Heft IL S. 64 und 65.
128 Die BildungsgeschicWe des Halses.
jenige Längszone des Hinterkopfes, die ich als EATHKE'sclien Streifen
bezeiclinet habe, von diesem an die Brust abgegeben werde. Dies
ist indessen nach dem, was oben über die Zungenbildung mitgetheilt
worden ist, nicht vollständig der Fall, denn indem ein, allerdings
kleiner Theil der Parietalhöhle in den Sublingualbezirk mit aufgenommen wird, tritt auch die umgreifende Muskelschicht in diesen
ein. Auch geht jederseits die Falte, durch welche die Inframaxillargegend von der vorderen Halsgegend getrennt wird, aus dem
RATHKE'schen Streifen hervor, dieser betheiligt sich somit an der
Bekleidung der Inframaxillargegend sowohl , als an derjenigen der
vorderen Halsgegend.
Das Herz/)
Die Grrundform des embryonalen Herzens.
Die jüngsten Stufen der Herzbildung kennen wir bei mensclilichen Embryonen nur aus der äusseren Besichtigung und icb verweise in deren Betreff auf die Darstellungen, welche die Präparate
von Allen Thomson, sowie meine Embryonen SR und E in den
früheren beiden Heften gefunden haben.-) Danach scheinen bei
Embryo E die beiden Herzhälften noch völlig getrennt gewesen zu
sein, bei den Embryonen SR und A. Th. waren sie wohl in ihrem
Ventrikelabschnitt vereinigt, die Organanlage aber noch symetrisch.
Bei der nächstfolgenden Stufe (LI, Lg, Schi) ist das Herz
bereits ein stark gekrümmter Schlauch, der nur noch mittelst des
Aortenbulbus und des Vorhofes am Vorderdarm anhaftet, während
das Gekröse des Ventrikeltheiles bereits geschwunden ist. Der
Charakter des gekrümmten Schlauches erhält sich noch durch eine
Reihe späterer Stufen hindurch, bis dann durch schärfere Differenzirung der einzelnen Abschnitte, durch innigere Aneinanderlagerung
und theilweise durch Verwachsung derselben das Herz seine mehr abgeschlossene Gestalt annimmt. In seinen frühen Jugendformen fällt
das Herz nicht allein durch seine hohe Lagerung, sondern auch
durch die relativ enorme Mächtigkeit seiner Entwickelung auf, insbesondere stellt es sich in der Erontalansicht eine Zeit lang als ein
unförmlich hervortretender Querwulst dar.
1) Zur Erläuterung der stellenweise etwas verwickelten Geschichte des
Herzens habe ich eine Anzahl von Modellen angefertigt, die ich im verflossenen Jahre der anatomischen Section des internationalen Congresses in Kopenhagen vorgelegt habe. Copien derselben wird Herr Dr. E. Ziegler in Freiburg i/B. in den Handel bringen.
2) Heft I. S. 140—146, 152—154 und Heft H. S. 32.
His , Menschl. Emliryoiien. III. 9
130
Das Herz.
Ich verfolge zunächst die allgemeine Gestaltung der
Schleife und deren Umlagerung. Am übersichtlichsten lassen
sich die Verhältnisse verfolgen, wenn man sich zunächst auf die
Betrachtung des Endothelialschlauches beschränkt. Bei dessen ge
Muskellierz des Embryo Lg von
Tome gesehen. Vergr. 4ö.
Ho.
Fig. 79.
Endothelialschlauch desselben Herzens
von vorne. Vergr. 40. Das Muskelrohr
ist nur an den beiden Enden dargestellt.
Mb Mundbucht, Ä. b Aortenbulbus, Fr Fretum,
C. a Canal. auric, Vh Vorlof, V. m VentrikelMittelstück, Mo flerzohr,
D. Diaphragma, S. r Sinus reuniens , V. c Vena
A.b.
D. Ho. Hg.
Fig. 80.
Muskellierz des Embryo Lg von hinten
her gesehen. Vergr. 40.
Cava super. , F. u Vena
umbilicalis, V. o. m Vena
omphalo-mesent., Lb solide Leberanlage, Lbrj'L^
bergang, Hfj Herzgekröse, F. l link. Schenkel
des Ventrikels.
ringem Caliber werden die Ueberlagerungen einzelner Schlauchabschnitte den Ueberblick minder stören, als beim voluminöseren
Muskelschlauch. Bei den Embryonen Lg bis BB steigt der venöse
Schenkel des Herzens mit seinem am Vorderdarm befestigten
Vorhofstheil steil in die Höhe und biegt sich dann nach vorn und
links. Der aus ihm hervorgehende Ventrikeltheil des Schlauches
Die Grundform des embryonalen Herzens.
131
Ca.
verläuft quer von links nach rechts, zugleich etwas sich senkend.
Dann hiegt er sich mit seinem rechten Ende wieder nach rückwärts
und geht schliesslich ansteigend in den Bulbustheil über. Dieser
hegt zum grössten Theil in der
rechten Körperhälfte und erreicht erst mit seinem Insertionsende wieder die Mittellinie.
In der Frontalansicht gesehen,
bildet sonach die Axe des Herzens ein schräg liegendes, mit
seinen beiden Endpunkten der
Mittellinie angesetztes S, im
Profil dagegen eine ringförmige
Schleife mit gekreuzt übereinandergreifenden Schenkeln,
einem linken venösen und einen
rechten arteriellen ') (man vgl.
auch Taf. IX Fig. 6-12).
Auf der Stufe von Embryo
Lr hat sich die Stellung der
Ventrikelschleife verändert,
dieselbe bildet jetzt einen
gleichmässig gewölbten Bogen
mit einem absteigenden venösen Schenkel, einem langen
queren Mittelstück und einem
wiederum aufsteigenden arteriellen Schenkel. Der an den
letzteren sich anschliessende
Bulbustheil überschreitet,
schräg ansteigend, die Mittel
V. h. V. 0. m, V, u. T. c.
Fig. Sl.
Endothellierz des Embryo Lg im Profil.
Vergr. 40.
V. cd
V. u. V. 0. m.
Fig. 82.
Endothelherz von Lr im Profil gesehen. Yergr. 40
(man vergl. auch Taf. IX Fig. 15).
V. j Vena jugularis , V. cd Vena cardinalis.
1) Die auf Taf. VII seiner Zeit mitgetheilten Herzconstructionen vom Embryo M stimmen mit obiger Darstellung nicht überein. Es standen mir zu jenen
nur zwei ziemlich dicke Schnitte (6 u. 8 Taf. VI) zu Gebot, zu den neueren
Constructionen von Lg u. BB dagegen eine grössere Zahl von feineren Schnitten.
Letztere Constructionen sind sonach unbedingt als die correcteren anzusehen.
Aus der Profil- und der Vorderansicht von M lässt sich übrigens die Herzform
von BB mit geringen Abänderungen in der Verbindung der Theile herstellen.
9*
132
Das Herz.
linie, kehrt aber mit seinem Insertionsende wieder in diese zurück und
besitzt daher eine nach links gekehrte Knickung. Der Vorhofstheil des
Herzens ist etwas nach rechts gerückt. Im Ganzen bildet jetzt, von
vorn her gesehen, das Herz eine ringförmige Schleife mit erheblich überwiegendem Querdurchmesser, während die Profilansicht zu
einer S-förmigen geworden ist. Aus der früheren Form lässt sich
die gegenwärtige dadurch ableiten, dass man sich das Querstück
von jener nach abwärts umgelegt denkt, wobei der arterielle Ventrikelschenkel von der Eückseite des Mittelstückes an dessen oberes Ende
gelangt, während zugleich der Vorhofsschenkel des Herzens nach
rechts hin verschoben wird. Am Endothelherzen markirt sich die
Grenze zwischen Vorhof und Ventrikel durch die verengte Strecke
Flg. 83 und 84.
Muskelherz von Lr in der Ansiclit von vorn und von hinten. Vergr. 40.
des Canalis auricularis. Dieser steigt bei Lg (Fig. 81) noch steil in
die Höhe, während er bei Lr (Fig. 82) von hinten nach vorn verläuft.
Auf der eben beschriebenen Stufe bildet der Ventrikeltheil des
Herzens ein Hufeisen, dessen beide nach oben gekehrte Enden noch
weit auseinanderstehen und das eine in der linken, das andere in
der rechten Körperhälfte sich befinden (Fig. 83 u. Fig. 84). Der eine
von den Endschenkeln ist der spätere Conus arteriosus, den anderen können wir mit entsprechendem Namen als Conus venosus
bezeichnen. Dieses Hufeisen krümmt sich in der nächstfolgenden
Zeit mehr zusammen, sein arterieller Schenkel biegt sich nach vorn
und zugleich stark medianwärts, und er setzt sich nunmehr durch
eine tief einschneidende Furche vom Mittelstück ab. Auch das
venöse Ventrikelende nähert sich mit seinem oberen Ende der Mittel
Die Grundform des embryonalen Herzens.
13^
linie und so geschieht es, dass sich in der letzteren die beiden Uebergangsstücke des Herzschlauches kreuzen. Das untere Bulbusende
kommt vor den sogenannten Ohrkanal, d. h. vor das Verbindungsstück
des Vorhofs mit dem Ventrikel zu liegen. Jenseits von der Durchkreuzung richtet sich der Bulbustheil wieder auf und steigt vor
r. Ho.
C. s. C. a. F. l.
Fig. 85 und 86.
Muskel- Tincl Endctliellierz Tom Embryo El. Vergr. 40. C. 5 Conus arteriosns.
\ S-. V.
Fig. 87 und 88.
Muskel- und Endotlielherz vom Embryo E. Vergr. 40. S. v Sinus vestibuli.
dem gleichfalls sich aufrichtenden Mittelstück des Herzvorhofes steil
in die Höhe.
In der beschriebenen Weise finden sich die Verhältnisse bei
1) Man vergleiche auch Text und Figur von Heft I. S. 73,
134 Das Herz.
Embryo Bl. Es deckt hier der medianwärts umgelegte rechte Yentrikelschenkel oder Conus arteriosus, in Verbindung mit dem Anfangsstück des Bulbus, das Mittelstück mehr als zur Hälfte zu (Fig.
85 und 86). Um die Eorm von Bl in die von Lr zurückzuführen,
müsste der quer vorgelagerte Bogen wieder nach oben und rechts
hin umgeschlagen werden.
Aehnlich, wie bei Embryo Bl, liegen die Dinge im Allgemeinen
bei Embryo K. Indessen ist hier die Ueberlagerung des mittleren
Ventrikelstückes durch den Conus arteriosus keine so weitgehende.
Die Grenzfurche zwischen beiden, die bei Bl vorwiegend horizontal
verläuft, steht bei E fast senkrecht und das Mittelstück zeigt nunmehr auch an seinem unteren Bande einen wohlausgesprochenen
Einschnitt. Bl steht in seiner Entwickelung zwischen Lr (Fig. 83)
und R (Fig. 87). Mit ersterem stimmt die convexe Bogenlinie der
unteren Ventrikelgrenze, mit E die Vorlagerung des Conus arteriosus.
Der weitere Fortschritt von E gegenüber von Bl liegt darin, dass
die rechte Ventrikelhälfte sich gesenkt und von der linken abgeknickt
hat. Als Folge hiervon hat sich am unteren Ventrikelrand eine einspringende Furche gebildet, und der Conus arteriosus hat eine steilere
Stellung angenommen, die in der Folge noch zunimmt.
Mit dieser letzten Umstellung sind die verschiedenen Herzabschnitte in ihre definitive gegenseitige Lagebeziehungen eingerückt.
Der Ventrikeltheil des Herzens liegt jetzt am tiefsten und er zerfällt, von vornher gesehen, durch einen scharfen Einschnitt, den
Sulcus interventricularis, in eine rechte und eine linke Abtheilung. Die rechte Abtheilung liegt weiter nach vorn als die linke;
sie schliesst sich nach oben und medianwärts mittelst des vorspringenden Conus arteriosus an den Bulbustheil an.
Auch an der Eückseite sind rechte und linke Ventrikelhälfte
durch einen Sulcus interventricularis von einander geschieden. Es
ist die hintere Furche dadurch entstanden, dass der venöse Schenkel
des Ventrikeltheiles, der Conus venosus, wie wir ihn oben nannten,
sich medianwärts gegen das Mittelstück eingebogen hat. Die hintere
Furche ist minder tief als die vordere, und beide begegnen sich am
unteren Herzrand. Jede der beiden Ventrikelhälften umfasst, ausser
dem betreffenden Conus, einen Theil des ursprünglichen Mittelstückes,
und zwar kommt der betreffende Antheil auf der rechten Seite unter
Trennung der einzelnen Abtheilungen. 135
und hinter den Conus arteriosus, auf der linlien dagegen unter und
vor den Conus venosus zu liegen. Indem die vordere Furche links
vom Conus arteriosus, die hintere rechts vom Conus venosus ausläuft, fällt das Ostium arteriosum der rechten, das Ostium venosum
der linken Ventrikelhälfte zu, und es wird später zu untersuchen sein,
wie sich die Verschränkung der definitiven Verbindungen herstellt.
Trennung der einzelnen Albtheilungen.
Wie wir aus der primitiven Geschichte des Herzens wissen, so
unterscheiden sich die drei Hauptabtheilungen des Herzens : Bulbus,
Ventrikel und Vorhof, von Anfang ab dadurch von einander, dass
deren ursprünglich getrennte Seitenhälften vor ihrer Vereinigung in
verschiedenen Beziehungen zum Vorderdarm stehen und dass sie
auch nicht gleichzeitig zum geschlossenen Kohr zusammenwachsen. ^)
1) Icli verweise in der Hinsicht auf meine früheren Darstellungen in der
Monogr. d, Hühnchenentwickelung. S. 84 u. 110, sowie auf die Briefe über die
Körperform. S. 68. Bei dem Anlass möchte ich denn doch betonen, dass es
ungerechtfertigt ist, wenn in neueren Arbeiten consequent Gasser als Hauptentdecker der bilateralen Herzanlage citirt wird. Gasser's 1876 erschienene
Mittheilung hat nichts gebracht, was nicht schon 9 bez. 8 Jahre früher durch
Hensen beim Kaninchen, durch mich beim Hühnchen festgestellt gewesen
wäre. Hensen gehört die Priorität der Entdeckung und er hat in Frankfurt
in der Naturf. -Versammlung vom Jahre 1867 darüber berichtet (Sitzungsbericht vom 23. September). Ich selbst war zu jener Zeit selbständig zu gleichen
Ergebnissen gelangt und in meiner 186S erschienenen Monographie habe ich
zuerst eine ausführliche, durch Abbildungen und durch gleichzeitig herausgegebene Modelle erläuterte Darstellung des Bildungsherganges gegeben. Vor
uns Beiden hatte Dareste für das Hühnchen eine Entwickelung des Herzens
aus zwei getrennten Blastemen behauptet (Comptes rendus T. 63, Sitzung vom
31. Dec. 1866), aber da er die Blasteme in den vorderen Theil des Fruchthofes
neben die hier vorhandene gefässlose Stelle verlegt hat, so muss seiner Behauptung ein Irrthum zu Grunde gelegen haben. Gasser theilt in seinem
Aufsatz in Schültze's Archiv (Bd. 14. S. 460) einige historische Bemerkungen
mit, dieselben sind indessen sehr oberflächlich gehalten und zum Theil irrthümlich. Oberflächlich muss ich den Vorwurf nennen, dass meine sämmtlichen
Zeichnungen (S. 70 der Körperform) des Endothelschlauches entbehren, denn
einmal gilt dies nur von einem Theil derselben und für diese sagt eine erklärende Bemerkung ausdrücklich, dass der Schlauch wegen Kleinheit der
Figuren nicht eingezeichnet worden sei. Irrthümlich und in directem Widerspruch mit meinen Angaben ist die Behauptung, ich lasse den Ventrikel aus
136 Das Herz.
Der zuerst sich schliessende Ventrikeltlieil verliert frühzeitig seine
Gekrösverbindung, und als freie Schleife verlässt er die Stätte seiner
ersten Entstehung. Bulbus und Vorhofstheil bleiben dagegen am
Yorderdarm angeheftet, obwohl nicht ihrer ganzen Länge nach. Der
Bulbustheil wird mit seinem unteren, an den Ventrikel anstossenden Ende frei und beschreibt von da ab selbständige Krümmungen.
Die dorsale Verbindung des Vorhofes erhält sich in noch grösserer
Ausdehnung, und wir werden nachher auf deren Einzelnheiten ausführlich zurückkommen müssen.
Auf den jüngeren Entwickelungsstufen sind die Caliberunterschiede der einzelnen Herzabtheilungen noch nicht so bedeutend,
wie später. Am weitesten ist ursprünglich die linke Ventrikelhälfte,
später gewinnt dann vor allem der Vorhof das Caliberübergewicht.
Nach der arteriellen Hälfte hin verjüngt sich der Ventrikeltheil allmählich und die Verjüngung schreitet über den Bulbus fort, so dass
dessen Insertionsstück den engsten Abschnitt des Herzschlauches darstellt (man vgl. Fig. 78 u. Fig. 83 S. 130 u. 132).
Für die äussere Gestaltung des Herzens sind nun weiterhin
zwei Bildungen von eingreifender Bedeutung, die Herz obren und
der Ohrkanal. Die Herzohren treten als zwei seitliche Aussackungen am Vorhof da auf, wo derselbe von der Vorderdarmwand sich abzubiegen beginnt. So sind sie schon beim Herzen von
Lg (Fig. 79) und bei dem von Lr (Fig. 84) sichtbar. Anfangs erscheinen
sie als ziemlich gleichmässig gewölbte rundliche Vertreibungen, dann
aber ändert sich ihre Gestalt, sie weiten sich zu umfänglichen Bildungen aus, welche den gesammten oberen Theil der Parietalhöhle
einer ungetrennten Anlage hervorgehen. Noch gröbere Unrichtigkeiten enthält allerdings die historische Darstellung von Foster - Balfoür (Deutsche
Ausgabe S. 62), auf welche Gasser Bezug nimmt.
1) Die Bezeichnung Herzohr (Auricula cordis) ist schon von älteren
Anatomen verschieden weit gefasst worden, indem die Einen darunter den gesammten Vorhof, die Anderen nur dessen zipfelförmige vordere Anhänge
verstanden haben (vergl. Haller, Element. Physiol. I. 304). Die Franzosen
nennen noch jetzt den ganzen Vorhof Oreillette und unterscheiden davon die
Anhänge als Auricules, während die Engländer jenen als Auricle, diese als
auricular appendages bezeichnen. Von den neueren deutschen Anatomen wird
wohl allgemein der Ausdruck Herzohr im engeren Sinne gebraucht und vom
Herzohr jederseits der Vorhofssinus unterschieden. Auch die Embryologen
trennen am Vorhof die Herzohren vom Sinus, aber der Sinus und die Herz
Trennung der einzelnen Abtheilungen. .137
ausfüllen. Es ist aus ihrem Verhalten zu erschliessen, dass, nachdem die Herzohren anfangs als Knickungsohren an dem noch unvollkommen geschlossenen Schlauch entstanden sind, sie weiterhin
über ihre Elasticitätsgrenze hinaus ausgeweitet und nun als ausdehnbare Säcke nur noch vom Druck der umschlossenen Flüssigkeit
geformt werden, so dass sie nunmehr allenthalben hindringen, wo
ihnen Eaum geboten ist. ')
Die Ausweitung der Herzohren erfolgt sehr rasch. Bei Embryo
Lg und noch bei Lr sind dieselben unbedeutende Nebentaschen des
Vorhofes, bei den Embryonen a, Bl u. R dagegen haben sie bereits
jene charakteristische Eorm und Ausdehnung angenommen, die sie
auch für die Folge bewahren. Es besteht jetzt der Vorhof aus einem
engeren Mittelstück, dem Vorhofssinus, und aus den dasselbe
flügelartig überragenden Herzohren. Ersterer ist dui'ch das Gekröse
an der Rückwand der Höhle befestigt und in ihn mündet das zufliessende Venenblut ein, Seiae engste Stelle können wir passenderweise als Isthmus vestibuli bezeichnen. Die Herzohren entwickeln
sich frei nach oben, nach vorn und nach unten. Ihre oberen Taschen,
durch einen Einschnitt von einander getrennt, legen sich der Wand
des Vorderdarmes an, die vorderen Ränder umgreifen als Appendices auriculares (oder Herzohren im engeren Sinne) zugeschärft
die Seitenflächen des Aortenbulbus, die unteren Verlängerungen schieben sich neben dem Ohrkanal herab und überdecken noch theilweise
die Ventrikeloberfiäche. An den vortretenden Rändern der Herzohren
entstehen weiterhin auch einzelne Kerben, wodurch die Umgrenzung
eine etwas unregelmässige wird.
obren der Embryologen decken sich nicht mit den gleichnamigen Gebilden
der descriptiven Anatomen, denn jene verstehen unter Herzohren die gesammten seitlichen Aussackungen des Vorhofstheiles (man vergl. z. B. v. Baek's
Entwickelungsgesch. II. 138), und nicht nur dessen vordere, die Aorta umfassende Anhänge. Zur Vermeidung des Uebelstandes könnte man auch für
das embryonale Herz die Bezeichnung einschränken und die Aussackung mit
besonderem Namen, etwa als Bursa auricularis oder als Ala vestibuli bezeichnen. Vielleicht genügt es indessen, wenn man bei der v. BAER'schen
weiteren Fassung bleibt und die vorderen Abschnitte als Appendices auriculares besonders unterscheidet. In dem Sinne sind oben die Ausdrücke gebraucht.
\) Heft I. S. 75 und Körperform S. 96.
138 Das Herz.
Der Olirkanal i) ist gleich den Heizoliren frühzeitig angelegt,
erreicht aber nicht sofort seine volle Ausbildung. Schon bei den
jüngeren Embryonen Lg und BB ist er erkennbar als eine zwischen
dem befestigten Yorhofstheil und dem durch seine Weite ausgezeichneten Yentrikelanfang liegende verjüngte Strecke. Bei diesen
jüngeren Embryonen, vor Eintritt der Nackenbeuge, ist die Eichtung
des Ohrkanales, vom Vorhof ausgehend, eine ansteigende (Fig. 80
S. 130), dann aber, wenn der Kopf sich vornübergebeugt hat, wird
sie aus einer ansteigenden eine steil absteigende und zugleich etwas
nach links gerichtete (Fig. 88). Der Ohrkanal tritt nunmehr als
cylindrisches Eohr aus dem unteren Ende des Vorhofssinus, er wird
von den Herzohren beiderseits Aveit überragt und theilweise noch
begleitet. Auch gegen den Ventrikel hin grenzt sich der Ohrkanal
ziemlich scharf ab, um so mehr, da seine Muskel wand im Gegensatz zu derjenigen des Ventrikels compact und dünn ist. Er ist
von einer gewissen Länge und bildet, dank seinen verschiedenen
Eigenthümlichkeiten, einen sehr wohl charakterisirten Abschnitt des
embryonalen Herzens. Soll der Ohrkanal einer von den beiden angrenzenden Herzabtheilungen untergeordnet werden, so theilt man
ihn nach seiner späteren Entwickelung besser dem Ventrikel als dem
Vorhof zu. Noch zweckmässiger ist es, bei Beschreibung jugendlicher Stufen denselben als selbständigen Theil zu behandeln und
den Ventrikel erst an dessen unterem Ende anfangen zu lassen.
Die Ventrikelanlage ist, wie wir oben sahen, ein gebogener
Schlauch, dessen Caliber vom venösen nach dem arteriellen Ende
hin abnimmt. Zur Zeit, da die Nackenbeuge beim Embryo auftritt,
verläuft der untere Band des Bogens durchweg convex und die
Gestalt des Theiles erinnert auffällig an diejenige des Magens. -)
Schon die Herzdarstellung (Fig. 83 S. 132) vom Embryo Lr giebt
diesen Eindruck, noch mehr die Figuren 85 u. 86, welche das Herz
vom Embryo Bl wiedergeben. Hier kann man mit vollem Eecht
1) Die Bezeicliiiung Olirkanal (Canalis auricularis) stammt von Haller
(Sur la formation du Coeur. 11. 74), der diesen Theil zuerst genau unterscMeden und in seiner Geschichte verfolgt hat.
2) "Wie ich nachträglich finde, so hat schon Räthke die Form des embryonalen Ventrikels mit der eines Magens verglichen (Entwickelung der Katter.
S. 99. Man vergleiche auch dessen Taf. IV Fig. 19 u. 20).
Trennung der einzelnen Abtheilungen.
139
von einer Curvatura minor und major und von einem Fundus ventriculi spreclien. Letzterer erstreckt sich von der Einmündungsstelle
des Ohrkanales aus
nach links und bildet den geräumigsten
Theil der Ventrikelhöhle.
Solange der Ventrikel die magen ähnliche Gestalt besitzt,
sind zwar seine beiden Hälften an Form
und Weite unterschieden, eine eigentliche Trennung derselben ist aber kaum
eingeleitet. Erst
nachdem die oben
besprochene IJmlagerung von Conus
arteriosus und venosus und die Abwärtsknickung des rechten
Ventrikelendes erfolgt ist, tritt nicht
allein äusserlich, sondern auch innerlich
eine bestimmte
Scheidung der beiden Hälften zu Tage.
Entsprechend den
äusseren Furchen schiebt sich die faltenartig nach innen vorgetriebene Wand als Leiste gegen die Lichtung vor und constituirt so das
Septum ventriculorum (oder Septum inferius). Bei Embryo R hat sich diese Entwickelung soeben vollzogen ; um Weniges
weiter vorgeschritten finden wir sie bei den Embryonen A und B i)
Fig. 89 und 90.
Herzhöhle vom Embryo A in der Ansicht von hinten und von vorn.
Vergr. 36. /S.s, S. i Septum super, u infer., P. s Septam spurium,
V. c. d u. F. c. s Vena cava super, dextra und sinistra , AI Atrio
ventricularlippen, 8 Spina vestibuli, F. E Valv. Eustachi.
1) Heft I. S. 73.
140 Das Herz.
und auf der Höhe angelangt bei Pr. Mit dem Auftreten des Septum
inferius verkürzt sich (relativ) die Queraxe der Ventrikelanlage und
die beiden Ostien, welche anfangs durch einen breiten Zwischenraum getrennt gewesen waren (Fig. 86), rücken auch innerlich mehr
zusammen. Zum grossen Theil kommt dies wohl auf Eechnung der
zunehmenden Ausweitung des Yentrikelraumes, zum Theil mag indessen wohl auch die Einfaltung der Wand geradezu ihren Ort
wechseln.
Soweit das Septum inferius von unten her in den Yentrikelraum einschneidet, bildet es eine breite Sichel mit oberem gerundeten Ausschnitt. Indem es vorn an der linken Seite des Conus
arteriosus, hinten an der rechten Seite des Conus venosus anhaftet,
ist es windschief gekrümmt und seine Ränder laufen verschränkt.
Folgt man den sich zuschärfenden oberen Rändern, so gelangt man
sowohl von vorn, als von hinten her zu einer einspringenden Falte
an der Grenze vom Ohrkanal und Conus arteriosus. In Verbindung
mit dem Septum inferius bildet diese ein ringförmiges, zwischen die
beiden Ventrikelhälften eingeschobenes Diaphragma. Die obere Hälfte
dieses Diaphragma reicht hinten weiter nach rechts, vorn weiter
nach links als die untere; auf eine Horizontalebene projicirt würde
der Rand der Oeffnung eine Achtertour beschreiben, deren hinterer
Ring nach rechts, deren vorderer nach links ausbiegt.
Der Conus arteriosus entsteht, wie wir oben sahen, aus
dem vornübergebogenen arteriellen Ende der Ventrikelschleife. Bei
Embryo Bl noch beinahe horizontal verlaufend, zeigt er schon bei R
schräg ansteigende Richtung und seine Stellung wird in der Folge
immer steiler. Seine anfangs so scharfe Trennung vom übrigen
Ventrikel wird durch Ausfüllung der trennenden Furche äusserlich
mehr und mehr verwischt.
Bulbus, Fretum und Truncus arteriosus. Der Bulbustheil
des Herzens setzt sich vom Conus arteriosus durch einen nur seichten
Einschnitt ab, und wir unterscheiden an ihm zwei gesonderte Abtheilungen: das Fretum und den Truncus arteriosus. Als Fretum
(Fretum Halleei) ist die Stelle des Rohres zu bezeichnen, an welchem die vom Ventrikel ausgehende Blutbahn erheblich eingeengt ist,
d. h. die Stelle, an der sich später die Semilunarklappen bilden, i)
i) Häller in seiner klassischen Darstellung von der Herzentwickelung
Das Endothelrolir des Herzens. 141
Es liegt bei Fig. 81 und 82 das Fretum noch in der unmittelbaren
Verlängerung des Conus arteriosus, bei Fig. 86 u. 88 biegt sich sein
linkes Ende steil empor und geht nun in den eigentlichen Truncus
über. Bei Bl ist der AVinkel noch nahezu ein rechter, bei E ist
er zu einem stumpfen geworden. Der Truncus steigt vor dem
oberen Theil des Ohrkanales und vor dem Vorhofssinus in die Höhe
(Fig. 85—87) und heftet sich vor der Kehlkopfanlage an die Wand
des Vorderdarmes an.
Das Endothelrohr des Herzens.
Bei den jüngeren Embryonen Lg bis Lr bildet das endotheliale
Rohr einen vom Muskelherzen durch einen breiten Zwischenraum
geschiedenen inneren Schlauch. Zahlreiche Fäden erstrecken sich
von der Aussenfläche des Endothelrohres zur Innenfläche des Muskelrohres und da, wo stärkere Fäden vom Innenrohr abgehen, ist dessen
Querschnitt in Zacken ausgezogen, von denen es unentschieden
bleiben mag, ob sie vorgebildet waren oder ob sie durch die Präparation erzeugt worden sind (Taf. XI Lr 15a — 19c und Taf. XII
Lg 56—102). Im Allgemeinen liegt das innere Rohr inmitten des
unterscheidet am Aortentheü des Herzens : le detroit, le bulbe et le bec. Spätere
Embryologen haben bei Erörterung des HALLER'schen Fretum oder Detroit
das Hauptgewicht auf das Vorhandensein einer äusseren Einschnürung gelegt.
Eine solche ist zwar vorhanden, aber nur unbedeutend (vergl. v. Bäer, Entwickelungsgeschichte. I. 56). Kölliker (Entwickelungsgeschichte. 2. Aufl. 903)
hat sich deshalb geradezu verleiten lassen, den Namen Fretum als überflüssig
zu verwerfen. Er übersieht dabei, dass Haller, der am lebenden Herzen
beobachtet hat, bei seiner Unterscheidung an den Blutstrom anknüpft. „L'onde
de sang qui parcourt le detroit est plus effilee" sagt Haller an einer Stelle
und an einer anderen Stelle: „le sang sort du ventricule par un orifice plus
etroit que le bulbe de l'aorte" (1. c. I. 116 und II. 84). Diesen Verhältnissen
am schlagenden Herzen entspricht an Durchschnittsbildern die Enge des
Endothelrohres beim Uebergang aus dem Conus arteriosus in den Truncus.
Da das Fretum die Anlage des scharf bestimmten Gebietes der Semilunarklappen darstellt, und da es ferner von sehr früher Zeit ab charakteristisch
sich abhebt, so ist dessen Unterscheidung nichts weniger denn ungerechtfertigt. Uebrigens ist es auch begründbar, wenn Haller den Herz ab schnitt,
den ich oben Truncus genannt habe, in einen Bulbus und ein Rostrum unterabtheilt. Ersterer entspricht der nach links vorspringenden Ecke des Rohres,
letzterer dem am Vorderdarm sich inserirenden Endstück.
142 Das Herz.
äusseren, nur stellenweise rückt es der einen Wand näher als der
anderen; es verhält sich demnach in früher Zeit seiner Form nach
zum Gesammtherzen, als oh es ein stark geschrumpfter innerer Ausguss desselben wäre (man vergleiche unter Anderem die Figuren 78
und 79 oder 85 und 86).
An der weiteren Umgestaltung des primitiven Herzschlauches
nehmen die verschiedenen Strecken des Endothelrohres in ungleichem
Maasse Theil und die gegenseitige Beziehung zwischen den beiden
Bestandtheilen gestaltet sich für jeden der Herzabschnitte in eigenthümlicher Weise.') Construirt man demnach das Endothelherz, etwa
vom Embryo Bl oder von einer noch höheren Stufe, so treten an
den Figuren die einzelnen Abtheilungen in weit schärferer Weise hervor, als am Gesammtherzen.
Am einfachsten macht sich die Sache
am Vorhof, hier legt sich die Endothelschicht der Aussenwan dunmittelbar an
und bekleidet in gleichmässiger Weise
deren Innenfläche. Die Muskelwand des
^. „, Vorhofes aber erscheint als eine com
Fig. 91.
Endotlielrolir des Heizens von Bl im pacto, VCrhältnisSmäSSig dÜUUe Platte,
Profil gesehen. Vergr. 40.
rr Tiuncus Aorue, V. h Vena iiepat. völlig im Gcgeusatz ZU der stark auf
Uebnge Bezeichnungen wie S. 130. ° °
gelockerten Wandung der Ventrikel.
Im Ohrkanal ändert sich das Verhalten: während hier das
Muskelrohr einen regelmässig elliptischen Querschnitt hat, erscheint
der Endothelschlauch in sagittaler Richtung stark abgeplattet, stellenweise bis beinahe zur Berührung der beiden Wandschichten. Die
spaltförmige Lichtung weitet sich beiderseits aus und wird von zwei
breiten und zwei schmalen Polstern eingefasst, welche aus einer
sehr zarten zellenreichen Bindesubstanz bestehen und den Raum bis
zur Muskelwand erfüllen. Es sind dies die Endothelpolster von
F.Schmidt oder die Atrioventricularlippen von Lindes.-)
Anders gestaltet sich die Sache im Ventrikel. In dem Raum,
der zwischen Endothelrohr und Muskelwand ursprünglich frei geblieben war, sind hier von der Muskelwand aus zahlreiche kleine
1) Monogr. d. Hühnchenentwickelung. S. 141.
2) Man vergl. die Figuren 34-36 Taf. II und Fig. S4u. 85 Taf. V.
Die zum Herzen hinführenden Gefässstämme. 143
Balken vorgedruugeri, welche in der Nähe der mittleren Lichtung
sich verbreitern und kranzförmig untereinander verbinden. Sehr bald
sieht man diese kleinen Balken auch ihrerseits von dünnen Endothelscheiden umgeben. Wir haben nunmehr eine mittlere, völhg freie
Lichtung und ausserhalb dieser ein System von zusammenhängenden Spalten, welche sämmtlich vom Endothel ausgekleidet sind.
Das eben beschriebene Verhalten findet sich noch im Grunde
des Conus arteriosus (R 50 Taf. XII) ; weiter oben (R 53) wird die
Wand des letzteren dünn und compact und der gesammte Bulbustheil hat eine dünne compacte Muskelwand. Der Endothelschlauch
steht im Bulbustheil von der Muskelwand weit ab und der Zwischenraum füllt sich in der Folge mit einer weichen Bindesubstanz
aus. Soweit das Fretum reicht, ist der Endothelschlauch flach gedrückt und ähnlich wie im Ohrkanale von zwei gegen seine Lichtung
convex vorspringenden Kissen eingefasst, aus denen, wie wir durch
F. Schmidt wissen, in späterer Zeit die Semilunarklappen hervorgehen. An der Insertionsstelle des Aortentruncus biegt dessen Aussenwand unmittelbar in die des Vorderdarmes um und das Endothelrohr
setzt sich in die verschiedenen abgehenden Zweige fort. Die Aortenbogen, gleich den Aortae descendentes und den übrigen grösseren
Gefässstämmen, haben anfangs nur den Bau von Capillaren, d. h. sie
sind einfache Endothelröhren.
Die zum Herzen liinführenclen Gefässstämme, der Sinus
und Saccus reuniens und die Porta yestibuli.
Bei jüngeren Embryonen sammeln sich unter dem venösen Herzende die Dottervenen, die Nabelvenen, die Cardinal- und
die Jugularvenen. Jugular- und Cardinalvenen verbinden sich
jederseits zum Ductus Cuvieri oder zur oberen Hohlvene.
Dieselbe entsteht noch im Stammtheil des Rumpfes, geht dann in
der Seitenwand der Parietalhöhle nach vorn und trifft mit der von
unten heraufsteigenden Nabel vene zusammen (Taf. IX Fig. 7 u. 10),
Der gemeinsame Stamm tritt in das Septum transversum ein und
wendet sich in diesem medianwärts, um sich mit dem entsprechenden
Stamm der anderen Seite zu verbinden. Ehe dies geschieht, nimmt
er die vom Darm heraufsteigende Dottervene auf. Die beiden Sam
144
Das Herz.
melstämme bilden zusammen ein queres Venenrohr, welches über
der Leberanlage und unmittelbar unter dem Zwerchfell liegt, ich
bezeichne dasselbe als Sinus reuniens. Da, wo das Zwerchfell
in die Muskelwand des Herzens übergeht, tritt die Fortsetzung des
Sinus in den Vorhof ein (Taf. IX Fig. 12).
Das eben beschriebene Verhalten der Venen bietet mancherlei
auffällige Momente: so tritt die Vena cava superior unter dem
Zwerchfell durch zum Herzen, die
Vena umbilicalis ist bilateral angelegt und nimmt ihren Weg über
der Leber weg, und auch die Dottervenen zeigen Verhältnisse, aus
aus denen die der späteren V. portae nicht ohne Weiteres abzuleiten
sind. Wir werden bei einem späteren Anlass die Umbildung der
Unterleibsvenen zu verfolgen haben, und ich beschränke mich an
dieser Stelle auf Erörterung derjenigen Punkte, welche für die
Geschichte des Herzens bedeutsam sind, die Dislocation der
oberen Hohlvene und diejenige des Sinus reuniens.' Zuvor aber bedarf
es einer genauen Feststellung von der Anheftungsweise des Herzvorhofes.
Der Herzvorhof haftet mit seiner Kückwand an der AVand des
Vorderdarmes an und zwar, wie dies schon früher (S. 15) gezeigt
wurde, unmittelbar vor der Anlage der Lungen. Vor der Vorderwand
des Vorderdarmes weichen die beiden Muskelblätter unter einem
Winkel von ca. 180^ auseinander und gehen in die Muskelwand des
Vorhofes über (Taf. XI BB Fig. 7,5, Lr Fig. 18a). Bei den jüngsten
meiner Embryonen bleibt an der Wurzel des Herzgekröses zwischen
beiden Blättern noch eine Spalte übrig, in welche die epitheliale
Lungenanlage sich frei hineinschiebt; dies ändert sich aber bald,
indem der Zwischenraum von Bindesubstanz ausgefüllt wird.
Das vom Vorderdarm abgehende Vorhofsgekröse hängt nach abwärts mit der Zwerchfellverbindung des Herzens zusammen. Indem
Fig. 92.
Vereinigung der Venenstämme unterhalb des
Herzens bei Embryo Lg. Vergr. 40.
Die zum Herzen hinführenden Gefässstämme. 1J:5
das Herz dem Zwerchfell unmittelbar aufruht, nur durch eine einspringende Furche davon geschieden, kommt es zwischen beiden
nicht zur Bildung eines selbständigen Gekröses. Denken wir uns
das Herz von seiner Verbindung losgeschnitten, so wird die Durchschnittslinie, die Vorhofwurzel, wie wir sie nennen können, eine
schleifenförmige Figur bilden, bestehend aus einem schmalen verticalen Streifen, dem Gekröstheil der Vorhofwurzel und einem breiten
transversalen. Durch letzteren tritt der aus dem Sinus reuniens
kommende (ursprünglich doppelt angelegte) Endothelschlauch in das
Herz, und ich bezeichne ihn daher als Porta vestibuli. Beiden
Embryonen vor Eintritt der Nackenbeuge liegen die beiden Abschnitte der Vorhofwurzel nicht in derselben Flucht; der Gekröstheil steht vorwiegend vertical, die Porta mehr horizontal. Später
scheint sich der Gekröstheil zu verkürzen, seine beiden Schenkel
treten mehr auseinander und die dazwischenliegende Lücke schliesst
sich als mediane Verlängerung der Porta vestibuli an. Die Stellung
der letzteren wird in der Folge eine steilere, indem auch" das Zwerchfell nach eingetretener Kopfkrümmung eine stärkere Neigung annimmt.
Noch bei Embryo Lr liegt der Sinus reuniens unterhalb des
Zwerchfells und ist von diesem glatt überbrückt. Bei den Embryonen Bl und R dagegen hat er sich emporgehoben und den
Zwerchfellüberzug vor sich hergetrieben. Das emporgehobene Feld
wird durch eine von unten her einschneidende Furche umschnürt
und gestaltet sich zu einem zwischen Zwerchfell und Vorhof eingeschobenen Sack, dem Saccus reuniens. An der Rückseite und
am oberen Ende nimmt dieser die zufliessenden Venen auf, nach
vorn communicirt er durch die tief abgesetzte Porta hindurch mit
dem Vorhof.
Von den in den Sinus reuniens eintretenden Venenstämmen
haben durch die Bildung der Nackenkrümmung die beiden oberen
Hohlvenen eine weit steilere Richtung angenommen, sie treten jetzt
von oben herab zum Sinus hin und umgreifen dabei von der Seite
her die Eingänge in die Recessus pulmonales der Parietalhöhle.
Dabei heben sich die beiden Hohlvenen nicht allein aus der Zwerch
I) Man vergleiche die Durchschnitte der Tafeln XI und XII.
His, Mensckl. Embryonen. lU. 10
146
Das Herz.
Fig. 93.
Seitenansicht des Saccus reuniens vom Embryo Bl.
Vergr. 30. Ho reclites Herzohr, C. a Can. auricularis,
F. c Vena Cava super., V.h Vena liepatica , V.u Vena
umbilicalis, S.t Septum transversum, D Diaphragma,
Lb Leber.
fellüäche empor, sondern sie drängen gleichzeitig die Wandschicht
der Parietalhöhle vor sich her und erscheinen somit in den Eand
einer sichelförmigen Falte eingeschlossen. Der seitliche Ursprungstheil dieser Ealte bildet eine Art von Gekröse für die Venenstämme
und wird allmählich zu einer dünnen Haut, welche, dem Venenstamm folgend, wie eine Coulisse medianwärts sich vorschiebt und
den Zugang zu dem Recessus pulmonales mehr und mehr verengt. Es ist dies Venengekröse identisch mit der Membrana pleuro -pericard i a c a von Schmidt und es
wird schliesslich jederseits
zur Grenzhaut von Pleuraund von Pericardialhöhle.
Der Anschluss der beiden
oberen Hohlvenen an den Saccus reuniens geschieht ohne
scharfe Grenze. Letzterer
zieht sich demnach in zwei
gekrümmte Verlängerungen aus, die wir als dessen Cornua bezeichnen wollen. Es ist unschwer zu verstehen, wie das Emporheben des Saccus reuniens aus der Zwerchfellfiäche, die Bildung
seiner Hörner und die zunehmende Einwärtsschiehung der Hohlvenen
ihrem Mechanismus nach völlig zusammengehörige Vorgänge sind.
Indem die Venenstämme in ihrem relativen Längenwachsthum zurückbleiben, üben sie nach den Seiten und nach unten hin einen Zug
auf ihre Umgebung aus, dessen Folgen in den aufgezählten Dislocationen zu Tage treten.
Die Hebung der beiden Enden des Saccus reuniens ist eine
ungleiche, rechts erfolgt sie ausgiebiger als links. Demgemäss nimmt
der Saccus reuniens bald eine unsymmetrische Lage an, die ursprüngliche Mitte rückt schräg nach rechts herüber, das linke Hörn
ist weit länger und stärker gekrümmt als das rechte. Letzteres
verdeckt demnach auch weit früher die zugehörige Lungenanlage als
das linke (Fig. 94).
Bei der eben beschriebenen Schrägstellung des Saccus kommt
es zu einer Verzerrung seiner eigenen Anheftungslinie sowohl, als
Die zum Herzen hinführenden Gefässstämme.
147
Fig. 94.
Saccus reuniens von vorn.
Embryo Bl.
derjenigen der Porta vestibnli. Die Figuren 94 und 95 können davon eine Yorstellung geben: die Anheftungslinie des Saccus, zur
Zeit noch ausgedehnter als die Porta, bildet eine dreiarmige Figur,
deren rechter Schenkel weit heraufreicht, während der linke nahezu
horizontal verläuft; beide Schenkel nehmen an ihren Enden die
entsprechenden Hohlvenen auf, der obere Theil des Mittelstücks fällt
mit dem Gekröstheil der früheren Vorhofswurzel zusammen, und
zwar erscheinen dessen Blätter in der Mittellinie auseinandergerückt und bilden
ein Dreieck mit abwärts gekehrter Basis.
Die Porta vestibuli hat
durch den Anschluss des
ausgeweiteten Gekröstheiles
gleichfalls eine vorwiegend
dreieckige Gestalt angenommen (Fig. 94), und zwar weicht
die Basis des Dreiecks nach
der rechten Seite und nach
oben hin ab. Ihr oberes Ende
hat sich zu einem beinahe
selbständigen Flügel ausgezogen, innerhalb dessen die
obere Communicationsöffnung
liegt; eine zweite Oeffnung F'^« ^^^
Anlieftungslinie des Saccus reuniens am Diaphrag^ma.
befindet sich gleichfalls nach Embryo bl Vergr. so. T Trachea, Lg Lunge. V. c.su.d
° Vena cava sup. sinistra u. dextra, ,S. r Eröffneter Sinus
rechts von der Mittellinie im leiniens, &' Herzgekrose, Ort des Bindegewebsfeldes,
F. u Vena umDilicaus.
Mittelstück des Feldes. Das
Blut von der linken Cava muss demnach einen starken die Mittellinie überschreitenden Bogen beschreiben, ehe es den Zugang zur
Porta findet. Eine doppelte Ausmündung des Sinus reuniens in den
Yorhof habe ich bei Bl als unstreitig vorhanden gefunden. ') Immerhin wage ich zur Zeit noch nicht allzu grosses Gewicht auf dies
Verhalten zu legen, denn dasselbe ist nur ein vorübergehendes.
1) So wiedergegeben in den Figuren 93 und 94.
10*
148
Das Herz.
früher sowohl als später liegen die Verhältnisse anders und der
Sinus reuniens schliesst sich mit einfacher Verbindungsöffnung dem
Vorhof an. Mag nun die Oeffnung doppelt oder einfach sein, so
nimmt dieselbe nur einen Theil des Portaraumes ein, der übrige,
vorizugsweise nach oben und nach links sich ausdehnende Raum wird
von Bindesubstanz ausgefüllt.
Je mehr der Saccus reuniens aus der Zwerchfellfläche sich
emporhebt, um so mehr muss er sich zu einem Anhangsgebilde
des HerzYorhofes gestalten. Als solcher
verbindet er sich auch
mehr und mehr mit
dem Herzen. Für das
linke Hörn nebst dem
Mittelstück bleibt die
Verbindung eine mehr
äusserliche, dasselbe
persistirt als bestimmt
abgegrenztes Gebilde
in Gestalt des Sinus
coronarius. Das
rechte Hörn dagegen
senkt sich tief in den
Vorhof ein und seine
Wandung verwächst
mit der Wandung des
letzteren. Einsenkung
und Verwachsung des
Sinus reuniens gehen hier so weit, dass die Anatomie bis jetzt gar
kein Bedürfniss empfunden hat, denselben als getrennten Abschnitt
zu unterscheiden. Gleichwohl erhält sich seine Abgrenzung, sowohl
äusserlich als innerlich, zeitlebens. Aeusserlich zeichnet sie sich als
eine (in den Lehrbüchern wenig beachtete) Furche aus, welche als
Sulcus terminalis auf der rechten Seite von der Einmündungsstelle der Cava superior zu derjenigen der Cava inferior hin verläuft.
An der Innenseite liegt an entsprechender Stelle eine stark vorspringende Leiste, die Taenia terminalis, welche die Enden der
Fig. 96.
Herz vom Embrj'O Pr von liinten her. Vergr. 32.
Die Höhlung des Sinus reuniens ist punktirt angegeben.
Die Area int erposita, EusTACHi'sche Klappe und Spina vestibuli. 14^
Mm. pectinati aufnimmt und das durch die letzteren charakterisirte
Vorhofsgebiet in engerem Sinne vom glatten Gebiet des Sinus reuniens abtrennt. ')
Mit der Ablösung des Saccus reuniens vom Zwerchfell hängt,
wie ich kaum bezweifle, auch die Bildung des Centrum tendineum
zusammen. Indem ein Theil der primären Zwerchfellanlage zur Umkleidung des Saccus reuniens Verwendung findet, muss in der Muskelanlage eine Lücke entstehen ^ die sich durch Bindegewebe ausfüllt.
Es hat sogar den Anschein, als ob die Grundform des Centrum tendineum in dem Fig. 95 dargestellten Felde bereits angelegt sei. Denkt
man sich dort die Schenkel des Gekröstheiles zusammengeschoben,
so dass sie noch Kaum für die Hiatus bieten, so bleibt der ventralwärts ausgebogene Querstreifen übrig, dessen rechte Hälfte die Oeffnung der Cava inferior enthält.
Die Area iiiterposita, die Eiistaclii'sche Klappe und die
Spina yestibuli.
Die Innenfläche des Vorhofes zeigt auf der Stufe von Embryo Bl
folgende Verhältnisse (Fig. 97) : eine annähernd medianstehende Falte
des Septum superius at'riorum drängt sich zwischen den
oberen Theil der Vorhofshälften
ein. Von den letzteren nimmt die
rechte die aus dem Sinus reuniens
kommenden beiden Gefässröhren
auf. Ihre Ostien liegen innerhalb
eines Feldes, an dessen Bekleidung,
laut dem früher über die Porta
vestibuli Mitgetheilten, die Muskel"wand nicht participirt, und zwar befinden sie sich in dem nach rechts
emporgehobenen Flügel des Portafeldes. Das übrige Portagebiet ist
von Bindesubstanz eingenommen. Wir treffen also in der hinteren
Vorhofswand ausser den Gefässöffnungen eine von der Muskelum
1) Diese Leiste ist von F. Schmidt beachtet und als fundamentale Muskelschleife bezeichnet worden.
C. a Fig. 97.
Herz vom Embryo Bl von vorn her eröifnet.
Ca Canalis auricalaris , H Herzgekröse, Ä.i
Area interposita.
150
Das Herz.
Meldung frei gelassene Stelle, die in der Folge eine selbständige
Entwickelung einscMägt und die ich vorerst als Areainterposita bezeichnen will. Dieser Area begegnen wir auch auf den
späteren Stufen, ich verweise z. B. auf Fig. 89 und auf untenstehende
Figur 98. Sie bildet ein Dreieck mit abwärts gerichteter, etwas
schräger Basis. Die Spitze des Dreiecks sieht nach oben und etwas
nach rechts und sie läuft neben dem Septum superius aus. Die linke
untere Ecke geht ein
Stück weit unter diesem
durch. Die rechte Ecke
schliesst sich dem nunmehr einfachen Ostium
des Sinus reuniens an.
Indem nun das rechte
Hörn des Sinus reuniens
sich in den Vorhof vortreibt, wird auch seine
Oeffnung in den letzteren hinein geschoben.
Als spaltartige Lücke
der dünnen vorderen Sinuswand wird dieselbe
von zwei Falten eingefasst, von welchen die
laterale erheblich breiter ist, als die mediale.
Mit scharfem Rand ragt
jene in den Vorhof hinein und gemäss der schrägen Kichtung des Ostium verläuft sie mit
ihrem unteren Ende schräg medianwärts und erreicht damit die
laterale Ecke der Area interposita. Es ist diese aus der vorderen
Wand des Sinus reuniens gebildete Falte die Anlage der Valvula
Eustachi, welche, wie wir durch F. Schmidt's Arbeiten wissen, ursprünglich auch die Mündung der Cava superior umschliesst.
Den medianen Saum des Ostium bildet in dessen oberer Hälfte
eine dünne Falte, die Valvula vestibuli sinistra, unten aber
wird die Oeffnung von einem Bindegewebskeil begrenzt, dessen Vorder
'v//v.^,j5\\i\\/-^;
Fig. 98.
Innenfläche des Herzens vom Embryo Pr. Vergr. 32.
V. c. s Vena cava super., S. s Septum sup., S. i Septum infer.,
P.s Septum spurium, Y. ^ Yalv. Eustachi, >S Spina vestibuli,
AI hintere Atrioventricularlippe.
Die Area interposita, EusTACHi'sche Klappe und Spina vestibuli. 151
fläche dem Vorhofsraum als Area interposita zugewendet ist. Tor
der Lungen- und der Magenanlage beginnend, geht derselbe medianwärts vom Sinus reuniens vorbei in die hintere Vorhofswand über.
Der Keil ist in einem
grösseren Theil seiner
Ausdehnung dreikantig.
Von den Kanten sind
zwei lateralwärts gerichtet und bilden den
hinteren und den vorderen Grenzsaum des
Sinus reuniens bez. seiner Ostien. Die dritte,
nach vorn gerichtete
Kante legt sich als mediale Grenze der Area
interposita eine Strecke
weit dem Septum superius an und pflegt, wenigstens stellenweise,
frühzeitig mit diesem
zu verwachsen.
Der eben beschriebene Bindegewebskeil
erfährt in der Folge
eine zunehmende, nach
vorn und medianwärts
gerichtete Drehung. Dadurch und zum Theil
wohl auch durch gleichzeitiges Wachsthum
springt derselbe weit in
die Vorhofshöhle hinein
vor und gestaltet sich zu einer selbständigen Anlage der Herzscheidewand. In dieser Eigenschaft bezeichne ich ihn als Spina vesti
99 und 100.
Darclisohnitte durch Sinus reuniens und darch. den Herzvorhof von Pr. Vergi'öss. 27. Ob. E.v Obere Ext., Ao Aorta,
V. c Vena cardinalis, C. du.C.s Vena Cava sup. dextra und
sinistra, S. r Sinus reuniens, R. Vh und L. Vh rechter und
linker Vorhof, V. A Vena Aranzii, P. s Septum spurium,
Lg Lunge, Oe Oesophagus, Mg Magen, Lb Leher,
Ün Ürnieren.
152
Das Herz.
buli. Die rechtsseitige Ecke der Spina nimmt das Ende der EuSTACHi'sclien Klappe auf und bildet mit dieser den Boden des Saccus reuniens (Fig. 98).
Der Ohrkanal und die Bildung der Ostia yenosa.
Der zwischen Ventrikel und Vorhof liegende Ohrkanal ist, wie
wir früher sahen, in seiner Muskelwand ein etwas abgeplattetes
TTcd
Fig. 101.
Herz von Pr von der rechten Seite her eröffnet. Vergr. 40. V. c. d Vena Cava snp. dextra,
P. s Sept. spurium, S.s Sept. snp., S.r Sinus reuniens, S Spina vestibuli, Y. i Vena
Cava inf., S. i Septum inferius, S. a Septum aorticnm , Ao Aortentulbus , D Diaphragma.
cylindrisches Eohr, die Lichtung seiner Blutbahn dagegen stellt eine
Querspalte dar, die in der Mitte eng, an den beiden Kanten ausgeweitet ist. Der Zwischenraum zwischen dem Endothel- und dem
Muskelrohr wird durch eine weiche Bindesubstanz ausgefüllt, und
so entstehen zwei breite und zwei schmale, die Lichtung umgebende
Substanzleisten, die Atrioventricularlippen von Lindes oder
Der Ohrkanal und die Bildung der Ostia yenosa.
153
Endothelkissen von F. Schmidt. Durch das Verhalten der Herzohren zum Ohrkanal wird übrigens bedingt, dass der Eand des
letzteren eine Strecke weit in den Yorhofsraum hineinragt.
In seiner vollen Entwickelung zeigt sich der Ohrkanal noch
bei den Embryonen A, B und bei Pr. Allein schon nach Kurzem
ist er als selbständiger Herzabschnitt geschwunden und der Yorhof
sitzt jetzt dem Yentrikel unmittelbar auf. lieber das Yerbleiben
des früheren Ohrkanals geben Durchschnitte unzweideutigen Aufschluss : derselbe ist von der anstossenden Yentrikelwand umgriffen
Fig. 102.
Herz Pr you der linken Seite. Bei^eiclinungen wie bei Fig. 101.
V. c. s Vena Cava snp. sinistra.
AI Atrioventricularlippe,
worden •) und, wie früher in den Yorhof, so ragt er jetzt mit scharfem
Eande in den Yentrikelraum vor, als ob er durch eine vom Yorhofe
her wirkende Kraft in denselben wäre vorgeschoben worden. Dabei
zeigt sich auch die anstossende Yentrikelwand etwas eingestülpt,
1) „II est repris successivetaent dans les chairs du coeur" sagt Haller
mit einem glücklichen Ausdruck vom schwindenden Ohrkanal (1. c. IL 77.)
154
Das Herz.
und zwischen ihr und dem früheren Ohrkanal ist eine schmale Spalte
entstanden, die alsbald durch einen prismatischen Bindegewehsstreifen
ausgefüllt wird (Fig. 103).
Da die Kante des Septum inferius schräg unter dem Ohrkanal
durchläuft, so gelangt ein Theil der vorgeschobenen Wand in die
rechte, ein anderer in die linke Ventrikelhälfte. Aus der röhrenartig hereinhängenden Falte bildet sich die Anlage für die peripherischen Segel der Atrioventricularklappen.
Fisr. 103.
Sclinitt durc'a das Herz vom Embryo Q-. Vergr. 36. Oe Oesophagus, Lg Lunge, M. pp
Membrana pleuro-pericardiaoa, S. r. d und S. r. s Sinus reuniens recbtes und linkes Hörn,
F. E Yalv. Eust., S. int. Septum intermedium , S. inf. Sept. iuf. , S. a Septum aorticum.
Zugleich mit dieser Einstülpung des Ohrkanals hat sich eine
weitere Veränderung vollzogen, von deren Natur Figur 103 eine
Uebersicht zu geben vermag. Zwischen Vorhof und Ventrikel liegt
jetzt ein breiter Bindegewebspfropf , welcher mit der Eückwand des
Vorhofes durch einen verjüngten Stiel in Verbindung steht. Gleich
einem Spritzenstempel erscheint er in die Lichtung de"s Ohrkanals
Der Ohrkanal und die Bildung der Ostia venosa. 155
eingeschoben und er lässt von derselben jederseits nur einen schmalen
Gang frei, die nunmehrigen Ostia atrioventricularia dextrum
und sinistrum.
Das eben beschriebene gestielte Gebilde bezeichnen wir als
Septum intermedium. Es ist gemischten Ursprungs und dadurch entstanden, dass die aus der hinteren Yorhofswand hervorgetretene Spina vestibuli mit der benachbarten hinteren und weiterhin auch mit der vorderen Atrioventricularlippe sich verbunden hat.
Aus letzteren beiden ist der breite Stempel des Septum intermedium
hervorgegangen, die Spina vestibuli hat dessen Stiel geliefert. Beide
Bildungen stimmen auch histologisch überein, da sie beide bindegewebiger Natur sind, ihre Grenze markirt sich noch eine Zeit lang
durch die ungleiche Dichtigkeit des Gefüges. Mit dem Stiel des
Septum intermedium bleibt das untere Ende der EuSTACHi'schen
Klappe verbunden.
Der Stempel des Septum intermedium und die Kante des
Septum inferius begegnen sich, und indem sie sich mit einander
verbinden, wird die Trennung der Ventrikel vervollständigt. Bei
Embryo i9- (Fig. 103) ist die Begegnung beider Septa noch nicht
erfolgt, bei Embryo Br2 (Fig. 104) erst theilweise, bei Seh dagegen
(Fig. 105) ist die Verbindung eine vollständige. Der Stempel des
Septum intermedium reitet nunmehr auf der Kante des Septum inferius und überragt das letztere mit scharfen Rändern. Diese vortretenden Ränder aber treten in Verbindung mit Balken der Ventrikelwand und aus ihnen gehen die medialen Zipfel der
beiden Atrioventricularklappen hervor. Die Gesammtanlage
der genannten Klappen umfasst somit die eingestülpte Wand des
Canalis auricularis und die vorspringenden Ränder des Septum intermedium, welch letztere aus der bindegewebigen Füllungsmasse des
Ohrkanales hervorgegangen sind.
Die Bildung und Verschiebung des Septum intermedium und
die Einstülpung des Ohrkanales in den Ventrikeleingang sind Vorgänge, welche nicht allein der Zeit nach zusammenfallen, sondern
die unzweifelhaft auch auf gleiche Grundbedingungen sich zurückführen. Für die entscheidenden Bedingungen halte ich einestheils
die zunehmende Lagenveränderung des ganzen Herzens, anderntheils
diejenige der Saccus reuniens. Noch bei den Embryonen von
156
Das Herz.
7 — 10 mm, so noch bei Pr, steht die Ventrikelaxe annähernd parallel
mit der Axe des Saccus reuniens und eine Verlängerung derselben
schneidet das obere Ende des Vorhofes (Fig. 101). In der Folge
hebt sich aber (wohl in Folge des Leberwachsthums) die Herzspitze
mehr und mehr, bis ihre Eichtung schliesslich senkrecht zu derjenigen des Saccus reuniens steht. Bei dieser Drehung des Herzens
Fig. 104.
DurclischBitt durch das Herz von Br2. Vergr. 36. Bezeichnungen wie ohen.
R. V und L. V Rechter und linker Vorhof, £r Bronclius.
muss der sich hebende Ventrikeltheil gegen den Vorhofstheil bez.
gegen den Canalis auricularis angedrängt werden, ein Verhältniss,
das sowohl der Einstülpung des letzteren, als der Vorschiebung des
Septum intermedium zu Gute kommt.
Die zweite bei Beurtheilung dieser Dinge in Betracht kommende
Veränderung betrifft den Saccus reuniens. Ursprünglich ist dieser
quer gestellt und seine beiden Seitenhälften liegen in derselben
Flucht (Fig. 100). In der Folge geht die ursprüngliche QuerstelHmg in eine schräge, ja in eine nahezu sagittale über. Es gilt
Der Ohrkanal und die Bildung der Ostia venosa.
157
dies in erster Linie vom rechten Hörn des Saccus reuniens (Fig. 104),
in etwas geringerem Maasse jedoch auch vom linken, insbesondere
von dessen unterstem Abschnitt. Wenn nun das rechte Hörn des
Saccus reuniens sich also umstellt, bekommt nicht allein die
EuSTACHi'sche Klappe, sondern auch die ursprünglich hintere Wand
eine nahezu sagittale Stellung. Dadurch wird die Spina vestibuli
tiefer in den Yorhof herein und an die beiden mittleren Atrio
Fig. 105.
Herzdurchsclinitfc vom Embryo Seh. Bezeichnungen wie oben. Vergr. 36.
P Lunge, Ost Ostia atrioventricularia dext. und sinist. , A. d. und A. s Atrium destrum
und sinist., S. s Septum superius.
ventricularlippen herangedrängt, mit denen sie nach erfolgter Berührung verwächst. Die Bedeutung des Vorganges kann man sich
leicht klar machen: versucht man in Gedanken bei Fig. 103, 104
oder 105 den Saccus reuniens wieder quer zu stellen, so ist dies
nur unter der Bedingung möglich, dass das Septum intermedium
nach dem Vorhof hin zurückgezogen und vom Septum inferius getrennt wird.
An der Bildung der Atrioventricularklappen betheiligen sich
158
Das Herz.
einestlieils die Muskelwand des Ohrkanales und des anstossenden
Ventrikelgebietes, anderntlieils die Bindesubstanzmasse der vier Atrioventricularlippen. Yon diesen sind die beiden lateralen von untergeordneter Bedeutung, wogegen die in das Septum intermedium
einbezogenen medialen Lippen den oben als Stempel bezeichneten
umfänglichen Körper darstellen. Die musculöse Wand des Ohrkanales reicht tief in den Saum der peripherischen Klappensegel
herab und biegt hier in die verdichtete Eindenschicht der eingestülpten Ventrikelwand um. Die der letzteren angehörigen Muskelbälkchen erscheinen nunmehr mit dem freien Band und der unteren
Fig. 106.
Eröffnetes Herz vom Embryo ^ im Profil. Bezeichnungen wie oben. Yergr. 33.
A und P Aortenrinne und Pulmonalisrinne innerhalb des Bulbus Aorta.
Fläche der neugebildeten Klappe verbunden und bilden die Chordae, die noch nicht tendineae, sondern musculares sind. Für
diesen Theil der Chordae bedarf es keiner secundären Verbindung
mit den Klappen, sie sind von Anfang ab Bestandtheile derselben
Ventrikelwand gewesen, aus der das untere Blatt der Klappen hervorgeht.
Compacte Papillarmuskeln bilden sich erst in einer späteren
Zeit durch Zusammendrängung bestimmter Züge von primitiven
Muskelbalken. Immerhin findet man schon gleich nach Einstülpung
des Ohrkanales, dass Anlagen für Papillarmuskeln gegeben sind und
durch etwas dichtere Gruppirung der Bälkchen sich charakterisiren.
Auch das Septum inferius ist anfangs von schwammigem Gefüge
und zeichnet sich nur durch seine etwas engeren und regelmässiger
angeordneten Maschen von der Umgebung aus.
Der Ohrkanal und die Bildung der Ostia venosa. 159
. Bei den aus dem Septum intermedium hervorgehenden Klappensegeln ist die Verbindung mit den Chordae, mit Ausnahme vielleicht
von den hintersten Abschnitten, nicht primitiv angelegt, sondern sie
muss sich auf dem Wege secundärer Verwachsung vollziehen.
Ausser den aufgezählten Bestandtheilen , der Muskelwand und
dem Endocardium, betheiligt sich an der Bildung der peripherischen
Klappensegel auch das Epicardium. "Wie schon oben erwähnt wurde,
so zieht sich zwischen dem eingestülpten Ohrkanal und der Ventrikelwand eine Spalte in die Tiefe, welche von Seiten des Epicardiums durch einen prismatischen Substanzring ausgefüllt wird.
Eine blattartige Verlängerung dieser Ausfüllungsmasse bildet die
mittlere Lamelle des Klappensegels und erhält sich als solche
zeitlebens.
Die ursprünglich musculöse Beschaffenheit der Klappen, auf
welche schon von früheren Beobachtern hingewiesen worden ist,
macht nun allmählich der sehnigen Platz. Zuerst kommt es zu einer
Continuitätstrennung zwischen den beiden, im Klappenrand in einander übergehenden Muskelblättern. Noch bei Embryo &, ja bei
Embryo Br2 (Eig. 103 und 104) ist der Zusammenhang vorhanden.
Bei Seh (Fig. 105) dagegen finde ich, dass Vorhofs- und Ventrikelmusculatur zugeschärft auslaufen und dass nunmehr die vom Epicardium stammende mittlere Lamelle völlig durchschneidet. Die
Persistenz dünnerer, aus dem Vorhof herabsteigender Muskelzüge in
den Klappen ist seit Kürschner bekannt.') Die grosse Mehrzahl der
Muskeln aber geht verloren, wobei man vielleicht, ähnlich wie im
Truncus Aortae, an Druckatrophie denken darf. Bei den Chordae
braucht eine histologische Umwandlung des Gewebes nicht nothwendig angenommen zu werden. Jedes Bälkchen liegt in einer Endothelscheide, welche letztere den Zusammenhang mit den Scheiden
1) KüE SCHNEE, R. Wagner's Handwörterbuch, ßd. II. S. 54. Man vergleiche
auch GussENBAUEK , Sitzungsbericht der Wiener Akademie. Bd. 57. Von den
■vier Schichten der Klappen, welche Gussenbauee unterscheidet, stammt Nr. 1,
die stärkere vom Vorhof herabsteigende Endocardialschicht, von den Atrioventricularlippen ; Nr. 2, die Muskelschicht, von der Muskelwand des Ohrkanales; Nr. 3, die mittlere Hauptschicht der Klappen, vom Epicardium; Nr. 4,
das Ventrikelendocardium, von der Endothelauskleidung. Zwischen 3 und 4
müsste man die Reste früherer Ventrikelmusculatur erwarten, diese sind aber
vollständig geschwunden.
160 Das Herz.
anderer Balken bez. mit den Bindesubstanzpolstern an den Ostien
vermittelt. Wenn diese Scheiden sich selbständig ausziehen und
weiter entwickeln, können sie zu Sehnenfäden werden, ohne dass
eine Muskelrückbildung damit sich zu combiniren braucht.
Das Septum aorticum.
Der Bulbus aortae besteht anfänglich, wie die übrigen Herzabtheilungen, aus einem Muskelrohr und einem Endothelrohr. Das
Muskelrohr, von einer dünnen und compacten Wand gebildet, ist
vom Endothelrohr nur unvollständig erfüllt. Der Zwischenraum zwischen beiden wird von einer Bindesubstanz erfüllt, als deren erste
Anfänge die Fäden zu betrachten sind, welche vom inneren zum
äusseren Rohre hingehen. Diese Bindesubstanzschicht liefert die
spätere Intima der Arterien, während das Muskelrohr in die Media übergeht.
Gleich im Anfangstheile des Bulbus, im sog. Fretum , zeigt der
Endothelschlauch eine Abplattung, die innere Lichtung ist spaltförmig,
und zwar wechselt die Stellung der Spalte in den verschiedenen Höhen.
Fig. 107.
Querscknitte durch den Aorteubulbus vom Embryo Bg. Vergr. 20. Der linke Endschnitt
kurz nach dem Austritt aus dem Ventrikel, der rechte vor der Insertion am Vorderdarm.
A Aortenbahn, P Pulmonalbahn,
Beim Ursprung aus dem Conus arteriosus sagittal gestellt, dreht
sich die Spalte mit ihrem vorderen Ende nach links und schliesslich wird ihre Richtung eine transversale. Im oberen Theile des
Bulbus, dem Truncus, verliert sich die Abplattung des inneren Rohres
und der Querschnitt wird wiederum cylindrisch. Sehr bald weitet
sich die Spalte an ihren beiden Rändern aus, während sie in der
Mitte sich verengt. Zwei halbcylindrische Leisten treten in die
Lichtung vor, und indem sie ihre Convexität einander zukehren,
scheiden sie zwei auf dem Querschnitte dreieckig erscheinende Gänge
von einander.
Das Septum aorticum. 161
Wie wir nun schon durcli ältere Arbeiten wissen, so vollzieht
sich im Bereich des Bulbus die Trennung derart, dass die beiden
Längsleisten zusammentreffen und verwachsen. Der vordere, weiterhin linke Gang wird zur Lichtung der A. pulmonalis, der hintere
zur Aorta. Die Trennung der beiden Röhren beginnt oben und
schreitet von da aus nach abwärts vor. Die Schnittreihe, welche ich
Fig. 107 mittheile, zeigt links die noch sagittal stehende verhältnissmässig breite Spalte unmittelbar über dem Conus arteriosus,
dann wird die Spalte etwas enger und schräg gestellt, 3 u. 4 zeigen
zwei bereits getrennte dreieckige Lichtungen, bei 5 sind die Lichtungen gerundet, bei 6 beginnt der Kanal der Pulmonalarterie um
den der Aorta herumzubiegen und nach dessen Rückseite zu treten.
Noch ist anfangs die Strecke, innerhalb deren die beiden Lichtungen einen dreieckigen Querschnitt haben, ziemlich lang. Die
Rundung der Röhren schreitet von oben nach abwärts vor. Im
unteren Theile des Fretum erhält sich der dreieckige Querschnitt,
die gegen die Lichtung vortretenden Gewebskissen beginnen an ihrer
arteriellen Seite sich auszuhöhlen und sie bilden
sich hierdurch zu den Semilunarklappen um.
Diese haben bei ihrem ersten Auftreten die Gestalt von sehr plumpen Wülsten. Bei Zw finde
ich sie indessen verhältnissmässig wohl ausgebildet und sicherlich sind sie zu der Zeit schon
schlussfähig.
Aus dem Gesagten geht hervor, dass das
Septum aorticum in Gestalt zweier longitudinaler Bindesubstanzleisten sich anlegt, und Fig. los.
dass die Vereinigung dieser Leisten von oben "^^EmVyo^zw'^im™
nach abwärts fortschreitet. Beim Eintritt in den schrägschnitt.
Ventrikel schwinden diese Leisten nicht vollständig. Die eine derselben (die linke) lässt sich noch eine Strecke weit in den Conus
arteriosus hinein verfolgen, sie scheidet hier einen Sulcus aorticus
und einen Sulcus pulmonalis und nimmt in gleich zu betrachtender Weise an der Bildung der Herzscheidewand Theil.
His, Menschl. Embryonen. III. 11
162 Das Herz.
Die Verbindung der Scheidewände des Herzens.
Wir haben bis jetzt vier von einander unabhängige Scheide wandanlagen kennen gelernt : das Septum superius, inferius, intermediiim und das Septum aorticum. Diesen kann hier noch
eine weitere Bildung als Septum spurium angereiht werden. Es
ist dies eine Falte, welche von der Decke des rechten Vorhofes
abgeht und welche die vordere Kante des in den Vorhof eingeschobenen Saccus reuniens mit der Vorderwand des Herzohres verbindet. Sie besitzt bei Pr (Fig. 101) ungefähr die halbe Höhe des
Septum superius und endet nach unten mit scharfem Rand. Für
die weitere Herzentwickelung ist diese Bildung ohne eingreifende
Bedeutung, indessen erhält sich ein Rest derselben als sagittale vor
der Einmündungssteile der V. cava superior liegende Leiste auch
im ausgebildeten Herzen (Taenia sagittalis).
Von den eigentlichen Scheidewandanlagen ist das Septum
superius aus einer Einfaltung der oberen Vorhofswand hervorgegangen. Das Motiv seiner Entstehung liegt darin, dass die Rückwand des Vorhofes durch den Gekröstheil der Herzwurzel fixirt ist,
beiderseits davon aber weitet sich der Vorhof nach oben hin aus und
so entsteht eine mediane Einziehung, die in der Folge zur scharfen
Falte sich ausbildet.
Das Septum inferius verläuft, wie wir oben (S. 140) sahen,
als windschiefe Sichel vom linken Rande des Conus arteriosus zum
rechten des Conus venosus; nach oben hängen seine Enden durch
eine gleichfalls einspringende Falte der Wand zusammen und so
kommt ein Diaphragma zu Stande, welches nur durch einen verhältnissmässig kleinen runden Ausschnitt die Communication beider
Ventrikelhälften gestattet.
Das Septum intermedium, durch Verschmelzung der Spina
vestibuli mit den zwei mittleren Atrioventricularlippen entstanden,
ist ein gestielter Bindegewebspfropf, dessen Stiel in der hinteren
Vorhofswand wurzelt, dessen breiter Theil im Ohrkanale liegt.
Das Septum aorticum, soweit es in den Ventrikelraum eintritt, ist eine Bindegewebsleiste, welche, aus dem Bulbus herabsteigend,
den nach rechts und vorn liegenden Sulcus pulmonalis von dem nach
links und etwas weiter rückwärts liegenden Sulcus aorticus trennt.
Die Verbindung der Scheidewände des Herzens. 163
Die Stufen von A und von Pr zeigen diese sämmtlichen Scheidewandanlagen noch getrennt (Fig. 89 u. 90, 98 u. 109) und das Septum
intermedium, obwohl vorhanden, tritt nur in geringem Maasse gegen
den Vorhofsraum vor.
Es ist nun vor allem zu untersuchen, in welcher Weise die
Yentrikeltrennung sich vollzieht. Dächte man sich das Diaphragma des Septum inferius mehr und mehr verengt, so müsste
dies zwar eine Trennung der beiden Ventrikelhälften zur Folge haben,
aber von den beiden also getrennten Kammern hätte die linke keinen
Abfluss, die rechte keinen Zufluss. Es müssen also bei der definitiven Scheidung Vorgänge Platz greifen, welche jeder der beiden
Abtheilungen sowohl ihre Zufluss- als ihre Abflusspforte offen erhalten.
Die Scheidung der Zuflusspforten wird, wie wir schon oben sahen,
durch das Septum intermedium hergestellt. Von der hinteren Vorhofswand ausgehend tritt dasselbe mehr und mehr nach vorn; es
erreicht zunächst mit seinem oberen Saum die gegenüberliegende
Wand des Vorhofes. Mit seinem dicken unteren Theil aber erreicht
es den Ohrkanal und drängt sich mit diesem in den Ventrikeleingang herein. Dabei begegnet es zuerst dem hinteren Ende des
Septum inferius, während in der Mitte noch eine weite Lücke zwischen beiden Bildungen übrig bleibt (Fig. 106). Bald wird aber die
Berührung eine ausgiebigere und das Septum posterius umgreift
mit seinen vorspringenden Rändern die untere Scheidewand und
betheiligt sich in der früher erörterten Weise an der Bildung der
Atrioventricularklappen.
Es ist nun klar, dass, wenn die Verwachsung beider Scheidewände längs der ganzen Kante des Septum inferius vor sich ginge,
der Hnke Ventrikel von der Aorta müsste abgeschnitten werden.
Dies wird indessen vermieden: der vorderste Theil des Septum inferius bleibt nach der Aorta hin frei, und dafür bildet sich eine
Verwachsung zwischen dem Septum intermedium und dem untersten
Ende des Septum aorticum. Die nach ihrer primären Anlage dem
rechten Herzen und zwar dem Conus arteriosus angehörige Aorta
wird hierdurch vom rechten Ventrikel geschieden und durch den
allervordersten, ausgespart bleibenden Theil des Ostium interventri
culare hindurch mit dem linken in Verbindung gelassen.
11*
164
Das Herz.
Mit Hülfe der verschiedenen Abbildungen ist es wohl nicht allzu schwer, das räumliche Ineinandergreifen der verschiedenen Bildungen sich klar zu machen. Für frühere Stufen verweise ich auf
die Figur 106, sowie auf untenstehende Figur 109. Hier sieht man
zunächst den Uebergang des Septum inferius in die, auf der Grenze
des Canalis auricul. liegende, einspringende Wandfalte. Unter der
letzteren hindurch führt der Eingang in den Aortenbulbus, aus wel
Fig. 109.
Herz vom Embryo Pr. Die Vorderwand von innen her gesehen.
Constr. Vergr. 32.
chem der Sulcus aorticus und der Sulcus pulmonalis, durch das linke
Septum aorticum geschieden, herabsteigen. Furche und Leiste biegen
medialwärts um, der Sulcus aorticus leitet gegen den Einschnitt der
"unteren Scheidewand, die Leiste gegen diese selbst.
Bei der auf Seite 158 mitgetheilten Zeichnung vom Embryo •.^
(Fig. 106j ist das Septum intermedium bereits bis an die Ventrikelgrenze vorgedrungen, auch hier verfolgt man das untere Auslaufen
des Sulcus aorticus gegen das Ostium interventriculare und das des
Septum aorticum gegen die untere Scheidewand. Legt man sich in
Gedanken die Brücke vom Septum aorticum zum intermedium hin, so
kommt man zur Trennung der Aorta von der rechten und zu ihrer
TJeberleitung nach der linken Ventrikelhöhle.
Die Verbindung der Scheidewände des Herzens.
165
Bei Embryo Seh hat sich die Verbindung vom Septum aorticum
imd intermedium soeben vollzogen. Fig. 110 zeigt an einem Durch
Fig. 110.
Durchschnitt durch das Herz von Seh. Vergr. 36. A Aorteiiursprung.
P Truncus pulmonalis, <S'. a Sept. aort., L. V vl. R. 7 linker und rechter
Ventrikel, S. i Septum inferins.
schnitt das Zusammentreffen derselben. Bei Fig. 111 sind die Verhältnisse in grösserer Ausdehnung dargestellt. Das Septum intermedium
reicht hier schon tief in den Ventrikel herein, und sein freier Saum
Das Herz von Seh seitlich eiöifnet. Die punktirte Linie bezeichnet den Rand des
Septum inferius. Aorta und Pulmonalarterien sind bereits geschieden. Erstere com
municirt mit dem linken Ventrikel durch eine rundliche Oeffnung bei C. v.
Überragt als Klappenzipfel das Septum inferius. . Die Grenze des
letzteren ist als unterbrochene Linie eingezeichnet. In einem Bogen
verlaufend, greift sie über den oberen Band des Septum intermedium
166
Das Herz.
hinaus. Letzteres wird an der betreffenden Stelle vom Septum aorticum (das punktirt ist) erreicht, und es wird dadurch die Einmündung
der Aorta in den linken Ventrikel überlagert. Das vom Septum
aorticum gelieferte Stück der Herzscheidewand liefert deren häutige
Stelle, und es ist verständlich, wie diese noch zum Theil in den
Aorteneingang hineinreichen kann. Ebenso ergiebt sich aus der
Bildungsgeschichte des Aortenzuganges, dass derselbe unter dem
medialen Klappensegel der Valvula mitralis durchführen muss, denn
letzteres überragt das Septum inferius nach links hin. Der Eingang
in die Aorta liegt aber rechts von diesem.
Fassen wir noch einmal den Vorgang der Ventrikelscheidung
zusammen, so leitet sich die erste Trennung der beiden Hälften durch
das sichel- bez. ringförmig angelegte Septum inferius ein. Der von
diesem frei gelassene Ausschnitt wird zum grossen Theil ausgefüllt
durch das vom Vorhof herkommende Septum intermedium. Nach
vorn bleibt eine Lücke als Aortenzugang und jenseits von diesem
bildet sich das fehlende Stück Scheidewand als eine Verlängerung
des vom Bulbus herkommenden Septum
aorticum. Durch das Sept. intermedium
erfolgt somit die Trennung der Zuflussbahnen zu den Ventrikeln, durch das
Septum aorticum die Trennung von den
Abflussbahnen. Beifolgende Figur kann
ein zu Schulzwecken brauchbares Schema
der Verhältnisse geben. Conus venosus und Conus arteriosus sind etwas
auseinander gelegt dargestellt. In jenen
senkt sich der eingestülpte Ohrkanal
als peripherische Anlage der Atrioventricularklappen. Die punktirte Doppellinie
bezeichnet das Septum inferius, welches die beiden links vom Conus
arteriosus und rechts vom Conus venosus einspringenden Falten mit
einander verbindet. Durch das Ostium venosum tritt das schraffirte
Septum intermedium mit seinem verbreiterten Ende; vom Aortenbulbus aus entwickelt sich das als breite Linie dargestellte Septum
aorticum. Beide trefi"en rechts vom Ostium interventriculare zusammen. Die Bedeutung des vorderen Streifens als Septum mem
Fig. 113.
Schema der Bildung der Veutrikelscheidewand. C.au. C.v Conus arteriosus und Conus venosus, S. it Sept.
intermedium, ä. i/ Septum inferius,
punktirt. 5. a Septum aorticum , Ao
und Pm Aorta u. A. pulmonalis.
Die Scheidung der beiden Vorhöfe. 167
branaceum und der Weg des Aortenzuganges unter dem vorderen
Mitraliszipfel durch lassen sich dtirch die Figur leicht erläutern.
Die Scheidung der beiden Vorhöfe
ist als ein in später Zeit sich vollziehender Vorgang vielfach Gegenstand der Untersuchung gewesen und liegt uns in ihren Hauptzügen
ziemlich klar vor. In übereinstimmender Weise lautet für den
menschlichen Fötus vom dritten Monat ab die Schilderung der Beobachter dahin, dass eine hintere und eine vordere Anlage vorhanden sind, die wir der leichteren Verständigung halber als vordere
und als hintere Scheidewandsichel bezeichnen wollen. Erstere
ist eine musculöse Falte, welche von der vorderen Vorhofswand- abgeht und mit einem Schenkel der Decke, mit einem anderen dem
Boden des Vorhofes anhaftet, deren freier Eand somit nach rückwärts sieht. Ihr gegenüberstehend liegt an der Rückwand des Vorhofes ein die Mündung des Sinus reuniens (oder wie es in der
Regel heisst der unteren Hohlvene) einfassender Klappenapparat, der
aus zwei schräg gestellten halbmondförmigen Falten besteht. Die
rechte Falte ist die Valv. Eustachi, die linke wird zur hinteren
Scheidewandanlage. Es reicht die linke Klappe in den linken Vorhof herein, und indem dieselbe der vorderen Sichel entgegenrückt,
bildet sie in der Folge den häutigen Abschluss des Foramen ovale,
wobei ihr letzter Rest als Valvula foraminis ovalis persistirt, während
der Saum der vorderen Sichel als Limbus Vieusseni sich erhält.
Es stellt sich nun die Aufgabe, diese in späterer Fötalzeit
unterscheidbaren Theile auf die Bildungen früherer Zeit zurückzuführen. Zu dem Zweck greifen wir zurück auf die Figuren 89 u. 98
(S. 139 u. 150). Es stellt sich da die Porta vestibuli als ein zweischenkeliges Feld dar. Der eine Schenkel des Feldes wird durch
die Gefässöffnung repräsentirt, der zweite durch die als Bindegewebskeil hervortretende Area interposita. Beide Schenkel divergiren
nach oben und fliessen nach abwärts zusammen. Die Trennung der
beiden Vorhöfe ist zu der Zeit durch das Septum superius eingeleitet, dessen unterer Rand über dem linken Ende der Area interposita ausläuft.
168
Das Herz.
Wenn nun der Sinus reuniens tiefer in den Vorhof sich vorwölbt, so werden die beiden Seitenhälften seiner Vorderwand als
klappenartige Falten hervortreten. Es sind dies die Valvula vestibuli dextra oder Valv. Eustachi und die Valvula sinistra.
So lange die Oeffnung des Sinus in den Vorhof keine sehr ausgiebige ist, ist das obere Ende der Area interposita noch vom linken
Klappenflügel getrennt (Fig. 98). Bei Erweiterung der Oeffnung aber
verschwindet die Grenze und das Verhältniss vereinfacht sich dahin,
dass nunmehr die weite Oeffnung von zwei schräg gestellten Klappen
eingefasst ist, welche nach abwärts zusammentreffen und welche sich dem, als selbständiger
Bindegewebskeil hervortretenden Septum intermedium anschliessen.
Das Septum intermedium schiebt sich, wie wir
früher sahen, mit seinem oberen Saum an die
vordere Vorhofswand heran und verwächst mit
ihr. Hier begegnet es dem vorderen Ende des
Septum superius, und indem beide sich verbinden, entsteht die vordere Scheidewandsichel, aus welcher späterhin der Limbus for.
oval, hervorgeht (Fig. 106 und 111).
Die linke Vorhofsklappe beginnt rechts vom
Septum superius, allein sie tritt schräg unter
diesem durch und baucht sich nach dem linken
Vorhof aus. Da, wo nun das Septum superius auf ihr aufruht,
verwächst es mit ihr (Fig. 105), und so kommt es, dass ein Theil
des Klappensegels bleibend nach der linken Seite herübergeschoben
erscheint. Das ursprüngliche Verhältniss verwischt sich noch dadurch, dass die linke Klappe nicht allein unter dem Septum superius durchtritt, sondern dass sie eine Strecke weit um dieses sich
herumschlägt und an dessen linker Seite festwächst. Innerhalb des
gegebenen Feldes öffnet sich die Vena pulmonalis (s. obiges Schema).
Fig. 113.
Schema für die Bildung
des Foramen ovale.
y.p Vena pulmonal., V. E
ValT. Eustachi, V. s Valv.
sinistra, S. s Septum superius , theilweise punktirt angegeben.
Die Emmündung des Sinus coronarius und die Lungenvenen. 169
Die Einmündung des Sinus coronarius und die
Lungenyenen.
Der Sinus coronarius geht, wie wir oben schon sahen, aus dem
linken Hörn des Sinus reuniens hervor. Zu dem Hauptzufluss aus
der Vena cava sinistra gesellen sich die Nebenzuflüsse aus der Herzwand, die in der Folge, wenn die linke Hohlvene sich schliesst, als
einzige Blutquellen übrig bleiben. Nun trifft ursprünglich das linke
Hörn des Sinus reuniens mit dem rechten zusammen, oder mit anderen
Worten ausgedrückt, der Sinus coronarius öffnet sich in den Raum
über der EusTACHi'schen Klappe, in den auch Cava superior und
inferior ausmünden. Dies hatte schon F. Schmidt erkannt und sich
dadurch bestimmen lassen, die betreffende Falte (die Valvula decrescens, wie er sie nannte) als Ausgangspunkt auch der Thebesi'
tig. 114.
Durdisclinitt durch, das Herz vom Embryo Seh. Vergr. 18. S. d, S. s Rechtes
und linkes Hern des Sinus reuniens. R. Vh rechter Vorhof.
sehen Klappe anzusehen. ') Ich komme indessen zu einem etwas
anderen Ergebniss: Die primäre Oeffnung des Sinus coronarius in
dem Eaum medialwärts von der EusTACHi'schen Klappe muss sich
schliessen, und an deren Stelle eine neue entstehen, welche, unter
der EuSTACHi'schen Klappe hindurchgehend, direct in den rechten
Yorhof ausmündet.
Wie dies die obenstehende Fig. 114 zeigt, so wird die Verbindung der linken Hohlvene, bez. des Sinus coronarius mit dem Sinus
reuniens bei Embryo Seh durch einen engen, im Winkel zurück
1) Die von F. Schmidt gegebene Zeichnung ist übrigens durchaus richtig,
man findet bei älteren Fötalherzen meistens ein den Limbus nach abwärts
überschreitendes und in die Valv. Thebesii übergehendes Fältchen. Ich halte
dies indessen für eine secundär entstandene Bildung.
170
Das Herz.
laufenden Gang vermittelt. Es hängt dies zusammen mit der schon
oben besprochenen Einknickung und Richtungsänderung, welche zu
der Zeit der Saccus reuniens erfahren hat. Die primäre Verbindung
ist noch bei Embryo Zw vorhanden, die Hohlvene geht (Fig. 115)
in einem Bogen unter dem Vorhof vorbei, um schliesslich das vordere Ende des Sinus reuniens zu erreichen. Dabei ist das vordere
Ende des Sinus coronarius ganz dicht an die untere Ausbuchtung
des rechten Vorhofes herangerückt, und, um die Communication herzustellen, braucht nur eine dünne Gewebsschicht durchbrochen zu
werden (Fig. 114).
Die Lungenvenen finde ich in ihren ersten Spuren bei dem
Embryo Seh und ebenso bei Zw. Hier treten aus dem die Lunge
Hevzliöhlensystem des Embryo Zw nebst den grossen Gefässen. Vergr. 18.
L. V M.. R. V linker und rechter Ventrikel, A. a Arcus aortae, T. p Truncus pulmonalis,
C.su. C. d Vena Cava superior sinistra u. dextra, C.i Vena Cava inferior, bez. V. Aranzii,
S. r Sinus reuniens. Der letztere bebt sich nocb jetzt als selbständiger Raum ab und
nimmt in seinem vorderen unteren Abschnitt die Vena cava sinistra auf.
umgebenden Gewebe kleine Gefässe in den bindegewebigen Theil der
Vorhofswurzel ein. Ihre Ausmündung in den Unken Vorhof ist dadurch ermöglicht, dass die Area interposita, innerhalb deren sie zum
Vorschein kommen müssen, die Mittellinie überschreitet. Demnach
ist die Oeffnung dieser Venen zur Zeit des ersten Auftretens im medialen Abschnitt des linken Vorhofes befindlich, und die Mündungen müssen späterhin Verschiebungen nach oben hin und theilweise lateralwärts erfahren. Den genaueren Hergang habe ich nicht verfolgt, da
er in spätere als die von mir bearbeiteten Stufen hineinreicht. Nach
F. Schmidt, der diese Verhältnisse eingehend untersucht hat, liegt
im Mesocardium anfangs nur ein einziger gemeinschaftlicher Lungenvenenstamm. Derselbe ist kurz und wird später in den Vorhof mit
Muskel- und Bindegewebsantheil der Herzwand. 171
einbezogen. So fand er noch einen Stamm bei 7 wöchentlichen Embryonen; bei einem 14 — 15 wöchentlichen waren deren zwei vorhanden, einer für jede Lunge; bei einem nur wenig älteren hatten sich
bereits alle vier Oeffnungen von einander getrennt, i)
Muskel- und Bindegewebsantheil der Herz wand, Epicardiuni und Faserringe.
Yon der ursprünglichen Herzanlage liefert der äussere Schlauch
die Musculatur und zwar nur die Musculatur. Die bindegewebigen Bestandtheile der Herzwand nebst den Herzgefässen und
das Pericardium entstammen dem Endothehalrohre und den Bindegewebselementen , welche von der Yorhofswurzel her das Herz erreicht haben.
Bei den jüngsten von mir untersuchten Embryonen Lg, Rf u. BB
tritt der Muskelcharakter der Wandzellen deutlich hervor: die mit
grossen ovalen Kernen versehenen Elemente enthalten Züge von
Fibrillen, die bei Lg schon erkennbar, bei Ef und BB sehr ausgesprochen sind. Da, wo die Zellen auseinanderweichen, begegne
ich verzweigten dreiarmigen Formen. Die Muskelzellen reichen zu der Zeit bis zur Aussenfläche des Herzens und
sind von keiner anderweitigen Schicht umgeben. Dagegen enthält
das Innere des Herzens eine zarte Gewebsmasse, welche aus einem
System spinnwebartig ausgebreiteter Fäden besteht. Vom Endothelrohr ausgehend erstrecken sich diese Fäden bis zur Muskelwand
und ihnen liegen auch ausserhalb des Endothelrohres kernhaltige
Zellkörper an. Theilweise haben wir es bei letzteren mit verzweigten
Bindesubstanzzellen zu thun, theilweise wohl auch mit Wanderzellen, die längs der Fäden sich ausbreiten.
Die dem Endothelrohr anhaftende Gewebsmasse reicht bei Lg
nur bis zur Innenfläche der Muskelwand, aber schon bei BB finden
sich in letzterer, zwischen die Muskelzellen eingesprengt, einzelne
eckige, durch ihre dunkler tingirten, relativ kleinen Kerne ausgezeichnete Körper. Weiterhin finde ich, dass diese Körper unter sich
1) Literaturnachweis im histor. Capitel.
172 Das Herz.
verbunden und dass sie einem System durchsichtiger Röhren einverleibt sind, welche mit den Muskelelementen sich verschränken.
Zuerst tritt innerhalb des Ventrikelraumes eine Umschliessung der
frei hervortretenden Muskelbälkchen durch endotheliale Scheiden
hervor; so bei BB und noch ausgeprägter bei Lr. Bei letzterem
Embryo zeigt sich aber auch der compactere Theil der Wand von
Endothelröhren durchsetzt und Endothelialelemente kleiden nunmehr
alle zwischen den Muskelzellen frei bleibenden Lücken aus.
Auf dem Wege durch die Wand hindurch gelangen die endothelbildenden Zellen bis an die äussere Oberfläche des Herzens.
Noch sammeln sie sich bei Lr nicht zu einer zusammenhängenden
Lage. Bei Bl dagegen haben dunkelkernige Zellen die Muskelwand
allenthalben überschritten und bilden nun eine äussere, von der
Muskelwand abstehende Mantelschicht. Es ist dies die erste Anlage des visceralen Pericardium (Epicardium von Allen
Thomson). Dasselbe hängt mit der intermuscularen Bindesubstanz
noch allenthalben durch einzelne Streifen zusammen, zwischen ihm
und der Muskelwand liegt ein System communicirender Spalten.
Später gewinnt die Lamelle mehr Selbständigkeit und hebt sich
stellenweise als einschichtige Endothelhaut frei von der Muskelwand
ab (so bei R).
Nach der gegebenen Darstellung erfolgt am Herzen eine vom
inneren Endothelschlauch ausgehende, successiv von innen nach
aussen fortschreitende Durchwachsung mit Bindesubstanzzellen, und
der Vorgang schliesst sich mit Bildung des das Herz umkleidenden
Epicardiums ab. Ein dem eben geschilderten analoger Durchwachsungsprocess liefert die seröse Bekleidung im Bereich der Aussenwand der Parietalhöhle, worüber die Einzelnheiten bei anderem Anlasse sollen mitgetheilt werden.
Etwas später als Endocardium und Epicardium legen sich die
Faserringe des Herzens an. Wenn der Ohrkanal in den Ventrikel
sich einstülpt, entsteht, wie wir früher sahen, zwischen beiden Wandungen eine schmale Spalte (Fig. 103). Diese füllt sich bald durch
eine vom Epicardium ausgehende Gewebsmasse aus (Fig. 104 u. 105),
und so entsteht um das Ostium venosum herum ein Bindesubstanzkeil, der nach einwärts in eine dünne Lamelle sich fortsetzt. Letztere
tritt in die peripherischen Klappensegel ein und ihre anatomische
Die Beziehungen des ausgebildeten Herzens zum embryonalen. 173
Bedeutung ist besonders von Henle eingehend gewürdigt worden. ')
Die vom Vorhof stammende endocardiale Lamelle der Klappensegel hat sich aus den Gewebskissen entwickelt, welche anfänglich
den Ohrkanal und zwar besonders dessen vordere und hintere Wand
bekleidet hatten.
Eine zweite Bindegewebsquelle des Herzens hat ihren Ausgangspunkt an der Porta vestibuli. Von hier aus dringt in früher erörterter Weise das Septum intermedium vor, aus welchem die Nodi
der Atrioventricularklappen, sowie die medialen Klappensegel selbst
entstehen. Als eine dritte, übrigens nicht selbständige Quelle ergiebt sich das Septum aorticum, welches den fibrösen Abschnitt
der Ventrikelscheidewand liefert.
Die Beziehungen des ausgel)il(leten Herzens zum
emlbryonalen.
Wie so manche unserer anatomischen Beschreibungen, so ist
auch die des Herzens von ganz anderen, als embryologischen Gesichtspunkten aus geschaffen worden. Ziemlich allgemein lautet dieselbe dahin, es sei das Herz ein kegelförmiger Muskel, der äusserlich durch eine Kreuzfurche, innerlich durch eine Scheidewand und
durch Klappen in vier Abtheilungen getrennt werde. -) An diese erste
orientirende Darstellung pflegen sich dann die weiteren Auseinandersetzungen über Axenstellung, über Klappeneinrichtung u. s. w. anzuschliessen, und meistens wissen Examinanden auf den Grad genau
anzugeben, welchen Winkel die Herzaxe mit der Mittelebene des
Körpers bilden soll. Giebt man aber einem Studirenden ein Stück
Kreide in die Hand und lässt ihn ein Herz aufzeichnen, so wird
er, conform obiger Beschreibung, in 9 von 10 Fällen eine kegelförmige, durch ein Kreuz abgetheilte Figur entwerfen, dann aber
auch in die grösste Verlegenheit gerathen, sowie er sich vor die
Aufgabe gestellt sieht, dem Schema die abgehenden Gefässstämme
1) Gefässlehre. 1. Aufl. S. 14u. f.
2) Eine Abweichung von diesem Herkommen finde ich bei Gegenbaur,
der S. 617 seines Lehrbuches bei der Beschreibung des Herzens an dessen
embryonale Schleifenform anknüpft.
174
Das Herz.
anzupassen. Diese ungemein leicht zu wiederholende Erfahrung
muss stutzig machen, ob es gerechtfertigt ist, beim Unterricht ein
Definitionsschema beizubehalten, das dem Studirenden den Uebergang zur Vorstellung der thatsächlichen Form des Organes so sehr
erschwert. Jedenfalls wird es sich verlohnen, den Versuch zu machen,
ob nicht eine an die ursprüngliche Einfachheit des Herzschlauches
und an seine Schleifenform anknüpfende Darstellung sich finden
lässt, die dem Anfänger correctere Eormbegriffe beibringt, als die
herkömmliche Beschreibungsweise.
Ich sehe es nun nicht als meine Aufgabe an, hier eine solche
Normalbeschreibung zu unternehmen , dagegen scheint es mir ange
Fig. 116.
Herz von Zw von der rechten Seite. Vergr. IS. D Diaphragma, Vh Vorhof, A. a Arcus
Aortae, T.p Truncus pulmonalis, P Art. pulmonalis, V. j Vena jugul., V. c Vena cardi
nalis, Cd, C. s und C.i wie bei Fig. 115.
messen, eine Anzahl von Punkten hervorzuheben, welche die genetische Erläuterung bestimmter anatomischer Einrichtungen geben
können.
Die Grundform des Herzens entspricht derjenigen einer Schleife
mit verschränkt stehenden Schenkeln, einem hinteren absteigenden
und einem vorderen aufsteigenden. Das ursprünglich hufeisenförmige Mittelstück der Schleife liefert die Ventrikel, das hintere Endstück die Vorhöfe, das vordere Endstück die grossen Arterienstämme.
Die beiden Enden der Schleife sind an der Brustwand befestigt, das
Mittelstück ist frei, dazwischen liegt eine quere Lücke, Henle's
Sinus transversus pericardii.
Der Vorhofsschenkel der Herzschleife treibt beiderseits die
Die Beziehungen des ausgebildeten Herzens zum embryonalen. 175
mächtigen Herzohren hervor, welche den arteriellen Endschenkel
seitlich umgreifen. Der Querschnitt des Yorhofstheiles nimmt demnach die Gestalt eines Halbmondes an und diese behält er zeitlebens bei. Die Homer des Halbmondes sind die beiden nach vorn
gerichteten Appendices auriculares.
Der ursprünglich zum Herzen gehörige Bulbus Aortae scheidet
sich vom Yentrikeltheil scharf ab, einestheils durch die Eückbildung
seiner Musculatur, anderntheils durch die an seinem unteren Ende
auftretenden Klappen , und die aus ihm hervorgehenden beiden Gefässstämme, die Pulmonalarterie und die Aorta rechnen wir von da
ab nicht mehr zum Herzen im engeren Sinne. Die Grenze der ur
Fig. 117.
Dasselbe Herz von der linken Seite her gezeichnet. Der Vorhof ist durchsichtig gehalten, um die Austrittsstelle der Aorta jenseits vom Sulcus interventricularis sichtbar
zu machen. Die beiden * bezeichnen den Ort der Semilunarklappen.
sprünglichen Herzanlage wird an den grossen Gefässstämmen durch
die Anheftungslinie des parietalen Pericardialblattes^ bezeichnet.
An dem Yentrikeltheil der Herzschleife bezeichnet eine ringförmige Eurche die primäre Trennungslinie von rechter und linker
Hälfte. Die einzelnen Abschnitte dieser Eurche sind: der Sulcus
longit. anterior, der Sulcus longit. posterior und der von diesem zur
vorderen Längsfurche sich erstreckende Sulcus circularis dexter. Es
ist dies der Eurchenzug, in welchen sich die beiden Kranzarterien
einlagern. Die linke Eingfurche hat eine andere Bedeutung als die
rechte, ein Theil derselben entspricht dem Einschnitt, der zwischen
linkem Herzohr und Yentrikel sich hinzieht, der andere Theil aber
ist die Abgrenzung des Sinus reuniens (und zwar seines linken Hernes)
vom Herzen.
176
Das Herz.
Von den beiden Schenkeln der Yentrikelanlage kommt der
rechte vor den linken zu liegen. Jener führt zum Conus arteriosus,
dieser zu den Ostia venosa, von welchen Bildungen der Conus arteriosus seiner primitiven Anlage nach dem rechten, die Ostia venosa
dagegen dem linken Herzen angehören. Der Aortenursprung spaltet
sich vom Conus arteriosus an dessen Rückseite ab und beurkundet
Fig. 118.
Ventrikelscheidewand und Arterieneingänge vom Herzen des Erwachsonen.
Vordere Wand eines mit Ckromsäure gehärteten menschlichen Herzens, die Ostia arteriosa sind von der Rückseite her dargestellt, das Detail der Trabeculae carneae ist nicht
eingezeichnet. Der Aorteneingang hildet einen in den rechten Ventrikel hereinragenden
Vorbau, das unter ihm vorheitretende Septum membranaceum ventriculi erweist sich als
die unmittelbare Fortsetzung vom Septum aorticum, d.h. von derjenigen Platte, welche
die Aorta vom Truncus pulmonalis trennt. Jenseits der Vv. semilunares besteht diese
Platte aus den gesonderten Wandungen der beiden Gefässe und aus einer dazwischen
geschobenen lockeren Schicht, diesseits von den Klappen verschmelzen die 3 Schichten
zu einer einzigen, welche sich in das Septum membr. fortsetzt.
dm*ch seine bleibende Lage die primäre Zusammengehörigkeit mit
demselben.
Noch am Herzen des Erwachsenen lässt sich die ursprüngliche
Zugehörigkeit der Aorta zum rechten Herzen leicht anschaulich
machen, wenn man die Ventrikelscheidewand von der Rückseite her
präparirt. Fig. 118 stellt ein solches Präparat dar: der Aorteneingang überschreitet das Septum musculare und während das letztere
Die Beziehungen des ausgebildeten Herzens zum embryonalen. 177
links von jenem in die Vorderwand des Herzens ausläuft, ragt der
Boden des Aorteneinganges gleich einem Erker in den rechten
Ventrikel herüber. Derselbe wird theilweise von den zwischen beide
Arterien eingeschobenen Wandschichten gebildet, theilweise aber vom
Septum membranaceum, das sich als die unmittelbare Fortsetzung
des Septum aorticum zu erkennen glebt
Die Lage der Ostia venosa ist naturgemäss hinter derjenigen
der Ostia arteriosa, und ihre Scheidung vollzieht sich in früher beschriebener Weise vom Vorhof aus, während diejenige der Ostia
arteriosa vom Bulbus aus vor sich geht. Aus der Stellung der primären Ventrikelschenkel ergiebt sich ferner als selbstverständlich
die Vorlagerung nicht allein des Conus arteriosus, sondern auch
die der Hauptmasse des rechten Ventrikels, sowie die Rückwärtsschiebung des linken. Die Verschränkung der Schenkel führt zu
einer Einfaltung der Wand und damit zur Anlage der musculösen
Ventrikelscheidewand. Dabei wird ein Theil der ursprünglich an
der Oberfläche liegenden Muskelzüge in die Tiefe einbezogen, und
es entsteht so die Formation des Herzwirbels. Längs der vorderen
Furche müssen die von links kommenden, längs der hinteren Furche
die von rechts kommenden Faserzüge in die Tiefe treten. In secundärer Weise schieben sich die oberflächlichen Muskelmassen über
die Spaltenränder weg und verbinden die beiden Ventrikel der
Quere nach.
Die Musculatur der Vorhöfe und diejenige der Ventrikel haben
ursprünglich zusammengehangen. Die Trennung beider Musculaturen
und die Einschiebung eines bindegewebigen Zwischenstückes ist durch
die Einstülpung des Ohrkanales veranlasst worden, einen Vorgang,
welcher auch der Bildung der Atrioventricularklappen zu Grunde
liegt. Es stülpt sich bei der Bildung dieser Klappen nicht nur das
Endocardium ein, sondern die gesammte Herz wand, wobei der eingestülpte Muskelantheil anfangs sich verjüngt, späterhin aber fast
völlig verkümmert.
In Betreff der Vorhöfe ist für das Verständniss ausgebildeter
Zustände, abgesehen von den bekannten Verhältnissen der Scheidewandbildung, besonders die Beziehung zum Saccus reuniens von
Bedeutung. Die zum Herzen hintretenden Venen haben sich ursprünglich in einen gemeinsamen Behälter, den Saccus reuniens,
His, Menschl. Embryonen. III. 12
178 Das Herz.
ergossen, dessen nach dem Vorhof hinführende Oeflfnung frühzeitig
eine Verschiehung nach rechts erfahren hat. Dieser Saccus reuniens
verschmilzt aher weiterhin mit dem Herzen, seine linke Hälfte verwächst äusserlich mit ihm und erhält sich als scharf abgegrenzter
Wulst im Sinus coronarius, wogegen sich die rechte Hälfte in den
Vorhof tief hereindrängt und infolge davon, sowie infolge der Erweiterung der Oeffnung in diesem aufzugehen scheint. Die Verschmelzung heider Bildungen ist indessen keine absolute, äusserlich
charakterisirt sie sich durch eine wenig bemerkbar bleibende Furche,
innen ist das Gebiet des früheren Saccus reuniens durch die Valv.
Eustachi und durch die Taenia terminalis abgegrenzt; die Mm.
pectinati gehören nur dem primären Vorhof an und endigen in der
Taenia.
Historische Notizen betreffend die Lehre Ton der
Herzentwiclielung".
In vorzüglicher Weise hat schon Haller in seiner Schrift „Sur
la formation du coeur du Foulet" die fundamentalen Vorgänge der
Herzentwickelung geschildert: das Auftreten und die äusserliche
Umbildung der Hauptabtheilungen des Organes, die Schleifenform
seiner Anlage, die Kreuzung des arteriellen rechten mit dem venösen
linken Schleifenschenkel, das frühe Vorhandensein und das spätere
Schwinden des Canalis auricularis u. A. m. lieber die Bildung der
Scheidewände und der Klappen theilt Haller keine Beobachtungen
mit, er glaubt indessen constatiren zu können, dass der rechte
Ventrikel später entsteht als der linke.
Das frühe Auftreten eines Septum inferius hat v. Baer zuerst
erkannt, indessen verlegt er dasselbe in die Längsaxe des Ventrikels,
und es sollen dadurch zwei, nebeneinander herlaufende Gänge geschieden werden. '} — Die im Innern des Herzens ablaufenden Entwickelungsvorgänge hat unter den älteren Embryologen unseres
Jahrhunderts Eathke jedenfalls am tiefsten erforscht. 2) Derselbe
1) V. Baer, Entwickelungsgeschichte. II. 138.
2) Rathke, Entwickelungsgeschichte der Natter. S. 99, 100 und 162 u. f.,
sowie Taf. IV.
Historische Notizen betr. die Lehre von der Herzentwickelung. 179
schildert bereits das Auftreten der ersten Klappenanlagen am Ventrikeleingang, sowie die den Kanal einengenden, aus lockerem Gewebe gebildeten Längsleisten im Fretum. Das Septum atrioram
(superius) lässt er als einspringende halbmondförmige Falte der Wand
entstehen und das Septum ventriculorum (inferius) schildert er, in
Verbindung mit den Muskelbalken, als einen Strang, welcher unverzweigt von der Dorsalwand des Ventrikels gegen das Fretum sich
erstrecke. Aus der Ventrikelscheidewand soll dann weiterhin eine
Leiste gegen das Ostium atrioventriculare hinwachsen, dieses halbiren
und sich in der Folge mit dem oberen Vorhofsseptum verbinden,
bez. mit diesem das Foramen ovale umgrenzen. ^)
Bischoff -) , obwohl an Rathke sich anschliessend , ist doch
weniger eingehend als dieser. Ich finde indessen bei ihm die wichtige Bemerkung, dass die an der Convexität der Kammeranschwellung auftretende Scheidewand der äusserlich vorhandenen Theilung
entspricht. Mit halbmondförmig ausgeschnittenem Rande soll die
Ventrikelscheidewand sowohl gegen die Vorkammer als gegen den
Aorteneingang hinwachsen und deren Oeffnungen gleichfalls halbiren.
Sehr fördernd auf das allgemeine Interesse an der Herzentwickelung haben A. Ecker's Arbeiten gewirkt, insbesondere auch
vermittelst der unter seiner Leitung entstandenen Wachsmodelle. 3)
Von den 10 Nummern der ZiEGLER'schen Modellreihe erläutern drei
die Entstehung der Scheidewände. Nr. 7 zeigt das Septum ventriculorum; dasselbe setzt mit seinem vorderen Rande neben dem Conus
arteriosus, der äusseren Furche entsprechend, richtig ein ; hinten dagegen ist es, um die Halbirung des Ostium venosum zu erreichen,
nicht längs des Sulcus posterior weitergeleitet, sondern es läuft
nach links von diesem, inmitten jener Oeffnung aus. Das Modell 9
zeigt das Septum ventriculorum wie oben, nur reicht es jetzt mit
seinen Verlängerungen sowohl in den Aortenbulbus, als in den Vor
1) Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte. S. 248. Ausser den oben ausführlich behandelten Schriften kommen für Herzentwickelung noch in Betracht :
J. F. Meckel, Arch. f. Physiol. 1816, Allen Thomson in Froriep's Notizen.
1831. Nr. 639, das Lehrbuch von Valentin, sowie Prevost u. Lebert in Annales des Sciences nat. Zool. Serie HL Vol. 1,2 u. 3.
2) BiscHOEF, Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte. S. 248.
3) Ecker, Icones physiol. Taf . XXX und Text.
12*
180 Das Herz.
hof hinein. Dazu kommt ein ringförmiges Diaphragma auf der
Grenze von Vorhof und Ventrikel, von Ecker im Text der Icones
als Limbus bezeichnet. Im Modell erscheint der Limbus als scharfrandige Scheibe, während aus der Erklärung zu Eig. XXII hervorgeht, dass Ecker damit die gewulstete Masse im Auge hat, welche
den Canalis auricularis bis auf eine enge Spalte ausfüllt. — Modell 10
zeigt die Verhältnisse der Vorhofsscheidewand in einem ziemlich vorgerückten Stadium. Wie der Text zu Fig. 30 bemerkt, so hat sich
das Septum atriorum in Form einer Leiste auf dem oberen Rand
des Septum ventriculorum und an der Vorderwand des Vorhofes
erhoben, es bildet eine sichelförmige Falte mit einem der oberen
und einem der unteren Wand entlang laufenden Hörn. Die vollständige Trennung der Vorhöfe geschieht dadurch, dass von der
Einmündung der Cava inferior aus zwei Klappen in den Vorhof
hineinwachsen. Die rechte Klappe ist die Valvula Eustachi, die
linke wächst links vom Septum atriorum nach vorn und begegnet
diesem letzteren am Rande des Foramen ovale.
Aehnlich den zuletzt erwähnten Angaben über das Septum atriorum Ecker's sind die von J. Arnold, i) Dieser Beobachter hat seine
Untersuchungen an relativ weit vorgerückten Fötalstufen angestellt.
Er unterscheidet eine häutige und eine musculöse Anlage der Vorhofsscheidewand. Letztere besteht im Anfang des dritten Monats
aus einer niedrigen, auf dem Septum ventriculorum aufruhenden, an
der vorderen Vorhofswand befestigten Falte. Rechts und links von
der Vena cava trägt die Rückwand zwei zarte Klappen, von denen
die eine ins linke Atrium hereinragt. Gemeinsam mit der vorderen
Anlage umschliesst diese in der Folge das Foramen ovale.
Die bedeutendste Arbeit über Herzentwickelung nach Rathke
hat jedenfalls Lindes geliefert. Durch eine beobachtete Missbildung
angeregt, hat er an Hühnerembryonen die Entwickelungsgeschichte
des Herzens von frühen Stadien ab studirt, und er ist zu Ergebnissen gelangt, die ihn , wenigstens in Betreff der Ventrikelscheidung,
erheblich über seine Vorgänger hinaus geführt haben. Er unterscheidet drei unabhängig von einander auftretende Anlagen der Herzscheidewand: das Septum atriorum, das Septum ventriculorum und
1) ViECHOw's Archiv. Bd. 51. S. 220 u. f.
Historische Notizen betr. die Lehre von der Herzentwickelung. 181
das Septum trunci arteriosi; dazu kommen als vierte Anlage noch
die im Ohrkanal liegenden Atrioventrieularlippen hinzu. Mit grosser
Bestimmtheit lehrt Lindes, dass der Arterientruncus nur der rechten
Herzhälfte angehört, dass das Septum ventriculorum nicht völlig
sich schliesst, sondern dass in ihm eine Lücke bleibt, die zum
Ostium Aortae wird. Dabei zeigt er, dass die Trennung der beiden
Herzhälften durch das Septum trunci arteriosi vervollständigt wird,
das mit dem Septum ventriculorum verwächst und als Septum
membranaceum in den Herzraum hereinreicht.
Die Arbeit von Lindes wird zwar im KEPERSTEiN'schen Jahresbericht von 1866 ^), sowie auch bei Bernats -) und in Kölliker's
Entwickelungsgeschichte genannt, aber an keiner der genannten
Stellen findet sich ein Wort über ihre Ergebnisse mitgetheilt. BalFOUR kennt dieselbe gar nicht, und auch in der ausführlichen Embryologie von Allen Thomson, in der 9. Auflage von Quain-Sharpey's Anatomie wird ihrer nicht erwähnt. Ich selbst habe die Arbeit
von Lindes gleich der in der embryologischen Literatur bis jetzt
unberücksichtigt gebliebenen Arbeit von Rokitansky erst nach Abschluss meiner Untersuchungen kennen gelernt. Ich hatte bis dahin
geglaubt, die Betheiligung des Septum aorticum an der Bildnng der
Herzscheidewand und seine Beziehung zur Pars membranacea septi
und zur TJeberleitung der Aorta zuerst entdeckt zu haben, da der
Fund von Lindes in keiner der embryologischen Fachschriften Erwähnung gefunden hatte.
An Lindes hat sich Rokitansky in seinem Prachtwerke über
die Defecte der Herzscheidewände in allen Theilen angeschlossen,
auf Grund eigener, am Hühnchen angestellter Untersuchungen.
Rokitansky fasst seine Ansicht dahin zusammen, dass Vorhofsund Ventrikelscheidewand als zwei sichelförmige Falten entstehen,
die annähernd in einer Ebene liegen. Beide Sicheln inseriren sich
an die Atrioventrieularlippen. Durch die Verwachsung der letzteren
untereinander und durch ihre Verbindung mit der anstossenden Vorhofssichel entsteht die obere Scheidewand mit ihrem natürlichen, erst
später sich schliessenden Defeot. Durch die Verwachsung mit der
1) Zeitschr. f. rationelle Medicin. IH. 30.
2) Morpholog. Jahrbücher. IL 478.
182 Das Herz.
im Ventrikel liegenden Sichel bildet sich die Ventrikelscheidewand,
deren Oeffnung als Aortenzugang persistirt.
Die älteren Embryologen hatten an der primären Herzanlage
den Gegensatz von Muskel- und von Endothelrohr nicht gekannt.
Nachdem 1867 und 1868 durch Hensen und durch mich das Innenrohr aufgefunden worden war und nachdem ich für das Hühnchen
dessen Bedeutung eingehend erörtert hatte, knüpfte F. Schmidt an
den neugewonnenen Standpunkt an und veröffentlichte eine sorgfältige Untersuchung über die Vorgänge der Herzentwickelung, die
zahlreiche und wichtige Ergebnisse geliefert hat. ') Schmidt, dessen
dänisch publicirte Arbeit durch ein ausführliches Referat von PaNUM auch deutschen Lesern zugänglich geworden ist, giebt zunächst
eine sorgfältige Darstellung von der Einmündung der Venenstämme
in das Herz. Er kennt die Vereinigung der beiden Venae cavae superiores zu einem gemeinsamen Behälter (meinem Saccus reuniens).
Er constatirt, dass die Einmündung aller drei Venenstämme im
rechten Vorhof von einer einfachen Klappe (seiner Valv. decrescens)
eingefasst ist, von der er annimmt, dass sie auch die Anlage der
V. Thebesii mit umfasst. F. Schmidt hat zuerst die ursprünglich
einfache Einmündung der Lungenvenen gesehen und deren spätere
Scheidung in zwei und weiterhin in vier Stämme verfolgt. Aehnlich
wie Ecker lässt Schmidt die Venenmündung im rechten Vorhof
von zwei Klappen eingefasst sein, wovon die rechte die Valv. decrescens ist, die linke zur Scheidewand verwendet wird. Beide Klappen vereinigen sich sowohl an ihrem oberen, als an ihrem unteren
Ende zu einem nach vorn gerichteten gemeinsamen Sporn (vergleichbar den Frena der Valv. ileocoecalis). Dadurch entstehen die ersten
Anlagen des Septum cordis.
Sowohl im Aortentruncus als im Ohrkanal beschreibt Schmidt
die von Rathke zuerst gesehenen, von späteren Autoren bis auf
Lindes vernachlässigten weichen Gewebsleisten, welche an dem einen
wie am anderen Orte die Stromlichtung zu einer spaltförmigen gestalten. Er zeigt dann, wie im Aortentruncus die Trennung der
Bahnen von oben nach abwärts fortschreitet, indem die sich gegen
1) Bidrag tu Kundshaben om Hjertets Udviklingshistorie. Nordiskt Mediciniskt Arkiv. Vol. II. No. 23. 1870. Das deutsche Referat von Panum steht
im Jahresbericht von Vibchow-Hirsch für das Jahr J 870. Bd. I. S. 65.
Historische Notizen betr. die Lehre von der Herzentwickelung. 183
Überliegenden Längsleisten verwachsen. Dann schildert er, wie
durch Ausglätten der weichen „Endothelkissen" die anfangs dreistrahlige Lichtung der Röhren cylindrisch wird, und wie schliesslich
die Semilunarklappen aus den ausgeglätteten Endothelkissen hervorgehen. In derselben Weise, wie die Trennung der beiden Arterienröhren, erklärt Schmidt auch die Scheidung der Vorhofsostien. Ja
er geht noch weiter, indem er an jedem Punkte des Herzrohres
eine von Endothelkissen eingefasste flache Lichtung voraussetzt und
so die Scheidewandbildung aller drei Herzabtheilungen als einen
einheitlichen, durch Verwachsung der sich begegnenden „Grundleisten" vermittelten Vorgang auffasst. Von der Einmündungsstelle
des Hohladerstammes sollen die beiden Grundleisten bis an das
Theilungsende des Truncus aortae reichen, indem sie spiralig durch
das gekrümmte Rohr sich erstrecken. ')
Schmidt's Untersuchungen, soweit sie jüngere Stadien betreffen,
beziehen sich auf Hühnerembryonen. Menschliche Embryonen hat
er nicht jünger als von 7 — 8 Wochen benützen können und auch
seine Säugethierembryonen scheinen derselben Stufe entsprochen
zu haben. Zu der Zeit ist aber die Ventrikelscheidewand schon
vollständig geschlossen und so erklärt sich auch, wie gerade die
Angaben über deren Bildung bei Schmidt einen so hypothetischen
Charakter tragen. Seine Mittheilungen dagegen über das Verhalten
der ins Herz einmündenden Venen und vor allem seine Darstellung
von den Vorgängen im Aortentruncus bezeichnen einen bedeutsamen
Fortschritt unserer Kenntnisse.
Speciell über die Atrioventricularklappen hat 1876 Bernays
eine Arbeit veröffentlicht. -) Das Material bildeten menschliche Embryonen von der achten Woche ab, sowie Säugethierembryonen von
12 — 16 mm Länge. Sein Hauptergebniss fasst Bernays dahin zusammen, dass die Atrioventricularklappen in ihrer ersten Anlage
halbmondförmige, rein endocardiale Vorsprünge sind, welche sich
nur secundär mit dem musculösen Balkennetz der Kammerwand
verbinden und hierauf in dem Maasse verkümmern, als der aus
der letzteren differenzirte, bleibende Klappenapparat sich ausbildet.
1) Hierzu vergleiclie man Fig. 11 von Schmidt's Tafel.
2) Morphol. Jahrbücher. Bd. II. S. 478.
184 Das Herz.
Abgesehen von dem verdickten Wulst am freien Rande nämlich besteht der ganze Klappenapparat eine Zeit lang aus Muskelgewebe und
erst später wird dieser musculöse Klappenapparat sehnig, mit Ausnahme der Papillarmuskeln. Die Angabe von der ursprünglich rein
bindegewebigen (endocardialen) Natur der Klappen bezieht sich auf
Thierembryonen, die, nach dem mitgetheilten Schnitt (1. c. Fig. 1) zu
schliessen, etwa auf der Stufe von Fig. 15 Taf. X sich befunden haben.
Dabei ist hervorzuheben, dass die, übrigens ziemlich schematisirte
Figur wenigstens auf der einen (rechten) Seite breite Yerbindungen
der Muskelbalken mit der Unterfläche der Klappen zeigt.
Gegen Schmidt tritt Bernays in einer meines Erachtens ungerecht absprechenden Weise auf. Schmidt geht bei seiner Arbeit
aus von der Unterscheidung zwischen dem Muskel- und dem Endothelrohr des Herzens und von der im Ohrkanal constatirten Existenz eines weichen, zwischen beide Wandbestandtheile eingelagerten
Gewebspolsters. Letzteres lässt er vom Ventrikel her durch den
Druck der Flüssigkeit comprimirt und ausgeglättet werden, wobei
die Muskelbälkchen mit den durch Verdichtung des weichen Gewebes
entstehenden Klappensegeln in Verbindung bleiben. Schmidt's Voraussetzungen nennt Bernays Hypothesen und unbestätigte Angaben,
ein Vorwurf, der nur aus einer Unkenntniss der früheren Entwickelungsstufen des Herzens erklärbar erscheint. Für die peripherischen Abschnitte der Atrioventricularklappen ist Schmidt's Darstellung jedenfalls sehr viel correcter, als diejenige von Bernays,
denn jene zeigen vermöge ihrer Entstehungsweise schon in der
frühesten Zeit ihres Auftretens einen Zusammenhang mit den Bälkchen der Ventrikelwand.
Die Aortenl)02:en.
Aus dem Truncus Aortae, d. h. also aus dem früheren Endabschnitt des Herzschlauches entwickeln sich die Aorta ascendens
und der Truncus pulmonalis, soweit als diese Gefässstämme
späterhin vom Herzbeutel umschlossen sind, die Aorta somit bis in
die Nähe der abgehenden A. anonyma, der Truncus pulmonalis bis
zu seiner Theilungsstelle. Die Trennung der beiden Blutbahnen
schreitet, wie wir im vorigen Abschnitte gesehen haben, von oben
nach abwärts vor und sie ist schon auf den Stufen S 1 und Rg, d. h.
also bei Embryonen vom Beginn des zweiten Monats eingeleitet, bei
Seh mit 5 Wochen vollzogen.
Das obere Ende des Aortentruncus inserirt sich, seiner Entstehung gemäss, in die Vorderwand des Mundrachenraumes, und
zwar liegt bei den jüngsten Stufen von Lg und Rf der Insertionsort
im einspringenden Winkel unter der Yerbindungsstelle der beiden
Unterkieferbogen, zur Hälfte noch in deren Bereich, zur Hälfte
in demjenigen des zweiten Bogenpaares. (Man vergleiche ausser der
nachstehenden Eig. 119 die Figuren 1, 2, 6, 7 und 8 von Taf. IX.)
In dieser Zeit setzt sich der Endothelschlauch des Truncus jederseits in zwei Bogengefässe fort, die nach ihrem Abgang vom Hauptrohr, nur wenig von einander divergirend, den Vorderdarm umgreifen
und dann in zwei Aortae descendentes sich fortsetzen.
1) Den Ausdruck Truncus pulmonalis brauche ich im Gegensatz
zu den Aa. pulmonales für das aus dem Aortenbulbus hervorgehende Anfangsstück des Stammes. Truncus anterior könnte man es auch im Gegensatz
zur Aorta ascendens nennen.
186
Die Aortenbogen.
x-^-'X
Die Zahl der Aortenbogen nimmt rasch zu imd schon auf den
Stufen von M (Taf. VII Fig. 4) und von BB (Taf. IX Fig. 10) sind
deren jederseits fünf vorhanden. Die fünf
Gefässbahnen sind eine Zeit lang gleichzeitig offen, die unteren Bogen anfangs
schwächer als die oberen. Schon bei M
und bei BB ist die Insertion des Truncus
sichtlich heruntergerückt: ein aufsteigender Stamm, die spätere Carotis externa,
tritt an das frühere Insertionsgebiet zwischen Unterkiefer und zweitem Schlundbogen, ein absteigender giebt den dritten,
vierten und fünften Gefässbogen ab (Taf. IX
Fig. 1 und 1 4). Der Insertionspunkt des
Endothelrohres liegt in der Höhe zwischen
zweitem und drittem Schlundbogen. Hinsichtlich der Stromrichtung liegen der
zweite und dritte Gefässbogen am günstigsten, dann folgt der erste und am ungünstigsten sind zu der Zeit der vierte und
fünfte gestellt.
Die ersten vier Gefässbogen befinden sich in der Seitenwand
des Hinterkopfes und verlaufen eine Strecke weit innerhalb der
nach aussen sowohl, als nach innen
wulstig sich vortreibenden Schlundbogen. Der fünfte Gefässbogen dagegen liegt viel weiter medialwärts,
als die vier oberen; er fällt bereits
in den oberen Rumpfbereich und
geht durch das auf Seite 64 als
Crista terminalis bezeichnete Gebilde, das seiner Lage nach der
späteren Cart. arytaenoidea entspricht.
Ziemlich früh entwickeln sich,
von den fünften Bogen ausgehend, zwei zur Lungenanlage herabsteigende Stämmchen, die Aa. pulmonales dextra und sinistra.
Fig. 119.
Vorderansicht vom Embryo Lg.
Constr. Vergr. 40.
Vom Herzen ist nur der Eiidothelsclilauch dargestellt. Die Insertion
des Muskelschlauches zeichnet sich
als Kreis unterhalb der Mundöffnung. Die Aorten sind so dargestellt, als ob die davorliegende
Substanz durchsichtig wäre.
Fi fr. 120.
Gefässbogen vom Embryo R.
Die Aortenboffen.
187
Ihre ersten Anfänge finde ich schon hei Emhryo Lr, und sehr deutlich zeigen sich die zwei Stämmchen hei den Emhryonen Bl, R u. ff.
Ferner tritt vom ohersten Gefässhogen aus ein Zweig gegen die
Basis des Zwischenhirns und gegen das Auge, als ohere Anlage der
Carotis interna und der A. ophthalmica (Taf. IX Fig. 14.)
Mit dem Eintritt der Nackenkrümmung schliesst sich das Verbindungsstück des ersten und hald darauf auch dasjenige des zweiten
Aortenbogens. Als Beispiel für die Anfangsstufe dieser Veränderung
gebe ich in Fig. 121 das Aortensystem vom Embryo Bl: der zweite,
dritte, vierte und fünfte Bogen sind mit der Aorta descendens ver
Flgr. 121.
Aortensystem vom Embryo Bl. Constr. Vergr. .S6. Die Ziffern /—F bezeichnen die
Ordnungsnummern der Gefässbogen, C. i Carotis interna, /• Art. pulmo nalis, 7i Kehlkopf, Lg Lungenanlage, Oe Oesophagus, Uk Unterkiefer, Zg Znnge, Sd Schilddrüse.
bunden; letztere setzt sich nach oben hin in die Carotis interna
fort, welche ihrerseits bis zum Auge verfolgbar ist. Als vorderer Kest
des ersten Bogens aber ist ein Ast vorhanden, der von unten her
zunächst in den Unterkiefer eintritt und der weiterhin auch dem
Oberkiefer Zweige abgiebt. Dieser Ast kann zunächst als A. m axillaris communis bezeichnet werden. Vom Anfangstheil des zweiten Bogens geht ein nach vorn gerichteter Zweig ab, welcher gegen
den Mundhöhlenboden hinläuft, und den ich für die A. lingualis
halte. ')
Es ist unschwer zu verstehen, weshalb der erste Gefässbogen
1) Man vergleiche das Heft I S. SO u. if. hierüber Gesagte.
188
Die Aortenbogen.
nach Eintritt der Nackenkrümmung sich scMiessen muss. Mit letzterer complicirt sich, wie dies a. a. 0. gezeigt worden ist (S. 56),
eine Emportreibung des Unterkiefers, in Folge deren er winkelig
gegen den Oberkiefer herangedrängt wird. Ist schon dies Moment
störend für eine ungehemmte Weiterführung des Blutstromes, so
kommt noch als ein weiteres hinzu, dass mit der Vornüberlagerung
des Kopfes der Aortentruncus und die Carotis externa einander entgegengesetzte Eichtungen bekommen. Dies letzte Verhalten wirkt
Fig. 122.
Aortensystein vom Emtryo Pr. Bezeichnungen wie oben. C. W Cii'culus Willisii,
K A. vertebralis, 1 — 5 die oberen Halswirbel. Die Höhlung des Eingeweiderohres
ist punktirt angegeben. Vergr. is.
ZU Ungunsten der Circulation auch im zweiten Gefässbogen und ist
wohl ein Hauptmotiv für dessen Verkümmerung.
Auf der Stufe, da noch drei Gefässbogen durchgängig und mit
der Aorta descendens verbunden sind, befinden sich die auf Taf. VII
AI u. B 1 abgebildeten Embryonen, sowie Embryo Pr, dessen Aortensystem ich beistehend reproducire. Ausser der A. lingualis geht
hier von der Wurzel des zweiten Bogen ein Aestchen ab, das die
Eichtung des früheren Schlussstückes einschlägt, ohne jedoch mit
der Carotis interna sich zu verbinden. Da dies Gefäss der Eachenwand dicht entlang läuft, so scheint mir dasselbe als A. pharyngea
ascendens gedeutet werden zu sollen.
Die Aortenbogen. 189
Nach obiger Darstellung würden aus dem zweiten Aortenbogen
die A, lingualis und die A. pharyngea ascendens hervorgehen , während aus dem Wurzelstück des ersten Bogens ein Stämmchen sich
entwickelt, welches in das Kiefergebiet eintritt. Ich habe dies oben
als Maxillaris communis bezeichnet, weil aus ihm, soweit ich die
Sache übersehe, die Aa. maxill. externa, maxill. interna und A. temporalis hervorgehen. Die A. occipitalis und die auricularis poster.
glaube ich dem ursprünglich zweiten Bogengebiet zuweisen zu sollen.
Die Auricularis nämlich, deren einer Endast hinter das Ohr, deren
anderer als A. stylomastoidea in den Facialiskanal tritt, versorgt ein
durchweg dem zweiten Schlundbogen angehöriges Territorium. Wenn
aber die Auricularis dem zweiten Gefässbogen entstammt, so muss
dasselbe von der unter ihr entspringenden A. occipitalis gelten.
Ueber das Auftreten der A. thyreoidea super, besitze ich keine
directen Erfahrungen, indessen bietet gerade dies Gefäss dem Verständniss wenig Schwierigkeiten, denn da das Mittelstück der Schilddrüsenanlage von Anfang ab zwischen den beiden Carotiden gelegen
ist, so kann sich, sei es von der Carotis externa, sei es vom Ende
der Carotis communis aus, leicht ein Zweig entwickeln, der auf
kürzestem Weg an dasselbe herantritt. Die vom vierten Bogengebiet
ausgehende untere Schilddrüsenarterie ist ursprünglich für die tiefer
entstehenden Seitenanlagen der Drüse bestimmt, und dieser Beziehung
entspricht ja auch das bleibende Yerhalten der Gefässe, wonach die
obere Arterie dem medialen, die untere dem lateralen Theil der
Drüse sich zuwendet.
Schon bei Embryo Bl und noch mehr bei Pr ergiebt sich eine
weitere Herabschiebung der Aorteninsertion : das Ende des gemeinsamen Truncus gelangt nunmehr in die Höhe des dritten Schlundbogenpaares, nahe vor das obere Ende der Kehlkopf höhle (dasselbe
gilt auch für die Embryonen A und B von Taf. VII). Eine Eolge
dieser Verschiebung ist die, dass die Zweigvertheilung zwischen dem
auf- und dem absteigenden Hauptast des Aortentruncus eine andere
wird. Bei Bl umfasst der aufsteigende Ast die Gebiete der Bogen
I, II und HI, d. h. das Gesammtgebiet der spateren A. carotis
communis; der absteigende Ast speist nur noch IV und V. Bei
Pr dagegen ist die Insertion des Truncus bis unter den vierten Bogen
herabgerückt; dem aufsteigenden Ast gehören jetzt die Gebiete I— IV
190
Die Aortenbogen.
an, d. h. rechts das Gesammtgebiet der A. anonyma, links dasjenige
des Arcus Aortae ; dem absteigenden Ast gehört nur noch der Bogen V
und die von diesem sich abzweigende A. pulmonahs.
Fig. 123.
Aortensystem vom Embryo S 1. Vergr. 18.
Von diesem zuletzt betrachteten Zeitpunkt ab entwickelt sich
die Scheidung der beiden Strombahnen des Aortentruncus. Indem
das Septum vom Insertionsende aus gegen das Herz hin vorrückt,
Fig. 124.
Aortensystem vom Embryo Kg. Constr. Vergr. 18. Bezeichnungen wie oben.
R. T KATHKE'sche Tasche, Ul- Unterkiefer, Zg Zunge, A.v Art. vertebralis.
trennt dasselbe die Bahn, die mit dem linken Herzen, von der, die
mit dem rechten zusammenhängt. An der Insertionsstelle des Truncus
liegt jene Bahn höher als diese, und so ergiebt sich naturgemäss,
dass sie in den Eamus ascendens, die andere aber in den Ramus
Die Aortenbogen.
191
descendens sich fortsetzt. Die Aorta ascendens speist auf die Weise
die vier oberen Bogensysteme, der Truncus pulmonalis dagegen nur
das fünfte. Für die definitive Zutheilung der Gefässe zu der einen
oder zur anderen Hauptbahn ist es demnach von entscheidender Bedeutung, dass die Trennung des Truncus aorticus durch das Septum
erst von dem Moment an beginnt, da seine Insertionsstelle zwischen die Abgangsstelle vom vierten und fünften Bogen herabgerückt ist. 1) Wäre die Trennung früher eingetreten, z. B. auf der
Stufe Bl, so würde der Truncus pulmonalis auch die vierten Bogen,
oder noch früher bei BB die dritten Bogen mit gespeist haben, ja
bei Lg, wo nur der erste Bogen Ramus ascendens, der zweite schon
Fig. 125.
Aortensystem von Seh. Constr. Vergr. 3u. Ch Chorda, Zg Zunge, Kk Kehlkopf,
Sd Schilddrüse, Tr Trachea, Oe Oesophagus, / — V Ordnungsziftern der Aortenhogen, /5. c Art. subclavia, /" A. pulmonalis, 7 A. vertebralis.
Ramus descendens ist, wäre demselben sogar das Gebiet des zweiten
Bogens mit zugefallen.
Auch nach Trennung der beiden Truncusbahnen bleibt die Insertionsstelle nicht stehen, sondern sie schiebt sich immer weiter
herab, bis sie dann schliesslich unterhalb der Bifurcationsstelle der
Trachea ihre bleibende Stätte erreicht. Bei Kg (Fig. 124) liegt sie
schon vor der unteren Hälfte des Kehlkopfes, bei S 1 (Fig. 123) unter
1) Ich kann nicht umhin, hier nochmals darauf hinzuweisen, wie unrichtig die Vorstellungen sind, welche durch die in den Lehrbüchern üblichen
Bogenschemata begründet werden. Eine Aorta ascendens, welche sich erst
spaltet und dann jederseits fünf Bogen entsendet, giebt es zu keiner Periode
der Entwickelung (Heft I S. 82).
192 Die Aortenbogen.
halb des Kehlkopfgebietes, und noch weiter unten liegt sie bei Seh
(Fig. 125). Zugleich rücken der vierte und der fünfte Bogen tiefer
herab. Beide treten anfangs neben der oberen Kehlkopfhälfte vorbei, verlassen aber weiterhin das Gebiet des Kehlkopfes, um sich
der Trachea entlang in tiefere Regionen zu senken. Dabei wird
auch der unter dem fünften Bogen vorbeitretende N. laryngeus inferior mitgenommen und allmählich zum N. recurrens gemacht.
Schon bei Embryo Seh ist der N. laryngeus inferior rückläufig (S. 89
Fig. 62) und tritt links dicht unter dem fünften, rechts unter dem
vierten Bogen vorbei.
Beim Herabsteigen der Aorteninsertion und der unteren Gefässbogen verlängert sich naturgemäss auch mehr und mehr die Carotis communis, die, wie wir oben sahen, als ein anfangs kurzer
gemeinsamer Ast der drei oberen Paare bestanden hatte (Fig. 121).
Des Zusammenhanges halber habe ich einige allgemeine Verhältnisse vorweg behandelt und ich komme nun auf die Einzelnheiten zurück, zunächst auf das Verhalten der Carotis interna,
bez. ihres Anfangstheiles : der dritte Gefässbogen tritt bei Pr in
einem S-förmig geschwungenen Verlauf nach der Aorta descendens
hin, und er hängt nach aufwärts mit der Carotis interna, nach abwärts
durch die Aorta descendens mit den beiden unteren Gefässbogen
zusammen. Erstere Verbindung geschieht unter spitzem, letztere
unter stumpfem Winkel. Dabei ist aber der Strom voraussichtlich
ein vorwiegend nach oben, in der Richtung der Carotis interna hin
gerichteter. Von der Mitte der fünften Woche ab wird die hintere
Verbindung zwischen dem dritten und dem vierten Bogen unterbrochen, und von da ab ist der dritte Bogen einfach zur Wurzel
der Carotis interna geworden. Bei S 1 (Fig. 1 24) hat er noch die
mit dem vierten Bogen parallele Richtung und er biegt unter
spitzem Winkel in den der hinteren Pharynxwand entlang laufenden
Gefässstamm um. Allein je weiter die Truncusinsertion herabrückt,
um so steiler richtet sich auch das Wurzelstück der Carotis auf
und um so mehr nimmt dessen Uebergang in den retro-pharyngealen
Theil die Gestalt eines sanftgeschwungenen Bogens an (Fig. 125). —
1) Ueber die constanten Beziehungen des N. recurrens vagi zu den Aortenbogen vergleiche man den Aufsatz von A. Brenner im Archiv für Anat. und
Physiol., anat. Abtli. 1883. S. 373.
Die Aortenbogen. 193
Die Carotis interna besteht obiger Darlegung zufolge aus drei genetisch diflferenten Strecken. Das Endstück entsteht als selbständiges Astgebiet über dem obersten Aortenbogen und ist eine anfängliche Dependenz von diesem. Das Mittelstück entwickelt sich
nach dem Eingehen der ersten zwei Aortenbogen aus dem oberen
Ende der Aorta descendens, wobei die früher absteigende Stromrichtung zu einer aufsteigenden wird. Das Wurzelstück der
Carotis interna entsteht in der eben betrachteten Weise aus dem
dritten Aortenbogen.
Arteriae vertebrales und A. basilaris. Schon bei der
Beschreibung der Embryonen A und B im ersten Hefte habe ich
(I. S. 81) zweier Längsgefässe gedacht, welche der vorderen Hirnkante folgen und von denen ich damals vermuthete, dass sie die
Kopfstücke der Aa. vertebrales seien. Die Yermuthung ist richtig
gewesen, und ich finde die betreffenden Cefässe sogar schon bei den
Embryonen K und Bl. Sie sind hier, im Vergleich zur Carotis interna, noch schwach und nicht bis zur Verbindung mit der letzteren
nachzuweisen. Auch laufen die Stämmchen zu der Zeit ihrer ganzen
Länge nach neben einander, ohne zu einer unpaaren A. basilaris sich
zu verbinden. Nach rückwärts sind sie bis zur Schädelgrenze verfolgbar und biegen hier in starkem Winkel lateralwärts um.
Bei Embryo Pr ist durch das theilweise Zusammentreffen der
Aa. vertebrales eine kräftige Basilararterie entstanden; die vorderen
Endäste derselben gehen in die Enden der Carotis über und so
kommt es zur Bildung eines Circulus Willish (Fig. 122).
Weit später als die Entwickelung des Kopfstückes erfolgt für
die Aa. vertebrales die Entstehung eines zusammenhängenden Halstheiles. Bevor ein solcher zu Stande kommt, ist am Hals-, gleich
wie am Brust- und Bauchtheil des Körpers eine Reihenfolge von
Intervertebralgefässen vorhanden, welche die Wirbelanlagen einzeln
umgreifen und bis zum Eückenmark vordringen. Die obersten von
diesen Intervertebralgefässen hängen mit dem Anfangstheil der A.
vertebralis cephalica zusammen. Der Stamm der A. vertebralis cervicalis entsteht dadurch, dass die Intervertebralarterien unter einander zu einer neben den Halswirbeln gelegenen
Anastomosenkette zusammenfliessen und dass, unter Verkümmerung
der oberen Zuflüsse, ein unterer allein übrig bleibt. Ich vermag
His, Mensclil. Embryonen. III. 13
194 Die Aortenbogen.
erst von der Stufe vom Embryo S 1 an eine zusammenliängende
A. vertebralis cervicalis nachzuweisen. Dieselbe tritt, gegenüber von
der Einmündungsstelle des fünften Bogens, aus der Aorta descendens
hervor und sie erreicht die Wirbelsäule am sechsten Halswirbel.
Unterhalb dieser Stelle folgt eine Kette von Intervertebralgefässen,
die späterhin zu den Aa. intercostales werden.
Da, wo der Stamm der A. vertebralis an den Nerven wurzeln
des Plexus brachialis vorbeiläuft, zweigt sich ein Gefäss ab, welches
diesen begleitet, und das somit als der erste Anfang einer Extremitätenarterie sich darstellt. Wenn ich diese als A. subclavia
bezeichne, so geschieht es mit dem Vorbehalt, dass die Bezeichnung zuviel besagt, da das Stämmchen entschieden nicht das ganze
spätere Subclaviagebiet deckt. Mit der Bezeichnung A. axillaris würde
zu wenig gesagt sein.
Rückbildung der Aorta descendens dextra. Schon
bei jüngeren Embryonen finde ich die beiden Aortae descendentes
von ungleichem Caliber, die linke stärker denn die rechte, und
zwar tritt das Ueberwiegen des linken Stammes unterhalb der Einmündung des vierten Bogens ein. Ich vermisse auf den Stufen
von M, BB, Lr, a, R und Bl bei keinem der Embryonen einen
Unterschied der beiderseitigen Stämme; allein es ist derselbe nicht
bei allen gleich ausgesprochen. Während bei M, bei Lr und bei Bl
das Verhältniss der Durchmesser stellenweise wie 2 : 1 ist, sind bei
anderen, wie bei BB und bei a, die Gegensätze viel geringer. Als
Grund des einseitigen Ueberwiegens sehe ich die schräge Insertion
des Aortentruncus an, vermöge deren der Blutstrom an die linksseitigen unteren Bogen unter einem günstigeren Winkel herantritt,
als an die rechtsseitigen. ')
Auffallenderweise tritt ein Zeitpunkt ein, während dessen der
Unterschied der rechten und linken Aorta nahezu verwischt erscheint.
Sowohl bei den Embryonen A und B, als bei Pr ist eine Differenz
beider Stämme nicht in die Augen fallend. Immerhin ist mir unwahrscheinlich, dass eine solche ganz und gar geschwunden sei.
Zu genaueren Messungen behufs einer genauen Entscheidung der
Frage eignen sich meine Schnitte deshalb nicht, weil im betreffen
1) Heft I. S. 123.
Die Aortenbogen.
195
den Abschnitt die Aorten sehr schräg oder sogar longitudinal getroffen sind.
Mag dem sein wie ihm will, es tritt jedenfalls im weiteren
Verlauf der Entwickelung der Unterschied beider Aorten wieder sehr
auffallend hervor , so bei Kg und noch mehr
bei St. Schon auf der Stufe von Seh, also
beim 5 wöchentlichen Embryo, ist der fünfte
Bogen der rechten Seite und zugleich damit
auch das Verbindungsstück der Aorta descendens dextra eingegangen. Der vierte rechte
Bogen läuft nunmehr in die A. vertebralis
und subclavia aus.
Abgesehen von den relativen Grössenverhältnissen der einzelnen Stämme sind
jetzt die Verhältnisse der Hauptäste so, wie sie bis zur Geburt
bleibend sich erhalten. Der aus dem linken Herzen kommende
Aortensystem vom Embryo E.g.
Frontal.
Fig. 137.
Aortensystem vom Embryo S 1. Vergr. 24.
Fig. 128.
Aortensystem vom Embryo Soli. Vergr. 30.
Truncus Aortae oder die spätere Aorta ascendens spaltet sich
in eine rechte und eine linke Hälfte (je einen Eamus ascendens der
Darstellung von S. 189); erstere, weit schwächer denn letztere, ist
die spätere A. anonyma, von welcher das gemeinsame Wurzelstück
von den Bogen 3, 2 und 1 als Carotis communis abgeht, nebst
dem vierten Bogen oder der nunmehrigen A. subclavia. Der
linke Hauptast des Aortentruncus bildet den Arcus Aortae, der so
13*
196
Die Aortenbogen.
mit der A. anonyma gleichwerthig ist. Davon spaltet sicli wiederum
die Carotis communis und su]3clavia sinistra ab, während an der
concaven Seite der fünfte Bogen oder Ductus Botalli in ihn einmündet. Der Truncus pulmonalis hatte sich noch auf der
Stufe von Rg in zwei Aeste gespalten, von denen jeder eine A. pulmonalis abgegeben hatte. Nachdem das rechtsseitige Verbindungsstück zur Aorta descendens geschwunden ist, bleibt die rechte A.
pulmonalis als Rest dieser Seite übrig. Während somit beim Truncus Aortae der primitive Theilungswinkel zwischen A. anonyma und
Arcus Aortae liegt, fällt derselbe beim Truncus pulmonalis zwischen
die rechte Pulmonalarterie und den Ductus Botalli, es ist daher
unrichtig, wenn die üblichen Schemata die rechte Pulmonalis vom
linken fünften Bogen ableiten. ')
Im Gegensatz zu manchen Lehrbuchdarstellungen mag hier betont werden, dass die aus dem Arcus Aortae entspringenden grossen
Stämme auch beim Erwachsenen stets
die verlängerte Richtung der Aorta
ascendens innehalten und demgemäss
auch niemals rechtwinkelig zum Bogen
stehen.
Die Strecke der Aorta zwischen
der abgehenden Subclavia sinistra und
der Insertion des Ductus Botalli ist
beim Fötus enger, als die Strecke
unterhalb der letzteren. Reste dieser
Differenz erhalten sich, wie ich aus
der Vergleichung zahlreicher injicirter
Stücke ersehe, beim Erwachsenen in
einer sehr merklichen Weise. Injectionspräparate der Aorta zeigen,
jenseits vom Abgang der A. subclavia, eine oft nicht unerhebliche
Verjüngung, auf welche beim Uebergang in die Aorta descendens eine
spindelförmige Auftreibung folgt. Ich bezeichne die beiden Strecken
als Aortenenge und Aortenspindel. Auf der Grenze beider hat
das Rohr an seiner Concavität meistens eine ausgeprägte Einknickung.
Fig. 129.
Aortenliogen eines Ei-waclisenen mit
Aortenspindel.
1) So neuerdings bei Gegenbaük, Lehrbuch der Anatomie. S. 640.
Die Aortenbogen. 197
Letztere scheint bereits von Henle und von Luschka beaclitet worden zu sein. Henle sagt nämlich in seiner Gefässlehre (L Aufl.
S. 79), dass die Insertion des Ductus arteriosus zuweilen einer merklichen Einschnürung entspricht, und bei Luschka (Lehrbuch der
topogr. Anat., Brust, S. 429) wird ausdrücklich hervorgehoben, dass
das Aortenrohr zwischen dem Abgang der A. subclavia sinistra und
der Insertion des Ligam. arteriosum etwas enger als im übrigen
Verlauf, „ja bisweilen sogar merklich eingeschnürt" ist. Hinweise
auf die spindelförmige Anschwellung der Aorta geben die genannten
Autoren nicht, wie ich deren auch in der sonstigen gangbaren Literatur keine vorgefunden habe.
Nach den an 15 injicirten und getrockneten Präparaten angestellten Messungen beträgt der mittlere Durchmesser beim erwachsenen Menschen:
für die Aorta ascendens unmittelbar unter
dem Truncus anonymus 29.6 mm
für die Aortenenge 22.4 ==
für die Aortenspindel 25.4 =>
für die Aorta descendens jenseits der Spindel 22.3 *
Die mittlere Caliberdifferenz zwischen Aortenenge und Aortenspindel
beträgt sonach 3 mm. Als Maximum dieser Differenz habe ich 5 mm,
als Minimum 1 mm gefunden, letzteres nur zweimal unter den
15 Fällen.
Gleich der absoluten und relativen Mächtigkeit wechseln die
Längen von Aortenenge und Aortenspindel je nach den Individuen.
Beide Bildungen sind auch am feuchten, nicht injicirten Kohr zu
erkennen; sie unterscheiden sich hier nicht allein durch das verschiedene Caliber, sondern überdies durch erhebhch verschiedene
Wanddicke. Schneidet man das Rohr an seiner concaven Seite
auf, so findet man ganz unerwartet grosse Differenzen in nahe beisammenliegenden Strecken; so finde ich z. B. an einem Präparat
mit Hülfe eines mikrometrischen Messapparates:
für die Aorta ascendens 1.621 mm Wanddicke
für die Aortenenge 0.562 == =»
für die Aortenspindel 1.371 == =»
Der Uebergang von der dünnen Strecke der Aortenenge zm* dickeren
198 Die Aortenbogen.
der Spindel erfolgt ziemlich rasch, an der Insertionsstelle des Ductus
BOTALLL
Dies ungleiche Verhalten der Wand bietet ein besonderes physiologisches Interesse dar, denn es ist zu erwarten, dass den Strecken
von so verschiedener Wanddicke im Innern des Rohres auch eine
ungleiche Vertheilung des Blutdruckes entspricht. Um diese Frage
gehörig zu discutiren, bedarf es einer Vergleichung der Dickenschwankungen der Aorta mit denjenigen anderer grosser Arterien,
Darauf einzugehen darf ich um so mehr unterlassen, als die Aufgabe
zur Zeit an der hiesigen Anstalt speciell bearbeitet wird.
Die Bildung der Aortenwand. Die primitiven Aorten,
gleich wie die übrigen primitiven Blutgefässe, bestehen zur Zeit ihres
erstens Auftretens aus einem einfachen Endothelrohr. In einer, anfangs sehr unscheinbaren Weise legt sich die T. media an und erst
mit Beginn des zweiten Monats gewinnt dieselbe ein etwas compacteres Gefüge. Beim Durchgehen meiner Präparate gelange ich
zu folgenden Anschauungen. Schon bei Embryo Lg, noch deutlicher
aber bei BB liegt um das Endothelrohr der Aortae descendentes
herum ein Kranz von Zellen, die sich da etwas dichter zusammendrängen, als in der weiteren Umgebung. Eine bestimmte Gesetzmässigkeit in der Lagerung der Zellkörper vermag ich noch nicht
zu constatiren, manche derselben stehen mit ihrer Längsaxe schräg
zur Gefässaxe. Auch habe ich kein Criterium, um zu entscheiden,
inwieweit es sich nur um Muskel- oder zugleich um Muskel- und
Bindegewebszellen handelt. In Betreff der ersteren bin ich für das
Hühnchen vor Jahren zum Ergebniss gelangt, dass sie aus der tieferen Schicht der Urwirbelrinde, bez. aus der entsprechenden Schicht
der Kopfplatten hervorgehen und sich schon ziemlich früh um die
Aorten herumlegen, i) Zur Controlle dieser Auffassung haben mir
die Schnitte menschlicher Embryonen keine Anhaltspunkte gewährt.
Die Zellen, welche um die Aorten herumliegen, nehmen allmählich concentrische Schichtung an. Schon bei den Embryonen R
und Bl, und noch mehr bei Pr sind einige Lagen von spindelförmigen
Zellen nach aussen vom Endothelrohr befindlich. Die Zahl dieser
Lagen ist noch keine sehr grosse (2 — 3) und auch ihre Schichtung
1) Monogr. der Hühnchenentwickelung und Körperform. S. 35.
Die Aortenbogen. 199
keine sehr dichte. Von der Stufe von S 1 aber und noch mehr von
derjenigen von Seh ab hat die Aortenwand ein weit ausgeprägteres
Gefüge angenommen. Es charakterisirt sich nunmehr die T. media
als ein aus gedrängt liegenden Spindelzellen gebildeter King von
vielfacher Schichtung. Dazu kommt als neue Bildung die Anlage
einer dickeren T. intima hinzu. An der Innenfläche des Muskelringes
nämlich hat sich eine 2— 3 fache Lage von Zellen gebildet, welche
nicht oder nur wenig abgeplattet und dabei auch trüber und körnerreicher sind als die Elemente der Media. Es handelt sich hier
unzweifelhaft um Zellen parablastischer Abkunft, mögen dieselben
durch den Muskelring hindurch zur inneren Gefässfläche gelangt, oder
mögen sie, was mir wahrscheinlicher ist, aus Zellen des Blutstromes
selbst hervorgegangen sein. Der Endothelschlauch bewahrt übrigens
eine gewisse Unabhängigkeit von der übrigen Anlage der Intima,
und noch auf der Stufe von Zw finde ich an Durchschnitten das
endotheliale Innenrohr stellenweise coUabirt und von der übrigen
Intima abgehoben. Als erste Andeutung einer T. adventitia ist das
aufgelockerte Gewebe aufzufassen, welches die Muskelwand der Aorta
von aussen her umgiebt.
Von der Umbildung der zum Herzen führenden
grossen Venenstämme. ^
Es sind in einem früheren Capitel (S. 143) die Venen aufge
Flg. 130.
Venenstämme des Embryo Bl. Vergr. 27. Frontalconstr. F. om Vena omph.-mes., F. «i Venaumbil.
unterer Abschnitt, F. u* oberes unabhängig gewordenes Endstück der Nabelvenen, V.j u. F. c Vv.
jugul. u. Cardinales, F. es u. d Vena cava sup. dextra u. sinistra, F. h Vena liepatica, S.r Sinus
reuniens, P Oeffnungen des Sinus reuniens in den Vorhof an der Porta vestibuli, Bs Bauchstiel.
Das Eingeweiderohr ist punktirt dargestellt.
zählt worden, welche theils von der Nabelblase, theils vom Körper
her das Blut zum Herzen führen: die Dottervenen, die Nabel
1) Ueber die in diesem Capitel behandelten Verhältnisse habe ich 18S3
bei der anat. Section der deutschen naturf. Gesellschaft in Freiburg i/B. eine
Von der Umbildung der zum Herzen führenden grossen Venenstämme. 201
venen, die Cardinal- und die Jugularvenen. Die Cardinalund die Jugularvenen verbinden sich jederseits zur oberen Hoblvene (oder dem Ductus Cuvieri). Diese trifft zuerst mit der Nabelvene zusammen und tritt dann im Septum transversum medianwärts
dem entsprechenden Stamm der anderen Seite entgegen; vor der
Fig. 131.
Dasselbe im Profil. Vergr. 27. Ch Chorda dorsalis, Un Urnieren. Das Einmündungstück der
Y. Cava SDp. sinistra in den Sinus reuniens ist als abgeschnittenes quer schraffirtes Stämmchen dargestellt.
Vereinigung der beiden erfolgt sodann die Einmündung der Dottervenen. Gemeinsamer Sammelraum sämmtlicher Blutbahnen ist der
Mittheilung gemacht; der gedruckte Bericht enthält allerdings nur deren Titel,
da mir der Abdruck einer Notiz ohne Abbildungen nutzlos zu sein schien.
202 Von der Umbildung der zum Herzen führenden grossen Venenstämme.
unter dem Zwerchfell liegende Sinus reuniens (Taf. IX Fig. 7
biß 10 und S. 144 Fig. 92), und es ist der Nachweis geführt worden,
dass dieser Behälter im Laufe der Entwickelung seine primäre Stellung verlässt und sich dem Herzvorhof anschliesst. Es handelt sich
nunmehr darum, die Umbildung der einzelnen Stammsysteme zu
verfolgen, und zwar kann ich mich auf die von unten her kommenden Yenen beschränken, da die Umlagerung der V. cava superior
schon an früherer Stelle erörtert worden ist (S. 145).
Fig. 132. Fig. 133.
Querschnitte durch die Leberanlage vom Embryo Bl. Vergr. 36. Fig. 132 stellt den höher
gelegenen Schnitt dar und zeigt den oberen Gefässring in einem grossen Theil seines Um
fanges. In Fig. 133 ist die hintere Verbindung der zwei Dotteryenen zu sehen.
Die Yenae omphalomesentericae sind ursprünglich doppelt
angelegt und sie steigen vor dem Darmrohr und mit diesem verbunden bis in die Nähe des abgehenden Leberganges, alsdann wenden sie sich etwas dorsalwärts und kommen seitlich von Darm und
Magen zu liegen, wobei sie in einer besonderen Ausladung von
deren Wand eingeschlossen erscheinen (Taf. XI BB Fig. 9,3 bis 8,4
und Lr 23d bis 19 c).
Zwischen den neben einander herlaufenden Dottervenen bilden
sich von ziemlich früh ab quere Yerbindungen (Taf. XI BB 8,: und
Lr 21 c). Auf den Stufen der Embryonen Bl und R sind drei Yerbindungsbogen vorhanden, zwei vor und einer hinter dem Duodenum
liegend. Dieselben sind so angeordnet, dass der Darm von zwei
Gefässringen eingefasst wird, welche mit ihren hinteren Abschnitten
unter einander verbunden sind. Die Yerbindungsstelle der beiden
Gefässringe liegt in der Höhe der Pankreasanlage. Der untere Bing
Von der Umbildung der zum Herzen führenden grossen Venenstämme. 203
tritt zuerst auf, ihn habe ich seiner Zeit schon bei Embryo a aufgefunden und dargestellt (Heft I S. 111 u. 115 und Taf. VIII a 4,
sowie 21—24).!)
Währenddem diese Querverbindungen zwischen den beiden Dottervenen entstanden sind, hat sich auch das Verhältniss zwischen
dem unteren und dem oberen Theil ihrer Stämme erheblich geändert. An Stelle der zuvor einfachen Verbindung hat sich schon
von den Stufen von BB und Lr ab (Taf. IX Fig. 12—15) ein Gefässnetz entwickelt, das mit der zunehmenden Ausbildung der Leber
immer reicher wird. Die unteren Abschnitte der Dottervenen erscheinen nunmehr als die zuführenden Gefässe der Leber und, wie
dies auch Eig. 130 zeigt, so gehen aus dem oberen Ring mehrfache
Gefässstrahlen aus, welche in das IS'etz der eigentlichen Lebercapillaren ausmünden. Die oberen Enden der beiden Vv. omphalomesentericae verhalten sich dagegen als die ableitenden Sammelbahnen
der Lebercapillaren , d.h. als die Anlagen der Lebervenen, und
sie führen das durch die Leber getretene Blut jederseits dem Sinus
reuniens zu. Die Lage ihrer Wurzeln innerhalb der Leber ist eine
durchaus charakteristische. Die Leber bildet nämlich eine zwischen
den Magen und das Diaphragma eingeschobene Substanzplatte,
welche jederseits einen frei in den Bauchraum hereinragenden Lappen trägt. Die zwei Lappen umgreifen die Magenanlage von den
Seiten her und laufen dorsalwärts in eine mehr oder minder scharfe
Kante aus (Taf. XII B, 50 — 58). Die Wurzeln der Venae hepaticae
liegen in der Nähe dieser hinteren Leberkanten, und sie wenden
1) Fol, welcher auf Grund seiner an einem 5.6 mm langen Embryo gemachten Erfahrungen mehrere von meinen an Embryo a gemachten Ergebnissen beanstandet, zeigt sich auch geneigt, die Existenz eines Sinus annularis zu bezweifeln. Meines Erachtens ist über einen solchen nicht zu streiten,
es giebt sogar zwei solche Kingsinus. Die Bemängelung meiner Figur Tafel
VIII a 4 wegen angeblich verschränkter V. umbilicalis hätte wohl bei einiger
Aufmerksamkeit können vermieden werden. Aus dem Verhalten zu den ümbilicalarterien und aus dem blassen Druck des Streifens hätte Fol erkennen
können , dass das abgebildete Gefäss nicht die rechte, sondern die linke Nabelvene ist, dessen oberes Ende durch die durchsichtig gedachte Leber hindurch
bis zum Eintritt in den Sinus reuniens verfolgbar erscheint. Das Verhältniss der
Leber zum jenseitigen Gefäss hätte der Lithograph vielleicht noch etwas deutlicher markiren können, immerhin lässt auch hier die Deckung der Vene durch
die untere Lebercontour keinen Zweifel über die Intention der Zeichnung.
204 Von der Umbildung der zum Herzen führenden grossen Venenstämme.
sich im oberen Abschnitt der Leber in einem Bogen nach vorn, um
den Sinus reuniens zu erreichen. Vergleicht man damit das Verhalten der Dottervenen auf jüngeren Stufen (z. B. bei Lg Taf. XII
120 u. 112, bei BB Taf. XI 9,3— 8,i und besonders bei Lr Taf. XI
21 c bis 19 b), so kann man erkennen, dass dasselbe zur Pormbildung der Leber in unmittelbarster Beziehung steht. Die neben dem
Magen liegenden dorsalwärts gerichteten Ausladungen, in denen die
Dottervenen hegen, sind die Vorgebilde der beiden Seitenlappen der
Leber. AVenn dieselben bei zunehmender Entwickeluncr des Leber
Fig. 134.
Fig. 135.
Venenstämme vom Embryo K, von vorn und im Profil. Vergr. 40. Bei Fig. 134 ist der
eröffnete Sinus reuniens senkrectit schraffirt. V. A Vena Aranzii.
gewebes an Umfang zunehmen, behalten die aus den Dottervenen
hervorgegangenen Vv. hepaticae ihre Lage in der Nähe des dorsalen
Bandes bei, sie werden um so weiter nach rückwärts verschoben, je
mehr, von vorn her das eigenthche Lebergewebe überhand nimmt.
Venae umbilicales. Die beiden Nabelvenen verlaufen in
der seitKchen Bauchwand, ganz nahe an deren Umbiegungssaum in
das Amnion (Taf. XI Lr 23 d bis 21 c und BB 12,io bis 8,7). Da, wo
die seitliche Bauchwand das Septum transversum erreicht, gehen
die Nabelvenen in dieses über, und sie nehmen ihren Weg nach dem
Sinus reuniens dicht unterhalb des Zwerchfells und über der primären Leberanlage vorbei. Die unteren Enden der beiden Nabelvenen kommen aus den Seitenrändern des Bauchstieles, und sie ent
Von der Umbildung der zum Herzen fülirenden grossen Venenstämme. 205
stehen als Theilzweige eines unpaaren, hinter dem AUantoisgang gelegenen Gefässstammes, der erst mit der Annäherung an das Chorion
wieder in getrennte Wurzeln sich auflöst (Taf. IX Fig. 6, 7, 9, 10 u. 14).
Dieser unpaare Stamm findet sich schon bei dem jüngsten meiner
construirten Embryonen, bei Lg.
In ihrer weiteren Entwickelung verhalten sich die beiden Nabelvenenstämme verschieden: der rechte, von früh ab etwas schwächer als der linke, geht an seinem der Leber zugewendeten Ende
in mehrere Aeste auseinander (so schon bei Lr Taf. IX Fig. 15), und
weiterhin erscheint bei Bl und bei R seine Verbindung mit dem
oberen Abflussrohr unterbrochen. Statt dessen finden sich verschiedene der Bauchdecke angehörige Seitenäste, das Gefäss ist nunmehr
Kg. 136.
Sehematische Umarbeitung von Fig;. 134, die Bildung der Vena Poitae
aus den beiden Uälften des Sinus annularis veranschaulicliend.
ZU einer Bauchdeckenvene geworden und die Stromrichtung hat
sich von einer aufsteigenden zu einer absteigenden umgewendet. ')
Im Uebrigen scheinen einzelne Zweige des Stammes in der Leber
zu wurzeln, und selbst auf der verhältnissmässig späten Stufe vom
Embryo Rg bekomme ich noch Bilder, welche ich als einen Zusammenhang der rechten Nabelvene mit der Leber deuten muss.
Für die linke Nabelvene tritt, wie für die rechte, eine Unterbrechung der ursprünglichen Abflussbahn ein. Der längs der Bauch
] ) Das Verhalten der rechten Nabelvene habe ich bei meinen im ersten
Heft gegebenen Bearbeitungen nicht verstanden, ich hatte zwar Theilungen
derselben wahrgenommen, dieselben aber nicht für etwas principiell Wichtiges
angesehen.
206 Von der Umbildung der zum Herzen führenden grossen Venenstämme.
wand heraufsteigende Stamm geht in der Höhe des Septum transversum in mehrere Zweige auseinander, von denen einer als Hauptast
unter der Leber durch schräg nach aufwärts zum Sinus annularis
hintritt und in diesen einmündet. So finden sich die Verhältnisse
mit Bestimmtheit von der Stufe von Embryo E, ab. Das Nabelvenenblut erfährt damit seine Zuleitung nach der Leberpforte hin;
dabei muss sich mit dem vom Chorion herkommenden Blut dasjenige
vermengen, welches von den Bauchdecken herstammt, da ja die rechte
Nabelvene keinen anderen Abfluss hat, als nach der linken hin.
Die über der Leber befindlichen Endstücke der primären Nabelvenen verkümmern nicht mit einem Male, sie erhalten sich auf beiden Seiten noch eine Zeit lang als schwache kleine Stämmchen, die
von oben und von unten her aus der Leibeswand Blut aufnehmen
und dasselbe dem Sinus reuniens zuführen.
Vena ascendens oder V. Aeanzh. Während einer kurzen
Frist steht der Sinus annularis mit den höher gelegenen Blutbahnen
nur durch Vermittelung der Lebercapillaren in Zusammenhang. Dann
aber bildet sich unter den vom Sinus ausstrahlenden Zweigen einer
zu einem Verbindungsgefässe aus. Derselbe steigt vom oberen Querbogen ab vor dem Magen in die Höhe und verbindet sich mit der
Vena hepatica dextra. Dies neue Gefäss, das vs^ir als Vena ascendens oder V. Aeanzii bezeichnen können, scheint andeutungsweise
schon bei Embryo Bl angelegt zu sein, bei K dagegen ist es ein
ansehnlicher Stamm (Taf. XI K 55— 58), der nun von da ab, durch
alle nachfolgenden Entwickelungsstufen hindurch bis zur Geburt
sich erhält. Das obere Ende der Vena ascendens wendet sich nach
rechts herüber, und es fliesst mit der Vena hepatica dextra kurz
vor deren Einmündung in den Sinus reuniens zusammen. Die Vena
hepatica sinistra besitzt auf der Stufe von R noch ihre selbständige
Einmündung in den Sinus reuniens. Später (ich kann nicht genau
sagen in welchem Zeitpunkt) schliesst sich der obere Abfluss und
an dessen Stelle tritt eine Querverbindung der linken Lebervene
mit der Vena ascendens.
Vena Portae. Die Vena Portae als ein unpaares, das Duodenum umgreifendes Gefäss bildet sich aus, noch bevor die Embryonen 7 mm lang sind, denn ich habe sie in der Form schon bei
meinen früheren Bearbeitungen der Embryonen A und B vorge
Von der Umbildung der zum Herzen führenden grossen Venenstämme. 207
funden. Fol giebt an, dass bei seinem 5.6 mm langen Embryo
dies Gefäss auch schon eine unpaare Spirale um den Darm gebildet
habe. Das Verständniss der Entwickelung des unpaaren Stammes
bietet wenig Schwierigkeiten, das einfache Zuflussstück entsteht
durch eine zunehmende Längsverschmelzung der dicht neben einander herlaufenden Aa. omphalomesentericae. Weiter oben wird
das Gefäss dadurch unpaar, dass vom unteren King die rechte, vom
oberen die linke Hälfte verkümmert. (In Figur 136 ist das Lebergefässsystem vom Embryo R so dargestellt, dass die bleibenden Gefässe schraffirt, die verkümmernden weiss gehalten sind; die zu der
Zeit noch fehlende Verbindung der linken Lebervene mit der V.
ascendens ist punktirt angegeben.)
Mit der Entwickelung der Yena Portae ist die Umbildung der
grossen Unterleibsvenen im Wesentlichen vollendet und nur in dem
einen Punkte wird die Folge bedeutendere Aenderungen bringen, als
die V. Portae mehr und mehr ihre Wurzeln vom Darm und vom
Magen her beziehen wird. Auffallend ist die ausserordentliche Mächtigkeit, welche nicht allein die Unterleibs-, sondern überhaupt sämmtliche Körpervenen während eines gewissen Zeitraumes besitzen. Bei
Embryonen ungefähr vom Anfang bis zum Ende der fünften Woche
Pr, ^, Eg, Brl und Sl sind die Jugular- und die Cardinalvenen,
sowie die sämmtlichen Unterleibsvenen so bedeutend an Caliber, dass
auf manchen Querschnitten das von den Yenen eingenommene Feld
wohl V^ bis Va der Gesammtfläche einnimmt. Schon von der Stufe
des Embryo Seh ab änderte sich dies Yerhältniss wieder und die
Yenenstämme kehren zu bescheidenen Maassen zurück. Noch ein
weiterer Punkt erscheint mir bemerkenswerth , es sind dies die
Schwankungen im Caliber desselben Gefässes. Während wir sonst gewohnt sind die Zweige eines Stammes enger zu finden, als den Stamm
selbst, trifft dies Yerhältniss für die Nabelvenen bei den Embryonen
Pr, S^ u. s. w. nicht zu. Der im Bauchstiel befindliche Stamm ist viel
enger als das in der linken Bauchwand befindliche Rohr und als
dessen Fortsetzung unter der Leber hindurch. Aehnliches gilt zum
Theil auch von den Jugularvenen, deren Wurzelgebiet an der Basis
des Mittelhirns den Charakter eines unverhältnissmässig weiten Sinus
annimmt. Ich werde vielleicht Anlass haben später noch einmal auf
diese Dinge zurückzukommen, zu deren genauerem Studium die Be
208 Von der Umbildung der zum Herzen führenden grossen Venenstämme.
obachtungen an ganz frischem, sowie an fhierischem Material erforderlich sein werden.
Meine Ergebnisse über die Umbildung der grossen Unterleibsvenen stehen mit der üblichen Darstellung der Lehrbücher in directem
Widerspruch, Hiernach soll durch Längsverwachsung des Endstückes
der zwei Vv. omphalo-mesentericae bez. der zwei mit ihnen sich verbindenden Umbilicales ein unpaarer, hinter der Leber herablaufender
Fig. 137.
Veneiistämme vom Embryo Pr. Vergr. IS.
Stamm entstehen, von dem aus sich die zu- und die abführenden
Lebergefässe entwickeln.') Nun ist leicht zu erkennen, dass dies
Schema unrichtig sein muss, da ja die Yv. umbilicales im Anfang
dicht unter dem Zwerchfell und über der Leber auslaufen. Eine
Verschmelzung tritt weder für die Endstücke der Vv. omphalomesentericae, nech für diejenigen der Vv. umbilicales ein. Jene persistiren
1) Z. B. bei KöLLiKER. Grundriss. 2. Aufl. S. 400.
Von der Umbildung der zum Herzen führenden grossen Venenstämme. 209
als Lebervenenstämme, diese erhalten sich eine Zeit lang getrennt
und gehen späterhin ein. Die Vena Aeanzii hat mit den zuerst
Fig. 138.
Venenstämme vom Embryo Rg. Yergr. 13.5.
vorhandenen Endstücken der Dotter- und der Nabelvenen Nichts gemein, sondern sie ist ein neu gebildeter Stamm.
Eine in mehreren Hauptpunkten richtige, der fehlenden Abbildungen halber allerdings unverstanden gebliebene Darstellung der
His, Menschl. Embryonen. III.
14
210 Von der Umbildung der zum Herzen führenden grossen Venenstämme.
Verhältnisse hat schon vor 47 Jahren der so scharf beobachtende
Rathke gegeben. ') Die Ringsinus hat derselbe nicht mehr gesehen,
indem er die Nabelgekrösvene bereits als ein Gefäss beschreibt, das
seinen Weg um die linke Seite des Darmes herum nimmt -), dagegen
sagt er von der Nabelvene bei Säugethieren 3) : „der kurze Stamm
geht ursprünglich vor der Leber in den vordersten Theil der Nah elgekrösvene, d. h. in denjenigen Theil, welcher später den vordersten
Theil der hinteren Hohlvene ausmacht, ja vielleicht entsteht der
Stamm der Nabelvene sogar früher als die Leber. Bald aber entsteht an der hinteren Seite der Leber eine kurze Anastomose zwischen der Nabelvene und der Nabelgekrösvene, worauf dann, indem
sich diese rasch ausweitet, der vor ihr liegende und an der unteren
Seite der Leber befindliche Theil der Nabelvene verschwindet. Etwas
später sendet die Nabelvene, wo sie an der Leber verläuft, etliche
Zweige in dies Organ hinein und führt ihm zu einer gewissen Periode
durch diese Zweige bei weitem mehr Blut zu als die Nabelgekrösvene. Dasjenige Stück der erwähnten Anastomose, welches sich
zwischen diesen Zweigen und der Nabelgekrösvene befindet, giebt
sich nach einiger Zeit als einen Theil vom linken Ast der Pfortader
zu erkennen. Früh auch bildete sich eine Anastomose zwischen der
Nabelvene und der hinteren Hohlvene, nämlich der Ductus venosus
Aeanzh. " Diese Darstellung zeigt unverkennbar, dass Eathke das
Schwinden des ursprünglichen, zwischen Herz und Leber gelegenen
Endstückes der V. umbilicalis beobachtet hat. Auch hat er die
Bildung einer neuen Verbindung zwischen Nabel- und Dottervene
diesseits von der Leber und das secundäre Auftreten der Vena
Aeanzii erkannt. Bischoff ^) hat Rathke's Darstellung für unverständlich erklärt und ihm hat sich Kölliker angeschlossen. An
der Hand meiner Darstellung wird hoffentlich auch die RATHKE'sche
wieder zu ihrem Recht gelangen.
1) lieber den Bau und die Entwickelung des Venensystems der Wirbelthiere
im dritten Bericht des naturwissenschaftl. Seminars zu Königsberg. 1838.
2) S. 13. 3) S. 18.
4) Entwickelungsgeschichte. S. 268.
Die Formentwickeliing des äusseren Ohres.
Schon im vorigen Heft (IL S. 60 — 62) hatte sich Gelegenheit
gefunden, die Eormentwickehmg der Ohrmuschel zu besprechen, und
ich habe dort einige yon den in Betracht kommenden Punkten festzustellen gesucht. Seitdem habe ich den Gegenstand noch einmal
vorgehabt ^), und in der folgenden Darstellung werden auch die späteren Entwickelungsstufen der Ohrmuschel bis zur Zeit der Geburt
hin Berücksichtigung finden.
Die Ohrmuschel entsteht aus den wulstigen Bändern, welche
die erste Schlundspalte äusserlich umgeben, und ihre Anlage zeigt
schon frühzeitig eine Gliederung in
eine Eeihe von mehr oder minder
scharf ausgesprochenen Höckern.
Bei Embryonen vom Schluss des
ersten Monats lassen sich deren
sechs unterscheiden, wovon zwei
dem Unterkieferbogen angehören,
drei dem zweiten Schlundbogen
und einer dem Verbindungsstück
ywiQpViPn flpm prcjfpn nnri cIptti Kopf vom Embryo ä. Die tei der Ohrbildung
ZWlbCUeU Uem eibieu UUU Uem tetheiUgten Höcker sind mit den Ziffern l-ö
zweiten Schlundbogen. Bei der tezeicunet.
Schwierigkeit die Wülste nach ihrer Lage zu bestimmen, bezeichne
ich sie vorerst nur mit Ziffern ; 1 und 2 gehören dem UnterMefer
¥ig, 189.
1) Den äusseren Anlass zu einer nochmaligen Bearbeitung der Ohrmuschel hat mir die Abhaltung des internationalen otologischen Congresses
in Basel gegeben, wobei ich zu einem Referat über den Gegenstand veranlasst worden bin. Von dem in den Comptes rendus des Congresses (Basel bei
14*
212
Die Formentwickelung des äusseren Ohres.
bogen an, 3 ist das Tuberculum intermedmm, 4, 5 und 6 bilden
den Rand des zweiten Bogens.
Eine genauere Analyse der Verhältnisse zeigt noch einige Besonderheiten des ersten sowohl, als des zweiten Schlundbogens. Am
Unterkieferbogen scheidet sich vom unteren Haupthöcker ein kleiner
Nebenhöcker ab, den ich mit Eücksicht auf seine spätere Bedeutung als Tuberculum tragicum bezeichne (man vergl. auch
Taf. I* Fig. 2 u. Taf. XIII Fig. 5). Der Eest des unteren Haupthöckers
scheidet sich in der Folge in Lippen- und in Eckwulst und nimmt
an der ferneren Ohrbildung keinen directen Antheil. — Am zweiten Schlundbogen bildet sich hinter dem Gebiet
der drei Randhöcker eine den Bogenwulst der Länge nach halbirende zarte
Furche. Es wird dadurch ein hinter
den Höckern herabsteigender Streifen
abgegrenzt, der in der Folge wie eine
Verlängerung des Tuberculum intermedium sich ausnimmt und den ich
vorläufig als dessen Gau da bezeichnen will.
^'s- 140. j)ie Schlundspalte greift mit zacki
Umgebung der ersten Schlandspalte vom
Embryo Br 1. iLaTjyrintiiWase. 1 Tuberc. gen Ausbuchtungeu iu die luterstitieu
tragicum, C Cauda. ° ^
der sie umgrenzenden Höcker herein,
auch läuft sie noch bei Embryonen vom Schluss des ersten Monats an
ihrem ventralen Ende frei aus. Letzteres Verhältniss ändert sich indessen im Verlauf der fünften Woche. Der Eckwulst des Unterkieferbogens schiebt sich über das Tuberc. 6 hinweg und deckt dasselbe
mehr und mehr zu. Weiterhin verwächst er mit ihm, und nunmehr bleibt nur noch der obere Theil der Spalte klaffend, der von
den Tubercula 1 — 5 umgeben erscheint und der demnach in fünf
ausspringende Zacken ausläuft. Ich bezeichne den also umgrenzten
Raum als Fossa angularis. Die Breite der Grube nimmt in der
B. Schwabe. 1885) abgedruckten Aufsatz unterscheidet sich das obige Capitel,
abgesehen von Einleitung und Schluss, durch einige weitere Ausführungen.
Auch ist am angegebenen Ort durch ein Versehen als Fig. 1 ein unrichtiger,
zum Aufsatz in keiner Beziehung stehender Stock abgedruckt worden.
Die Formentwickelung des äusseren Ohres.
213
nächstfolgenden Zeit nicht nnerheblich zu und an ihrem Boden wird
eine quere Erhebung sichtbar, ein Tuberculum centrale, welche
eine obere und eine untere Vertiefung von einander trennt. Die
eine Vertiefung zeigt ihre grösste Ausbildung in der oberen hinteren,
die andere in der unteren und in der vorderen Ecke der Fossa
angularis.
Die fünf Wülste, welche den Grubeneingang umgeben, schliessen
sich zu einem plumpen Ring aneinander, die Art ihres gegenseitigen
Anschlusses ist aber nicht allenthalben dieselbe. Am wenigsten ver
Fig. 141.
Ohranlage vom Embryo Br2.
Fig. 142.
Oliranlage vom Embryo Dr.
bunden sind, der Natur der Sache nach, das Tuberculum 1 und 5
oder Tuberculum tragicum und antitragicum. Hier ist die
Verbindung überhaupt nur secundär entstanden und es verbleibt als
Spur der früheren Trennung eine Furche, deren Tiefe nur allmählich
und im Laufe der späteren Entwickelung sich ausgleicht. Ich bezeichne dieselbe als Sulcus intertragicus (im Gegensatz zur
Incisura intertragica, welche der Eossa angularis angehört). Tuberculum 1 und 2, sowie 2 und 3 schliessen sich endständig aneinander an. Zwischen Tuberculum 3 und 4 erhält sich eine tiefe
Furche, dagegen setzt sich das Tuberculum 3 in jenen als Schweif
bezeichneten Streifen fort, der, wie wir oben sahen, aus dem hinteren Theil des zweiten Schlundbogens hervorgegangen ist. Hinter
den Tubercula 4 und 5 herabsteigend verliert sich die Cauda in der
Nähe des Tuberculum 6. Von den verschiedenen Stücken verbinden
sich das Tuberculum 2 oder Tuberculum anterius mit dem
214
Die Formentwic'keluno; des äusseren Ohres.
Tuberc. 3 oder Tuberculum intermedium und die Cauda zur
Anlage des Helix. Das Tuberculum 4 wird zum Anthelix und
kann als Tuberculum anthelicis benannt werden. Dasselbe
schiebt sich in der Folge mit seinem unteren Ende hinter das Tuberculum antitragicum. und verdrängt es theilweise von der Peripherie des Ringes.
Die hintere Bogenhälfte des die Fossa angularis umgebenden
Einges greift tiefer herab, als die vordere und, da sie an ihrem
unteren Ende vom Unterkieferbogen überlagert ist, hört sie wie abgeschnitten auf und es entsteht hier eine festgewachsene Ecke.
Yor der letzteren nimmt der Sulcus intertragicus seinen Anfang.
Der fragliche, vom Tuberculum antitragicum durch eine Furche geschiedene Substanzstreifen ist als der freigebliebene Rest des früheren
Tuberculum 6 zu verstehen, und er bildet sich später zum Ohrläppchen um, weshalb wir ihn als Taenia lobularis bezeichnen
können, die festgewachsene Ecke mag der Angulus terminalis
heissen.
In einer nun folgenden Entwickelungsstufe (zwischen 6 — 8 Wochen) wird die Gestalt der Ohrmuschel eine etwas schlankere und
zugleich mehr gerundete. Die Fossa angularis ist relativ höher und ihre scharfen Ecken
sind zum Theil ausgeglichen. So ist insbesondere die obere vordere Ecke geschwunden,
und es geht nun das Tuberculum anterius
als aufsteigendes Wurzelstück des Helix mit
sanftem Bogen in das frühere Tuberculum intermedium oder in den oberen Theil des Helix
über, dessen Cauda den Anthelix, gleichfalls
in weichem Bogen umgreift. Letzterer steht
steil und zeigt noch keine Andeutung einer
Theilung. Von den früheren fünf Ecken der
Grube sind noch drei bestimmt ausgeprägt, die beiden übrigen dagegen sind verwischt und weich gerundet. Scharf ausgesprochen
sind noch die obere hintere Ecke, die Incisura triangularis,
sowie die allerunterste oder die Incisura intertragica, etwas
minder scharf, dafür aber sehr lang, erscheint der vordere untere Einschnitt oder die Incisura anterior. Eine vordere obere und eine
Fig. 143.
Okranlage vom Embryo Zw.
Die Formentwickelung des äusseren Ohres. 215
hintere untere Ecke dagegen sind als solche nicht mehr vorhanden.
Ein fernerer Fortschritt der jetzigen Ohrform gegenüber der früheren
liegt darin, dass im Bereich des Tuberculum anterius der gewulstete
Eand der Eossa angularis nach einwärts gekrümmt erscheint und
dass er mit convexem Vorsprung dem Anthelix sich nähert, die
Fossa selbst ist demnach jetzt in ihrem Mittelstück nicht unerheblich verengt.
An dem Ohr, wie es beim Schluss des zweiten- Monats vorliegt,
sind die wesentlichen Theile alle leicht erkennbar, auch weicht dessen
Form nicht allzu sehr von der späteren ab, und man sollte denken,
dass von nun ab nur noch untergeordnete Yeränderungen in der
Gestalt Platz greifen Averden. Dies ist indessen nicht der Fall, und
es hat die Ohrmuschel noch eine ganze Eeihe von Umbildungen zu
erleiden, bevor ihre Formentwickelung als abgeschlossen kann betrachtet werden.
Zunächst wächst vom Beginn des dritten Monats ab der hintere
obere Theil der Ohrmuschel mehr aus der Kopffläche heraus, seine
Eückfläche richtet sich dabei auf und sie biegt sich weiterhin mehr
und mehr vorn über, so dass schliesslich der Anthelix und die
Fossa angularis völlig überdeckt werden. Dieselbe Veränderung tritt auf entsprechender
Stufe auch bei Säugethierohren ein (Schaf,
Schwein u. s. w,), und während der Zeit kommt
es bei diesen zur Entwickelung der Spitze der
Ohrmuschel. Beim menschlichen Fötus dauert
die Umkrempung der Ohrmuschel nicht lange,
vielleicht kaum mehr denn einen halben Monat. Nach dieser Zeit tritt der Helix wieder
zurück und der Anthelix wird abermals in ^, . ^^f; ^*** „ .
Ohr eines Fötus vom Beginn
seiner ganzen Ausdehnung frei. ^^^ äntten iionats.
Die Form der Ohrmuschel gleich nach der Phase der Umkrempung zeigt gegen vorher die folgenden Differenzen : Der obere Theil
der Ohrmuschel erscheint stark vornübergebogen und der früher gestreckte Anthelix ist jetzt im Winkel gekrümmt. Auch hat sich
nunmehr ein Grus inferius von ihm abgezweigt, das früher noch
nicht erkennbar gewesen war. Das Tuberculum anterius ist soweit
eingeknickt, dass seine Convexität bis zum Anthelix heranreicht und
216
Die Formentwickelung des äusseren Ohres.
in dessen Concavität sich einpasst. Die Fossa angularis ist in ihrem
oberen Theil zu einer schmalen Spalte von S-förmiger Biegung umgewandelt. Ihr Endabschnitt, die Incisura triangularis, geht in die
Bucht der Fossa triangularis über, und die Furche umgreift somit
den unteren Schenkel des Anthelix (Fig. 145).
In ihrer unteren Hälfte hat sich die Fossa angularis gegen
früher gleichfalls etwas verengt, der vordere Einschnitt ist tiefer
geworden und hat eine schräg ansteigende Eichtung angenommen,
auch tritt jetzt der hintere Einschnitt wieder scharf hervor. Der
Fig. 145.
Ohr eines Fötus von ca. 3')2 cm Nl.
Fig. 146.
Ohr eines Fötus von ca. 5'|2 cm Nl.
tiefste Punkt des Ohres ist noch jetzt die Anheftungsstelle der Taenia
lobularis, und von einem eigentlichen Ohrläppchen kann daher noch
nicht die Eede sein.
Eine nächste Stufe vom Ende des dritten oder vom Beginn des
vierten Monats zeigt auch den unteren Theil der Fossa angularis
zu einer engen Spalte umgebildet. Der zurückgebogene Theil des
früheren Tuberculum anterius berührt jetzt nicht allein den Anthelix,
sondern er stösst nach abwärts auch an den Antitragus. In der Zeit
beginnt das Ohrläppchen als selbständiger Theil hervorzutreten,
indem der hinter der Anheftungsecke gelegene Theil der Taenia lobularis sich nach unten hin ausbaucht. Indem die Ausbauchung in
der Folge mehr und mehr zunimmt, rückt das Ohrläppchen immer
tiefer unter den Angulus terminalis herab.
Hatte bis dahin die Fossa angularis noch ihren Zusammenhang
gewahrt, so wird sie in einer folgenden Periode erst einfach und
Die Formentwickelung des äusseren Ohres.
217
weiterhin doppelt überbrückt. Das Ende des Tuberculum anterius,
welches an den Anthelix herangedrängt worden war, verwächst mit
diesem und bildet nunmehr das Crus oder die Spina hell eis.
Der obere, bogenförmige Abschnitt der früheren Fossa angularis wird
dadurch von dem unteren, H- förmig gestalteten Stück getrennt.
Die Verwachsung mit dem Anthelix vollzieht sich im Laufe des
vierten Monats ; noch etwas später verbindet sich das Crus helicis
auch nach abwärts mit der Basis des Antitragus. Die hierdurch entstehende Brücke trennt den hinter dem Tragus liegenden Eingang
Fig. 147.
Ohr eines Fötus von ca. 81/2 cm ^'l.
Fig. 148.
Ohr eines Fötus von ca. fünf Monaten.
in den Meatus auditivus von einer kleinen, zwischen Crus helicis,
Anthelix und Antitragus eingeschlossenen Bucht. Letztere ist von
temporärer Bedeutung und geht in der Eolge, indem sie seichter
wird, mit in die Cavitas conchae über.
Während die zuletzt beschriebenen Veränderungen eingetreten
sind, hat das Gebiet zwischen dem Crus helicis und dem Tragus
noch eine besondere Umbildung erfahren. Bei der vom zweiten
Monat ab stetig weiterschreitenden Rückwärtsknickung des Tuberculum anterius zieht sich in dessen vorderen Band eine Bucht herein,
die anfangs seicht, später aber markirter erscheint. Der der Fossa
angularis zugewendete Saum des Tuberculum anterius gestaltet sich
demnach zu einem im Winkel gebogenen zweischenkeligen Wulst.
Der obere Schenkel wird in früher beschriebener Weise zum Crus
helicis, der untere dagegen vermittelt die Verbindung mit dem Tragus,
218 Die Formentwickelung des äusseren Ohres.
und er umsäumt von oben und von vom her die Fissura anterior
(Fig. 143, 144 u. 145). Im Gegensatz zum Crus helicis bezeichne
ich ihn als Crus supratragicum. Eine Zeit hindurch wird die
Länge der Fissura anterior und damit auch der Abstand des Tragus
von dem Crus helicis immer grösser. Dann aber tritt im Verlaufe
des vierten Monats ein Wendepunkt ein, der Tragus rückt, indem
er gleichzeitig steiler sich aufrichtet, in zunehmendem Maasse an
das Crus helicis heran und bleibt schliesslich nur durch einen engen
Zwischenraum davon geschieden. Die Fissura anterior verkürzt sich
hierbei gleichfalls bis auf einen geringen Rest.
Die Annäherung des Tragus an das Crus helicis geschieht auf
Kosten des Crus supratragicum. Es wird dieser Substanzstreifen
zunächst durch eine breite Furche gekreuzt (Fig. 146), dann erfährt
er eine Einknickung und wird in die Tiefe gedrängt, so dass er
schliesslich fast ganz und gar unter dem Crus helicis verschwindet
(Fig. 147 u. 148). Ein Rest desselben erhält sich auch am ausgebildeten Ohr in Gestalt eines kleinen über dem eigentlichen Tragus
liegenden Höckers, des Tuberculum supratragicum, wie wir
denselben nennen können, i) Es ist beachtenswerth, dass gerade zwischen Tragus und Crus helicis die Knorpelplatte des Ohres bleibend
unterbrochen ist. Wäre das Crus supratragicum in der Zeit der
fraglichen Entwickelung mit einem festen Gerüst versehen gewesen,
so würde voraussichtlich seine Verdrängung in die Tiefe nicht haben
erfolgen können.
Etwa in der Mitte der Schwangerschaftszeit sind die verschiedenen secundären Verbindungen an der Ohrmuschel vollzogen und
alle später vorhandenen Theile unterscheidbar. In einem Punkte
jedoch weicht die Ohrmuschel zu der Zeit noch erheblich von ihrer
späteren Form ab. Sie besitzt noch keine irgendwie ausgedehnte
Concha. Sowohl die Cymba als die Cavitas conchae sind nur durch
schmale Spalten repräsentirt (Fig. 148), die Reste der früheren Fossa
angularis. Ebenso ist die Incisura intertragica zu der Zeit ein sehr
enger Schlitz. Noch ehe das Kind ausgetragen ist, haben diese Ver
1) Ein Tuberculum infratragicum ist an manchen Ohren auch unterscheidbar und wird bedingt durch eine frühzeitig erfolgende Einbiegung des
primitiven Traguswulstes.
Die Formentwickelung des äusseren Ohres.
219
hältnisse eine wesentliclie Umänderung erfahren. Das Ohr des Neugeborenen zeigt eine relativ sehr viel weitere Concha als das des
fünfmonatlichen Foetus, und noch in der Zeit nach der Geburt fährt
diese fort, eine Zeit lang an Ausdehnung zu gewinnen.
Unter den Bedingungen, die bei den successiven Umgestaltungen
der Ohrmuschel eine Eolle spielen, scheinen mir einerseits die Entwickelung des Schädels, andererseits aber diejenige des Unterkieferastes im Vordergrund zu stehen.
Eine Anzahl von den Veränderungen, welche die gestreckte Eorm
vom Schluss des, zweiten Monats in
die geknickte der späteren Perioden überführen, ist zurückführbar
auf einen vom Unterkieferast aus
schräg nach hinten und oben wir*
kenden Druck.
Die Entwickelung des Ohrknorpels nimmt ihren Anfang gegen
Schluss des zweiten Monats, von
da ab wird somit die Ohranlage
nicht mehr als eine weiche widerstandslose Masse sich verhalten
können.
Was die individuellen Varietäten der Ohrmuschel betrifft, so
scheint mir, dass die Mehrzahl derselben in den Bereich der secundären Bildungsvorgänge fällt, d. h. jener Vorgänge, die erst zwischen
zweitem und fünftem Monat vor sich gehen. Selbst von den einfachen
Missbildungen scheint dies zu gelten, und so glaube ich speciell, dass
die sog. Fistula auris congenita mit der primären Ohrspalte Nichts
zu thun hat. Als ihr Ort wird nämlich eine Stelle vor dem Grus
helicis angegeben i), wohin die Fossa angularis niemals reicht. Eine
hier befindliche Grube kann meines Erachtens nur von einer ungenügenden Verwachsung der Furche zwischen dem Grus helicis und
dem Grus supratragicum ableitbar sein. Jedenfalls sind über diese,
Fig. 149.
Ohr eines Fötus der letzten Zeit.
1) Man vergleiche Kratz , lieber Fistula fissurae brancHalis I congenita.
Diss. inaug. Bonn 1880.
220
Die Formentwickelung des äusseren Ohres.
sowie über sonstige Missbildungen des Ohres erneute Untersuchungen
erforderlich.
Ich komme zum Schluss noch mit ein paar Worten auf die
Verhältnisse zurück, wie sie an Durchschnitten verfolgbar sind. Es
wurde oben (S. 213 und Fig. 142) jenes Wulstes gedacht, welcher
aus dem Grunde der Fossa angularis sich erhebt und der die Grube
in zwei Abschnitte, einen oberen und einen unteren, scheidet. Beistehender Durchschnitt durch den Kopf vom Embryo Seh zeigt das
Fig. 150.
Dui-chsclinitt durch den Kopf vom Embryo Seh. Vergross. 50. H Helix, Tr Tragus,
Qg Gehörgang, Fb Itnorpelige Felsenbeinanlage nebst der epithelialen Labyrinthanlage,
Zb kleines Zungenbeinhorn, dasselbe biegt sich medialwärts vom N. glossopharyngeus
in die Höhe behufs Verbindung mit dem Ton hinten kommenden grossen Hörn. St A.
Stapedia? C Carotis, A. v Art. vertebralis, A. m Art. maxillaris , V. j Vena jugularis,
-T, IX u. All Nu. facialis, glossopharyngeus und hypoglossus.
Ohr so getroffen, dass oben der Helixbogen, unten der Tragus im
Schnitte liegen. Der dazwischenliegende vom Boden der Fossa sich
erhebende Centralwulst ist sehr ausgeprägt und es ist unschwer zu
erkennen, dass seine Entstehung auf einer Hervorwölbung der die
erste Schlundspalte durchsetzenden Verschlussplatte beruht. Der
äusseren Convexität des Wulstes entspricht eine der Kachenhöhle zu
Die Formentwickelung des äusseren Ohres. 221
gewendete scliräge Begrenzung der Platte. Die Platte besitzt nunmehr eine gewisse Dicke und zwischen den beiden sie einfassenden
Epithellamellen liegt ein Bindesubstanzpolster, in welches der dem
zweiten Schlundbogen angehörige Knorpelstreif noch eine Strecke
weit hereinreicht. Ein kleines auf dem Durchschnitte sichtbares
Blutgefäss ist vielleicht als die von den Arbeiten von Fräser u. A.
her bekannte A. stapedia zu deuten. Der N. facialis ist auf dem
Schnitt zweimal getroffen; einmal über dem Ohr vor der Kniebildung, das zweite Mal im Bereich des Unterkieferbogens nahe am Pes
anserinus. Das Labyrinth liegt ziemlich hoch über dem äusseren Ohr,
zwischen beiden tritt der N. facialis hindurch, von einem stärkeren
zur V. jugularis gehörigen Gefässstamm begleitet.
Von den beiden Buchten der Fossa angularis, welche durch den
Centralwulst geschieden sind, ist die untere tiefer als die obere. Das
Niveau von jener liegt in der Höhe der Rachenhöhle, das Niveau
der unteren Bucht dagegen liegt tiefer als der Rachenraum und ist
medianwärts der Zungenwurzel zugekehrt. Diese untere Bucht ist
die erste Anlage eines Oehörganges, während die obere dem Sj^stem
der Ohrmuschelgruben angehört. Schon auf der dargestellten Stufe
ist die Stellung des Centralwulstes bez. diejenige vom Boden der
Fossa angularis eine schräge. Diese Schrägstellung nimmt in der
Folge noch zu und sie führt zu einer grösseren Vertiefung des Gehörganges. Der Centralwulst bildet dabei die Decke des Gehörganges,
und ein Theil seiner Oberfläche geht in das Trommelfell über.
Baiichstiel und Nabelstrang.
Das Capitel, das naturgemässerweise erst nach Behandlung der
Beckengebilde folgen sollte, schliesse ich hier an, weil in einem
früheren Abschnitt (S. 1 5) ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist.
Als Bauch stiel bezeichne ich jenen dicken Strang, der schon
bei sehr jungen Embryonen die Verbindung zwischen Embryo und
Chorion herstellt. Derselbe entwickelt sich dicht unterhalb des Nabelschlitzes aus der vorderen Leibeswand. Yor dem stumpf auslaufenden Beckenende des Körpers biegt er sich unter scharfem Winkel
ab, und er tritt vor ihm vorbei nach abwärts, um sich nach kurzem
Verlauf in das Chorion zu inseriren (Taf. I* Fig. 6, Taf. IX Eig. 1 — 7,
Eig. 9— 11 u. Eig. 141). Nach Emporhebung des Beckentheiles erscheint der Bauchstiel zwischen diesen und den Stiel der Nabelblase
eingeklemmt, späterhin wandelt er sich in den Nabelstrang um, als
dessen Vorgebilde er zu betrachten ist.
Die Hauptmasse des Bauchstieles ist eine lockere Bindesubstanz nebst etwas glatten Muskelzellen; seine dorsale Eläche trägt
eine Ectodermbekleidung, während die ventrale Hälfte den AUantoisgang und die zwei neben diesem herlaufenden Aa. umbilicales umschliesst. Dorsalwärts von den letztgenannten Theilen verläuft eine
mächtige Vena umbilicalis (Taf. XI BB 13 — 15 und Taf. XII Lg
204 u. 208).
Manche ältere Beobachter haben den Bauchstiel kurzweg als
Allantois bezeichnet und neuerdings behauptet auch Köllikee, dass
ich die Allantois Bauchstiel nenne.') Will man indessen die Be
1) Die Länge des Bauchstieles betrug bei Embryo SR 0.6 mm, bei Lg
0.6, bei R 0.7, bei BB 0.9 und bei Lr 1.1 mm.
2) Grundriss. 2. Aufl. S. 140.
Bauchstiel und Nabelstrang. 223
zeiclmurig AUantois nicht ganz diffus werden lassen, so wird man
gut thun, sie auf das Gebilde zu beschränken, das man von Alters
her so genannt hat, auf eine aus dem Bauch frei hervortretende,
dem übrigen Eingeweiderohr durch Yermittelung des TJrachus endständig angefügte Blase.
Eine blasenförmige oder auch nur eine freie AUantois hat man
bei menschlichen Embryonen niemals beobachtet und der im Bauchstiel vorhandene enge Gang, der Allantoisgang, wie ich ihn bisher bezeichnet habe, ist jedenfalls nur ein sehr verkümmerter Repräsentant des bei vielen Säugethieren so mächtigen Gebildes. Nach
meinem Dafürhalten ist auch der Bauchstiel nicht durch Anwachsen
einer freien AUantoisanlage an das Chorion entstanden, sondern er
bezeichnet den Ort einer primären, niemals unterbrochenen Verbindung zwischen dem Embryo und der Keimblase.') Durch diese Auffassung allein wird es verständlich, dass der Stiel schon bei den
allerjüngsten menschlichen Embryonen als ein relativ mächtiger Theil
vorhanden ist.
Der Bauchstiel erweist sich nach seinem morphologischen Aufbau als eine Fortsetzung der Eumpfanlage. Indem nämlich die
Körperanlage mit ihrem unteren Endtheil eine S-förmige Biegung
beschreibt, bildet der Bauchstiel den vorderen Schenkel des S und
alle in ihm enthaltenen Theile erweisen sich als entsprechende Fortsetzungen von gleichartigen Bestandtheilen des Rumpfes. Der Allantoisgang des Bauchstieles ist der nach vorn umgebogene Endschenkel
des Eingeweiderohrs. Die Aa. umbilicales sind die Endschenkel der
S-förmig gebogenen Aorten und in einem ähnlichen Yerhältniss steht
die V. umbilicalis des Bauchstieles zu den gleichnamigen Gefässen
des Rumpfes.
Bei jungen Embryonen lässt sich in der Nähe des Bauchstielursprunges die Uebereinstimmung im Aufbau des Bauchstieles mit
demjenigen des Rumpfes sehr deutlich verfolgen. Eigur 151 zeigt
einen solchen Durchschnitt vom Embryo Lg, und in Figur 152 habe
ich denselben symmetrisch umgezeichnet. Dabei ergiebt sich, dass
1) Heftl. S. 169 und Heft II. S. 33 u. ff. Kölliker verwirft meine Gründe,
ohne näher darauf einzugehen, und bleibt bei der alten Behauptung vom
einstigen Vorhandensein einer freien Allantoisblase stehen.
224
Bauclistiel und Nabelstrang.
der Bauchstiel gleich der Rumpfanlage eine Platte darstellt mit
axialer Verdickung und mit seitlicher Zuschärfung. Die Seitenränder
erheben sich dorsalwärts und ihre Ectodermbekleidung schliesst sich
zum Amnion. Längs der Axe verläuft im Beginn des Bauchstieles
eine dorsale Rinne, als unverkennbare Fortsetzung der Medullarrinne, an ihrem Grunde ist das Ectoderm dicker als in den Seitenabschnitten. Die verjüngten Seitenflügel des Durchschnitts sind
diesseits vom Beginn des Amnion die Träger der Yv. umbilicales, d. h, wir finden diese
Gefässe an derselben Stelle, die
sie auch am Rumpf einnehmen.
Dies gilt wenigstens von hochgelegenen Durchschaitten , weiter nach abwärts hin rücken sich
die beiden Venen in der Mittellinie entgegen und vereinigen
sich zu einem einzigen dorsalwärts von den Arterien liegenden Stamme.
Der Allantoisgang liegt von
den axial gelagerten Theilen am
meisten ventralwärts , d. h. er
verhält sich hinsichtlich seiner
Lagerung so, wie im Rumpfe
der Darm. Etwas mehr dorsalwärts und seitlich davon liegen
die beiden Fortsetzungen der
Aorten, die Aa. umbilicales. Dieser typische Aufbau des Bauchstieles
verwischt sich weiter nach dem Chorion zu, dadurch vor allem,
dass, sei es von Natur, sei es in Folge der Präparation, die ursprüngliche Symmetrie der Theile gestört wird. Dagegen giebt sich
die Uebereinstimmung der Bauchstielanlage mit der Rumpfanlage
ihrer ganzen Länge nach zu erkennen in dessen Umbildungsweise
zum Nabelstrang.
Der Bauchstiel wandelt sich dadurch zum Nabelstrang um, dass
seine beiden lateralen Abschnitte sich ventralwärts einbiegen und
OJl
Fig 151 und 152.
Fig. 151 Durchschnitt des Bauchstieles vom Embryo Lg nahe am Ursprung aus dem Körper.
Vergr. 50. In Fig 152 ist derselbe Schnitt symmetrisch regnlarisirt dargestellt. St Steissende
des Körpers, Mr Medullarrinne, Ä. « u. V.u Art.
und Vena umbilicalis, All Allantoisgang,
Am Amnion.
Bauchstiel und Nabelstraiig.
225
der Länge nach mit einander verwachsen, dabei umschliessen sie
eine Höhle, die eine Fortsetzung der Leibeshöhle ist und in vrelche
der Stiel der Nabelblase mit aufgenommen wird. Der Anfangstheil
der Höhle ist sogar so geräumig, dass die Schlingen des Mesenterialdarms darin Aufnahme finden. Indem so der Bauchstiel zum Eohr
sich schliesst, kommen an dessen ventraler Seite auch die Ränder
seiner ectodermalen Bekleidungen zusammen und verwachsen zu
einer doppelten Umhüllung, es bilden sich für den ISTabelstrang ein
geschlossener Ectodermüberzug und eine gleichfalls geschlossene
Amnionscheide.
Beifolgender Durchschnitt des Nabelstranges vom Embryo Seh
zeigt am meisten dorsalwärts die Vena umbilicalis, davorliegend die
Arterien und den Allantoisgang und
dann das Coelom. Die Nabelgefässe besitzen eine Muscularis, die
bei den Arterien stärker ist als bei
der Yene. Der im Coelom liegende
Darmstiel enthält keinen Darmdottergang mehr, sondern nur noch
die beiden Vasa omphalomesenterica.
Es ist wohl zu beachten, dass
derjenige Abschnitt des Eiugeweiderohres, welcher dem Bauchstiel genetisch zugehört, nicht etwa
der Darmdottergang ist, sondern
der Allantoisgang. Jener ist ein
secundär umwachsenes Gebilde, das zum Bauchstiel keine morphologischen Beziehungen besitzt und das ja auch völlig frei und ohne
Gekröse in der Nabelstranghöhle liegt. Würde dagegen der Allantoisgang, anstatt in der Dicke der Höhlenwand zurückzubleiben, sich
etwas nach der Höhle hin hervordrängen, so würde er gleich den
Eumpfabschnitten des Eingeweirierohres eine Art von Gekröse hinter
sich herziehen.
Die beiden Hauptpunkte, in denen Rumpf und Bauchstiel von
einander differiren, sind:
1. das NichtZustandekommen eines ectodermalen Nervenrohres
His, Menschl. Embryonen. III. 15
Fig. 153.
Nabelstrang vom Embryo Scb. Vergr. 50.
Ds Dannstiel, C Coelom.
226 Bauchstiel und Nabelstrang.
und 2, das Fehlen eines somatischen Mesoblasten und der von diesem
abstammenden Gebilde. Ob auch ein visceraler Mesoblast fehlt, mag
angesichts der kräftigen G-efässmuskeln unbeantwortet bleiben. Letztere können möglicherweise vom Körper ausgehend die Gefässe umwachsen haben, aber ebenso gut ist es denkbar, dass sie aus primär
vorhandenen Zellen des Bauchstieles hervorgegangen sind.
Der Sprung von der Rumpfanlage zum Bauchstiel ist übrigens
kein plötzlicher, denn, wie wir wissen, so besteht im Schwanzfaden
der Säugethiere und des Menschen, wenigstens vorübergehend ein
Körperabschnitt, welcher zwar ein Medullarrohr, aber keine Urwirbel
umschliesst.
Bei jüngsten Embryonen geht laut obiger Darstellung die dorsale
Wand des Beckenstumpfes ununterbrochen in die ventrale und in diejenige des Bauchstieles über, die gesammte Strecke ist ursprünglich
nahtfrei. Weiterhin aber bildet sich auf der Bauchseite des Beckenendes und im Bereich der Bauchwand eine mediane Naht dadurch,
dass sich die Wand von beiden Seiten her einfaltet. Aehnlich wie
zwischen Inframaxillar- und vorderer Halsgegend kommt es hier unter
Bildung einer medianen Naht zu einer Trennung zwischen der ventralen Steissfläche und dem Dammgebiet. Auf den im Profil auftretenden Einschnitt habe ich schon früher (S. 22) hingewiesen, eine
eingehendere Darstellung des Herganges gedenke ich im IV. Heft
zu geben.
NACHTRAG zu Seite 80.
Etwas verspätet habe ich in Betreff des Eoramen coecum
linguae die Originalstelle bei Morgagni eingesehen (Animadvers.
anat. I. 4). Dabei hat sich gezeigt, dass Morgagni's Darstellung
und dass besonders seine Abbildung sehr viel correcter ist, als
alle diejenigen moderner Lehrbücher. Die Figur zeigt nämlich,
gleich meiner Fig. 59, das Foramen als Endvertiefung einer winkelig
gebogenen Furche, an der Grenze des mit Balgdrüsen besetzten
Zungengebietes liegend. Der Arcus papillaris ist flach und vom
Foramen, sowie von der eigentlichen Zungenwurzel durch eine ziemlich breite papillentragende Zone geschieden. Im Text bespricht
Morgagni eingehend den Wechsel in der Entwickelung des Foramen. Auch erwähnt er eines Falles, in dem dasselbe in einen zwei
Zoll langen, bis zum Zungenbein herab reichenden Kanal hereingeführt hat. Das von Morgagni abgebildete Präparat zeigt auch, was
mir besonders beachtenswerth scheint, ein bis zur Zungenbeinhöhe
heraufreichendes Cornu medium der Schilddrüse.
15 =
Erklärung der Tafeln.
Tafel IX.
Jüngere Formen vor Eintritt der Naekenkrümmung.
Die Figuren 1 — 5 geben die äusseren Formen der Embryonen
Lg (Fig. 1), Seh (Fig. 2), BB (Fig. 3), Rf (Fig. 4) und Lr (Fig. 5)
bei 30 facher Vergrösserung. Von diesen 5 Embryonen sind nur die
beiden ersten vollständig mit Amnion und mit Nabelblase dargestellt.
Der Embryo Rf (Fig. 4) ist verletzt, indem die Wand der Parietalhöhle zerrissen und das Herz aus seiner natürlichen Lage gebracht
ist. Für die Beurtheilung der gegenseitigen Stellung von Ventrikel
und von Aortenbulbus darf daher diese Figur nicht verwerthet werden. Abgesehen davon scheint mir aber das Präparat noch instructiv
genug, um eine Abbildung zu rechtfertigen, um so mehr, da das
Material für diese Stufe sehr sparsam vorliegt.
Die drei Embryonen Lg, Seh und BB zeigen steil aufgerichteten
Kopf, nach abwärts gerichtetes Bedienende und die schon bei früherem Anlass discutirte tiefe Einziehung des Rückentheiles. i) Bei den
Embryonen Rf und Lr dagegen (Fig. 4 und 5) ist der Rücken convex
und das Beckenende bereits emporgehoben. In Betreff der so auffallenden dorsalen Einknickung bei Fig. 1 — 3 ist soviel zu betonen,
dass bei jüngsten Embryonen eine concave Biegung des Rückens
unbedingt als gesetzmässiges Vorkommniss muss angesehen werden.-)
Nur die Frage kann meines Erachtens Gegenstand der Discussion
1) Heft II. S. 36.
2) Man vergl. auch Taf. I * Fig. 6 sowie die Figuren von Allen Thomson
und CosTE im IL Heft.
Erklärung der Tafeln. 229
sein, ob die hohen Grade von Einziehung, wie sie meine Präparate
gezeigt haben und wie sie unter anderen auch von den Embryonen
von JOH. Müller und von R. Wagner her bekannt sind, als normal
bezeichnet werden dürfen.
Es wird schwer sein, zu sagen, wo die normale Krümmung aufhört und eine abnorme beginnt. Man sieht nämlich leicht ein, dass
bei jungen Embryonen die mittlere Strecke des Leibes ihrer flachen
Eorm halber weit biegsamer sein muss, als die beiden Endstrecken,
und unter den Umständen wird man zwar wohl die Eichtung, nicht
aber den Grad der typischen Biegung feststellen können. Vielleicht
mag die Biegung auch beim lebenden Embryo innerhalb nicht allzu
enger physiologischer Grenzen schwanken, jedenfalls muss dieselbe
p. m. durch die Präparation erheblich beeinflussbar sein.
Ueber ein gewisses Maass hinaus kann der mit seinen Hüllen
verbundene Embryo nicht gestreckt sein, weil die Insertionslinie
des Amnion und die dieser Linie folgenden Vv. umbilicales dies
verhindern. Es verläuft nämlich, laut Fig. 7 und Fig. 10, die V.
umbilicalis nahezu gestreckt vom Bauchstiel zum Sinus reuniens, und
es ergiebt sich daraus, was ich im IL Heft (S. 42) bereits hervorgehoben habe, dass, solange das Amnion und die Umbilicalvenen
intact sind, der Embryo unmöglich gestreckt sein kann, sein Rücken
muss entweder einen concaven oder einen convexen Bogen beschreiben und der TJebergang aus der einen in die andere Eorm muss
als eine Art von Eederwirkung sich ziemlich rasch vollziehen.
Bei den 5 auf Tafel IX dargestellten Embryonen, gleich wie bei
L (Taf. VI, la) und bei M (Taf. I* 5) ist die Scheitelkrümmung des
Kopfes soweit ausgebildet, dass das Mittelhirn der am höchsten
stehende Abschnitt ist und das Hemisphärenhirn nach vorn sieht.
Letzteres füllt nebst den Augenblasen den die Mundöffnung überragenden Stirnwulst. Die MundöflFnung ist noch unverhältnissmässig
weit und sie läuft (Fig. 4) in 5 Rinnen aus, in die beiden Augennasenrinnen, in die beiden Mundwinkel und in die Medianrinne des
Unterkiefers. Auf den die Mundöffnung seitlich begrenzenden Oberkiefer folgt der schräg herabhängende Unterkiefer, an welchem jederseits eine schmale Wurzel und ein verdicktes Endstück zu unterscheiden sind. Je jünger die Entwickelungsstufe ist, um so niedriger
erscheint die freie Vorderfläche des Unterkiefers, bei Lg und Seh
(Fig. 1—2) ist dieselbe noch kaum angedeutet, bei Lr dagegen (Fig. 5)
besitzt sie fast die volle Höhe.
Bei der Scheidung zwischen dem ventralwärts freien Vorderkopf und dem ursprünglich offenen Hinterkopf hat man den Unterkiefer dem letzteren zuzuweisen. Die Vorderwand des Hinterkopfes
trägt das Herz nebst der Parietalhöhle ; in seiner Seitenwand entwickeln sich der Reihe nach die vier Schlundspalten. Bei den
Figuren 1 u. 2 sind zwei Schlundspalten unterscheidbar, bei Fig. 3 u. 4
sind es deren drei; bei Embryo Lr (Fig. 5) ist unter der dritten
deutlich ausgeprägten Spalte eine Yertiefung vorhanden, deren unteres Ende die Andeutung einer vierten Furche enthält. An Durchschnitten zeigen sich zu der Zeit die vom Schlund ausgehenden vier
Spalten alle als vorhanden. Im Ganzen erscheint das Feld der seitlichen Kopfwand, welches die Spalten trägt, als ein schräges, von
zwei nach abwärts convergirenden Leisten eingefasstes Dreieck. Verfolgt man z. B. bei Fig. 5 die Modellirung des Hinterkopfes vom
dorsalen zum ventralen Rande des Profils, so stösst man zuerst auf
die dem Nachhirn zugehörige medulläre Leiste, welcher in der Höhe
der zweiten Schlundspalte die Grehörblase angelagert ist; nun kommt,
durch eine Furche getrennt, eine hinter den Schlundfurchen herablaufende retrobranchiale Leiste, und auf das dreieckige Branchialfeld folgt eine die vorderen Spaltenränder verbindende präbr an chiale Leiste, die sich ihrerseits durch eine tiefe Furche
von der dünnen Parietalhöhlenwand absetzt (man vergl. auch Taf. XI
Lr 14 a und 15 a).
Nach Feststellung dieses objectiven Thatbestandes bleibt die
Längsgliederung des Hinterkopfes mit derjenigen des Rumpfes in
.Beziehung zu setzen. Die longitudinalen Hauptzonen des letzteren
sind die Stamm- und die Parietalzone , von denen jene in die Medullär- und die Ur wirb eileiste, diese in die WoLFF'sche Leiste und
den RATHKE'schen Streifen sich ghedert (Heft H. S. 64). Im Bereiche von der WoLFF'schen Leiste bilden sich die Extremitäten,
aus dem RATHKE'schen Streifen wird die dünne Seiten- und Vorderwand des Bauches.
Eine Uebertragung dieser ZonengUederung auf den Hinterkopf findet deshalb grosse Schwierigkeiten, weil hier die Modellirung
eine andere ist. Als Grenze zwischen Stamm- und Parietalzone ist
Erklärung der Tafeln. 231
die hinter der Retrobranchialleiste befindliche Furche aufzufassen.
Die Parietalzone reicht von jener Furche aus nach vorn bis zur
Mittellinie und sie unifasst somit nach rückwärts die Eetrobranchialleiste, nach vorn die Wand der Parietalhöhle. Wie weit nun aber
innerhalb dieses Bezirkes das Grebiet der WoLFF'schen Leiste sich
erstrecke, ist nicht ohne Weiteres anzugeben. Bei meinen früheren
Darstellungen habe ich dasselbe im Interesse einer klaren Bestimmung bis zur hinteren Grenze der Parietalhöhle reichen lassen.
Neuerdings hat nun Froriep ') die Behauptung ausgesprochen, dass
nur die Präbranchialleiste (seine Schulterzungenleiste) als Fortsetzung
der WoLFP'schen zu betrachten sei, und dass man den dahinter liegenden Schlundbogenabschnitt des Hinterkopfes als etwas neu Hinzugekommenes zu betrachten habe.
Wollen wir uns nicht in Willkürlichkeiten verlieren, so werden
wir uns entschliessen müssen, auf die genetische Bedeutung der
einzelnen Wülste zurückzugreifen, und dabei kann ich allerdings nicht
vermeiden, auf das von den meisten Morphologen etwas schief angesehene Capitel von der primitiven Faltenlegung einzugehen. Bei
der Emporhebung des Embryo aus der übrigen Keimhaut bildet sich
zuerst vorn eine bogenförmige Querfalte, mit der sich weiterhin zwei
seitliche Längsfalten kreuzen, später kommt noch eine hintere Querfalte hinzu. Von diesen vier Keimfalten, wie ich sie seiner Zeit genannt habe, legen sich zuerst die vordere und dann die beiden seitlichen um; mit der Umlegung der vorderen Keimfalte wird die
Bildung eines freien Yorderkopfes eingeleitet. Ich verweise in Betreff dieser Dinge auf die Briefe „lieber unsere Körperform", denen
ich auch den nachfolgenden Holzschnitt entnehme. Dabei scheint
es aber nöthig, auf die Bezeichnungsweise der einzelnen Faltenabschnitte zurückzukommen. Die Geologen, welche bei ihren Arbeiten
die Consequenzen aus dem Faltungsprincip minder schüchtern gezogen haben, als unsere Fachgenossen, haben auch ihrerseits das Bedürfniss einer klaren Terminologie empfunden, und es wird gut sein,
wenn wir von ihren Ausdrücken Kenntniss nehmen. Eine Falte,
wie sie die untere Figur beifolgenden Holzschnittes zeigt, wird von
1) Fboeiep , Archiv f. Anatomie und Physiologie , anatom. Abtheilung.
1885. S. 49.
232 Erklärung der Tafeln.
den Geologen als ein liegendes Gewölbe bezeichnet.') Die convexe Biegung (meine frühere Keimfaltenfirst"-)) beisst die Gewölbbiegung, die concave die Muldenbiegung (meine Grenzrinne).
Die 3 Schenkel der Falte, die ich als dorsalen, ventralen und als
Uebergangsschenkel bezeichnet hatte, heissen bei den Geologen der
Gewölbschenkel, der Mittelschenkel und der Muldenschenkel.
Fig. 154.
I) dorsaler oder Gcwölbschenkel, V ventraler oder Mittelschenkel, Ue Ueber
gangs- oder Muldensclieiikel, A"/ Keimfalten flrst oder Gewölbbiegung, Gr Grenz
furche oder Muldenbiegung.
Hiernach ist die WoLPF'sche Leiste der Gewölbtheil, der Kathkesche Streifen der Muldentheil der seitlichen Keimfalte. Beim Uebergang vom Eumpf auf den Kopf compliciren sich die Verhältnisse
dieser Falte mit denen der vorderen. An dieser können wir, da sie
einen Bogen bildet, ein Scheitelstück und zwei Seitenschenkel unterscheiden.3) Für jenes fällt die Gewölbbiegung in den Stirnwulst, die
Muldenbiegung an das untere Ende der Mundbucht. Für die beiden
Seitenschenkel aber, welche mit zunehmender Entwickelung eine
immer steilere Stellung annehmen, gestaltet sich die Sache dahin,
dass dieselben vom Stirnwulst aus (in einer secundär sich brechenden Linie) auf Oberkiefer und Unterkiefer sich fortsetzen, von da aus aber in die beiden Präbranchialleisten auslaufen. Wie wir wissen,
bezeicbnet die Kreuzungsstelle der vorderen mit der seitlicben Keimfalte den Ort der oberen Extremität, und dies bestätigt sich auch
für die menschlichen Embryonen, denn hier begegnen sich (Taf. IX
Fig. 3 und Eig. 5) an der Extremitätenwurzel die schräg herabsteigende präbranchiale und die in der Verlängerung der WoLFF'schen
verlaufende retrobranchiale Leiste, jene ein Stück der vorderen,
diese ein Stück der seitlichen Keimfalte.
1) Heim, Untersuchungen über den Mechanismus der Gebirgsbildung.
Basel 1878.
2) Körperform. S. 20.
3) Körperform. S. 28 und Monographie des Hühnchens S. 45.
Indem wir nun auf die endgültige Deutung der Theile des
Hinterkopfes zurückkommen, muss unser Votum anders lauten, je
nachdem Avir dabei die Form- oder die Substanzanlagen im Auge
haben. Verstehen wir unter der WOLFF'schen Leiste unbedingt nur
den Gewölbtheil der seitlichen Keimfalte, so beschränkt sich der
Kopftheil derselben auf die Ketrobranchialleiste. Eechnen wir aber
zur WoLFF'schen Leiste die massigere hintere, zum EATHKE'schen
Streifen die dünnere vordere Hälfte der seitlichen Kopfwand, so
werden wir die natürliche Grenze beider an den Ursprungssaum der
Parietalhöhlenwand verlegen. Mögen wir die Sache in dem einen
oder in dem anderen Sinne nehmen, so ist die Behauptung, dass die
Präbranchialleiste die eigentliche Fortsetzung der WoLFF'schen Leiste
sei, in gleicher Weise unhaltbar. Als Eormanlage gehört die Präbranchialleiste nicht zum System der seitlichen, sondern zu dem der
vorderen Keimfalte, als Substanzanlage bildet dieselbe nur den Theil
eines grösseren, die Schlundfurchen umfassenden Massencomplexes.
Was die sonstigen Formeigenthümlichkeiten des embryonalen
Kopfes betrifft, so bildet das Herz einen um so unverhältnissmässigeren Antheil desselben, je jünger die Stufe ist. Am unförmlichsten
ist in der Hinsicht der Kopf von Lg (Eig. 1), wogegen bei Lr (Fig. 5)
durch Abwärtsbiegung des Ventrikeltheiles und durch Senkung der
Aorteninsertion die Kopfform eine viel schlankere geworden ist. Der
vordere Abschnitt des Herzens ist bis zu Embryo BB noch nicht
von Amnion umschlossen, wogegen bei Lr auch in der Hinsicht die
bleibenden Verhältnisse sich eingeleitet haben.
Für den Rumpf- und Beckentheil der auf Taf. IX abgebildeten
Embryonen bedarf es keiner besonderen Erläuterungen, da die Dinge
ziemlich klar vorliegen. Der Bauchabschnitt des Rumpfes ist selbst
bei Embryo Lr noch sehr unbedeutend und seitlich eingesunken , ein verhalten, das damit zusammenhängt, dass in dieser Zeit die Leberanlage noch sehr bescheidenen Umfang besitzt.
Fig. 6 und 7. Anatomie des Embryo Lg. Vergrösserung,
auf das feuchte Präparat bezogen, 37 (40 für die Schnitte). Am
Gehirn ist der Hemisphärentheil bereits markirt, die Augenblasen
treten als stark gewölbte Gebilde hervor. Zwischenhirn, Mittelhirn,
Hinterhirn sind scharf geschieden, die Brückenkrümmung kaum angedeutet. Die Gehörgrube ist noch offen.
Die Rachenhaut ist bei diesem Embryo noch vorhanden, sie trennt
die Mundbucht vom Yorderdarm, von denen jene in die RATHKE'sche,
dieser in die SEESSEL'sche Tasche ausläuft. Im unteren Abschnitt
des Vorderdarms bezeichnet eine niederige Längsleiste die erste
Trennung vom Nahrungs- und Athmungsrohr. lieber dem Verbindungstheil von Vorderdarm und Nabelblase liegen der Lebergang und
die solide Leberanlage, welche ihrerseits in das Septum transversum
eingeschlossen sind. Vom Herzen ist bei Fig. 6 die rechte Ventrikelhälfte nebst dem Aortenbulbus sichtbar, bei Fig. 7 ist das Endothelrohr isolirt dargestellt. Canalis auricularis und Fretum sind sichtbar; der Aortenbulbus geht in zwei Aortenbogen über.
Unter dem primären Zwerchfell liegt der Sinus reuniens, bei
Fig. 6 im Durchschnitt, bei Fig. 7 mit seinen Wurzeln gezeichnet,
mit der kurz abgeschnittenen V. cava superior, der Dottervene und
der Nabelvene; letztere verläuft beinahe gestreckt zum Bauchstiel
und verbindet sich hier mit dem Stamm der anderen Seite. Die
unpaare Nabelvene liegt weiter dorsalwärts als die beiden aus der
Aorta hervorgehenden Nabelarterien und als der Allantoisgang.
Fig. 8. Kopf durchschnitt vom Embryo Rf. Vergrösserung 40 der Schnitte, ca. 35 des feuchten Präparates.
Fig. 9 und 10. Anatomie vom Embryo BB. Vergrösserung 37 auf das feuchte Präparat bezogen (40 für die Schnitte).
Gehirngiiederung wie bei Fig. 6 und 7; an der Augenblase beginnt
sich eine äussere Höhlung zu markiren. Rautengrube und Brückenkrümmung sind etwas deutlicher geworden, die Gehörblase ist geschlossen, die Rachenhaut geschwunden, ein Vorsprung bezeichnet die
Grenze der RATHKE'schen und der SEESSEL'schen Tasche. Die Innenwand des Vorderdarms zeigt die vier Schlundspalten. In der Höhe
vom dritten und vierten Bogen liegt die Stelle des Kehlkopfein
Erklärung der Tafeln. 235
.ganges. Hinter dem Herzvorhof zeichnet sich die Limgenanlage
und darunter die etwas ausgeweitete Stelle der Magenanlage aus.
Nun folgen der Lebergang mit der compacten Leberanlage und der
Eingang in die Nabelblase. Unterhalb des letzteren folgt eine bereits geschlossene Darmstrecke, dann die Abgangsstelle des Allantoisganges und die Bursa pelvis. Bei Fig. 10 ist auch das untere Ende
des Urnierenganges dargestellt, der in einem nach abwärts convexen
Bogen zur Bursa hintritt.
Bei Fig. 9 ist wiederum das Muskelherz, bei Fig. 10 das Endothelialherz eingezeichnet. Der Aortenbulbus geht zur Zeit in fünf
offene Bogen über. Y. jugularis, V. cardinalis sowie die übrigen
Venen sind leicht verständlich.
Fig. 11. Derselbe Embryo ist so dargestellt, dass
man eine Uebersicht über seine Höhlen bekommt. Das
Eingeweiderohr ist punktirt angegeben. Die das Herz umschliessende
Parietalhöhle liegt dem Schlundbogengebiet des Kopfes von vorn
her an, durch einen engen Gang (den Recessus parietalis) öffnet sie
sich in die Bauchhöhle. Der Gang wird von der oberen Hohlvene
gekreuzt. Den Boden der Parietalhöhle bildet das Septum transversum, dasselbe besteht aus dem dorsalwärts frei auslaufenden primären Zwerchfell, aus dem darunter befindlichen Sinus reuniens und
aus der Yorleber, einem Bindesubstanzwulst, in den von unten her
die epitheliale Leberanlage hereinragt. Das Gebiet der Bauchhöhle
ist quer schraffirt, nach abwärts erstreckt sich dasselbe bis in den
Beginn des Beckenstumpfes, aber nicht so tief herab, als das Endstück der Cloake.
Fig. 12. Frontalconstruction desselben Embryo. Es
sind sichtbar: das Hemisphärenhirn, die Augenblasen, das Zwischenund das Mittelhirn, die fünfeckige, von Stirnwulst, Ober- und Unterkiefer umfasste Mundöffnung, die eröfftiete Parietalhöhle mit dem
Endothelialherzen, die 5 Aortenbogen, das Septum transversum mit
seinen verschiedenen Bestandtheilen und der Sinus reuniens. Die
Dottervenen beginnen, sich in mehrere Aeste aufzulösen. In der
Seitenwand des Körpers sind die Nabelvene und die obere Hohlvene dargestellt.
Fig. 13 und 14. Anatomie des Embryo .Lr. Vergrösserung
circa 35 fach auf das feuchte Präparat bezogen (40 der Schnitte).
236 Erklärung der Tafeln.
Fig. 13 zeigt den Durchschnitt des Yorderdarms imd der Parietalhöhle.
Bei Fig. 14 ist die letztere von der rechten Seite her eröffnet dargestellt, und es sind die grossen Gefässstämme, die fünf Aortenbogen
und die Venen eingezeichnet. Der Sinus reuniens beginnt bereits
aus der übrigen Zwerchfellfläche emporzusteigen. In der unteren
Körperhälfte ist auch das Eingeweiderohr punktirt angegeben. Der
Bauchstiel ist durchsichtig gedacht, die beiden Nabelarterien verbinden sich in der Nähe der Insertion' auf kurze Strecke zu einem
unpaaren Stamm. .
Fig. 15. Frontalconstruction desselben Embryo, ähnlich behandelt wie Fig. 12. Die punktirte Linie am Hemisphärenhirn bezeichnet die Ausdehnung der ßATHKE'schen Tasche.
Tafel X. Normeiitafel.
(Vergrösserung 5.)
Die Tafel soll in fortlaufender Keihe die Entwickelung embryonaler Formen von den frühesten bekannten Stufen ab bis zur Vollendung der äusseren Gliederung darstellen. Der Vergrösserungsmaassstab ist für alle 25 Figuren derselbe. Der grössere Theil der
Embryonen dieser Tafel ist in den Textbildern des zweiten Heftes
schon abgebildet worden, aber nichtsdestoweniger glaube ich eine
nochmalige Zusammenstellung der Figuren auf einem Blatt verantworten zu dürfen, denn ich habe mich überzeugt, wie sehr dadurch
das Verständniss an übersichtlicher Klarheit gewinnt. Auch ist
manches Detail sorgfältiger durchstudirt und ausgeführt worden, und
bei der Vergleichung kann man sich überzeugen, dass meine älteren
Figuren bei der TJeberarbeitung durch die Hand eines geschickten
Künstlers Vieles gewonnen haben. Dies gilt besonders von den Zeichnungen der vorgerückteren Stufen, welche nach den Originalpräparaten
sehr genau revidirt worden sind. Für die jüngeren Stufen bieten
andere Tafeln des Werkes in grösserem Maassstab ausgeführte und
dem entsprechend auch detaillirtere Darstellungen.
Es sind lauter eigene Beobachtungen in die Tafel aufgenommen
worden, und die Keihe ist jetzt innerhalb der gegebenen Grenzen nahezu
ununterbrochen. Höchstens möchte man wünschen, zwischen 2 und 3
und allenfalls zwischen 6 und 7 noch ein Zwischenglied einzuschieben,
eine Lücke für das Verständniss ist indessen auch an diesen beiden
Erklärung der Tafeln.
237
Stellen nicht vorhanden. Die im zweiten Heft nur durch unvollkommene Stücke repräsentirte Stufe von 9 und 10 mm konnte ich
durch besseres Material ausfüllen; einmal habe ich, dank dem
freundlichen Entgegenkommen von Herrn Collegen Waldeyer, die
Sammlung der Berliner anatomischen Anstalt durchsehen dürfen, in
welcher sich das Original zu Fig. 11 vorgefunden hat; dann aber hat
mir Herr Dr. Carl Rüge in Berlin von Neuem und in bereitwilligster
Weise seine Schatzkammer eröffnet, und dieser entstammt das Original von Fig. 12, sowie ausserdem diejenigen von Fig. 15 und 19.
Ich gebe zunächst eine tabellarische Uebersicht der abgebildeten
Präparate, an die ich dann eine kurze Discussion besonderer Verhältnisse anschliessen werde. Die Präparatenbezeichnungen sind
meistens doppelt, sowohl in Buchstaben, als in römischen Ziffern,
und sie entsprechen den auf der Tabelle von Heft 11. S. 9 gegebenen. Die Längenmaasse sind für Fig. 1 — 6 (als L.) vom Scheitel
zum Steissende gemessen, für Fig. 7 — 25 ist die Länge der Nackenlinie (M.) verzeichnet, worüber ich auf Heft 11. Seite 4 verweise.
Da, wo die Präparate dem Uteras von Leichen entstammen, ist dies
ausdrücklich bemerkt, die übrigen sind aus Fehlgeburten; Nr. 25
ist das Product einer extrauterinen Schwangerschaft.
Fig. 1
Embryo E (TU)
L = 2.1 mm
Heft I S.
145
= 2
= SR (VI)
2.2 =
= I =
140
= 3
= Lg: (LXVIII)
2.15 =
= II =
88
= 4
Sch (LXYI)
2.2 =
= 11 =
89
Uterus
' 5
M (IV)
2.6
= I
116
= 6
Lr (LXVII)
4.2 =
= II .
90
= 7
= « (III)
Nl=4 =
= I
101
= 8
R (LVII)
5 =
= II
91
= 9
= A (II)
7.5
= I =
14
= 10
- Pr
10
Uterus
= 11
Berliner auat. Sammig.
9.1 =
Uterus
= 12
ßuGE'sche Sammlung
9.1 '
- 13
Embryo M (X)
10.5 =
' II =
94
= 14
Br (XXIX)
11
- II ^
94
- 15
= Rg (LXXIV)
11.5 =
= II
95
= 16
Si (XXXV)
12.5 =
= II =
96
= 17
= CII
13.7 =
- 18
Sch 2 (XL VI)
13.8 =
= II =
97
= 19
EuGE'sche Sammlung
13.6 =
= 20
Embryo Br (XXXIV)
14.5 =
= 11 =
97
Uterus
= 21
S2 (XXXVI)
15.5 =
= II .
96
= 22
= XCI
16 =
= 23
Ltz
17.5 =
= 24
= Zw
18.5 =
= 25
Wt (LXXVII)
23 =
= II =
97
extrauterin
Zeile 1 enthält Embryonen vor Eintritt der Nackenkrümmung
von 2.1 bis 4.2 mm L.
Zeile 2 Embryonen nach Eintritt der Nackenkrümmung von
4 bis 10 mm Nl.
Zeile 3 Embryonen von 10.5 bis 13.7 Nl.
Zeile 4 Embryonen von 13.8 bis 15.5 Nl.
Zeile 5 Embryonen von 16 bis 23 Nl.
Hinsichtlich des Alters ist laut Heft I. S. 166 und Heft ü.
S. 72 u. f. mit annähernder Sicherheit folgende Skala aufzustellen:
12 bis 15 Tage Fig. 1 bis 4
18 bis 21 Tage Eig. 5 und 6
23 Tage Eig. 7
24 bis 25 Tage Fig. 8
27 bis 30 Tage Fig. 9 bis 12
31 bis 34 Tage Fig. 13 bis 17
35 bis 36 Tage Fig. 18 und 19.
Von hier ab liegen mir erst wieder über den Embryo von Fig. 23
bestimmte Angaben vor, nach welchen sich dessen Alter auf 47 Tage
berechnet. Bei einem anderen, seit Lithographirung der Tafel erhaltenen Embryo ton 17 mm NL, der somit in seiner G-rösse um
ein kleines unter dem von Fig. 23 steht, ergiebt die Altersberechnung 50—51 Tage 2), jedenfalls Hegt das Alter der in Fig. 23 abgebildeten Stufe nahe an 7 Wochen. Ein anderer, neuerdings erhal
1) Der Embryo von Fig. 23 stammt aus der Praxis des Herrn Dr. Lotz
in Basel. Die regelmässig menstruirte Frau hatte ihre letzte Periode am
29. October, der Abortus erfolgte am 14. December.
2) Embryo Lhs, dessen Kopf auf Taf. XIV Fig. 8 abgebildet ist. Ich
verdanke das Präparat Herrn Dr. Lohse in Leipzig. Die gütigst mitgetheilten Daten sind folgende : die Frau , sehr ruhig und zuverlässig in
ihren Angaben, war regelmässig alle 4 Wochen menstruirt. Die Dauer der
Periode war in der Eegel 3 Tage. Die Cohabitation pflegte, zumal in den
letzten Zeiten, immer erst in der zweiten Hälfte des betreffenden Monats stattzufinden, da die Frau während der ersten Hälfte an schmerzhafter Erregbarkeit litt. Der Eintritt der letzten Periode fiel auf den 4. Mai 1884, die
auf den 1. Juni wieder erwartete Blutung blieb aus, am 5. Juni erfolgte eine
sehr kurz andauernde geringe Blutung, am 24. Juni der Abortus. Hier,
gleich wie im Fall von Fig. 23, ist die Berechnung auf die zuletzt stattgehabte
Periode zu beziehen und ergibt, vom 4. Mai bis 24. Juni, 7 Wochen und
2 Tage. Die Frau hatte schon mehrmals abortirt, was deshalb besonders
hervorgehoben zu werden verdient, weil der Embryo völlig normal gewesen ist.
Erklärung der Tafeln. 239
tener Embryo von genau 8 Wochen zeigt eine Nl. von 22 mm'),
somit werde ich nicht weit fehlgehen, wenn ich das Alter des Embryo von Eig. 25 auf 2 Monate veranschlage. Durch Interpolation
ergeben sich nunmehr folgende Bestimmungen:
37 bis 38 Tage Fig. 20
39 bis 40 Tage Eig. 21
42 bis 45 Tage Eig. 22
47 bis 51 Tage Eig. 23
52 bis 54 Tage Eig. 24
58 bis 62 Tage Eig. 25
oder in abgerundeten Angaben:
etwa 5 Wochen Eig. 18 und 19
gegen 5V2 Wochen Eig. 20
gegen 6 Wochen Eig. 21
gegen 6 V2 Wochen Eig. 22
gegen 7 Wochen Eig. 23
etwa 71/2 Wochen Eig. 24
etwa 8 '/i Wochen Eig. 25.
Mit Rücksicht auf den zeitlichen Ablauf der Eormbildung ersieht man, dass, vom Momente der Imprägnation ab gerechnet, die
ersten 2 Wochen den frühen Stufen der Keimentwickelung bis zur
beginnenden Embryobildung angehören. In die Zeit vom Ende
der 2. bis gegen Ende der 4. Woche (Eig. 1 — 9) fällt die Ausbildung
der typischen Embryonalform; von da ab bis zum Schluss der
6. Woche (Eig. 10—22) vollzieht sich die Umbildung der embryonalen in die fötale Eorm 2) , d. h. es tritt die Wiederaufrichtung
des Kopfes und die Senkung des Beckens, die Ausbildung einer
charakteristischen Kopfform, sowie die volle Gliederung der Extremitäten ein.
Hinsichtlich der zeitlichen Eortschritte des Massenwachsthumes
sind wir nur auf mehr oder minder grobe Schätzungen angewiesen.
1) Diesen Embryo verdanke ich Herrn Prof. Miescher-Ruesch. Derselbe
stammt von einer gesunden Frau, Mutter von 4 wohlgenährten Kindern. Eintritt der letzten Menses am 21. Februar. In der Zwischenzeit keinerlei pathologische Erscheinungen bis zum 16. April, wo die Frau bei einer Wäsche sich
zu stark anstrengte. Der Abortus erfolgte am 18. April 1885.
1) Heft n. S. 44.
240 Erklärung der Tafeln.
Soviel ist immerhin leicht zu constatiren, dass die Periode des lebhaftesten relativen Wachsthums in die vierte Entwickelungwoche
fällt. Nach der in Heft IL S. 68 mitgetheilten Tabelle erfährt von
Lg bis Lr (Fig. 4—6), d. h. im Zeitraum von annähernd der dritten
Woche, die Profilfläche eine Verdreifachung, von da bis A (Fig. 9),
im Verlauf der vierten Woche, eine Versechsfachung. In der folgenden, fünften Woche vergrössert sich das Profil um das 3 V2 fache
(Fig. 9—18), dann aber bis gegen Ende des zweiten Monats in der 6.,
7. und 8. Woche zusammengenommen nur noch um das 2 '/2 fache.
Von Vögeln und auch von Säugethieren wissen wir, dass die
Entwickelung verschiedener Embryonen bei gleichem Alter nicht
immer genau dieselbe ist, und es ist wahrscheinlich, dass dies auch
von menschlichen Embryonen gilt. Der oben (S. 238) citirte FaU
der Embryonen Ltz und Lhs (Fig. 23) mag vielleicht als bestätigendes Beispiel hierfür angeführt werden. Immerhin müssen wir selbst
da, wo solche Parallelfälle, wie die genannten, vorliegen, uns in
Erinnerung halten , wie unsicher im einzelnen Fall unsere Kenntniss
vom effectiven Beginne der Entwickelung, d. h. vom genauen Zeitpunkt der Begegnung von Samen und Ei ist.
Die Grössenentwickelung der Embryonen hält im Allgemeinen
mit der Formentwickelung Schritt, derart dass die Embryonen gleicher Entwickelungsstufe auch hinsichtlich der Grösse sich entsprechen. Aus diesem Grunde kann man auch mit einiger Vorsicht und
bei gutem Material die Angaben über die Grösse eines Embryo als
Maassstab seiner Entwickelung benutzen. Indessen bin ich doch auf
einige Abweichungen von der aligemeinen Regel gestossen, indem
ich einzelne Individuen hinsichtlich der Grösse ihrer Entwickelungsstufe vorausgeeilt fand. Das auffälligste Beispiel einer solchen individuellen Abweichung bietet Embryo Pr (Fig. 10 von Taf. X und
Fig. 4 von Taf. XIII). Derselbe zeigt sich nicht nur um nahezu
V4 grösser, als die gleichweit entwickelten Embryonen A und B
(Fig. 1 — 2 Taf. I und Fig. 9 Taf. X) , sondern er ist selbst grösser,
als die weiter entwickelten Embryonen von Fig. 11 und 12 (man
vergleiche auch Taf. XIII Fig. 4 und 5). An eine Abnormität ist dabei nicht zu denken, indem gerade Embryo Pr, gleich dem in Fig. 1 1
abgebildeten Berliner Embryo, einem Uterus entnommen ist. Man
könnte also zur Erklärung der Differenzen nur etwa Ungleichheiten der Schrumpfung durch den Alkohol herbeiziehen, eine Erklärung
die ich in dem Falle für unzureichend halte.
Von den 25 auf Tafel X abgebildeten Embryonen haben die
beiden Fig. 1 und 2 eine offene Medullarrinne und dieselben sitzen
noch breit auf der Nabelblase auf. Von 3 und 4 ab ist das Gehirn geschlossen, das Herz als frei vortretende Schlinge angelegt,
und es sind jederseits zwei Schlundspalten vorhanden. Bis dahin
ist der Dorsaltheil des Körpers concav eingebogen, das Beckenende
des Körpers sieht nach abwärts und ist von dem aufgerichteten
Kopfe abgewendet. Von 5 ab ist die concave Eückenbiegung zu
einer convexen geworden, und im Zusammenhang mit dieser Veränderung steht die Hebung des Beckenendes, dessen freie Spitze
nunmehr nach vom und oben sieht. Der Bauchstiel, der früher
vor dem Beckenende vorbeitrat, ist zwischen dieses und den Stiel
der Nabelblase eingeklemmt.
Bei 6 beginnt die Vornüberbeugung des Kopfes und schon bei
7 ist die Rücken- und Nackenkrümmung so stark geworden, dass
eine vom Scheitel- zum Steissende geführte Linie mehr denn einen
vollen Kreis beschreibt. ') Es ist dies das Maximum der Zusammenbiegung, das der Embryo erreicht , Nr. 8, 9 und die folgenden zeigen
zwar den vornüberhängenden Kopf und den steil emporsteigenden
Beckentheil, aber bei keinem sind die beiden Körperenden so weit
aneinander vorbeigeschoben, wie bei Fig. 7. Bemerkenswerth ist
übrigens, dass R (Fig. 8) weniger stark gekrümmt ist als A (Fig. 9),
ein Verhältniss, von dem ich zweifelhaft bin, ob es als Präparationsfolge darf aufgefasst werden.
Vom Schluss des ersten bis zu dem des zweiten Monats (Fig. 9
bis Fig. 25) behauptet jede Entwickelungsstufe ihre typische Krümmung, und zwar ist der allgemeine Gang der, dass das emporgehobene
Beckenende sich wiederum senkt, der Kopf dagegen sich hebt. Der
Bogen, den das Rückenprofil beschreibt, zeigt vom Ende der vierten
Woche ab drei Stellen grösserer Krümmung-): die oberste, der
Nackenhöcker, liegt am hinteren Ende des Hinterkopfes, da wo dieser
in den Halstheil des Rumpfes übergeht; die zweite, als Rücken
1) Man vergleiche auch Taf. VIII « 1 u. 2.
2) Heft II. S. 25.
His, Menschl. Embryonen. III. 16
242 Erklärung der Tafeln.
höcker zu bezeichnende, befindet sich ungefähr in der Höhe des
9. — 10. Urwirbels, d.h. also im Beginn des eigentlichen Dorsalabschnittes des Eumpfes; die dritte Strecke grösserer Biegung fällt
auf die Grenze von Bauch- und von Beckentheil. Diese Strecke
schliesst sich in sanft geschwungenem Bogen den Nachbarstrecken
an, während der Kücken- und noch mehr der Nackenhöcker als knieförmige Vorsprünge aus ihrer Umgebung hervortreten.
Der Antheil an der "Wiederaufrichtung des Körpers vertheilt
sich auf diese drei Strecken in der Weise, dass zuerst die Rückenkrümmung, dann die Beckenkrümmung und zuletzt die Nackenkrümmung sich vermindert. Schon von Eig. 16 ab nimmt die Wölbung des Rückens in bemerkbarer Weise ab und bei 20 und 21 ist
sie auf ihr Minimum gesunken, von wo aus sie wieder etwas zunimmt. Der Winkel an der Nackenbeuge bleibt sich . durch geraume
Zeit (Fig. 9—20) ziemlich gleich und beträgt etwas über 90 ". Von
Fig. 21 ab nimmt derselbe rasch zu und es kommt nunmehr zur
definitiven Aufrichtung des Kopfes.
Unterhalb des Nackenhöckers bildet sich während der Streckung
des Rückens eine ausgesprochene Einsenkung, die Nackengrube'),
deren Anfänge schon von Fig. 11 ab erkennbar sind und die bei
den Embryonen der vierten Zeile (Fig. 18 — 21) im Maximum ausgebildet erscheint. Dieselbe erhält sich bis in eine spätere Periode
hinein und ist auf unserer Tafel noch bei Fig. 25 vorhanden. Eine
zweite Einsenkung, die Hinterkopfgrube, liegt über dem Rautengrubeneingang und sie trägt im Verein mit der Nackengrube dazu
bei, bei den Embryonen des zweiten Monats den Nackenhöcker so
deutlich hervortreten zu lassen.
Auf die Einzelheiten der Beckensenkung werde ich unten zurückkommen. Das allmähliche Herabrücken der Beckenspitze bis in
die Stellung, die sie in den Figuren 24 und 25 einnimmt, ist an
einem grossen Theil der Figuren leicht zu verfolgen (Fig. 9 — 16,
Fig. 20, Fig. 22 und Fig. 24 u. 25).
Die Gestalt des Kopfes ist eine sehr einfache, so lange
der Embryo aufgerichtet ist, und ich verweise in der Hinsicht auf
1) Heft II. S. 51.
Erklärung der Tafeln. 243
Taf. IX und deren Erklärung. Die weitergehende Umbildung desselben beginnt mit seiner Vornüberbiegung, und zwar leitet sie sich
durch die Abgabe des Herzens an die Brust ein. Auf diesen für
die Körpergestaltung so tief eingreifenden Yorgang ist schon in
den beiden früheren Heften mehrfach hingewiesen worden. Das
seiner Hauptmasse nach als Organ des Kopfes angelegte Herz
hebt sich, selbst auf jüngeren Stufen der Embryonalbildung, mit
einer gewissen Selbständigkeit vom übrigen Kopfe oder von der
Kopfanlage im engeren Sinne ab, es erscheint nebst seiner
Umhüllung wie ein blosses Anhängsel von der letzteren. Vom Vorderkopf wird das Herzgebiet frei überragt, vom Hinterkopf ist es durch
die vor den Schlundbogen herablaufende Präbranchialfurche abgesetzt. Sowie die Vornüberbeugung des Kopfes eingetreten ist — auf
unserer Tafel von Eig. 7 ab — , ist das Herz in den Winkel zwischen
Kopf und Brust eingeklemmt. Von Eig. 1 1 ab erscheint der hintere
Theil der präbranchialen Eurche in den Sinus praecervicalis mit
einbezogen (dieses Heft S. 105), der vordere Theil der Eurche vertieft sich immer mehr und schneidet allmählich durch, indem die
eine Hälfte der einschneidenden Ealte zur Bekleidung der Inframaxillargegend , die andere zu derjenigen der vorderen Halsgegend
wird (S. 121). Dieser Process, welcher mit der Wiederaufrichtung
des Kopfes sich combinirt, verläuft ziemlich langsam und hat am
Schluss des zweiten Monats kaum sein Ende erreicht. In eben dem
Maasse als der Kopf sich wieder aufrichtet , trennt er sich vom
Herzgebiet, dieses der Brust zurücklassend. Die Verschmelzung
aber des Herzgebietes mit der eigentlichen Kumpfanlage geschieht
selbst äusserlich in sehr weit gehendem Maasse, und die anfangs
noch erkennbare Trennungsfurche erscheint schliesslich ganz und
gar verwischt, eine Veränderung, die wohl in erster Linie auf die
ausgleichende Wirkung der mächtig wachsenden Leber zurückzuführen ist.
Die Kopfanlage im engeren Sinne hat im Profil gesehen die
Grundform eines länglichen Vierecks. Von den vier Seiten ist die
etwas gekrümmte Rückenlinie die längste und reicht vom N'ackenhöcker bis zur Höhe des Mittelhirns ; an sie schliesst sich die vom
Mittel- zum Hemisphärenhirn sich erstreckende Scheitellinie an.
Die vordere Seite des Vierecks besteht aus zwei wohl zu unter
16*
244 Erklärung der Tafeln.
scheidenden Strecken, der eigentlichen Gesichtslinie, die von der
Stirn zum Unterkiefer geht, und der Präbranchiallinie vom Unterkiefer zur Spitze des vierten Schlundbogens. Von da aus zum Nackenliöcker reicht die Befestigungshasis des Kopfes. Den weitaus grössten Theil des Kopfprofils nimmt das Gehirn ein, das in dieser
Periode als zweiarmiges, im Winkel gebogenes Gebilde die dorsale,
die dem Scheitel angehörige, und einen Theil der facialen Grenzlinie
berührt. Im Stirntheil des Kopfes die ganze Tiefe ausfüllend, nimmt
es in den übrigen Abschnitten noch wenigstens drei Fünftel der
Profilüäche ein. Die beiden Abschnitte des Gehirns bezeichne ich
als Rautengrubenarm und als Grosshirnarm. Jenem gehören
Fig. 155.
Profil der Kopfanlage vom Emtryo G. Vergr. 20. Das Gehirn und die
Lichtung des Vorderdarmes sind fein eingezeichnet.
Nachhirn und Hinterhirn an, diesem das Hemisphärenhirn und das
Zwischenhirn. Beide Arme begegnen sich im Mittelhirn. Die Anlagen der Nase, des Auges und der Labyrinthblase fallen zu der
Zeit noch innerhalb der Grenzen des Gehirnprofils. In dem von
dem letzteren freigelassenen Streifen liegt, von den Kiefer- und
Schlundwülsten eingefasst, die Mundrachenspalte, deren Lichtung
gleich dem Gehirn im Winkel gebogen ist; ihr Zugangsschenkel
tritt zwischen Stirnwulst und Unterkiefer durch nach rückwärts, der
absteigende Schenkel beginnt vor der Brückenkrümmung des Gehirns und nimmt seinen Weg vor dem Nachhim herab. Zwischen
beiden Schenkeln der Spalte bildet die RATHKE'sche Tasche eine
scharfe Ecke.
Im Ganzen genommen zeichnet sich der embryonale Kopf der
vierten Woche durch seine langgestreckte Form aus und durch das
verhältnissmässig starke Vorwalten des Hinterkopfes. Vergleichen
wir nun, zunächst unter Vernachlässigung der Detail Veränderungen,
die Grundform des Kopfes von einer späteren Stufe, etwa von Fig. 23
oder 24, so ergiebt sich Folgendes : die allgemeine Kopfform ist eine
gedrungene geworden. Während bei a das Verhältniss der Höhe zur
Tiefe ungefähr das von 3 : 2 gewesen war, sind jetzt Höhe und Tiefe
des Kopfes nahezu gleich, letztere eher etwas grösser denn jene.
Annäherad lässt sich nunmehr der Kopf in ein Quadrat einzeich
Fig. 156.
Profil des Kopfes vom Embryo Zw. Vergr. 5. Mit gleichfalls eing
zeichnetem Gehirn und Mnndrachenraum.
nen. Die Kückenlinie erscheint verkürzt, die Scheitellinie erheblich
verlängert und an der Vorderseite ist das Verhältniss der beiden
Abschnitte zu einander ein durchaus anderes geworden. Die Gesichtslinie kommt jetzt beinahe der gesammten Kopfhöhe bei, eine Präbranchiallinie existirt nicht mehr; als ihren stark veränderten Eest
kann man höchstens noch die Linie beanspruchen, welche vom Kinn
bis hinter das Ohr sich erstreckt.
Ein Blick auf das in Fig. 156 eingezeichnete Gehirn ergiebt
uns grossentheils den Schlüssel für die geschilderte Verwandlung
des Kopfprofiles. Entsprechend der Verkürzung der Rückenlinie
finden wir zu der Zeit eine sehr beträchtliche Zusammenbiegung
des Rautengrubenarmes. Die Nackenkrümmung erfolgt unter einem
246 Erklärung der Tafeln.
Wintel von mehr denn 90 " und die Brückenkrümmung ist so stark
ausgesprochen, dass Hinterhirn und Nachhirn sich mit ihren dorsalen Flächen berühren. Während sich in Folge dieser starken Biegung der Eautengrubenarm des Gehirns relativ erheblich verkürzt
hat, hat sich der Grosshirnarm dadurch bedeutend verlängert, dass
die Hemisphären als selbständige Abtheilung an Umfang gewonnen
haben. Zum Theil haben sie sich zwar über das Zwischenhirn zurückg'eschoben, zum grossen Theil aber treiben sie sich nach vorn vor
und bilden eine die Nasenwurzel weit überragende Wölbung.
Die starke Entwickelung der Hemisphären macht sich natürlicherweise auch geltend für die Vorderlinie des Kopfprofiles. Die
Höhenzunahme des Gesichtes kommt zu einem grossen Theil auf
ihre Eechnung, zu einem anderen Theil aber ist sie bedingt durch
die Entwickelung des mittleren Stirnfortsatzes und durch die Bildung der von diesem gelieferten Nase und Oberlippe. Was nun
die Verkümmerung der branchialen Strecke betrifft, so wird diese
leicht verständlich, wenn wir uns in Erinnerung rufen, wie die hinteren Schlundbogen allmählich in die Tiefe gedrängt und von aussen
her überdeckt worden sind (S. 28). Bei Fig. 7 und 8 sind noch
vier Schlundbogen sichtbar, bei 9 und 10 noch drei, von Fig. 11
ab nur noch zwei. Auch der zweite, ursprünglich als breiter platter
Streifen angelegte Bogen verliert diesen Charakter mehr und mehr,
theils in Folge von Ueberlagerung durch Nachbartheile, theils aber
in Folge einer Drehung des frei bleibenden Stückes. Es wird nämlich, von der Seite gesehen, der zweite Schlundbogen in eben dem
Maasse schmäler, als er bestimmter zur Ohrmuschelbildung herbeigezogen wird. Bei Fig. 16 u. 17 vermögen wir den zweiten Schlundbogen noch deutlich als solchen zu erkennen. Von Fig. 18 ab wird
sein unteres Ende zugedeckt und damit die Ohrmuschelgrube oder
die Fossa angularis, wie sie oben (S. 212) genannt wurde, abgegrenzt. Der frühere hintere Saum des zweiten Bogens stellt sich
als Cauda helicis immer steiler auf, bis er dann schliesslich den
davorliegenden vorderen Abschnitt, den Anthelix, völlig überlagert
(S. 215).
Die Spalte des Mundrachenraumes hat von der Stufe von
Embryo a bis zu der von Zw (d. h. von Fig. 7 Taf. X bis zu Fig. 24)
eine ähnliche Umbildung erfahren in dem Sinne, als auch bei ihr
Erklärung der Tafeln. 247
der obere Schenkel länger, der hintere kürzer geworden ist. Die
Verlängerung des Zugangsschenkels der Spalte findet ihren Grund
in der Entwickelung des primitiven G-aumens , insbesondere der Oberlippe und des Zwischenkiefers, denn, wie wir früher gezeigt haben
(S. 50), so liegt das den Ort der Choane bestimmende hintere Ende
der Riechgrube ursprüngHch ausserhalb des Mundbereiches und rückt
mit der zunehmenden Entwickelung des mittleren Stirnfortsatzes secundär in die Munddecke ein. Die Verkürzung aber des hinteren
Schenkels der Mundrachenspalte ist zunächst eine Folge der Schlundbogenverschiebung (S. 27) und als solche schon früher zur Sprache
gekommen. Eine besondere Rolle bei diesem Verkürzungsvorgang
spielt die Abschnürung der RATHKE'schen Tasche ; es wird nämlich
durch deren Zustandekommen ein Stück aus der Rückwand der Mundrachenspalte herausgeschnitten. Indem das hinter dem Schlund liegende Gebiet durch die Gehirnbiegung, die Vorderwand aber durch
die Schlundbogenverschiebung verkürzt wird, so muss nothwendigerweise auch für die Rückwand der Mundrachenspalte eine Verminderung der ursprünglichen Länge eingeleitet werden.
Eine besonders auffällige Folgeerscheinung von der Verkürzung
des Hinterkopfes zeigt sich in der Annäherung des Ohres an die
"Wurzel der oberen Extremität. Während bei den Embryonen der
vierten Woche die erste Schlundspalte weit von der Extremitätenwurzel absteht (Fig. 7 — 11), rückt sie derselben im Verlauf der
fünften Woche immer näher, und bei den Embryonen von Fig. 18
und 19 ist das Ohr bis dicht an die Schulter herangerückt. Mit
der Hebung des Kopfes kommt weiterhin auch die Ohröfinung
wieder höher zu stehen. Bei genauerer Verfolgung der Sachlage
kann man übrigens wahrnehmen, dass bei dem Zusammenrücken
von Ohr und von Schulter nicht nur die Rückwärtsschiebung des
ersteren, sondern zugleich auch eine Hebung der Schultergegend in
Betracht kommt. Letzterer Vorgang aber hängt mit dem Emporsteigen der Hals Wirbelsäule bez. des ganzen Halsgebietes (S. 122)
unmittelbar zusammen.
Wir gehen nach der allgemeinen Formbetrachtung des Kopfes
auf einige Einzelnheiten über:
Der Nackenhöcker bezeichnet im Rückenprofil die Grenze
zwischen Hals und Kopf. Seine ersten Andeutungen beginnen bei
248 Erklärung der Tafeln.
Embryo Lr Fig. 6 (Taf. IX Fig. 5), von da ab gewinnt er rasch an
Ausbildung, er erhält sich in höchst charakteristischer Weise bis
zu Fig. 20, ist aber auch bei Fig. 25 noch deutlich erkennbar. Von
den beiden ihn einfassenden Gruben ist die obere die Hinterhauptsgrube (s. 0. S. 242), über dem Eingang zur Rautengrube gelegen, und
insofern erlaubt sie auch dann, wenn die Schädeldecken nicht mehr
durchsichtig sind, eine Orientirung in Betreff der letzteren.
Auf jüngeren Stufen zeichnet sich der Eand der Eautengrube
auch für die äussere Betrachtung aus, und es lässt sich von Fig. 7 ab
bis zu Fig. 21 verfolgen, wie derselbe aus einem hinteren längeren
und einem kürzeren vorderen Schenkel gebildet wird, von denen jener
gegen den Nackenhöcker hin spitz ausläuft.
Früher als die äusserlichen Spuren der Eautengrube verlieren
sich diejenigen der übrigen Gehirngliederung. Noch bis in den Beginn der 6. Woche hinein sind die einzelnen Gehirnabtheilungen
durch die Bedeckung hindurch erkennbar, und dasselbe gilt zum
Theil auch von den Ganglien (Taf. XIV Fig. 4); dann aber nimmt
das gallertige Gewebe der Haut mehr überhand und, gleichwie die
segmentale Gliederung des Eumpfes, so verliert sich auch mehr und
mehr die durch die Gehirngliederung bedingte äusserliche Modellirung des Kopfes. Bei den Embryonen der untersten Zeile (Fig. 22—25)
ist dieselbe völlig verwischt.
Das Auge tritt vor Eintritt der Nackenkrümmung äusserlich
kaum als eine flache Vorwölbuug zu Tage (Taf. IX 5), hinter welcher
die Augennasenrinne emporsteigt. Die erste deutliche Spur einer
neben den Augenblasen befindlichen Linsengrube findet sich bei Embryo E (Fig. 8 oder Taf. XIII 1). Bei den Embryonen A, B, Pr
(Fig. 9 und 10 und Taf. I* 1 und 2) ist die Linse bereits scharf
umgrenzt, aber, wie die Durchschnitte zeigen, noch nicht geschlossen.
Das Auge bildet an der Oberfläche einen kugeligen Vorsprung, nach
dem Gesichte hin fällt derselbe gegen eine tiefe, zwischen Nase und
zwischen Oberkiefer einschneidende Furche steil ab (Taf. I* 1 und 2,
Taf. Xni 4 — 7); dorsalwärts vom Auge und in einiger Entfernung
davon liegt die Anschwellung des Gangl. Gasseri (I* 2). Weiterhin
aber bilden sich in der unmittelbaren Umgebung des Auges einige
besondere Wülste. So werden zunächst (Taf. XIH Fig. 5, 6 und 7)
zwei kleine Höckerchen dicht hinter dem Auge sichtbar, die viel
Erklärung der Tafeln. 249
leicM als Augemnuskelwülste zu deuten sind. Man findet dieselben
noch bei späteren Stufen bis zu Taf. XIV Fig. 5. Etwas später als
diese beiden tritt ein vor dem Augapfel liegender Wulst auf, welcher
zwischen diesen und den Nasenflügel sich einschiebt (Taf. XIV Fig. 1,
3, 4 und 5). Dieser Wulst scheint aus der Tiefe heraufgerückt zu
sein, denn noch bei Embryo Brl (Taf. XTTI Fig. 6) liegt an seiner
Stelle ein tiefer Einschnitt und auch bei S 1 (Fig. 7} ist derselbe
kaum andeutungsweise vorhanden. Die drei das Auge umgebenden
Wülste werden nun nebst dem letzteren durch zwei Bogenlinien eingefasst (Taf. XIV Fig. 3 — 5), und es wird dadurch das Conjunctivalgebiet umsäumt. Der vordere von den Wülsten bildet den medialen
Augenwinkel, während der untere hintere in den lateralen zu liegen
kommt. Noch bei Embryo D r (Fig. 5 , Taf. XIV) führt eine tiefe
Bucht vom medialen Augenwinkel aus nach der Spalte hin, die zwischen dem Oberkiefer und dem seitlichen Stirnfortsatz vorhanden ist.
Nachdem einmal das Conjunctival gebiet umgrenzt ist, erheben
sich , schon von Fig. 22 unserer Taf. X ab , an seinem Eande zwei
Hautwülste, aus denen die beiden Lider hervorgehen. Noch liegt
bei Fig. 25 das Auge offen da, allein schon in der ersten Hälfte des
3. Monats rücken sich die Lidränder an dessen Aussenfläche entgegen, und sie schliessen dasselbe weiterhin von der Oberfläche ab.
Von Fig. 22 ab erscheint auch die Spalte zu geschlossen, welche bis
dahin noch zwischen dem Oberkiefer und dem seitlichen Stirnfortsatz vorhanden gewesen war.
Zwischen der Wölbung des Auges und derjenigen der Hemisphären liegt am Schluss des 1. Monats (Taf. XIII Fig. 4) eine flache
Einsenkung, dann aber bildet sich in dieser Gegend ein convexer
Vorsprung aus, den wir als Supraorbitalwulst bezeichnen können
(Taf. XIII Fig. 6 u. 7 und Taf. XIV Fig. 1 u. 3—5). Seine Abgrenzung
gegen die Stirn verliert sich späterhin, wogegen derselbe fortfährt
die Augengegend als langgezogenen Vorsprung zu überwölben (Taf. X
Fig. 22—25).
Die Bildung der Nase ist in einem besonderen Capitel des Textes
(S. 45) eingehend erörtert worden, auf das ich hier hinweisen kann.
Die seitliche TJeberlagerung der bis dahin offenen Gruben beginnt mit
dem Anfang des 2. Monats und vollzieht sich ziemlich rasch (man
vergl. z. B. Taf. XIII Fig. 4 u. 5) , so dass weiterhin im Profil sogar
250 Erklärung der Tafeln.
die Nasenlöcher verdeckt erscheinen (Fig. 16—19). Später (von Fig. 20
ab) werden sie dann wieder sichtbar. Der wulstige Nasenflügel ist
sehr früh ausgesprochen.
Yon einer Wange kann man erst von Fig. 22 ab sprechen, dieselbe grenzt sich von der Nase und vom Lippen- und Kinngebiet
durch eine schräge Furche ab, welche vor dem medialen Augenwinkel beginnt, dicht hinter dem Mundwinkel herabsteigt und in den
Unterkiefer einschneidet (Fig. 22 —25). Im Betreff der Lippenbildung
und der Gestaltung des Unterkiefers verweise ich auf den Text
(S. 33 u. ff. u. S. 56), ebenso scheint es überflüssig, noch einmal auf
die Geschichte des Halses zurückzukommen (S. 115 u. ff.).
Am Rumpf erhält sich einestheils die segmentale Gliederung
und andemtheils die Gliederung in Längszonen bis in die 6. Woche
herein. Bei Embrj^o D r (Taf. XIV 5) ist erstere schon im Schwinden
begriffen, die letztere noch deutlich vorhanden. Die Segmentgliederung
ist theils auf die Urwirbel, theils aber auch auf die nur theil weise
davon bedeckten Ganglienanlagen zu beziehen, und es ist nicht allenthalben leicht, von aussen her zu entscheiden, was dem einen und
was dem anderen von diesen Theilen zuzuschreiben ist. Meistens
zeigt die Modellirung eine gewisse Complicirtheit , die auf das Ineinandergreifen mehrerer Grundbedingungen hinweist. Bei Embryo R
z. B. (Taf. XIII 1) liegt vorn eine Reihe viereckiger Platten, hinter
welcher verschränkt liegende rundliche Vorsprünge sichtbar sind.
Hier scheint kein Zweifel, das die vorderen Felder die den Urwirbeln
angehörigen Muskelanlagen sind, die hinteren Wülste dagegen den
nur theilweise hervortretenden Ganglienanlagen angehören. Auch bei
Embryo Br 1 und bei A (Taf. XIII Fig. 6 und Taf. I* 2) ist eine
doppelte Reihe von Vorsprüngen erkennbar, die dieselbe Deutung
erfahren müssen. Dagegen zeichnen sich bei Embryo Pr (Taf. XIII 4)
helle Felder und Streifen durch die Haut hindurch, die man ohne
Weiteres als die Ganglien- und Nervenanlagen erkennt. Ja es sind
sogar die Anfänge eines Plexus brachialis in einem über der Schultergegend befindlichen Zickzackwulst unverkennbar zu sehen. Diese Besonderheit, die ich bei keinem der anderen Embryonen gleich ausgesprochen gefunden habe, ist unzweifelhaft auf Verhältnisse der
Conservirung zurückzuführen. Möglicherweise hat hier die zur Här
Erklärung der Tafeln. 251
tung mit angewendete Salpetersäure die oberflächlichen Muskelanlagen aufgehellt und die tieferen Nervenanlagen weisslich getrübt.
Hier bei Embryo Pr umgreifen die dicken Ner^enstämme die
WoLFF'sche Leiste zum grossen Theil. Allein auch da, wo die äusserlich sichtbaren Segmente den Muskelanlagen entsprechen, geht ihr
ventrales Ende eine kurze Strecke weit auf die WoLFP'sche Leiste
über (Taf. I* 2, Taf. XIY 1), ein Verhältniss, das ja auch an den
Querschnitten des Rumpfes zu Tage tritt.
Aus der WoLPF'schen Leiste erheben sich die obere und die
untereExtremität, jene an der Stelle, wo die Präbranchialleiste
die WoLFF'sche kreuzt, diese im einspringenden Winkel von der
unteren Körperbiegung (Taf. IX 5). Beide Extremitätenanlagen sitzen
anfangs mit langgezogener Basis auf der WoLFF'schen Leiste auf,
sind niedrig und dabei an ihrer dorsalen Oberfläche convex, an der
ventralen etwas concav.
Die obere Extremität beginnt zunächst durch eine von unten
her einschneidende Eurche sich etwas zu emancipiren (Taf. XIII 1),
und sie besteht weiterhin aus einem breiten flachen Lappen, der
durch einen im Winkel angefügten Stiel mit dem Eumpf verbunden
bleibt (I * 2 u. XIII 4). Spurenweise vermag man allenfalls schon
bei Embryo Pr eine Dreigliederung der Extremität zu erkennen,
deutlicher wird dieselbe erst etwas später von den Stufen der Fig. 11
u. 12 ab (Taf. Xniö).
An dem breiten Endstück der Extremität bildet sich ein Gegensatz aus zwischen einem gewulsteten Wurzelstück und einem etwas
abgeplatteten Randtheile. Auf der Grenze beider beginnen die ersten
Andeutungen einer Eingergliederung (Taf. XTIT 5 u. 6). Die Hand,
die sich nunmehr durch zwei tiefere Furchen vom Vorderarm absetzt, bekommt eine eigenthümlich pfeilspitzenartige Gestalt, indem
ihr Rand eine gebrochene Linie bildet. Die am meisten hervortretende Ecke bezeichnet den Ort des Mittelfingers (XIH 6 und 7).
Noch tritt indessen keiner der Finger über den Rand hervor und
letzterer wird von einem schmalen dünnen Saum eingefasst. Weiterhin greift aber die Gliederung auch in diesen letzteren über, und
von da ab wachsen die Finger als kurze Zacken über ihre frühere
Begrenzungslinie hinaus (Taf. XIV 1 u. 3 — 5). So finden wir die
Sachlage im Verlauf der 6. Woche (Taf. X Zeile 4). In der 7. Woche
252 Erklärung der Tafeln.
gliedern sich die Phalangen ab und nun bekommt das Händchen
rasch seine charakteristische Gestalt (Taf. X 22 — 25) , wobei sich
immer noch der Handrücken als ein dickes rundliches Kissen kennzeichnet (Fig. 20—25).
Der Ellenbogen ist ursprünglich nach oben und dorsalwärts gerichtet (Eig. 11 — 14), dann bekommt er immer mehr eine lateralwärts gerichtete Stellung (15 — 17) und biegt sich weiterhin nach
abwärts aus (18 — 25). Der Oberarm, zuerst sehr kurz angelegt
(12 — 18), gewinnt von der 6. Woche ab etwas mehr an Länge und
ist schon am Schluss des 2. Monats der längste Abschnitt der Extremität geworden (25). Ein in seiner oberen Hälfte vorhandener
Wulst ist wohl auf den M. deltoides zu beziehen.
Als Anlage der Schalter ist schon in früher Zeit einestheils das Wurzelstück der WoLPF'schen Leiste selbst, anderntheils
die auf den Kumpf übergehende Fortsetzung der präbranchialen
Leiste zu verstehen (Taf. IX 5). Letztere bezeichnen wir am besten
als vordere Schulterleiste.') Während der Kopftheil der Präbranchialleiste schon von den Stufen von a und von R ab in die
Tiefe gerückt und daher im Profil unsichtbar geworden ist (Taf. Xin 1),
geht die vordere Schulterleiste, über dem Herzvorhof vorbei, schräg
nach aufwärts, und ihr oberes Ende versteckt sich ungefähr in der
Höhe des 3. Schlundbogens.
Je weiter nun die Wirbelsäule und mit ihr die Extremitätenwurzel hinter der Parietalhöhle heraufsteigt (S. 120), um so mehr
nimmt die vordere Schulterleiste eine transversale Richtung an und
um so mehr verkürzt sie sich auch. Vielleicht wird ein Theil ihrer
Substanz geradezu in die Anlage des Armes mit hereinbezogen.
Schon bei Embryo A und bei Pr (Taf. 1*2 u. XHI 4) ist die Neigung
der Schulterleiste weit geringer als bei R, und auf den nachfolgenden Stufen (Xin 5 — 7) wird deren Richtung eine nahezu horizontale.
Eine Beziehung dieser Leiste zur Zunge, wie sie Frokiep statuirt,
halte ich nicht für annehmbar. Während sich die vordere Schulterleiste in der angegebenen Weise umlagert, hebt sich mehr und mehr
ein dreieckiges Feld ab, welches über der Extremitätenwurzel beginnt und unter allmählicher Zuschärfung hinter dieser herabsteigt
1) Archiv für Anat. u. Physiol., anat. Abth. 1881. S. 318.
Erklärung der Tafeln. 253
(Taf. Xni 6 u. 7 und besonders deutlich Taf. XIY Eig. 3). Dass dies
Feld den Ort der Schulterblattanlage bezeichnet, scheint mir ziemlich klar, und in Uebereinstimmung damit ergiebt auch die Construction von Embrjo Seh (Fig. 77 S. 125) das Schulterblatt sehr
hochstehend und zum Theil noch in das Halsgebiet hineinreichend.
An der Anlage der unteren Extremität beginnt der den Euss
frei machende Einschnitt gleichfalls vom caudalen Ende her vorzurücken. Wiederum geht ein Stadium der Zweigliederung der definitiven Dreigliederung voraus (Taf. I* 2). Letztere beginnt von
Eig. 12 (Taf. Xni 5) ab deutlich zu werden, und auch da ist der
Oberschenkel anfangs sehr kurz angelegt. Die Pfeilform des Endgliedes ist noch schärfer ausgesprochen als bei der Hand, und zwar
fäUt die Spitze an den Ort der 2. Zehe (Taf. XIV 1 u. 3 — 5). Die
Bildung eines peripherischen Saumes geht der Zehengliederung voraus. Letztere folgt der Eingergliederung durchweg nach, so zeigen
z. B. Eig. 16 und 17 bereits die Anfänge der Eingergliederung bei
noch ungegliederter Eussanlage. Bei Eig. 22 beginnen die Zehen
erst als kurze Stümpfe den Eussrand zu überragen, während die
Hand schon ziemlich ausgebildet ist.
Das Knie sieht auf den jüngsten Stufen 12 — 14 nach hinten
und abwärts, dann dreht es sich gleich dem Ellenbogen mehr lateralwärts (15—21) und nimmt schliesslich die nach aufwärts gebogene
Richtung an. Gleichzeitig verlängert sich der Oberschenkel in erheblichem Maasse und überholt bald die im Längenwachsthum vorangeeilten unteren Abschnitte der Extremität.
Der vor der WOLFP'schen Leiste gelegene Abschnitt des Rumpfes
gliedert sich , wenn wir zunächst .das Becken bei Seite lassen, naturgemässerweise in drei Etagen für Herz, Leber und Darm. Bis in
die 5. Woche herein sind die Modellirungen von Herz und von Leber
äusserlich sehr wohl erkennbar. Das Herz tritt zu der Zeit noch
schräg vor der Leber herab und ist anfangs durch eine fast verticale, späterhin durch eine schräge Linie von dieser geschieden (Taf.I*
1 — 4 und Taf. XTTT 1 u. 3 — 7). Mit zunehmender Entwickelung wird
die Leber verhältnissmässig immer grösser, sie hebt das Herz in die
Höhe, so dass z. B. auf Stufe Zw dessen Axe fast horizontal verläuft (S. 174 u. 175 Eig. 116 u. 117), und dabei verwischen sich seine
äusserlich sichtbaren Abgrenzungen. Nach abwärts greift die Leber
254 Erklärimg der Tafeln.
in das früher etwas eingesunkene Darmgebiet hinein, -wobei der
bewegliche Darm grossentheils aus der eigentlichen Bauchhöhle
heraus in den ISTabelstrang gedrängt wird (S. 19). Wenn die Leber
in der Weise nach oben und nach unten hin sich ausgebreitet hat,
gewinnt der ganze Bauchtheil des Rumpfes ein kugeliges Ansehen
und durch eine tief einspringende Einne setzt er sich alsdann vom
Nabelstrang ab (Taf. XIV Fig. 5 und X 22—24).
Der Beckentheil des Rumpfes erfährt schon von Fig. 5
und 6 ab die bekannte Emporhebung, in Folge deren der Steiss spitz
nach oben, ja vorübergehend sogar (Fig. 7) dorsalwärts gekehrt wird.
Der Ort der Biegung fällt anfangs noch in den Bauchtheil der Wirbelsäule, verschiebt sich aber später mehr und mehr nach abwärts
(n 66). Schon auf der Stufe von Br 1 und S 1 (Taf. XIII 6 u. 7) beginnen die oberen Beckensegmente wieder in die Rückenlinie einzutreten, und schliesslich (Taf. X 22 — 25) ist es nur noch das Steissbeingebiet, welches nach vorn gekehrt und ein wenig gehoben erscheint.
Die Ausbildung eines Schwanz fadens erreicht ihren Höhepunkt im Laufe der fünften Woche. Noch bei A und Pr endet der
Beckentheil mit einer stumpfen Spitze (Taf. I* 4 und Xni4), bei
Rg, Br 1 und S 1 (Taf. XHI 5, 6 u. 7) wird dieselbe von einem dünnen
Anhang überragt, der vom übrigen Beckentheil, sei es lateralwärts,
sei es nach vorn hin, abgebogen erscheint. Diese Biegung des Schwanzfadens ist offenbar durch den Druck des dagegen andrängenden Nabelstranges herbeigeführt. Reste des Schwanzfadens sind noch bei
Zw (Fig. 24) zu sehen, bei Wt dagegen (Fig. 25) besteht nur noch
ein stumpfer nach vorn gekehrter Steisshöcker.
Die Entwickelung der äusseren Sexualfalten ist an Profilbildern nicht leicht zu studiren, weil diese Theile durch die Extremitäten verdeckt zu sein pflegen. Für eine frühe Stufe verweise
ich vorläufig auf Taf. XIV Fig. 2 und behalte mir vor, dies Gebiet
in meinem Schlussheft eingehender zu behandeln. Ziemlich weit
entwickelt zeigt sich das Sexualglied auf der Schlussfigur der Tafel X.
Erklärung der Tafeln. 255
Tafel XI.
Durchschnitte der beiden Embryonen BB und Lr
(Taf. IX Fig. 3 und 5). Durch ein Versehen des Lithographen sind
die beiden Abtheilungen der Eeihe BB durch die Eeihe Lr von
einander getrennt. Die zwei obersten und die zwei untersten
Schnittreihen gehören BB an, die vier mittleren Lr. Die Vergrösserung ist 40. Die Ziffern sind meine Schnittnummern.
Die Buchstabenbezeichnungen sind die des 1. Heftes (L S. 174),
neu sind:
B. p Bursa parietalis.
Dv bez. Ds Dottervene.
Fu Furcula.
K. p Recessus parietalis.
S. p Sinus pyriformis (Fundus branchialis).
T. i Tuberculum impar.
Tafel XII.
Durchschnitte vom Embryo R 20fach und vom Embryo Lg 40 fach vergTössert (Taf. XIII Fig. 1 und 2 und Taf. IX
Fig. 1). Wegen nachträglicher Veränderung dieser Tafel sind auch
hier die beiden Reihen verschränkt. Die drei obersten und die drei
untersten gehören Embryo R, die mittleren Embryo Lg an.
Neue Bezeichnungen:
C. a Canalis auricularis.
Rh Rachenhaut.
Tafel XIII.
Fig. 1. Profil vom Embryo R. Vergrösserung 20. Das
vorzüglich erhaltene Präparat, das mir 1881 durch die Post aus
Russland zugesandt worden war, hat mich in diesen verflossenen
4 Jahren sehr viel beschäftigt und ich habe schon bei verschiedenen
Anlässen über einzelne daran gewonnene Ergebnisse berichtet, ij Im verflossenen Sommer bin ich nun anlässlich des Kopenhagener Congresses auch so glücklich gewesen, in Herrn Hofrath Dr. E. Berg aus
St. Petersburg den mir bisher unbekannten freundlichen Geber des
Präparates kennen zu lernen. Ein dem vorliegenden sehr nahestehendes Object hat neuerdings H. Pol abgebildet. Bei Yergleichung
unserer beiderseitigen Piguren wird man finden, dass die äussere
Modellirung meines Präparates eine vollkommenere gewesen ist.
1) Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abth. 1881. S. 303 u. ff. und 1883. S. 166.
Bei dem Anlass bemerke ich, dass in der Tabelle Heft II. S. 7 die Länge des
Embryo aus Versehen auf 5 anstatt auf 5.5 mm angegeben ist. Von dort aus
ist der Fehler in die Tabelle des gegenwärtigen Heftes (S. 9) übergegangen.
Fig. 2. Dorsale Ansicht vom Embryo E.
Fig. 3. Anatomie vom Embryo K. Vergrösserung 20 des
feuchten Präparats. Das Gehirn zeigt die verschiedenen Abtheilungen: Hemisphärenhirn, Augenblase, Zwischen-, Mittel- und Rautengrubenhirn. Seitlich davon sind auch die Ganglienanlagen und die
Gehörblase eingezeichnet. Die Chorda dorsalis läuft hinter der
ßATHKE'schen Tasche aus. Der Vorderdarm ist bis zum Eingang
von Luftröhre und Oesophagus geöffnet, von da ab ist das Eingeweiderohr, Lunge, Oesophagus, Magen, Pankreas, Lebergang und
Darm bis zur Cloake punktirt. Letztere nebst dem AUantoisgang ist
voll ausgezeichnet. Die in den Bauchstiel eintretenden Nabelarterien und die Nabelvenen sind als abgeschnittene Stümpfe dargestellt.
Zwischen dem Herzen und der Leber ist der aus dem Zwerchfell
heraustretende Sinus reuniens sichtbar nebst der V. cava superior,
der Nabelvene und der Lebervene (bez. Dottervene). Die Urniere
nebst ihrem Gang und der Nierenanlage sind gleichfalls eingezeichnet.
Fig. 4. Embryo Pr. 15 fach vergrössert.
Fig. 5. Embryo aus der C. RuGE'schen Sammlung nebst Nabelblase. Vergrösserung 15. (Taf. X Fig. 12.)
Fig. 6. Embryo Br 1. Vergrösserung 12. (Taf. X 14.)
Fig. 7. Embryo S 1. Vergrösserung 12. (Taf. X 16.)
Tafel XIV.
Fig. 1. Embryo Br 2. Vergrösserung 10.
Fig. 2. Derselbe Embryo von vorn her gesehen.
Fig. 3. Embryo Seh 2. Vergrösserung 10.
Fig. 4. Embryo aus der C. RuGE'schen Sammlung. Vergrösserung 10. (Taf. X 19.)
Fig. 5. Embryo Dr. Vergrösserung 10. (Taf. X 20.)
Erklärung der Tafeln. 257
Fig. 6. Gesicht vom Embryo Hn. Yergr, 15.
Fig. 7. Gesicht vom Embryo C IL Vergrösserung 10. (Taf. X
Fig. 17.)
Fig. 8. Gesicht vom Embryo Lhs (s. oben S. 238). Vergrösserung 10.
Fig. 9. Gesicht eines etwas weiter entwickelten Embryo. Yergrösserimg 10.
Zur Erläuterung der Fig. 6 — 9 vergleiche man den Text S. 33
und 56.
Tafel I*.
Von meinen älteren Tafeln war die zuerst in Arbeit genommene
Taf. I in der Lithographie etwas sehr hart herausgekommen, auch
habe ich seit der Zeit ihrer Anfertigung manche Einzelnheiten der
Formen besser verstehen gelernt. Da nun gerade diese Tafel einige
meiner wichtigsten Stücke enthält, so habe ich mich entschlossen,
die darauf abgebildeten Embryonen ES, M, A und B von Herrn
Päusch umzeichnen und noch einmal lithographiren zu lassen. Ich
befürchte kaum, dass man nach einem Vergleich der beiden Tafeln
mich hierfür tadeln wird. Die in der alten Taf. I enthaltenen Anatomien zu reproduciren, schien mir indessen überflüssig und ich habe
statt derselben die Anatomien von zwei neueren Embryonen Bl und
Pr zur Darstellung gebracht.
Fig. 1. Embryo B (Heft L S. 16) von der rechten Seite her.
Vergrösserung 20. Der Embryo ist noch vom Amnion umhüllt und
in Verbindung mit der Nabelblase. Von neuen, bei der früheren
Figur unberücksichtigten Einzelnheiten hebe 'ich folgende hervor:
zwischen den obersten Urwirbeln und der Gehörblase liegen 2 bez.
3 helle Vorsprünge, welche als die Ganglien der Nn. glossopharyngeus und vagus zu verstehen sind. Das Nasenfeld und die Jacobson'sche Grube sind durch das Amnion hindurch sichtbar und auch
die Schlundbogen sind eingehend durchgearbeitet. Die seitliche
Bauchwand lässt eine verzweigte Figur erkennen, die nichts Anderes
sein kann als die Vena umbilicalis dextra (S. 205).
Fig. 2. Embryo A. Vergrösserung 20. Die bei der früheren
Darstellung eingezeichnete Risse sind ausgefüllt worden, was man
His, Menschl. Embryonen. III. 17
258 Erklärung der Tafeln,
sicli ohne Gefahr eines Irrthums erlauben durfte. An der alten
Fig. I war das Nasenfeld unverstanden gebliehen , ich hatte dort nur
die jACOBSON'sche Grube eingezeichnet, eine Lücke, die dann durch
die Supplementarfigur Taf. VII a 4 auszufüllen versucht wurde. Die
Gliederung des UnterMeferbogens und des zweiten Schlundbogens
sind sorgfältig durchgeführt. An ersterem erkennt man bereits das
Tuberculum tragicum (S. 212), an letzterem ist die noch sehr zarte
Längstheilung angedeutet. Aus dem hinteren Streifen des zweiten
Bogens wird die Cauda helicis. Das geübte Auge vermag schon auf
dieser Stufe die Hauptabschnitte der Ohrmuschel, die drei Glieder des
Helix und den Anthelix, den Tragus und den Antitragus und sogar
die Taenia lobularis zu erkennen. In Betreff der übrigen Form Verhältnisse verweise ich auf den Text des I. Heftes (I. 1 6 u. ff.).
Fig. 8. Anatomie des Embryo Bl. Vergrösserung, auf den
feuchten Embryo bezogen, 30 fach. Zu äusserst umfassen Gehirn
und Rückenmark den Körper, von denen ersteres bereits in vier
Hauptabtheilungen gegliedert ist. Die secundäre Augenblase beginnt
sich an ihrem basilaren Band zu schliessen. Die auf das Medullarrohr folgende Chorda läuft diesem im Allgemeinen parallel und nur
unterhalb des Nackenhöckers entfernt sie sich von ihm etwas mehr
denn in ihrer übrigen Länge. Hier ist auch die Rückwand des Eingeweiderohres vom Medullarrohr am weitesten abgerückt, während
sie demselben im Bereich der Brückenkrümmung des Gehirns sehr
nahe liegt. Das obere Chordaende verliert sich etwas verbreitert in
der Rückwand der RATHKE'schen Tasche.
Das Eingeweiderohr ist in seinem Kopftheil eröffnet dargestellt,
für den Rumpftheil dagegen ist die Lichtung punktirt angegeben.
Im Mundrachenraum* folgt auf den Unterkiefer die erste Schlundspalte, dann der zweite Schlundbogenwulst und die darunterliegende
nach vorn geöffnete mittlere Anlage der Schilddrüse; der Ort des
Tuberculum impar liegt vor der letzteren. Im Bereich der dritten
Spalte sieht man die durchschnittene Epiglottis, dahinter den noch,
unverhältnissmässig langen Hohlraum für Kehlkopf und Respirationswege. Die Lungenanlage wird von der oberen Hohlvene gekreuzt.
Von den Aortenbogen sind vier durchgängig, der erste ist verkümmert, als Rest desselben hat sich die A. maxillaris erhalten.
Die das Herz umschliessende Parietalhöhle berührt die Vorderwand des Mundrachenraumes, vom Unterkiefer ab bis in die Höhe
der Lungenanlage. Die Leber ist von der Parietalhöhle durch das
Zwerchfell geschieden, das zur Zeit beinahe vertical steht. Die Leber
ist durchsichtig gehalten, man sieht oben die Yv. hepaticae, unten
die Vv. omphalomesentericae nebst den Sinus annulares. Die zwei
oberflächlich liegenden Venen sind : das obere Endstück der früheren
V. umbilicalis dextra und ein Abschnitt vom unteren Stamm.
Darm und Darmstiel sind leicht verständlich, das Gekröse ist
quer schraffirt, dahinter liegt die langgestreckte Urniere, deren
Gang an die Seitenwand der Cloake tritt ; vor der Einmündungssteile
liegt die erste Spur einer Nierenanlage. Die Cloake fällt jenseits
vom Bereich der Leibeshöhle, sie liegt in der compacten Substanz
des Beckentheiles eingebettet. Die Grenze der Leibeshöhle ist
dicht hinter dem Bogen, den die Aorta jederseits bei ihrem Uebergang in die A. umbilicalis bildet. Zwischen den beiden, isolirt dargestellten Nabelarterien ist der in den Bauchstiel hereintretende
Allantoisgang sichtbar, die Yenen der unteren Körperhälfte sind
nicht eingezeichnet.
Fig. 4. Anatomie des Embryo Pr. Yergrösserung, auf
das feuchte Präparat berechnet, ca. 14 fach (20 fach der Schnitte).
Gehirn, Eückenmark und Chorda wie oben. Im Mundrachenraum
ist die Zunge bereits angelegt und die mittlere Schilddrüsenanlage
demgemäss isolirt. Kehlkopf und Pharynx sind bis zu ihrem unteren
Ende offen gezeichnet. Dieselben werden von dem dritten bis fünften Aortenbogen gekreuzt. Die Höhlungen von Trachea, Lungen,
Oesophagus, Magen und Darm sind punktirt. Man bemerkt, wie der
untere Theil der Trachea in die Parietalhöhle hervortritt, während der
obere Theil noch umschlossen ist. Yon der Y. cava superior sinistra
sind die beiden Gekrösblätter (die M. pleuropericardiaca) im Durchschnitt dargestellt. Die Leber ist hier in der Medianebene durchschnitten gedacht, daher sie viel weniger tief erscheint als bei Fig. 3.
Als ein dicker, auf eine kurze Strecke zweigetheilter Stamm tritt
die Y. umbilicalis sinistra von der Bauchwand her zur Leber, hier
nimmt sie die Y. Portae auf und geht alsdann in die vor dem Magen
emporsteigende Y. Aranzii über. Die Yena Portae tritt in einem
Bogen um das Duodenum und kommt von der rechten Seite her an
die Umbilicalis. Ln unteren Körperabschnitt sind der Urnierengang und die nunmehr etwas vergrösserte Nierenanlage sichtbar. Die
Cloake ist bedeutend verkürzt. Im oberen Theile des Bauchstieles
sieht man die Fortsetzung der Leibeshöhle, im unteren Theil sind
punktirt Allantoisgang und die Nabelvene eingezeichnet. Die Urwirbelgliederung des Rumpfes ist an der Figur mit Strichen angegeben.
Fig. 5. E m b r y M. Vergrösserung 40. Es ist der Embryo diesmal nur von der einen, rechten Seite her dargestellt, dafür
ist die Nabelblase mit dazu gezeichnet. Die Formverhältnisse des
Embryo sind im ersten Heft ausführlich erörtert worden, nur in
Betreff des Amnion füge ich noch einige Worte bei. Dasselbe umhüllt den Vorderkopf vollständig, am Hinterkopf dagegen lässt es zur
Zeit noch die vordere Partie des Herzens bez. die Präcardialplatte
frei (wie dies aus den Durchschnitten sicher zu entnehmen ist).
Das Beckenende ist vollständig eingeschlossen und sein Amnionüberzug tritt an den Bauchstiel, mit dem er sich verbindet.
Fig. 6. Embryo SR. Vergrösserung 40. Abgesehen von
der künstlerischen Vervollkommnung, welche diese Figur erfahren
hat, bietet sie einiges neue Detail in ihrem Nabelblasentheil. Einestheils ist die bei der früheren Darstellung vernachlässigte höckerige
Beschaffenheit der Oberfläche wiedergegeben, sodann aber zeigt die
nach mehrfachen photographischen Aufnahmen entworfene Zeichnung in dem an den Embryo anstossenden Theil der Nabelblase
einen breiten hellen Streifen, von dem ich nach den neueren Erfahrungen über Säugethierentwickelung vermuthen möchte, dass er
die Ausdehnuüsr des Gefässblattes bezeichnet.
BERICHTIGUNGEN.
Seite 47 sind die Figurenbezeichnungen je um zwei zu klein angegeben, anstatt
Fig. 28 soll es heissen Fig. 30, anstatt Fig. 29 Fig. 31 u. s. w.
Seite 96 Schlussabschnitt Zeile 3 lese man anstatt „ bereits offene Gruben"
breite offene Gruben.
Druck von J. B. Hirschfeld in Leipzig.
Verlag von F. Q. W. VOGEL in Leipzig.
His, Prof. Dr. W. (Leipzig). Anatomie menscliliclier Embryonen.
I. Embryonen des ersten Monats. Text mit 17 Abbildungen und Atlas
(Tafel I— VIII). gr. 8. 30 M.
II. Gestalt- und Grössenentwicklung bis zum Schluss des 2. Monats.
Text mit 67 Abbildungen, gr. 8. 5 M.
III. Zur Geschichte der Organe. Text mit 156 Abbildungen und Atlas.
(Taff. IX -XIV u. I*.) (Text apart 8 M.) 40 M.
Untersuchungen über die erste Anlage des Wirb elthi erLeib es. Die erste Entwicklung des Hühnchens im Ei. Mit 12 Tafeln,
gr. 4. 37 M. 50 Pf.
Untersuchungen über das Ei und die Eientwicklung bei Knochen
fischen. Mit 4 Tafeln, gr. 4. 10 M. 50 Pf.
Unsere Kör per form und das physiologische Problem ihrer Ent
stehung. Briefe an einen befreundeten Naturforscher. Mit 104 Holzschnitten, gr. 8. 5 M. 50 Pf.
ßetzius, Prof. Dr. G. (Stockholm). Biologische Untersuchungen.
L u. IL Jahrgang. 1881/82. Mit 22 Tafeln. 4. 24 M.
Brass, Dr. A. (Leipzig). Grundriss der Anatomie, Physiologie und
Entwickelungsgeschiclite des Menschen. Für Studirende und
Laien. Mit 66 Abbildungen, gr. 8. 7 M.
Edinger, Dr. L. (Frankfurt a.M.). Zehn Vorlesungen über den Bau der
nervösen Centralorgan e. Mit 120 Abbildgn, Lex. 8. 1885. 6 M.
Flemming, Prof. Dr. W. (Kiel). Zellsubstanz, Kern und Z.ellth eilung. Mit 24 Textbildern und 8 Tafeln, gr. 8. 16 M.
Gessler, Dr. II. (München). Die motorische Endplatte und ihre
Bedeutung für die periphere Lähmung. Mit 4 chromolithographirten Tafeln, gr. 8. 1885. 5 M.
Hauser, Dr. G. (Erlangen). Ueber Fäulnissbacterien und deren
Beziehungen zur Septicämie. Ein Beitrag zur Morphologie der
Spaltpilze. Mit 15 Tafeln in Lichtdruck. Lex.-8. 1885. 12 M.
Johne, Prof. Dr. A. (Dresden). Ueber die Koch' sehen Reinculturen
und die Cholerabacillen. Erinnerungen aus dem Cholera-Cursus
im k. Gesundheitsamte zu Bei'lin. Für Aerzte und gebildete Laien.
Separat- Abdruck. Erste und Zweite Auflage, gr. 8. 1885. SO Pf.
Pommer, Dr. G. (Privatdocent in Graz). Untersuchungen über Osteomalacie und Rachitis nebst Beiträgen zur Kenntniss der Knochenresorption und -apposition in verschiedenen Altersperioden und der
durchbohrenden Gefässe. Mit 7 lithogr. Tafeln. Lex.-8. 1885. 20 M.






Druck von J. B. Hirschfeld, Leipzig.
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Wilhelm His

Anatomy Of Human Embryos Published in German in Two Volumes Anatomy Of Human Embryos I (1880) and Anatomy Of Human Embryos II (1882)

His1880 title page.jpg His1882 title page.jpg
Anatomy Of Human Embryos I

ANATOMIE MENSCHLICHER EMBRYONEN


VON

WILHELM HIS.


II. GESTALT- UND GRÖSSENENTWICKLÜNG BIS ZUM SCHLÜSS DES 2. MONATS.


MIT 67 FIGUREN IM TEXT.


LEIPZIG, VERLAG VON F. C.W.VOGEL.

1882.


Dieses U. Heft ist auch einzeln käuflich.

Heft ni. (Entwicklung der Organe) mit zugehörigen Ta£eln wird Ende des Jahres erscheinen.


MEDICINISCHER YERLAG VON F. C.W. YOGEL IN LEIPZIG.


Handbuch der Physiologie

der

ZEUGUNG


von

Prof. Dr. V. Hensen in Kiel.

Mit 48 Abbildungen, gr. 8. 1881. 8 Mark. (Hermann's Handbucli der Physiologie VI. Band. 2. Theil.)

Handbucli der Krankheiten

der

Weiblichen Geschlechtsorgane

von Dr. CARL SCHROEDER,

Professor der Gynäkologie in Berlin.

5. umgearbeitete Auflage.

Mit 174 Holzsclinitten. gr. 8. 1881; 10 Mark.

(v. Ziemssen's Spec. Pathologie und Therapie. X. Band.)

Das scoliotisch und kyphoscoliotisch Rachitische JBecken.

Nach eigenen TJntersucliungen an der Leibenden und an Präparaten

von

Dr. C. 6f. Leopold in Leipzig. Mit 15 pbotogr. Tafeln, gr. 4. 1879. 24 Mark.

Im August d. J. wird erscheinen:

PESTSCMIPT

zur

IT'eier des SOOjälirigeii Besteliens

der

Julius -Maximilians -Universität

zu WÜRZBURa.

Gewidmet von der

Medicinisclien Facultät daselbst.

Mit Tafeln, gr. 4. 2 Bände, ca. 70 Bogen.



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